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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.12.1992
Aktenzeichen: C-231/91
Rechtsgebiete: EWGV, VO Nr. 798/80/EWG, VO Nr. 565/80/EWG, VO Nr. 2267/84/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 177
VO Nr. 798/80/EWG Art. 11
VO Nr. 798/80/EWG Art. 2 Abs. 1
VO Nr. 565/80/EWG Art. 5 Abs. 1
VO Nr. 2267/84/EWG Art. 5
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2267/84 über eine Beihilfe zur privaten Lagerhaltung für Rindfleisch enthält eine Ausnahme zu Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung Nr. 798/80, der die Frist festlegt, innerhalb deren Waren, die für die Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen in Frage kommen, im Zollager- oder Freizonenverfahren verbleiben dürfen, indem er die Frist, innerhalb deren Waren, die Gegenstand eines privaten Lagerhaltungsvertrages nach der Verordnung Nr. 2267/84 sind, gleichzeitig in einem dieser Zollverfahren verbleiben dürfen, von sechs auf zwölf Monate verlängert. Artikel 6 Absatz 2 verändert hingegen nicht den Beginn der Frist, innerhalb deren die Waren im Zollverfahren verbleiben dürfen, selbst wenn die Einlagerungsvorgänge im Hinblick auf die Beihilfe zur privaten Lagerhaltung am Tag des Fristbeginns noch nicht beendet sind. In einem solchen Fall läuft die Frist, innerhalb deren Waren, die Gegenstand eines privaten Lagerhaltungsvertrages sind, gleichzeitig im Zollager- oder Freizonenverfahren verbleiben dürfen, vor der Frist ab, die der Ausführer wegen der ihm gewährten Beihilfe zur privaten Lagerhaltung zu beachten hat.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ZWEITE KAMMER) VOM 10. DEZEMBER 1992. - ANNUSS GMBH & CO KG GEGEN HAUPTZOLLAMT HAMBURG-JONAS. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: FINANZGERICHT HAMBURG - DEUTSCHLAND. - RINDFLEISCH - BEIHILFE ZUR PRIVATEN LAGERHALTUNG - ERSTATTUNGEN BEI DER AUSFUHR - FRIST, INNERHALB DEREN WAREN IN PRIVATER LAGERHALTUNG ZUGLEICH IM ZOLLAGER- ODER FREIZONENVERFAHREN VERBLEIBEN DUERFEN. - RECHTSSACHE C-231/91.

Entscheidungsgründe:

1 Das Finanzgericht Hamburg hat mit Beschluß vom 27. Mai 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 16. September 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 11 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 798/80 der Kommission vom 31. März 1980 über Durchführungsvorschriften für die Vorfinanzierung von Ausfuhrerstattungen und positiven Währungsausgleichsbeträgen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 87, S. 42) und des Artikels 6 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2267/84 der Kommission vom 31. Juli 1984 zur Gewährung einer im voraus pauschal festgesetzten Beihilfe zur privaten Lagerhaltung von Schlachtkörpern, halben Schlachtkörpern, Hintervierteln und Vordervierteln von Rindern (ABl. L 208, S. 31) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Annuß GmbH & Co. KG (im weiteren: Klägerin) und dem Hauptzollamt Hamburg-Jonas (im weiteren: Beklagter), das im voraus gezahlte Ausfuhrerstattungen mit der Begründung zurückgefordert hatte, die Klägerin habe eine im einschlägigen Gemeinschaftsrecht niedergelegte Frist überschritten.

3 Folgende Vorschriften des Gemeinschaftsrechts sind einschlägig.

4 Gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 565/80 des Rates vom 4. März 1980 über die Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. L 62, S. 5) wird den Wirtschaftsteilnehmern auf Antrag ein der Ausfuhrerstattung entsprechender Betrag gezahlt, sobald die Waren im Hinblick auf ihre Ausfuhr innerhalb einer bestimmten Frist einem Zollagerverfahren oder Freizonenverfahren unterworfen worden sind.

5 Gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 798/80 findet die Vorauszahlung der Erstattungen nur Anwendung, wenn bei den Zollbehörden eine Zahlungserklärung des Ausführers vorliegt, in der er sich verpflichtet, Waren im Anschluß an die Lagerung in einem Zollagerverfahren oder Freizonenverfahren auszuführen und eine Erstattung zu beantragen. Gemäß Artikel 3 Absatz 1 dieser Verordnung sind die Waren vom Tag der Annahme der Zahlungserklärung an unter Zollkontrolle zu stellen.

6 Nach Artikel 11 Absatz 2 dieser Verordnung beträgt die Lagerfrist für die Waren im Zollager- oder Freizonenverfahren bis zu sechs Monate von dem Tag an, an dem die Zahlungserklärung angenommen wurde.

7 Voraussetzung für die Gewährung der im voraus pauschal festgesetzten Beihilfe zur privaten Lagerhaltung ist ausserdem der Abschluß eines Vertrags zwischen dem Einlagernden und dem Lagerhalter. Gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2267/84 beträgt die Lagerdauer, die vom Einlagernden bei der Stellung des Antrags auf die Beihilfe zu beantragen ist, 9, 10, 11 oder 12 Monate.

8 Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2267/84 entsteht ein Recht auf Zahlung der Beihilfe erst, wenn das Fleisch die ganze Lagerdauer hindurch eingelagert gewesen ist; gemäß Artikel 7 Absatz 1 dieser Verordnung kann der Vertragspartner jedoch nach Ablauf von zwei Monaten Lagerdauer die vertragliche Fleischmenge ganz oder teilweise, mindestens aber 10 Tonnen, auslagern. In diesem Fall verringert sich der Beihilfebetrag entsprechend.

9 Der erste Tag der Lagerzeit ist gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1091/80 der Kommission vom 2. Mai 1980 über Durchführungsbestimmungen für die Gewährung von Beihilfen für die private Lagerhaltung von Rindfleisch (ABl. L 114, S. 18) in der Fassung der Änderungsverordnung Nr. 2826/82 vom 22. Oktober 1982 (ABl. L 297, S. 18) der Tag, der auf den Tag der Beendigung der Einlagerungsvorgänge folgt.

10 Gemäß Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1091/80 in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2629/80 vom 14. Oktober 1980 (ABl. L 270, S. 9) geänderten Fassung konnten die Beihilfen zur privaten Lagerhaltung und die Vorfinanzierung der Ausfuhrerstattung grundsätzlich nicht gleichzeitig auf dasselbe Erzeugnis angewandt werden.

11 Angesichts der aussergewöhnlichen Marktlage für Rindfleisch und als Anreiz für die Wirtschaft, von der privaten Lagerhaltung Gebrauch zu machen, sah die Kommission jedoch später für einen begrenzten Zeitraum eine Ausnahme von dem Verbot vor, diese beiden Verfahren zu kumulieren; diese ist in Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2267/84 niedergelegt.

12 Im Hinblick auf die vertraglichen Lagerzeiten hielt es die Kommission für erforderlich, in Artikel 6 Absatz 2 dieser Verordnung eine Ausnahme von Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung Nr. 798/80 vorzusehen und die Frist, innerhalb deren die Waren, die Gegenstand eines privaten Lagerhaltungsvertrags waren, gleichzeitig im Zollager- oder Freizonenverfahren verbleiben durften, von sechs auf neun Monate zu erhöhen.

13 Seitdem wurde diese Frist durch Artikel 4 Absatz 5 erster Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 3445/90 der Kommission vom 27. November 1990 über Durchführungsbestimmungen betreffend die Gewährung von Beihilfen für die private Lagerhaltung von Rindfleisch (ABl. L 333, S. 30) so verlängert, daß sie die Hoechstdauer der vertraglichen Lagerhaltung zuzueglich eines Monats abdeckt.

14 Die Klägerin lagerte unter Bezugnahme auf eine ihr erteilte Ausfuhrlizenz und zum Zweck der späteren Ausfuhr Kartons mit Rindfleisch in ein Ausfuhrlager im Freihafen Hamburg ein. Sie erhielt die Vorauszahlung der Ausfuhrerstattungen am 3. Januar 1985. Ausserdem erhielt sie aufgrund eines Lagerhaltungsvertrags über eine Lagerzeit von zwölf Monaten eine Beihilfe zur privaten Lagerhaltung.

15 Gemäß den vom nationalen Gericht übersandten Akten begann die Frist für die Unterstellung der Waren unter die Zollkontrolle am 10. und 11. November 1984 zu laufen und endete gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2267/84 am 11. November 1985, da der 10. November 1985 auf einen Sonntag fiel.

16 Da der private Lagerhaltungsvertrag Fleischmengen betraf, deren Einlagerung erst am 16. November 1984 abgeschlossen wurde, begann die vertragliche Lagerfrist gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1091/80 erst am 17. November 1984 zu laufen.

17 Ein Teil der Waren wurde vor Ablauf der Frist für die Unterstellung der Waren unter die Zollkontrolle ausgelagert und in Drittländer ausgeführt. Einige Kartons wurden jedoch erst am 14. November 1985 dem Freihafen zur Ausfuhrabfertigung gestellt. Der Beklagte fordert deshalb von der Klägerin die im voraus gezahlten Ausfuhrerstattungen im entsprechenden Umfang zurück.

18 Die Klägerin macht vor dem innerstaatlichen Gericht geltend, bei Kumulierung der beiden in Frage stehenden Verfahren dürften die Frist, innerhalb deren die Waren im Zollager- oder Freizonenverfahren verbleiben dürften, und die Lagerfrist nicht unterschiedlich sein; die Fristen dürften nicht zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu laufen beginnen, wie vom Beklagten angenommen, da sonst dem Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit genommen würde, die vertragliche Lagerfrist voll auszuschöpfen.

19 Das innerstaatliche Gericht fragt sich daher, ob die Bestimmungen, in denen die fraglichen Fristen niedergelegt sind, trotz ihres Wortlauts korrigierend und ergänzend ausgelegt werden können. Es hat demgemäß das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2267/84 dahin auszulegen, daß abweichend von Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 798/80 die Lagerfrist nicht vor der Frist abläuft, die der Ausführer wegen der ihm gewährten Beihilfe zur privaten Lagerhaltung zu beachten hat?

20 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits, der anwendbaren Rechtsvorschriften, des Verfahrensablaufs sowie der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

21 Nach dem Wortlaut des Artikels 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2267/84 verlängert die durch diese Bestimmung erfolgte Ausnahmeregelung zu Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung Nr. 798/80 nur die Frist, innerhalb deren Waren, die Gegenstand eines privaten Lagerhaltungsvertrages sind, gleichzeitig im Zollager- oder Freizonenverfahren verbleiben dürfen, von sechs auf zwölf Monate, ohne deren Beginn zu verändern.

22 Fristbeginn bleibt also der Tag, an dem von den Zollbehörden die Zahlungserklärung des Wirtschaftsteilnehmers angenommen worden ist, selbst wenn die Einlagerungsvorgänge im Hinblick auf die Beihilfe zur privaten Lagerhaltung an diesem Tag noch nicht beendet sind. Der Wirtschaftsteilnehmer verpflichtet sich nämlich auch in einem solchen Fall mit der Vorlage seiner Zahlungserklärung an die Zollbehörden dazu, seine Waren vor Ablauf einer Frist auszuführen, deren Beginn unverändert bleibt.

23 Die Wirtschaftsteilnehmer können sich nicht darauf berufen, daß sie unter diesen Umständen nicht die Möglichkeit hätten, die Frist der vertraglichen Lagerhaltung auszuschöpfen.

24 Erstens besteht der Hauptzweck der in Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2267/84 für einen begrenzten Zeitraum eröffneten Möglichkeit, Erzeugnisse einem Zollager- oder Freizonenverfahren zu unterstellen, die gleichzeitig Gegenstand eines Vertrages über private Lagerhaltung sind, darin, die Wirtschaftsteilnehmer zur Anwendung der privaten Lagerhaltung zu veranlassen, nicht aber darin, unter allen Umständen deren Hoechstdauer auszuschöpfen. Hierzu ergibt sich aus Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2267/84, daß der Wirtschaftsteilnehmer die Waren während eines von ihm selbst zu wählenden Zeitraums von 9, 10, 11 oder 12 Monaten lagern darf.

25 Zweitens sieht Artikel 7 Absatz 1 dieser Verordnung eine Ausnahme von der Verpflichtung des Wirtschaftsteilnehmers vor, die gesamte vereinbarte Lagerdauer einzuhalten, und gestattet es dem Vertragspartner, nach Ablauf von zwei Monaten Lagerdauer die vertragliche Fleischmenge ganz oder teilweise auszulagern.

26 Die Tatsache, daß mittlerweile durch Artikel 4 Absatz 5 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3445/90 die Frist verlängert wurde, innerhalb deren die Waren, die Gegenstand eines privaten Lagerhaltungsvertrages sind, im Hinblick auf die Vorauszahlung der Ausfuhrerstattungen im Zollager- oder Freizonenverfahren verbleiben dürfen, ändert an den vorstehenden Überlegungen nichts.

27 Selbst gemäß dieser neuen Bestimmung bleibt nämlich der Fristbeginn im Hinblick auf die Vorauszahlung der Ausfuhrerstattungen der Tag der Annahme der Zahlungserklärung.

28 Die Vorlagefrage des Finanzgerichts Hamburg ist demgemäß dahin zu beantworten, daß in einem Fall wie dem des Ausgangsrechtsstreits die Frist, innerhalb deren Waren, die Gegenstand eines privaten Lagerhaltungsvertrags sind, gleichzeitig im Zollager- oder Freizonenverfahren verbleiben dürfen, nach Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2267/84 vor der Frist abläuft, die der Ausführer wegen der ihm gewährten Beihilfe zur privaten Lagerhaltung zu beachten hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

29 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

auf die ihm vom Finanzgericht Hamburg mit Beschluß vom 27. Mai 1991 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens läuft die Frist, innerhalb deren Waren, die Gegenstand eines privaten Lagerhaltungsvertrages sind, gleichzeitig im Zollager- oder Freizonenverfahren verbleiben dürfen, nach Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2267/84 der Kommission vom 31. Juli 1984 zur Gewährung einer im voraus pauschal festgesetzten Beihilfe zur privaten Lagerhaltung von Schlachtkörpern, halben Schlachtkörpern, Hintervierteln und Vordervierteln von Rindern vor der Frist ab, die der Ausführer wegen der ihm gewährten Beihilfe zur privaten Lagerhaltung zu beachten hat.

Ende der Entscheidung

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