Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: C-232/04
Rechtsgebiete: Richtlinie 2001/23/EG


Vorschriften:

Richtlinie 2001/23/EG Art. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen C-232/04 und C-233/04

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Arbeitsgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidungen vom 5. Mai 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Juni 2004, in den Verfahren

Nurten Güney-Görres (C-232/04),

Gul Demir (C-233/04)

gegen

Securicor Aviation (Germany) Ltd und

Kötter Aviation Security GmbH Co. KG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J.-P. Puissochet, S. von Bahr, A. Borg Barthet (Berichterstatter) und U. Lõhmus,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. April 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Kötter Aviation Security GmbH Co. KG, vertreten durch die Rechtsanwälte F. Kasper, T. Wegmann und L. Kolks,

- der Securicor Aviation (Germany) Ltd, vertreten durch Rechtsanwalt C. Berger,

- der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch C.-D. Quassowski, A. Tiemann, M. Lumma und U. Forsthoff als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Rozet und H. Kreppel als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Juni 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Artikel 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 82, S. 16).

2. Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen Frau Güney-Görres und Frau Demir einerseits und der Kötter Aviation Security GmbH Co. KG (im Folgenden: Kötter), einer Gesellschaft, die mit der Fluggast- und Gepäckkontrolle auf dem Flughafen Düsseldorf betraut ist, sowie dem ehemaligen Arbeitgeber von Frau Güney-Görres und Frau Demir, der Securicor Aviation (Germany) Ltd (im Folgenden: Securicor), einer Gesellschaft, die zuvor aufgrund eines inzwischen beendeten Vertrages mit denselben Leistungen betraut war, andererseits. Die genannten Arbeitnehmerinnen erhoben beim Arbeitsgericht Düsseldorf Klage gegen Kötter auf Feststellung, dass das zuvor zwischen ihnen und Securicor bestehende Arbeitsverhältnis nach § 613a des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), mit dem die Richtlinie 2001/23 in deutsches Recht umgesetzt wurde, mit Kötter fortbesteht.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrechtliche Regelung

3. Die Richtlinie 2001/23 kodifiziert die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26) in der Fassung der Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 201, S. 88).

4. Der Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/23 wird in ihrem Artikel 1 festgelegt, in dem es heißt:

"1. a) Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.

b) Vorbehaltlich Buchstabe a) und der nachstehenden Bestimmungen dieses Artikels gilt als Übergang im Sinne dieser Richtlinie der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit.

..."

5. Artikel 1 der Richtlinie 2001/23 hat denselben Wortlaut wie Artikel 1 der Richtlinie 77/187 nach seiner Änderung durch die Richtlinie 98/50, deren vierte Begründungserwägung wie folgt lautet:

"Aus Gründen der Rechtssicherheit und Transparenz ist es erforderlich, den juristischen Begriff des Übergangs unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu klären. Durch diese Klärung wird der Anwendungsbereich der Richtlinie 77/187/EWG gemäß der Auslegung durch den Gerichtshof nicht geändert."

6. Die Artikel 3 und 4 der Richtlinie 2001/23 bestimmen:

"Artikel 3

1. Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.

...

Artikel 4

1. Der Übergang eines Unternehmens, Betriebs oder Unternehmens- bzw. Betriebsteils stellt als solcher für den Veräußerer oder den Erwerber keinen Grund zur Kündigung dar. Diese Bestimmung steht etwaigen Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, nicht entgegen.

..."

Nationales Recht

7. Der Übergang von Arbeitsverhältnissen aufgrund eines Betriebsübergangs und das damit einhergehende Kündigungsverbot werden in § 613a BGB, der mit "Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang" überschrieben ist, geregelt. Diese Bestimmung lautet:

"(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags, dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,

2. den Grund für den Übergang,

3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und

4. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden." Sachverhalt

8. Frau Güney-Görres und Frau Demir waren bei Securicor unbefristet als für die Fluggast- und Gepäckkontrolle auf dem Flughafen Düsseldorf eingesetzte Sicherheitsbeauftragte beschäftigt.

9. Nach einem am 5. April 2000 mit der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium des Inneren (im Folgenden: BMI), geschlossenen Vertrag wurde die Aviation Defence International Germany Ltd gemäß § 29c Absatz 1 Satz 3 des Luftverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. März 1999 (BGBl. I, S. 550) mit der Fluggast- und Gepäckkontrolle auf dem Flughafen Düsseldorf betraut. Securicor übernahm die Durchführung dieses Vertrages, der am 31. Dezember 2003 auslief.

10. Gemäß den Vertragsbedingungen stellte die Bundesrepublik Deutschland Securicor das für die Durchführung der Fluggastkontrolle erforderliche Luftsicherheitsgerät zur Verfügung, das insbesondere Torsonden, ein Gepäckband mit automatischer Röntgensichtung (Gepäckprüfanlage und Durchleuchtungsgerät), Handsonden und Sprengstoffspürgeräte umfasste.

11. Securicor beschäftigte 306 Arbeitnehmer, von denen 295 ausschließlich der Fluggastkontrolle zugeordnet waren. Die für diese Aufgabe eingesetzten Beschäftigten waren in einem besonderen, mindestens vierwöchigen Lehrgang geschult worden und mussten eine Prüfung zum Luftsicherheitsassistenten abgelegt sowie eine hoheitliche Beleihung zur Ausübung der Kontrolltätigkeit erhalten haben. Diese Arbeitnehmer standen bei der Durchführung der Fluggastkontrolle unter der Aufsicht des zuständigen Bundesgrenzschutzamtes.

12. Mit Schreiben vom 5. Juni 2003 teilte das BMI Securicor mit, dass das Vertragsverhältnis, das den Auftrag über die Fluggastkontrolle auf dem Flughafen Düsseldorf betreffe, nicht über den 31. Dezember 2003 hinaus verlängert werde. Am 16. September 2003 teilte das BMI Securicor mit, dass der entsprechende Auftrag an Kötter vergeben worden sei.

13. Auf Nachfrage von Securicor erklärte der Geschäftsführer von Kötter, an einem Betriebsübergang nicht interessiert zu sein. Mit Schreiben vom 17. November 2003 teilte Kötter Securicor zudem mit, dass sie deren Mitarbeiter nur in einem geringen Umfang zu übernehmen beabsichtige.

14. Mit Schreiben vom 26. November 2003 kündigte Securicor die Arbeitsverträge mit Frau Güney-Görres und Frau Demir zum 31. Dezember 2003. Sie kündigte auch die Arbeitsverhältnisse aller anderen Arbeitnehmer, die im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt waren.

15. Am 31. Dezember 2003 stellte Securicor die Wahrnehmung der ihr von der Bundesrepublik Deutschland übertragenen Kontrollaufgaben auf dem Flughafen Düsseldorf ein.

16. Vom 1. Januar 2004 an führte Kötter aufgrund des mit der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Vertrages die Fluggast- und Gepäckkontrolle auf dem genannten Flughafen durch. Der Vertragsgegenstand entsprach im Wesentlichen dem des an Securicor vergebenen Auftrags. Kötter nutzte ebenfalls das im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland stehende Flugsicherheitsgerät.

17. Zum selben Zeitpunkt übernahm Kötter 167 zuvor von Securicor beschäftigte Arbeitnehmer, nicht jedoch Frau Güney-Görres und Frau Demir. Die von Kötter übernommenen und zur Fluggastkontrolle eingesetzten Arbeitnehmer unterstanden ebenfalls der Aufsicht des zuständigen Bundesgrenzschutzamtes.

Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen

18. In den Ausgangsrechtsstreitigkeiten geht es um die Frage, ob die von Securicor ausgesprochene Kündigung der fraglichen Arbeitsverträge zum 31. Dezember 2003 die Arbeitsverhältnisse zwischen den Klägerinnen der Ausgangsverfahren und Securicor und/oder zwischen ihnen und Kötter beendet hat oder ob die Arbeitsverhältnisse vielmehr im Wege eines Betriebsübergangs im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie 2001/23 auf Kötter übergegangen sind, weil im Rahmen eines solchen Übergangs gekündigt wurde.

19. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Düsseldorf hängt der Ausgang der Rechtstreitigkeiten von der Auslegung des Begriffes "Betriebsübergang" im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie 2001/23 ab.

20. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der Übergang der Betriebsmittel auf den Auftragnehmer nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes einer der Umstände sei, die einen Betriebsübergang kennzeichneten. Es fragt sich, ob es nach dem Gemeinschaftsrecht zulässig ist, die Annahme eines Übergangs von Betriebsmitteln von deren eigenwirtschaftlicher Nutzung abhängig zu machen, einem Kriterium, das in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgestellt worden sei.

21. Das Arbeitsgericht Düsseldorf ist der Auffassung, dass es für die Entscheidung der Ausgangsrechtsstreitigkeiten darauf ankomme, ob das Luftsicherheitsgerät, bei dem es sich um Betriebsmittel handele - u. a. Torsonden, ein Gepäckband mit automatischer Röntgensichtung (Gepäckprüfanlage), Handsonden und Sprengstoffspürgeräte -, von Securicor auf Kötter übergegangen sei.

22. Das vorlegende Gericht meint, dass dieses Gerät nicht eigenwirtschaftlich genutzt worden sei, da seine Wartung Sache der Bundesrepublik Deutschland, der Auftraggeberin, gewesen sei, die dafür auch die Kosten zu tragen gehabt habe. Im Übrigen hätten die jeweiligen Auftragnehmer keinerlei Möglichkeit gehabt, dieses Gerät eigenwirtschaftlich einzusetzen. Sie hätten daraus weder einen zusätzlichen wirtschaftlichen Vorteil ziehen noch über Art und Umfang seines Einsatzes bestimmen können. Außerdem habe das Leistungsverzeichnis die Verpflichtung vorgesehen, dieses Gerät zu benutzen.

23. Unter diesen Umständen hat das Arbeitsgericht Düsseldorf beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist bei der Prüfung des Vorliegens eines Betriebsübergangs gemäß Artikel 1 der Richtlinie 2001/23/EG - unabhängig von der Frage der Eigentumsverhältnisse - im Fall einer Auftragsneuvergabe im Rahmen der Gesamtbetrachtung Voraussetzung für die Feststellung des Übergangs der Betriebsmittel vom ursprünglichen Auftragnehmer auf den neuen Auftragnehmer, dass dem Berechtigten die Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden? Ist es für die Bejahung des Übergangs der Betriebsmittel deshalb erforderlich, dass dem Auftragnehmer die Befugnis eingeräumt ist, über die Art und Weise der Nutzung der Betriebsmittel in eigenwirtschaftlichem Interesse entscheiden zu können? Ist deshalb danach zu unterscheiden, ob der Auftragnehmer die Dienstleistung "an" oder "mit" den Betriebsmitteln des Auftraggebers erbringt?

2. Für den Fall, dass der Gerichtshof die Frage zu 1 bejaht:

a) Scheidet eine Zuordnung der Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung dann aus, wenn diese dem Aufragnehmer vom Auftraggeber nur zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden und die Wartung, einschließlich der damit verbundenen Kosten, vom Auftraggeber übernommen wird?

b) Liegt eine eigenwirtschaftliche Nutzung durch den Auftragnehmer vor, wenn im Rahmen der Fluggastkontrolle auf Flughäfen der Auftragnehmer für diese die vom Auftraggeber gestellten Torsonden, Handsonden und Durchleuchtungsgeräte verwendet?

24. Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 9. Juli 2004 sind die Rechtssachen C-232/04 und C-233/04 zu gemeinsamem schriftlichem und mündlichem Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

Zu den Vorlagefragen

25. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob bei der Beurteilung des Vorliegens eines Betriebsübergangs gemäß Artikel 1 der Richtlinie 2001/23 Voraussetzung für die Feststellung des Übergangs der Betriebsmittel vom ursprünglichen Auftragnehmer auf den neuen Auftragnehmer ist, dass dem Berechtigten die Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden. Mit einer zweiten Frage, die das Gericht für den Fall einer Bejahung seiner ersten Frage stellt, wird der Gerichtshof ersucht, die Umrisse dieses Begriffes der eigenwirtschaftlichen Nutzung zu bestimmen.

26. Securicor macht geltend, dass das Kriterium der Übernahme der wesentlichen materiellen Betriebsmittel nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes bereits dann erfüllt sei, wenn der neue Auftragnehmer sie nutze. Unerheblich sei, ob dies im Rahmen eigener Dispositionsbefugnisse oder nach Weisung des Auftraggebers geschehe. Folglich könne an dem Kriterium der eigenwirtschaftlichen Nutzung nicht festgehalten werden.

27. Die deutsche Regierung und Kötter tragen vor, dass es für einen Übergang von Betriebsmitteln vom ursprünglichen Auftragnehmer auf den neuen Auftragnehmer entscheidend darauf ankomme, dass diese Mittel dem Letztgenannten zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen würden. Dieses Kriterium stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes. Nach Ansicht der deutschen Regierung ist der genannte Begriff so zu verstehen, dass der neue Auftragnehmer die Betriebsmittel innerhalb eigener Verfügungsmacht und eigener Kalkulation zur Erzielung eines zusätzlichen wirtschaftlichen Vorteils einsetze. Dagegen erlaube die Frage, ob der Auftragnehmer die Dienstleistung "an" oder "mit" den vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Betriebsmitteln erbringe, für sich genommen keine eindeutige Abgrenzung.

28. Nach Ansicht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften ist die erste Frage zu verneinen. Die Frage der Auslegung des Begriffes "Übergang der materiellen Betriebsmittel" könne nicht losgelöst von den anderen Kriterien behandelt werden, die bei der Prüfung des Vorliegens eines Unternehmens- oder Betriebsübergangs zu untersuchen seien. Was das Kriterium des Übergangs der materiellen Betriebsmittel anbelange, so sei unstreitig, dass die von Kötter beschäftigten Arbeitnehmer seit dem 1. Januar 2004 wie zuvor die Beschäftigten von Securicor die materiellen Betriebsmittel, wie Torsonden, Gepäckprüfanlagen, Handsonden und Sprengstoffspürgeräte, nutzten. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes komme es nicht darauf an, ob diese Mittel im Eigentum des Auftragnehmers stünden oder nicht. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die die Zurechnung von Betriebsmitteln zum Betrieb eines Auftragnehmers dahin gehend einschränke, dass sie nur dann möglich sei, wenn "dem Berechtigten Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen sind", stehe nicht im Einklang mit der Richtlinie 2001/23.

Würdigung durch den Gerichtshof

29. Nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2001/23 ist diese "Richtlinie ... auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar".

30. Nach Absatz 1 Buchstabe b desselben Artikels "gilt als Übergang im Sinne dieser Richtlinie der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit". Nach der vierten Begründungserwägung der Richtlinie 98/50 wurde diese genauere Umschreibung in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b eingefügt, um den Begriff des Übergangs im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu klären.

31. Nach dieser Rechtsprechung soll die Richtlinie 2001/23 die Kontinuität der im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit bestehenden Arbeitsverhältnisse unabhängig von einem Inhaberwechsel gewährleisten. Entscheidend für einen Übergang im Sinne der Richtlinie ist daher, ob die fragliche Einheit ihre Identität bewahrt, was namentlich dann zu bejahen ist, wenn der Betrieb tatsächlich weitergeführt oder wieder aufgenommen wird (vgl. u. a. Urteile vom 18. März 1986 in der Rechtssache 24/85, Spijkers, Slg. 1986, 1119, Randnrn. 11 und 12, vom 11. März 1997 in der Rechtssache C-13/95, Süzen, Slg. 1997, I-1259, Randnr. 10, und vom 20. November 2003 in der Rechtssache C-340/01, Abler u. a., Slg. 2003, I-14023, Randnr. 29).

32. Die Anwendbarkeit der Richtlinie 2001/23 setzt jedoch voraus, dass eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit übergegangen ist, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist (vgl. u. a. Urteil vom 19. September 1995 in der Rechtssache C-48/94, Rygaard, Slg. 1995, I-2745, Randnr. 20). Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung (vgl. u. a. Urteile Süzen, Randnr. 13, und Abler u. a., Randnr. 30).

33. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für den Übergang einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit erfüllt sind, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten (vgl. u. a. Urteile vom 19. Mai 1992 in der Rechtssache C-29/91, Redmond Stichting, Slg. 1992, I-3189, Randnr. 24, Spijkers, Randnr. 13, Süzen, Randnr. 14, und Abler u. a., Randnr. 33).

34. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (vgl. Urteile Spijkers, Randnr. 13, Süzen, Randnr. 14, und Abler u. a., Randnr. 34).

35. Das nationale Gericht hat bei der Bewertung der maßgeblichen Tatsachen die Art des betroffenen Unternehmens oder Betriebes zu berücksichtigen. Den für das Vorliegen eines Übergangs im Sinne der Richtlinie 2001/23 maßgeblichen Kriterien kommt demnach notwendigerweise je nach der ausgeübten Tätigkeit und auch nach den Produktions- oder Betriebsmethoden, die in dem betreffenden Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil angewendet werden, unterschiedliches Gewicht zu (vgl. Urteile Süzen, Randnr. 18, vom 10. Dezember 1998 in den Rechtssachen C-173/96 und C-247/96, Hidalgo u. a., Slg. 1998, I-8237, Randnr. 31, und Abler u. a., Randnr. 35).

36. Mit den vom Arbeitsgericht Düsseldorf vorgelegten Fragen soll geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen angenommen werden kann, dass einer der zu berücksichtigenden Umstände, nämlich der Übergang von Betriebsmitteln, vorliegt. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die Feststellung des Übergangs der Betriebsmittel voraussetzt, dass diese Mittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden.

37. Aus dem Wortlaut des Artikels 1 der Richtlinie 2001/23 ergibt sich bereits, dass deren Anwendungsbereich sich auf alle Fälle erstreckt, in denen im Rahmen vertraglicher Beziehungen die natürliche oder juristische Person, die für den Betrieb des Unternehmens oder des Betriebes verantwortlich ist und insoweit gegenüber den in dem Unternehmen oder Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern die Arbeitgeberverpflichtungen eingeht, wechselt, ohne dass es darauf ankommt, ob das Eigentum an den Betriebsmitteln übertragen wird (Urteil Abler u. a., Randnr. 41 und die dort zitierte Rechtsprechung).

38. In Randnummer 42 des Urteils Abler u. a. hat der Gerichtshof entschieden, dass der Umstand, dass die von dem neuen Unternehmer übernommenen Betriebsmittel nicht seinem Vorgänger gehörten, sondern vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt wurden, nicht zum Ausschluss eines Unternehmens- oder Betriebsübergangs im Sinne der Richtlinie 77/187 führen kann.

39. Insoweit kommt es bei der Prüfung eines möglichen Betriebsmittelübergangs nicht entscheidend darauf an, ob ein Auftragnehmer eine eigenwirtschaftliche Nutzung der von ihm übernommenen Betriebsmittel fortführt.

40. Ein derartiges Kriterium ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Richtlinie 2001/23 noch aus ihren Zielen, nämlich dem Schutz der Arbeitnehmer bei einem Unternehmens- oder Betriebswechsel und der Verwirklichung des Binnenmarktes.

41. Daher kann der Umstand, dass der neue Auftragnehmer die materiellen Betriebsmittel übernommen hat, ohne dass sie ihm zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen worden wären, weder zum Ausschluss eines Übergangs der Betriebsmittel noch zum Ausschluss eines Unternehmens- oder Betriebsübergangs im Sinne der Richtlinie 2001/23 führen.

42. Somit ist auf die erste Frage des vorlegenden Gerichts zu antworten, dass Artikel 1 der Richtlinie 2001/23 dahin auszulegen ist, dass bei der Prüfung des Vorliegens eines Unternehmens- oder Betriebsübergangs nach dieser Vorschrift im Fall einer Auftragsneuvergabe im Rahmen der Gesamtbetrachtung die Feststellung einer Überlassung der Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung eines Übergangs dieser Mittel vom ursprünglichen Auftragnehmer auf den neuen Auftragnehmer ist.

43. Da der Gerichtshof die erste Frage verneint hat, braucht die zweite Frage nicht beantwortet zu werden.

44. Es ist Sache des nationalen Gerichts, im Licht aller genannten Umstände und im Rahmen einer Gesamtbetrachtung festzustellen, ob im Ausgangsverfahren ein Unternehmens- oder Betriebsübergang stattgefunden hat. Insoweit ist darauf zu verweisen, dass der Übergang von Betriebsmitteln nur einen Teilaspekt der Gesamtbewertung darstellt, die der nationale Richter bei der Prüfung des Vorliegens eines Unternehmens- oder Betriebsübergangs im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie 2001/23 vorzunehmen hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

45. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Artikel 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass bei der Prüfung des Vorliegens eines Unternehmens- oder Betriebsübergangs nach dieser Vorschrift im Fall einer Auftragsneuvergabe im Rahmen der Gesamtbetrachtung die Feststellung einer Überlassung der Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung eines Übergangs dieser Mittel vom ursprünglichen Auftragnehmer auf den neuen Auftragnehmer ist.

Ende der Entscheidung

Zurück