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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 12.02.2003
Aktenzeichen: C-23/02
Rechtsgebiete: Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko, Verfahrensordnung


Vorschriften:

Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko Art. 41
Verfahrensordnung Art. 104 § 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 41 Absatz 1 des Kooperationsabkommens zwischen der EWG und Marokko ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehrt, einem in seinem Hoheitsgebiet wohnenden Arbeitnehmer marokkanischer Staatsangehörigkeit den Anspruch auf eine Alterszulage, die den Grundbetrag der Arbeitslosenunterstützung erhöht, allein mit der Begründung zu versagen, dass kein internationales Übereinkommen die Berücksichtigung der Beschäftigungszeiten vorsehe, die der Betroffene in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt habe, während für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats sind, eine solche Voraussetzung nicht besteht.

Diese Bestimmung, die unmittelbare Wirkung hat, so dass sich die Rechtsbürger, auf die sie anwendbar ist, vor den nationalen Gerichten auf sie berufen können, verbietet nämlich jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende Diskriminierung auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit der marokkanischen Wanderarbeitnehmer und der mit ihnen zusammenlebenden Familienangehörigen gegenüber den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, in denen sie beschäftigt sind oder waren. Dieses Verbot impliziert, dass die in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung des Abkommens fallenden Personen Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit unter denselben Voraussetzungen haben wie die Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats, ohne dass dessen Rechtsvorschriften für diese Personen zusätzliche oder strengere Voraussetzungen vorsehen dürfen, als für die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats gelten. Es ist daher als mit diesem Verbot unvereinbar anzusehen, wenn auf die von Artikel 41 Absatz 1 des Abkommens erfassten Personen nicht nur das Erfordernis der Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaats angewandt wird, sondern auch jede andere Voraussetzung, die für die Inländer nicht gilt, wie die in der nationalen Regelung über die Alterszulage, die den Grundbetrag der Arbeitslosenunterstützung erhöht, vorgesehene Voraussetzung, wonach die Berücksichtigung der im Ausland geleisteten Arbeit nur für ausländische und staatenlose Arbeitnehmer vom Bestehen eines internationalen Übereinkommens abhängig ist.

( vgl. Randnrn. 22, 30-33, 41 und Tenor )


Beschluss des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 12. Februar 2003. - Office national de l'emploi gegen Mohamed Alami. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Cour de cassation - Belgien. - Artikel 104 § 3 der Verfahrensordnung - Kooperationsabkommen EWG-Marokko - Artikel 41 - Grundsatz der Nichtdiskriminierung im Bereich der sozialen Sicherheit - Tragweite - Leistung bei Arbeitslosigkeit. - Rechtssache C-23/02.

Parteien:

In der Rechtssache C-23/02

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG von der Cour de cassation (Belgien) in dem bei dieser anhängigen Rechtsstreit

Office national de l'emploi

gegen

Mohamed Alami

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 41 des am 27. April 1976 in Rabat unterzeichneten und vom Rat mit der Verordnung (EWG) Nr. 2211/78 vom 26. September 1978 (ABl. L 264, S. 1) im Namen der Gemeinschaft genehmigten Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten R. Schintgen (Berichterstatter) sowie des Richters V. Skouris und der Richterin N. Colneric,

Generalanwalt: S. Alber,

Kanzler: R. Grass,

nach Unterrichtung des vorlegenden Gerichts über die Absicht des Gerichtshofes, gemäß Artikel 104 § 3 seiner Verfahrensordnung durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

nachdem den Verfahrensbeteiligten gemäß Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes Gelegenheit zur Äußerung hierzu gegeben worden ist,

nach Anhörung des Generalanwalts

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

1 Die Cour de cassation hat mit Urteil vom 6. November 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Januar 2002, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung des Artikels 41 des am 27. April 1976 in Rabat unterzeichneten und vom Rat mit der Verordnung (EWG) Nr. 2211/78 vom 26. September 1978 (ABl. L 264, S. 1) im Namen der Gemeinschaft genehmigten Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko (im Folgenden: Abkommen) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Office national de l'emploi belge (im Folgenden: ONEM) und dem marokkanischen Staatsangehörigen Mohamed Alami wegen der Weigerung, diesem eine Leistung bei Arbeitslosigkeit zu gewähren.

Rechtlicher Rahmen

Das Abkommen

3 Artikel 41 des Abkommens, der zu dessen Titel III (Zusammenarbeit im Bereich der Arbeitskräfte) gehört, bestimmt:

(1) Vorbehaltlich der folgenden Absätze wird den Arbeitnehmern marokkanischer Staatsangehörigkeit und den mit ihnen zusammenlebenden Familienangehörigen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit eine Behandlung gewährt, die keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, in denen sie beschäftigt sind, bewirkt.

(2) Für diese Arbeitnehmer werden die in den einzelnen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungs-, Beschäftigungs- bzw. Aufenthaltszeiten bei den Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenrenten sowie der Krankheitsfürsorge für sie und ihre innerhalb der Gemeinschaft wohnenden Familienangehörigen zusammengerechnet.

(3) Diese Arbeitnehmer erhalten die Familienzulagen für ihre innerhalb der Gemeinschaft wohnenden Familienangehörigen.

(4) Diese Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, Alters- und Hinterbliebenenrenten und Renten bei Arbeitsunfall, Berufskrankheit oder Erwerbsunfähigkeit, wenn diese durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursacht wurde, zu den gemäß den Rechtsvorschriften des Schuldnermitgliedstaats bzw. der Schuldnermitgliedstaaten geltenden Sätzen frei nach Marokko zu transferieren.

..."

Die nationale Regelung

4 Nach Artikel 126 der Königlichen Verordnung vom 25. November 1991 über Bestimmungen bei Arbeitslosigkeit (Moniteur belge vom 31. Dezember 1991, S. 29888, im Folgenden: Königliche Verordnung) wird der Basistagessatz der Arbeitslosenunterstützung im Sinne von Artikel 114 dieser Verordnung um eine Alterszulage erhöht, wenn der Arbeitslose bestimmte Voraussetzungen erfuellt.

5 So muss der Betroffene u. a.

- vollarbeitslos sein,

- am letzten Tag des betreffenden Monats das 50. Lebensjahr erreicht haben und

- eine zwanzigjährige Berufstätigkeit als Arbeitnehmer im Sinne des Artikels 114 Absatz 4 der Königlichen Verordnung aufweisen.

6 Artikel 70 Absatz 1 des Ministerialerlasses vom 26. November 1991 über Durchführungsmodalitäten der Bestimmungen bei Arbeitslosigkeit (Moniteur belge vom 25. Januar 1992, S. 1593) sieht vor:

Zur Durchführung des Artikels 114 Absatz 4 der Königlichen Verordnung sind unter Berufstätigkeit als Arbeitnehmer zu verstehen:

1. die Arbeitstage gemäß Artikel 37 der Königlichen Verordnung...;

2. die diesen gleichgestellten Tage gemäß Artikel 38 der Königlichen Verordnung mit Ausnahme der Tage der Vollarbeitslosigkeit...."

7 Titel II (Arbeitslosenunterstützung) Kapitel II (Voraussetzungen für die Gewährung) Abschnitt 1 (Anwartschaft) Unterabschnitt 3 (Arbeitstage und diesen gleichgestellte Tage) der Königlichen Verordnung enthält die Artikel 37 und 38.

8 Artikel 37 Absatz 2 der Königlichen Verordnung bestimmt:

Die im Ausland geleistete Arbeit wird berücksichtigt, wenn sie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses geleistet wurde, das in Belgien zur Einbehaltung von Beiträgen zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung führen würde."

9 Artikel 38 Absatz 2 der Königlichen Verordnung lautet:

Die Tage, in denen der Arbeitnehmer aufgrund einer in Absatz 1 genannten Situation nicht in der Lage war, seiner Arbeit im Ausland nachzugehen, werden berücksichtigt, soweit sie in Belgien als gleichgestellte Tage angesehen würden."

10 Im selben Titel II Kapitel II der Königlichen Verordnung sieht Artikel 43, der Abschnitt 3 (Ausländische und staatenlose Arbeitnehmer) bildet, vor:

Die Artikel... 37 Absatz 2 und 38 Absatz 2 sind nur innerhalb der Grenzen eines internationalen Übereinkommens anwendbar...."

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

11 Aus den Akten des Ausgangsverfahrens geht hervor, dass Herr Alami ein marokkanischer Wanderarbeitnehmer ist, der in Belgien wohnt und dort Arbeitslosenunterstützung erhält.

12 Im Alter von über fünfzig beantragte er die in Artikel 126 der Königlichen Verordnung vorgesehene Alterszulage.

13 Mit Entscheidung vom 12. Oktober 1993 lehnte das ONEM diesen Antrag mit der Begründung ab, dass Herr Alami die nach Artikel 126 erforderliche zwanzigjährige Berufstätigkeit als Arbeitnehmer im Sinne des Artikels 114 Absatz 4 der Königlichen Verordnung nicht nachgewiesen habe. In Belgien habe er nämlich nicht so lange gearbeitet, und seine in Frankreich - ebenfalls als Arbeitnehmer - erbrachten Arbeitsleistungen könnten mangels eines entsprechenden internationalen Übereinkommens, das nach Artikel 43 Absatz 1 dieser Verordnung ausdrücklich erforderlich sei, nicht berücksichtigt werden.

14 Herr Alami erhob gegen diese Entscheidung Klage beim Tribunal du travail Lüttich (Belgien).

15 Dieses Gericht, das von Amts wegen die Frage der Anwendbarkeit des Abkommens aufwarf, wies die Klage jedoch ab. In seinem Urteil vom 25. Mai 1998 vertrat es die Ansicht, dass die Zusammenrechnung der Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten im Bereich der Arbeitslosigkeit, die in Artikel 41 Absatz 2 des Abkommens nicht vorgesehen sei, auch nicht nach dem in Artikel 41 Absatz 1 des Abkommens verankerten Grundsatz der Nichtdiskriminierung im Bereich der sozialen Sicherheit geboten sei.

16 Herr Alami legte daher Berufung bei der Cour du travail Lüttich (Belgien) ein, die mit Urteil vom 19. November 1999 das erstinstanzliche Urteil abänderte und entschied, dass die Alterszulage in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem der Arbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat erbrachte Arbeitsleistungen geltend macht, um in Belgien diese Zulage zu erhalten, auf der alleinigen Grundlage des Artikels 41 Absatz 1 des Abkommens in der Auslegung durch den Gerichtshof in seinem Urteil vom 31. Januar 1991 in der Rechtssache C-18/90 (Kziber, Slg. 1991, I-199) gewährt werden könne. Artikel 41 Absatz 2 des Abkommens beziehe sich zwar nicht auf die Zusammenrechnung der in verschiedenen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten im Hinblick auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit, das in Artikel 41 Absatz 1 verankerte Diskriminierungsverbot im Bereich der sozialen Sicherheit reiche im vorliegenden Fall aber aus, um es zu ermöglichen, die von Herrn Alami in einem anderen Mitgliedstaat erbrachten Arbeitsleistungen - unabhängig vom Bestehen eines internationalen Übereinkommens in dieser Hinsicht - für die Gewährung der Alterszulage unter denselben Voraussetzungen, wie sie für Arbeitnehmer vorgesehen seien, die Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats seien, zu berücksichtigen.

17 Das ONEM macht zur Begründung der Kassationsbeschwerde, die es gegen dieses Urteil eingelegt hat, im Wesentlichen geltend, dass die Alterszulage nach Artikel 43 Absatz 1 der Königlichen Verordnung einem ausländischen Arbeitnehmer nur insoweit gewährt werden könne, als ihm ein internationales Übereinkommen diesen Anspruch zuerkenne. Dies sei bei dem Abkommen nicht der Fall, da sein Artikel 41 Absatz 2 keine Regelung über die Zusammenrechnung von in verschiedenen Mitgliedstaaten zurückgelegten Zeiten im Hinblick auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit vorsehe. Da Artikel 41 Absatz 1 bestimme, dass er [v]orbehaltlich der folgenden Absätze" anwendbar sei und dieser Vorbehalt bedeute, dass das Diskriminierungsverbot, das Gegenstand dieses Absatzes 1 sei, nur in den Grenzen der in den Absätzen 2 ff. dieses Artikels aufgestellten Bedingungen gelte, finde die Regel der Nichtdiskriminierung der in einem Mitgliedstaat beschäftigten marokkanischen Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitnehmern, die die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besäßen, auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit keine Anwendung. Folglich verstoße das Urteil der Cour du travail Lüttich gegen Artikel 41 des Abkommens.

18 Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Verwehrt es das [Abkommen] einem Mitgliedstaat, für die Feststellung, ob ein Arbeitnehmer marokkanischer Staatsangehörigkeit eine Alterszulage, die den Grundbetrag seiner Arbeitslosenunterstützung erhöht, erhalten kann, nur die von diesem in seinem Hoheitsgebiet als Arbeitnehmer zurückgelegten Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen?

Zur Vorlagefrage

19 Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 41 Absatz 1 des Abkommens dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat verwehrt, einem in seinem Hoheitsgebiet wohnenden Arbeitnehmer marokkanischer Staatsangehörigkeit den Anspruch auf eine Alterszulage, die den Grundbetrag der Arbeitslosenunterstützung erhöht, allein mit der Begründung zu versagen, dass kein internationales Übereinkommen die Berücksichtigung der Beschäftigungszeiten vorsehe, die der Betroffene in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt habe, während für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats sind, keine solche Voraussetzung besteht.

20 Da der Gerichtshof der Auffassung ist, dass die Antwort auf diese Frage klar aus seiner Rechtsprechung abgeleitet werden kann, hat er nach Artikel 104 § 3 seiner Verfahrensordnung das vorlegende Gericht über seine Absicht unterrichtet, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, und den in Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes bezeichneten Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

21 Nur die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission haben innerhalb der gesetzten Frist Erklärungen abgegeben. Sie haben sich mit der Absicht des Gerichtshofes, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, einverstanden erklärt.

22 Für die Beantwortung der Vorlagefrage ist erstens daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung Artikel 41 Absatz 1 des Abkommens unmittelbare Wirkung hat, so dass die Einzelnen, auf die er anwendbar ist, das Recht haben, sich vor den nationalen Gerichten auf ihn zu berufen (Urteile Kziber, Randnrn. 15 bis 23, vom 20. April 1994 in der Rechtssache C-58/93, Yousfi, Slg. 1994, I-1353, Randnrn. 16 bis 19, und vom 3. Oktober 1996 in der Rechtssache C-126/95, Hallouzi-Choho, Slg. 1996, I-4807, Randnrn. 19 und 20, sowie - im Wege der Analogie - Urteile vom 5. April 1995 in der Rechtssache C-103/94, Krid, Slg. 1995, I-719, Randnrn. 21 bis 24, und vom 15. Januar 1998 in der Rechtssache C-113/97, Babahenini, Slg. 1998, I-183, Randnrn. 17 und 18, die zu dem mit Artikel 41 Absatz 1 des Abkommens gleichlautenden Artikel 39 Absatz 1 des am 26. April 1976 in Algier unterzeichneten und vom Rat im Namen der Gemeinschaft durch die Verordnung [EWG] Nr. 2210/78 vom 26. September 1978 [ABl. L 263, S. 1] genehmigten Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien ergangen sind).

23 Was zweitens die Tragweite von Artikel 41 Absatz 1 des Abkommens angeht, so hat der Gerichtshof wiederholt entschieden (Urteile Kziber, Randnr. 25, Yousfi, Randnr. 24, und Hallouzi-Choho, Randnr. 25, sowie - im Wege der Analogie - Urteile Krid, Randnr. 32, und Babahenini, Randnr. 26), dass der in dieser Vorschrift enthaltene Begriff der sozialen Sicherheit ebenso aufzufassen ist wie der gleichlautende Begriff in der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung (ABl. L 230, S. 6, im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71).

24 Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 führt die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallenden Zweige der sozialen Sicherheit auf, u. a. die Leistungen bei Arbeitslosigkeit; die Alterszulage, um die es im Ausgangsverfahren geht, stellt nur einen weiteren Bestandteil dieser Leistungen dar (in diesem Sinne Urteil Kziber, Randnr. 25).

25 Der Umstand, dass Artikel 41 Absatz 2 des Abkommens im Gegensatz zur Verordnung Nr. 1408/71 die Leistungen bei Arbeitslosigkeit nicht unter den Systemen aufführt, bei denen die Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten zusammengerechnet werden, kann nicht dazu führen, dass diese Leistungen, die traditionell als Zweig der sozialen Sicherheit betrachtet werden, vom Begriff der sozialen Sicherheit im Sinne des Abkommens ausgeschlossen werden (in diesem Sinne Urteil Kziber, Randnr. 26).

26 Folglich fallen Leistungen wie die Zulage des Ausgangsverfahrens in den sachlichen Anwendungsbereich von Artikel 41 Absatz 1 des Abkommens.

27 Der Gerichtshof hat außerdem entschieden, dass der Begriff Arbeitnehmer" in Artikel 41 Absatz 1 des Abkommens sowohl aktive als auch solche Arbeitnehmer umfasst, die aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind, nachdem sie das für die Gewährung einer Altersrente erforderliche Alter erreicht haben oder nachdem bei ihnen eines der Risiken eingetreten ist, das Anspruch auf Leistungen im Rahmen anderer Zweige der sozialen Sicherheit eröffnet (u. a. Urteil Kziber, Randnr. 27).

28 Es steht fest, dass Herr Alami marokkanischer Staatsangehöriger ist und zuletzt in Belgien gearbeitet hat, wo er derzeit wohnt und wo er Arbeitslosenunterstützung bezieht, nachdem er seinen Arbeitsplatz verloren hat.

29 Ein solcher Arbeitnehmer gehört somit zu denen, für die Artikel 41 Absatz 1 des Abkommens gilt.

30 Schließlich entspricht es ebenfalls ständiger Rechtsprechung, dass das in Artikel 41 Absatz 1 des Abkommens verankerte Verbot jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden Diskriminierung auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit der marokkanischen Wanderarbeitnehmer und der mit ihnen zusammenlebenden Familienangehörigen gegenüber den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, in denen sie beschäftigt sind oder waren, bedeutet, dass die von dieser Bestimmung erfassten Personen so zu behandeln sind, als wären sie Staatsangehörige der betreffenden Mitgliedstaaten (u. a. Urteil Hallouzi-Choho, Randnr. 35).

31 Dieses Verbot impliziert also, dass die in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung des Abkommens fallenden Personen Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit unter denselben Voraussetzungen haben wie die Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats, ohne dass dessen Rechtsvorschriften für diese Personen zusätzliche oder strengere Voraussetzungen vorsehen dürfen, als für die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats gelten (u. a. Urteil Hallouzi-Choho, Randnr. 36, sowie - im Wege der Analogie - Urteile Babahenini, Randnr. 29, und vom 4. Mai 1999 in der Rechtssache C-262/96, Sürül, Slg. 1999, I-2685, Randnr. 97).

32 Es ist daher als mit diesem Verbot unvereinbar anzusehen, wenn auf die von Artikel 41 Absatz 1 des Abkommens erfassten Personen nicht nur das Erfordernis der Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaats angewandt wird, sondern auch jede andere Voraussetzung, die für die Inländer nicht gilt (Urteile Hallouzi-Choho, Randnr. 37, und - im Wege der Analogie - Babahenini, Randnr. 30).

33 Im vorliegenden Fall macht die nationale Regelung über die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Alterszulage die Berücksichtigung der im Ausland geleisteten Arbeit nur für ausländische und staatenlose Arbeitnehmer" vom Bestehen eines internationalen Übereinkommens abhängig, während eine solche Voraussetzung für Arbeitnehmer belgischer Staatsangehörigkeit, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Belgien eine Arbeitnehmertätigkeit ausgeübt haben, nicht gilt.

34 Folglich ist eine solche nationale Regelung mit dem in Artikel 41 Absatz 1 des Abkommens verankerten Grundsatz der Nichtdiskriminierung unvereinbar, der es einem Mitgliedstaat verwehrt, einem marokkanischen Staatsangehörigen den Anspruch auf eine Leistung wie die Alterszulage, die den Grundbetrag der Arbeitslosenunterstützung erhöht, zu versagen, die in der nationalen Regelung für Arbeitslose vorgesehen ist, die älter als fünfzig Jahre sind und eine zwanzigjährige Arbeitnehmertätigkeit nachweisen können, sofern diese Leistung einem Inländer, der sich in der gleichen Lage befindet, gewährt werden kann.

35 Das ONEM macht jedoch geltend, der Gerichtshof habe in Randnummer 18 des Urteils Kziber ausgeführt, dass der Umstand, dass nach Artikel 41 Absatz 1 des Abkommens das darin aufgestellte Diskriminierungsverbot nur vorbehaltlich der folgenden Absätze gelte, bedeute, dass dieses Verbot für die Zusammenrechnung von Versicherungs-, Beschäftigungs- oder Aufenthaltszeiten, die Gewährung von Familienzulagen und den Transfer von Renten nach Marokko nur in den Grenzen der in den Absätzen 2, 3 und 4 des Artikels 41 festgelegten Voraussetzungen gewährleistet sei. Die Grenzen, in denen die Zusammenrechnung erfolgen könne, seien in Absatz 2 dieser Vorschrift genannt, wonach die Zusammenrechnung der Versicherungs-, Beschäftigungs- oder Aufenthaltszeiten nur bei den Renten und der Krankheitsfürsorge zulässig sei; dagegen sehe diese Vorschrift keine Zusammenrechnung für die Arbeitslosenunterstützung vor. Das ONEM zieht daraus den Schluss, dass das Abkommen das Verbot der Diskriminierung marokkanischer Arbeitnehmer nicht auf diese Leistung erstrecke.

36 Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

37 Insoweit ist zunächst festzustellen, dass Randnummer 18 des Urteils Kziber, auf die das ONEM seine Argumentation stützt, zu dem Teil des Urteils gehört, der der unmittelbaren Wirkung von Artikel 41 Absatz 1 des Abkommens gewidmet ist, und dass der Gerichtshof in derselben Randnummer ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass der in diese Vorschrift aufgenommene Vorbehalt nicht so verstanden werden kann, dass er dem Diskriminierungsverbot bei allen Fragen, die sich im Bereich der sozialen Sicherheit stellen, mit Ausnahme derjenigen, die Gegenstand der Absätze 2, 3 und 4 dieses Artikels sind, seinen unbedingten Charakter nimmt.

38 Wie sich aus den Randnummern 33 und 34 des vorliegenden Beschlusses ergibt, betrifft der Ausgangsrechtsstreit keine technischen Probleme hinsichtlich der Zusammenrechnung der in verschiedenen Mitgliedstaaten zurückgelegten Beschäftigungszeiten, sondern nur die Anwendung des in Artikel 41 Absatz 1 des Abkommens verankerten Verbotes der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, um es Herrn Alami zu ermöglichen, im Aufnahmemitgliedstaat nach dessen Rechtsvorschriften eine Leistung der sozialen Sicherheit unter denselben Voraussetzungen zu beanspruchen, wie sie für die Angehörigen dieses Staates gelten (vgl. - im Wege der Analogie - Urteil Sürül, Randnr. 55). Dieses Verbot impliziert nämlich nur, dass Personen, die in den Anwendungsbereich des Abkommens fallen, den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats gleichzustellen sind.

39 Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die vom ONEM vertretene Auslegung nicht nur im Widerspruch zu den Feststellungen in den Randnummern 25 und 26 des vorliegenden Beschlusses steht - die unmittelbar aus Randnummer 26 des Urteils Kziber abgeleitet sind, wonach die Leistungen bei Arbeitslosigkeit in den Anwendungsbereich von Artikel 41 Absatz 1 des Abkommens fallen -, sondern auch dazu angetan wäre, dieser Vorschrift einen wesentlichen Teil ihrer praktischen Wirksamkeit zu nehmen.

40 Schließlich ist zu bemerken, dass die Rechtssache, die zum Urteil Kziber geführt hat, in jeder Hinsicht mit der bei der Cour de cassation anhängigen Rechtssache vergleichbar ist. In beiden Fällen geht es um Leistungen bei Arbeitslosigkeit und sieht die einschlägige belgische Regelung vor, dass die ausländischen und staatenlosen Arbeitnehmer diese Leistungen nur in den Grenzen eines internationalen Übereinkommens beanspruchen können, während für Inländer keine solche Voraussetzung gilt. Daraus folgt, dass die Lösung, die der Gerichtshof im Urteil Kziber vertreten hat, auf das Ausgangsverfahren anzuwenden ist.

41 Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Artikel 41 Absatz 1 des Abkommens dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat verwehrt, einem in seinem Hoheitsgebiet wohnenden Arbeitnehmer marokkanischer Staatsangehörigkeit den Anspruch auf eine Alterszulage, die den Grundbetrag der Arbeitslosenunterstützung erhöht, allein mit der Begründung zu versagen, dass kein internationales Übereinkommen die Berücksichtigung der Beschäftigungszeiten vorsehe, die der Betroffene in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt habe, während für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats sind, eine solche Voraussetzung nicht besteht.

Kostenentscheidung:

Kosten

42 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

auf die ihm von der Cour de cassation (Belgien) mit Urteil vom 6. November 2000 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Artikel 41 Absatz 1 des am 27. April 1976 in Rabat unterzeichneten und vom Rat mit der Verordnung (EWG) Nr. 2211/78 vom 26. September 1978 im Namen der Gemeinschaft genehmigten Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehrt, einem in seinem Hoheitsgebiet wohnenden Arbeitnehmer marokkanischer Staatsangehörigkeit den Anspruch auf eine Alterszulage, die den Grundbetrag der Arbeitslosenunterstützung erhöht, allein mit der Begründung zu versagen, dass kein internationales Übereinkommen die Berücksichtigung der Beschäftigungszeiten vorsehe, die der Betroffene in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt habe, während für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats sind, eine solche Voraussetzung nicht besteht.

Ende der Entscheidung

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