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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 09.09.2003
Aktenzeichen: C-236/01
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten, Richtlinie 90/220/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt, Empfehlung 97/618/EG, Dekret des Präsidenten des Ministerrates vom 4. August 2000


Vorschriften:

Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten Art. 3 Abs. 4 UnterAbs. 1
Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten Art. 5 Abs. 1
Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten Art. 12
Richtlinie 90/220/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt Art. 2
Richtlinie 90/220/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt Art. 11 Abs. 5
Empfehlung 97/618/EG zu den wissenschaftlichen Aspekten und zur Darbietung der für Anträge auf Genehmigung des Inverkehrbringens neuartiger Lebensmittel und Lebensmittelzutaten erforderlichen Informationen
Dekret des Präsidenten des Ministerrates vom 4. August 2000 über die vorsorgliche Aussetzung der Vermarktung und Verwendung bestimmter transgener Erzeugnisse im Staatsgebiet gemäß Art. 12 der Verordnung Nr. 258/97 (Italien)
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten ist dahin auszulegen, dass das bloße Vorhandensein von Rückständen transgener Proteine in bestimmten Größenordnungen bei neuartigen Lebensmitteln es nicht ausschließt, dass diese Lebensmittel als den bestehenden Lebensmitteln im Wesentlichen gleichwertig angesehen werden und damit das vereinfachte Verfahren für das Inverkehrbringen dieser neuartigen Lebensmittel angewandt wird. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn nach den bei der Erstprüfung verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen ein Risiko potenziell gefährlicher Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit erkennbar ist.

Der Begriff der wesentlichen Gleichwertigkeit schließt nämlich nicht aus, dass neuartige Lebensmittel, die Unterschiede in der Zusammensetzung aufweisen, die keine Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben, als im Wesentlichen gleichwertig angesehen werden. Dieser Begriff umfasst eigentlich keine Risikobewertung, sondern stellt einen Ansatz für den Vergleich des neuartigen Lebensmittels mit seinem traditionellen Äquivalent dar, der vorgenommen wird, um festzustellen, ob es insbesondere in Bezug auf seine Zusammensetzung und seine spezifischen Eigenschaften einer solchen Bewertung unterzogen werden muss. Das Fehlen der wesentlichen Gleichwertigkeit bedeutet nicht zwangsläufig, dass das fragliche Lebensmittel gefährlich wäre, sondern nur, dass es dieser Bewertung zu unterziehen ist.

Außerdem handelt es sich um einen Begriff, der von wissenschaftlichen Einrichtungen angewandt wird, die auf die Bewertung der Risiken neuartiger Lebensmittel spezialisiert und mit ihr betraut sind, und der genauer gesagt als eine spezifische Methode auf dem Gebiet der neuartigen Lebensmittel zu verstehen ist, die der Identifizierung der Gefahren als erstem Schritt des Abschnitts der wissenschaftlichen Risikobewertung dient, nämlich der Identifizierung der biologischen, chemischen und physikalischen Wirkstoffe mit möglicherweise verhängnisvollen Folgen für die Gesundheit, die in einem bestimmten Lebensmittel oder einer Lebensmittelgruppe vorhanden sein können und eine wissenschaftliche Bewertung erfordern, um besser beurteilt werden zu können.

( vgl. Randnrn. 74, 77-79, 84, Tenor 1 )

2. Die fehlende Reaktion der Kommission bei der Durchführung des vereinfachten Verfahrens des Inverkehrbringens neuartiger Lebensmittel gemäß Artikel 5 der Verordnung Nr. 258/97 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten kann nicht als stillschweigende Zustimmung zur Vermarktung der neuartigen Lebensmittel angesehen werden, da die Rolle der Kommission in einem solchen Verfahren auf den Empfang, die Weiterleitung und die Veröffentlichung der Mitteilungen über die Vermarktung dieser neuartigen Lebensmittel beschränkt ist.

Im Fall eines wegen fehlender wesentlicher Gleichwertigkeit zwischen den neuartigen und den bestehenden Lebensmitteln ungerechtfertigten Rückgriffs auf das vereinfachte Verfahren kann ein Mitgliedstaat die Schutzklausel des Artikels 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 in Anspruch nehmen, sofern die Anwendungsvoraussetzungen dieser Bestimmung erfuellt sind, ohne vorher die Rechtmäßigkeit irgendeiner - auch nur stillschweigenden - Zustimmung der Kommission in Frage stellen zu müssen.

( vgl. Randnr. 100 )

3. Die Frage der Ordnungsmäßigkeit des Rückgriffs auf das vereinfachte Verfahren nach Artikel 5 der Verordnung Nr. 258/97 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten für das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel hat grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Befugnis der Mitgliedstaaten, Schutzmaßnahmen nach Artikel 12 der Verordnung zu treffen. Die Anwendbarkeit dieser Schutzklausel wird weder durch den Typ des vor dem Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel durchgeführten Verfahrens noch grundsätzlich durch die Ordnungsmäßigkeit des angewandten Verfahrens bestimmt.

Die Ordnungsmäßigkeit des Rückgriffs auf die Schutzklausel, den ein Mitgliedstaat insbesondere wegen Nichtvorliegens einer wesentlichen Gleichwertigkeit in der Zusammensetzung eines neuartigen Lebensmittels vornimmt, kann nicht allein dadurch beeinträchtigt sein, dass der Mitgliedstaat diese Klausel in Anspruch genommen hat, ohne dass zuvor das Gemeinschaftsverfahren nach Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 2 und Artikel 13 der Verordnung durchgeführt wurde, das speziell zur Überprüfung der ex ante getroffenen Feststellung der wesentlichen Gleichwertigkeit geschaffen worden ist, wenn ein solcher Grund nach den Artikeln 12 Absatz 2 und 13 der Verordnung auf Gemeinschaftsebene überprüft werden kann.

( vgl. Randnrn. 102-104, 114, Tenor 2 )

4. Schutzmaßnahmen, die aufgrund der Schutzklausel in Artikel 12 der Verordnung Nr. 258/97 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten getroffen werden, können nicht wirksam mit einer rein hypothetischen Betrachtung des Risikos begründet werden, die auf bloße, wissenschaftlich noch nicht verifizierte Vermutungen gestützt wird. Derartige Maßnahmen können nur getroffen werden, wenn sie auf eine möglichst umfassende Risikobewertung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des konkreten Falles gestützt sind, die erkennen lassen, dass diese Maßnahmen geboten sind, um gemäß Artikel 3 Absatz 1 erster Gedankenstrich dieser Verordnung zu gewährleisten, dass die neuartigen Lebensmittel keine Gefahr für den Verbraucher darstellen.

Was die Beweislast anbelangt, so dürfen die von dem betreffenden Mitgliedstaat angeführten Gründe, wie sie sich aus einer Analyse der Risiken ergeben, keinen allgemeinen Charakter haben. Angesichts der Tatsache, dass die Erstprüfung der Unbedenklichkeit der neuartigen Lebensmittel im Rahmen des vereinfachten Verfahrens begrenzt ist, und der im Wesentlichen vorläufigen Natur der auf die Schutzklausel gestützten Maßnahmen ist jedoch davon auszugehen, dass der Mitgliedstaat die ihm obliegende Beweislast erfuellt, wenn er sich auf Indizien stützt, die das Vorhandensein eines spezifischen Risikos, das mit diesen neuartigen Lebensmitteln möglicherweise verbunden ist, erkennen lassen.

Da die Schutzklausel als besondere Ausprägung des Vorsorgeprinzips anzusehen ist, sind Voraussetzungen für die Anwendung dieser Klausel unter gebührender Berücksichtigung dieses Prinzips auszulegen. Daher können solche Maßnahmen auch dann getroffen werden, wenn sich die Durchführung einer möglichst umfassenden wissenschaftlichen Risikobewertung in Anbetracht der besonderen Umstände des konkreten Falles wegen der Unzulänglichkeit der verfügbaren wissenschaftlichen Daten als unmöglich erweist, und sie setzen voraus, dass die Risikobewertung, über die die nationalen Behörden verfügen, spezifische Indizien erkennen lässt, die, ohne die wissenschaftliche Unsicherheit zu beseitigen, auf der Grundlage der verlässlichsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung vernünftigerweise den Schluss zulassen, dass die Durchführung dieser Maßnahmen geboten ist, um zu verhindern, dass neuartige Lebensmittel, die mit potenziellen Risiken für die menschliche Gesundheit behaftet sind, auf dem Markt angeboten werden.

( vgl. Randnrn. 106-110, 112-114, Tenor 2 )

5. Die Prüfung von Artikel 5 der Verordnung Nr. 258/97 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten, der ein vereinfachtes Verfahren für das Inverkehrbringen dieser neuartigen Lebensmittel vorsieht, ergibt insbesondere hinsichtlich der Anwendungsvoraussetzung, die sich auf die wesentliche Gleichwertigkeit im Sinne von Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung bezieht, nichts, was seine Gültigkeit im Hinblick auf die Frage beeinträchtigen könnte, ob die Modalitäten, mit denen das vereinfachte Verfahren versehen ist, so hinreichendend sind, dass ein hohes Gesundheits- und Umweltschutzniveau im Sinne der Artikel 152 Absatz 1 EG und 174 Absatz 2 EG gesichert und die Beachtung der Grundsätze der Vorsorge und der Verhältnismäßigkeit gewährleistet ist. Zum einen nämlich kann das vereinfachte Verfahren nicht angewandt werden, wenn Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt identifizierbar sind, da dann eine umfassendere Risikoanalyse erforderlich ist, die nach dem normalen Verfahren vorgenommen werden muss; zum anderen kann die ex ante erfolgte Anerkennung der wesentlichen Gleichwertigkeit anhand verschiedener späterer Verfahren sowohl auf nationaler als auch auf Gemeinschaftsebene überprüft werden.

( vgl. Randnrn. 128-129, 138-139, Tenor 3 )


Urteil des Gerichtshofes vom 9. September 2003. - Monsanto Agricoltura Italia SpA und andere gegen Presidenza del Consiglio dei Ministri und andere. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale amministrativo regionale del Lazio - Italien. - Verordnung (EG) Nr. 258/97 - Neuartige Lebensmittel - Inverkehrbringen - Unbedenklichkeitsprüfung - Vereinfachtes Verfahren - Wesentliche Gleichwertigkeit mit bestehenden Lebensmitteln - Lebensmittel, die aus genetisch veränderten Maislinien erzeugt wurden - Rückstände transgener Proteine - Maßnahme eines Mitgliedstaats, mit der die Vermarktung oder Verwendung eines neuartigen Lebensmittels im Inland vorläufig beschränkt oder ausgesetzt wird. - Rechtssache C-236/01.

Parteien:

In der Rechtssache C-236/01

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Tribunale amministrativo regionale del Lazio (Italien) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Monsanto Agricoltura Italia SpA u. a.

gegen

Presidenza del Consiglio dei Ministri u. a.

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung und die Gültigkeit von Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 und Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten (ABl. L 43, S. 1) sowie über die Auslegung von Artikel 12 dieser Verordnung

erlässt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet und C. W. A. Timmermans (Berichterstatter) sowie der Richter C. Gulmann, D. A. O. Edward, A. La Pergola, P. Jann, V. Skouris, S. von Bahr, J. N. Cunha Rodrigues und A. Rosas,

Generalanwalt: S. Alber,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Monsanto Agricoltura Italia SpA u. a., vertreten durch E. A. Raffaelli, G. F. Ferrari und P. Todaro, avvocati,

- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von M. Fiorilli, Avvocato dello Stato,

- der norwegischen Regierung, vertreten durch B. Ekeberg als Bevollmächtigte,

- des Europäischen Parlaments, vertreten durch C. Pennera und G. Ricci als Bevollmächtigte,

- des Rates der Europäischen Union, vertreten durch A. Lo Monaco und F. P. Ruggeri Laderchi als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Shotter und A. Aresu als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Monsanto Agricoltura Italia SpA u. a., der italienischen Regierung, des Parlaments, des Rates und der Kommission in der Sitzung vom 24. September 2002,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. März 2003

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunale amministrativo regionale del Lazio hat mit Beschluss vom 18. April 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Juni 2001, gemäß Artikel 234 EG vier Fragen nach der Auslegung und der Gültigkeit von Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 und Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten (ABl. L 43, S. 1) sowie über die Auslegung von Artikel 12 dieser Verordnung zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit über eine Maßnahme zur vorsorglichen Aussetzung der Vermarktung und Verwendung bestimmter transgener Erzeugnisse in Italien, bei dem sich die Monsanto Agricoltura Italia SpA mit Sitz in Lodi (Italien), die Monsanto Europe SA mit Sitz in Brüssel (Belgien), die Syngenta Seeds SpA, vormals Novartis Seeds SpA, mit Sitz in Origgio (Italien), die Syngenta Seeds AG, vormals Novartis Seeds AG, mit Sitz in Basel (Schweiz), die Pioneer Hi Bred Italia SpA mit Sitz in Malagnino (Italien) und die Pioneer Overseas Corporation mit Sitz in Des Moines (USA), alles Gesellschaften, die im Bereich der land- und ernährungswirtschaftlichen Biotechnologie tätig sind, und die Associazione Nazionale per lo Sviluppo delle Biotecnologie (Assobiotec) (Nationale Vereinigung für die Entwicklung der Biotechnologien) einerseits und die Presidenza del Consiglio dei Ministri, das Ministero della sanità, der Consiglio dei Ministri, der Presidente del Consiglio dei Ministri, das Ministero per le politiche comunitarie, das Istituto superiore di sanità und der Consiglio superiore di sanità andererseits gegenüberstehen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsregelung

Richtlinie 90/220

3 Nach Artikel 2 Nummern 1 und 2 der Richtlinie 90/220/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (ABl. L 117, S. 15) bedeutet Organismus" jede biologische Einheit, die fähig ist, sich zu vermehren oder genetisches Material zu übertragen, und Genetisch veränderter Organismus (GVO)" einen Organismus, dessen genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist.

4 Nach Artikel 11 Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 dieser Richtlinie darf ein GVO enthaltendes Produkt erst in die Umwelt freigesetzt werden, wenn die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem das Produkt zuerst in den Verkehr gebracht wird, nach der Anmeldung durch den Hersteller oder denjenigen, der es in die Gemeinschaft einführt, ihre schriftliche Zustimmung erteilt hat.

Verordnung Nr. 258/97

5 Die zweite Begründungserwägung der Verordnung Nr. 258/97 lautet:

Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit ist dafür Sorge zu tragen, dass neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten einer einheitlichen Sicherheitsprüfung in einem Gemeinschaftsverfahren unterliegen, bevor sie in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht werden. Für neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten, die den bestehenden Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten im Wesentlichen gleichwertig sind, sollte ein vereinfachtes Verfahren vorgesehen werden."

6 Artikel 1 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 258/97 bestimmt:

(1) In dieser Verordnung ist das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel und neuartiger Lebensmittelzutaten in der Gemeinschaft geregelt.

(2) Diese Verordnung findet Anwendung auf das Inverkehrbringen von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten in der Gemeinschaft, die in dieser bisher noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und die unter nachstehende Gruppen von Erzeugnissen fallen:

a) Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die genetisch veränderte Organismen im Sinne der Richtlinie 90/220/EWG enthalten oder aus solchen bestehen;

b) Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die aus genetisch veränderten Organismen hergestellt wurden, solche jedoch nicht enthalten;

..."

7 In Artikel 3 der Verordnung Nr. 258/97 heißt es:

(1) Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten, die unter diese Verordnung fallen, dürfen

- keine Gefahr für den Verbraucher darstellen;

- keine Irreführung des Verbrauchers bewirken;

- sich von Lebensmitteln oder Lebensmittelzutaten, die sie ersetzen sollen, nicht so unterscheiden, dass ihr normaler Verzehr Ernährungsmängel für den Verbraucher mit sich brächte.

(2) Im Hinblick auf das Inverkehrbringen der unter diese Verordnung fallenden Lebensmittel und Lebensmittelzutaten in der Gemeinschaft finden die Verfahren der Artikel 4, 6, 7 und 8... Anwendung.

...

(4) Abweichend von Absatz 2 gilt das Verfahren des Artikels 5 für Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 Buchstaben b), d) und e), die nach den verfügbaren und allgemein anerkannten wissenschaftlichen Befunden oder aufgrund einer Stellungnahme einer der in Artikel 4 Absatz 3 genannten zuständigen Stellen hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, ihres Nährwerts, ihres Stoffwechsels, ihres Verwendungszwecks und ihres Gehalts an unerwünschten Stoffen den bestehenden Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten im Wesentlichen gleichwertig sind.

Gegebenenfalls kann nach dem Verfahren des Artikels 13 festgelegt werden, ob ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelzutat unter diesen Absatz fällt."

8 Artikel 5 der Verordnung Nr. 258/97 lautet:

Bei den Lebensmitteln oder Lebensmittelzutaten im Sinne des Artikels 3 Absatz 4 unterrichtet der Antragsteller die Kommission über das Inverkehrbringen. Dieser Mitteilung sind die zweckdienlichen Angaben nach Artikel 3 Absatz 4 beigefügt. Die Kommission übermittelt den Mitgliedstaaten innerhalb von 60 Tagen eine Kopie dieser Mitteilung sowie auf Anfrage eines Mitgliedstaats eine Kopie der genannten zweckdienlichen Angaben. Die Kommission veröffentlicht jährlich eine Zusammenfassung dieser Mitteilungen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Teil C.

Für die Kennzeichnung gelten die Bestimmungen des Artikels 8."

9 Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 bestimmt:

(1) Unbeschadet der übrigen Anforderungen der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für die Etikettierung von Lebensmitteln gelten folgende zusätzliche spezifische Etikettierungsanforderungen für Lebensmittel zur Unterrichtung der Endverbraucher über:

a) alle Merkmale oder Ernährungseigenschaften, wie

- Zusammensetzung,

- Nährwert oder nutritive Wirkungen,

- Verwendungszweck des Lebensmittels,

die dazu führen, dass ein neuartiges Lebensmittel oder eine neuartige Lebensmittelzutat nicht mehr einem bestehenden Lebensmittel oder einer bestehenden Lebensmittelzutat gleichwertig ist.

Ein neuartiges Lebensmittel oder eine neuartige Lebensmittelzutat gilt als nicht mehr gleichwertig im Sinne dieses Artikels, wenn durch eine wissenschaftliche Beurteilung auf der Grundlage einer angemessenen Analyse der vorhandenen Daten nachgewiesen werden kann, dass die geprüften Merkmale Unterschiede gegenüber konventionellen Lebensmitteln oder Lebensmittelzutaten aufweisen, unter Beachtung der anerkannten Grenzwerte für natürliche Schwankungen dieser Merkmale.

In diesem Fall sind auf der Etikettierung diese veränderten Merkmale oder Eigenschaften sowie das Verfahren, mit dem sie erzielt wurden, anzugeben;

b) vorhandene Stoffe, die in bestehenden gleichwertigen Lebensmitteln nicht vorhanden sind und die Gesundheit bestimmter Bevölkerungsgruppen beeinflussen können;

..."

10 Artikel 11 der Verordnung Nr. 258/97 lautet:

Der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuss wird zu allen unter diese Verordnung fallenden Fragen, die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben könnten, gehört."

11 Artikel 12 der Verordnung Nr. 258/97 bestimmt:

(1) Hat ein Mitgliedstaat aufgrund neuer Informationen oder infolge einer Neubewertung bestehender Informationen stichhaltige Gründe zu der Annahme, dass die Verwendung von Lebensmitteln oder Lebensmittelzutaten, die dieser Verordnung genügen, die menschliche Gesundheit oder die Umwelt gefährdet, so kann er den Handel und die Verwendung des betreffenden Lebensmittels oder der Lebensmittelzutat in seinem Hoheitsgebiet vorübergehend einschränken oder aussetzen. Er unterrichtet hiervon unverzüglich die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission unter Angabe der Gründe für seine Entscheidung.

(2) Die Kommission prüft im Rahmen des Ständigen Lebensmittelausschusses so bald wie möglich die Gründe im Sinne des Absatzes 1 und trifft nach dem Verfahren des Artikels 13 geeignete Maßnahmen. Der Mitgliedstaat, der die Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, kann sie bis zum Inkrafttreten dieser Maßnahmen aufrechterhalten."

12 Artikel 13 der Verordnung Nr. 258/97 lautet:

(1) Bei der Anwendung des in diesem Artikel festgelegten Verfahrens wird die Kommission von dem Ständigen Lebensmittelausschuss, nachstehend ,Ausschuss genannt, unterstützt.

(2) Der Vorsitzende des Ausschusses befasst diesen von sich aus oder auf Antrag des Vertreters eines Mitgliedstaats.

(3) Der Vertreter der Kommission unterbreitet dem Ausschuss einen Entwurf der zu treffenden Maßnahmen. Der Ausschuss gibt seine Stellungnahme zu diesem Entwurf innerhalb einer Frist ab, die der Vorsitzende unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der betreffenden Frage festsetzen kann. Die Stellungnahme wird mit der Mehrheit abgegeben, die in Artikel 148 Absatz 2 des Vertrags für die Annahme der vom Rat auf Vorschlag der Kommission zu fassenden Beschlüsse vorgesehen ist. Bei der Abstimmung im Ausschuss werden die Stimmen der Vertreter der Mitgliedstaaten gemäß dem vorgenannten Artikel gewogen. Der Vorsitzende nimmt an der Abstimmung nicht teil.

(4) a) Die Kommission erlässt die beabsichtigten Maßnahmen, wenn sie mit der Stellungnahme des Ausschusses übereinstimmen.

b) Stimmen die beabsichtigten Maßnahmen mit der Stellungnahme des Ausschusses nicht überein oder liegt keine Stellungnahme vor, so unterbreitet die Kommission dem Rat unverzüglich einen Vorschlag für die zu treffenden Maßnahmen. Der Rat beschließt mit qualifizierter Mehrheit.

Hat der Rat nach Ablauf einer Frist von drei Monaten nach seiner Befassung keinen Beschluss gefasst, so werden die vorgeschlagenen Maßnahmen von der Kommission erlassen."

Empfehlung 97/618/EG

13 Die Kommission erließ am 29. Juli 1997 gemäß Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung Nr. 258/97 die Empfehlung 97/618/EG zu den wissenschaftlichen Aspekten und zur Darbietung der für Anträge auf Genehmigung des Inverkehrbringens neuartiger Lebensmittel und Lebensmittelzutaten erforderlichen Informationen sowie zur Erstellung der Berichte über die Erstprüfung gemäß der Verordnung Nr. 258/97 (ABl. L 253, S. 1). Im Anhang der Empfehlung heißt es in Teil I (Empfehlungen zu den wissenschaftlichen Aspekten der für die Befürwortung von Anträgen auf Genehmigung des Inverkehrbringens neuartiger Lebensmittel und Lebensmittelzutaten erforderlichen Informationen) Abschnitt 3 unter 3.3 (Wesentliche Gleichwertigkeit):

Der Begriff der ,wesentlichen Gleichwertigkeit wurde von der [Weltgesundheitsorganisation (WHO)] und der [Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)] insbesondere in Bezug auf nach modernen biotechnologischen Verfahren hergestellte Lebensmittel eingeführt. In der Sprache der OECD verkörpert dieser Begriff den Gedanken, dass bestehende Organismen, die als Lebensmittel oder als Quellen für Lebensmittel dienen, Vergleichsgrundlage sein können, wenn es darum geht, die Unbedenklichkeit von veränderten oder neuartigen Lebensmitteln bzw. Lebensmittelzutaten für den menschlichen Verzehr zu bewerten. Wenn festgestellt wird, dass ein neuartiges Lebensmittel oder ein neuartiger Lebensmittelbestandteil einem herkömmlichen Lebensmittel oder Lebensmittelbestandteil im Wesentlichen gleichwertig ist, dann kann es bzw. er hinsichtlich der Unbedenklichkeit genauso behandelt werden wie das Vergleichsprodukt, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Feststellung der wesentlichen Gleichwertigkeit an sich keine Unbedenklichkeits- oder ernährungwissenschaftliche Bewertung ist, sondern ein Ansatz, um ein potenzielles neuartiges Lebensmittel mit dem entsprechenden herkömmlichen Erzeugnis zu vergleichen.

Das Prinzip der wesentlichen Gleichwertigkeit kann ferner zur Bewertung von Lebensmitteln bzw. deren Bestandteilen herangezogen werden, die aus neuartigen Quellen oder Verfahren stammen. Im Wesentlichen gleichwertige [neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten] sind somit im Hinblick auf ihre Unbedenklichkeit mit den entsprechenden herkömmlichen Erzeugnissen vergleichbar. Die wesentliche Gleichwertigkeit kann entweder für ein Lebensmittel insgesamt oder für einen Lebensmittelbestandteil, der die ,neue Veränderung enthält, oder für das Lebensmittel bzw. seinen Bestandteil mit Ausnahme der ,neuen Veränderung festgestellt werden. Wurde ein [neuartiges Lebensmittel oder eine neuartige Lebensmittelzutat] nicht für einem herkömmlichen Lebensmittel oder Lebensmittelbestandteil im Wesentlichen gleichwertig befunden, bedeutet dies nicht, dass es nicht sicher ist, sondern nur, dass ein solches [neuartiges Lebensmittel oder eine solche neuartige Lebensmittelzutat] auf der Grundlage seiner ihm eigenen Zusammensetzung und Eigenschaften zu bewerten ist.

..."

14 In diesem Teil I Abschnitt 3 des Anhangs heißt es unter 3.7 (Toxikologische Anforderungen):

Die toxikologischen Anforderungen an [neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten] sind grundsätzlich fallweise zu prüfen. Zur Festlegung der erforderlichen toxikologischen Daten kommen drei Szenarien in Frage:

1. Feststellung der wesentlichen Gleichwertigkeit mit einem anerkannten herkömmlichen Lebensmittel bzw. einer herkömmlichen Lebensmittelzutat. In diesem Fall sind weitere Untersuchungen nicht erforderlich;

2. Feststellung der wesentlichen Gleichwertigkeit mit Ausnahme eines einzigen oder einiger weniger abweichender Merkmale des [neuartigen Lebensmittels oder der neuartigen Lebensmittelzutat]. In diesem Fall sollten bei der weiteren Unbedenklichkeitsbewertung insbesondere diese Merkmale berücksichtigt werden;

..."

15 In Teil I Abschnitt 5 des Anhangs der Empfehlung 97/618 werden strukturierte Bewertungsschemata mit Hinweischarakter vorgelegt, in denen die Arten von Informationen aufgelistet sind, die für die Bewertung der Unbedenklichkeit bestimmter Kategorien von neuartigen Lebensmitteln und neuartigen Lebensmittelzutaten benötigt werden. Darin heißt es unter IV (Auswirkungen der genetischen Veränderung auf die Eigenschaften des Wirtsorganismus):

Die anhand dieses Bewertungsschemas zu sammelnden Informationen betreffen die Auswirkungen der genetischen Veränderung auf die Eigenschaften des GVO im Vergleich zum Wirtsorganismus. Dabei wird zwischen beabsichtigten und unbeabsichtigten Auswirkungen unterschieden. Hinsichtlich der Letzteren ist insbesondere darauf zu achten, inwieweit sie nutritive, toxikologische und mikrobiologische Folgen für die betreffenden Lebensmittel haben.

Genetisch veränderte Pflanzen

Die Grundsätze zur Bewertung genetisch veränderter Pflanzen und aus solchen hergestellter Erzeugnisse stimmen weitgehend mit denen zur Bewertung nicht genetisch veränderter Pflanzen und daraus hergestellter Erzeugnisse überein. Die Bewertung der Unbedenklichkeit einer genetisch veränderten Pflanze kann mitunter einfacher sein als die einer neuartigen nicht genetisch veränderten Pflanze, nämlich dann, wenn es sich bei dem nicht genetisch veränderten Organismus um eine traditionell zu Ernährungszwecken verwendete Pflanze handelt und die Veränderung durch ein genau definiertes gentechnisches Verfahren bewirkt wurde. In diesem Fall kann sich die Unbedenklichkeitsbewertung auf die Ergebnisse der genetischen Veränderung konzentrieren.

Ergibt sich aus der genetischen Veränderung ein neuer Phänotyp, sind die Folgen dieser Veränderung für die Zusammensetzung zu definieren und zu untersuchen. Wird zum Beispiel eine Pflanze genetisch so verändert, dass sie ein natürlich vorkommendes Insektizid exprimiert, welches von einem aus einem anderen Organismus stammenden Gen kodiert wird, und deshalb gegen den Befall durch bestimmte Schädlinge resistent ist, ist das toxikologische Profil der eingebrachten Insektizidkomponente zu bestimmen. Die Unbedenklichkeit dieser Veränderung der chemischen Zusammensetzung kann anhand toxikologischer Standardverfahren eingeschätzt werden. Dabei ist auch die potenzielle Allergenität zu prüfen. Außerdem sind Nebenwirkungen (Positionseffekte) zu berücksichtigen. Diese Auswirkungen der Insertion, z. B. die Insertionsmutation selbst oder eine Genomumordnung, beeinflussen das Gesamtergebnis der genetischen Veränderung. Es ist von wesentlicher Bedeutung, die normale Toxinproduktion in der Pflanze und die Auswirkungen zu kennen, die verschiedene Wachstums- und Anbaubedingungen, denen die genetisch veränderte Pflanze ausgesetzt ist, auf diese haben, sowie zu wissen, ob das neue Genprodukt letztendlich im Lebensmittel vorhanden ist. Dieselbe Argumentation gilt für ernährungsrelevante Komponenten, insbesondere von Nahrungspflanzen.

..."

Nationale Regelung

16 Das Dekret des Präsidenten des Ministerrates vom 4. August 2000 über die vorsorgliche Aussetzung der Vermarktung und Verwendung bestimmter transgener Erzeugnisse im Staatsgebiet gemäß Artikel 12 der Verordnung Nr. 258/97 (GURI Nr. 184 vom 8. August 2000, S. 9, im Folgenden: Dekret vom 4. August 2000) bestimmt:

1. Die Vermarktung und Verwendung der transgenen Erzeugnisse Mais Bt-11, Mais MON 810, Mais MON 809... werden nach Maßgabe der Präambel ausgesetzt.

2. Dieses Dekret wird in der Gazzetta Ufficiale della Repubblica italiana veröffentlicht und unverzüglich der Europäischen Kommission und den anderen Mitgliedstaaten mitgeteilt."

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

17 Im Anschluss an die Entscheidung 98/292/EG der Kommission vom 22. April 1998 über das Inverkehrbringen von genetisch verändertem Mais (Zea mays L., Linie Bt-11) gemäß der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl. L 131, S. 28) und die Entscheidung 98/294/EG der Kommission vom 22. April 1998 über das Inverkehrbringen von genetisch verändertem Mais (Zea mays L., Linie MON 810) gemäß der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl. L 131, S. 32), die aufgrund dieser Richtlinie ergingen, genehmigten die französischen Behörden und die des Vereinigten Königreichs das Inverkehrbringen von Körnern der genetisch veränderten Maislinien Bt-11 - genetische Veränderung, die dem Mais Resistenz gegenüber Insekten verleiht - und MON 810 - genetische Veränderung, die dem Mais eine höhere Toleranz gegenüber einem Herbizid verleiht - durch einige Gesellschaften, die im Ausgangsverfahren klagen, oder durch Gesellschaften, die mit ihnen verbunden sind. In den Entscheidungen 98/292 und 98/294 hieß es ausdrücklich, dass diese beiden Mitgliedstaaten ihre Genehmigung unbeschadet anderer Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, insbesondere der Verordnung Nr. 258/97, erteilten.

18 Am 10. Dezember 1997, 30. Januar 1998 und 14. Oktober 1998 wurden von einzelnen Klägerinnen des Ausgangsverfahrens oder in ihrem Auftrag Mitteilungen nach dem vereinfachten Verfahren des Inverkehrbringens neuartiger Lebensmittel oder neuartiger Lebensmittelzutaten gemäß Artikel 5 der Verordnung Nr. 258/97 (im Folgenden: vereinfachtes Verfahren) an die Kommission gerichtet. Diese Mitteilungen bezogen sich auf das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel oder neuartiger Lebensmittelzusätze aus den Maislinien Bt-11, MON 810 und MON 809 (im Folgenden: neuartige Lebensmittel) wie Maismehle.

19 Diesen Mitteilungen waren Stellungnahmen beigefügt, die das Advisory Committee on Novel Foods and Processes (Beratender Ausschuss für neuartige Lebensmittel und Verfahren, im Folgenden: ACNFP), eine im Vereinigten Königreich zuständige Stelle im Sinne der Artikel 3 Absatz 4 und 4 Absatz 3 der Verordnung Nr. 258/97, im September 1996 abgegeben hatte und die die Behörden des Vereingten Königreichs mit Schreiben vom 14. Februar 1997 den betreffenden Unternehmen übersandt hatten. Das ACNFP kam darin im Kern zu dem Ergebnis, dass die fraglichen Erzeugnisse mit Verarbeitungserzeugnissen aus Mais aus herkömmlicher Ernte im Wesentlichen gleichwertig seien und gefahrlos in Lebensmitteln verwendet werden könnten (safe for use in food").

20 Diese Mitteilungen wurden dann am 5. Februar, 6. Februar und 23. Oktober 1998 den Mitgliedstaaten übermittelt. Außerdem wurden sie in einer Übersicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht (ABl. 1998, C 200, S. 16, und ABl. 1999, C 181, S. 22).

21 Die Kommission und die Mitgliedstaaten einigten sich im Rahmen des Ständigen Lebensmittelausschusses darauf, ab Januar 1998 das vereinfachte Verfahren nicht mehr auf neuartige Lebensmittel aus GVO, die transgene Proteine enthalten, anzuwenden.

22 Mit Schreiben vom 23. November 1998, 4. Februar 1999 und 2. April 1999 an die Kommission machte der italienische Gesundheitsminister (im Folgenden: Minister) geltend, dass die Anwendung des vereinfachten Verfahrens für das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel und Lebensmittelzutaten aus den Maislinien Bt-11, MON 809 und MON 810 nicht ordnungsgemäß sei. Er bat um Vorlage der betreffenden Dokumentation sowie der Untersuchungen über Toxizität und Allergenität. Die Kommission leitete die Schreiben an die betroffenen Unternehmen weiter, damit diese den italienischen Behörden unmittelbar antworten konnten.

23 Mit Schreiben vom 23. Dezember 1999 an das für Gesundheit und Verbraucherschutz zuständige Mitglied der Kommission wandte sich der Minister unter Bezugnahme auf einen Bericht der Vereinigung Verde Ambiente e Società und unter Berufung auf eine Stellungnahme des Consiglio superiore di sanità vom 16. Dezember 1999 erneut gegen die Anwendung des vereinfachten Verfahrens im vorliegenden Fall, insbesondere weil die neuartigen Lebensmittel den bestehenden Lebensmitteln nicht im Wesentlichen gleichwertig" seien.

24 Es hieß in diesem Schreiben weiter, dass vorsorgliche Maßnahmen zu treffen seien, damit die Sicherheit der neuartigen Lebensmittel gewährleistet sei und die Gefahren, die sie für die Gesundheit mit sich bringen könnten, vor ihrem Inverkehrbringen genau beurteilt werden könnten. Ferner bat der Minister die Kommission, das Inverkehrbringen dieser Lebensmittel und allgemein die Angemessenheit des vereinfachten Verfahrens erneut zu prüfen, um jede Gefährdung der Gesundheit der Verbraucher ausschließen zu können.

25 Der Präsident der Kommission antwortete mit Schreiben vom 10. März 2000, es sei hinreichend dargetan, dass die Voraussetzung der wesentlichen Gleichwertigkeit erfuellt sei und die Anwendung des vereinfachten Verfahrens daher gerechtfertigt sei. Im Übrigen sei die Kommission entschlossen, eine Überarbeitung der fraglichen Regelung vorzuschlagen, um sie klarer und transparenter zu gestalten.

26 Mit Schreiben vom 5. Juni 2000 an den Präsidenten der Kommission und an das zuständige Kommissionsmitglied wiederholte der Minister, dass er die Anwendung des vereinfachten Verfahrens im vorliegenden Fall ablehne, und äußerte darüber hinaus den Wunsch, dass dieses Verfahren wegen der Mehrdeutigkeit des Begriffes der wesentlichen Gleichwertigkeit nicht mehr auf Lebensmittel transgenen Ursprungs angewandt werde.

27 In einer ersten Stellungnahme vom 4. Juli 2000 gelangte das dem italienischen Gesundheitsministerium nachgeordnete Istituto superiore di sanità zu den gleichen Schlussfolgerungen wie der Consiglio superiore di sanità in seiner Stellungnahme vom 16. Dezember 1999, auf das sich der Minister gestützt hatte.

28 Mit Schreiben vom 10. Juli 2000 antwortete das zuständige Kommissionsmitglied auf das Schreiben vom 5. Juni 2000, dass eine vollständige Überprüfung des Regelwerks für neuartige Lebensmittel vorgenommen werden müsse. Dem Wissenschaftlichen Lebensmittelausschuss seien die entsprechenden Angaben für eine umfassende Prüfung übermittelt worden.

29 In einer zweiten Stellungnahme vom 28. Juli 2000 stellte das Istituto superiore di sanità fest, dass die betroffenen Lebensmittel Proteine aus genetischen Veränderungen in einer Größenordnung von 0,04 bis 30 Teile pro Million (ppm) enthielten, und vertrat allgemein die Ansicht, dass die neuartigen Lebensmittel und die entsprechenden herkömmlichen Erzeugnisse in Bezug auf Makro- und Mikronährstoffe im Wesentlichen identisch seien, wobei die vorgelegte Dokumentation allerdings für bestimmte (Mikro-)Bestandteile keine vergleichenden Angaben über diese neuartigen Lebensmittel und die entsprechenden herkömmlichen Erzeugnisse enthalte.

30 Im Ergebnis liege im Licht der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse beim Verzehr der in der Tabelle aufgeführten Erzeugnisse aus GVO offenbar keine Gefährdung der Gesundheit von Menschen und Tieren vor".

31 Die italienische Regierung erließ unter Bezugnahme auf ihren Schriftwechsel mit der Kommission und die genannten wissenschaftlichen Stellungnahmen das Dekret vom 4. August 2000, das ausdrücklich auf Artikel 12 der Verordnung Nr. 258/97 gestützt ist.

32 In der Präambel dieses Dekrets weist die italienische Regierung insbesondere darauf hin, dass das Fehlen von Informationen, um die sie wiederholt gebeten habe, und die Befassung des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses mit einer erneuten Prüfung der Auswirkungen der GVO auf die Gesundheit der Verbraucher und die Umwelt ausreichten, um zu verlangen, dass die Vermarktung und Verwendung von Mais-GVO, bei denen festgestellt worden sei, dass die veränderten Bestandteile noch im Nahrungsmittel vorhanden seien, bis zu der erforderlichen Nachprüfung in Bezug auf die Zusammensetzung dieser Bestandteile ausgesetzt würden.

33 Am 7. August 2000 übermittelte die italienische Regierung der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten nach Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 eine Kopie des Dekrets.

34 Wie die Kommission in ihrem Schreiben vom 10. Juli 2000 angekündigt hatte, befasste sie gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 258/97 den Wissenschaftlichen Lebensmittelausschuss, indem sie ihm die Frage vorlegte, ob die Stellungnahmen des Consiglio superiore di sanità vom 16. Dezember 1999 und des Istituto superiore di sanità vom 28. Juli 2000 mehr oder weniger eingehende Gründe für die Annahme enthielten, dass die Verwendung der in Rede stehenden neuartigen Lebensmittel eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstelle.

35 Der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuss vertrat in seiner Stellungnahme vom 7. September 2000 die Ansicht, dass sich aus den von den italienischen Stellen vorgelegten Informationen keine spezifischen wissenschaftlichen Gründe dafür ergäben, dass die Verwendung der fraglichen neuartigen Lebensmittel eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstelle.

36 Angesichts dieser Stellungnahme befasste die Kommission den Ausschuss am 18. Oktober 2000 mit dem Entwurf einer Entscheidung nach Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung Nr. 258/97 gegen das Dekret vom 4. August 2000.

37 Im Protokoll der Ausschusssitzung vom 18. und 19. Oktober 2000 heißt es:

[E]ine Reihe von Mitgliedstaaten hat ihrer Besorgnis über die Anwendung des vereinfachten Verfahrens auf Erzeugnisse aus GVO Ausdruck gegeben und darauf bestanden, dass diese Frage untersucht werde, bevor eine Entscheidung über das italienische Dekret [vom 4. August 2000] ergehen könne. Zur Anwendung des Kriteriums der wesentlichen Gleichwertigkeit auf genetisch veränderte Erzeugnisse wie Erzeugnisse aus genetisch verändertem Mais seien Detailregelungen erforderlich, und es wurde darauf hingewiesen, dass dies nach Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung [Nr. 258/97] geschehen könne."

38 Nach Ansicht der Kommission war es nicht erforderlich, den Ausschuss um eine offizielle Formulierung seiner Stellungnahme zu bitten.

39 Die Kommission hat bis heute keine Maßnahme nach Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung Nr. 258/97 gegen das Dekret vom 4. August 2000 ergriffen.

40 Am 13. November 2000 erhoben die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens beim Tribunale amministrativo regionale del Lazio Klage gegen die Beklagten des Ausgangsverfahrens, mit der sie im Wesentlichen beantragen,

- das Dekret vom 4. August 2000 - soweit es die Vermarktung und die Verwendung der neuartigen Lebensmittel im italienischen Staatsgebiet vorläufig aussetzt - und alle vorherigen, damit zusammenhängenden oder nachfolgenden Maßnahmen oder Verhaltensweisen, die in diesem Dekret ausdrücklich genannt sind, für nichtig zu erklären und

- den ihnen entstandenen Schaden in Form einer ihnen zu erteilenden gerichtlichen Ermächtigung für die Vermarktung dieser Lebensmittel vollständig wieder gutzumachen.

41 Das vorlegende Gericht hält in Anbetracht der ihm vorgetragenen Argumente die Anwendung des vereinfachten Verfahrens im vorliegenden Fall nicht für gerechtfertigt, da die neuartigen Lebensmittel nicht den bestehenden Lebensmitteln im Wesentlichen gleichwertig seien.

42 Aus der Empfehlung 97/618, insbesondere Teil I Abschnitt 3 unter 3.3 und 3.7 sowie Abschnitt 5 unter IV des Anhangs, ergebe sich nämlich, dass sämtliche Kriterien für die Gleichwertigkeit zu berücksichtigen seien. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens hätten aber nicht ernstlich in Zweifel gezogen, dass die neuartigen Lebensmittel transgene Proteine enthielten, die auf die eingefügten Gene zurückgingen. Daraus folge, dass keine wesentliche Gleichwertigkeit dieser Lebensmittel mit den bestehenden Lebensmitteln festgestellt werden könne, da sie sich in ihrer Zusammensetzung von diesen unterschieden.

43 Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts sind die Folgen zu prüfen, die sich aus diesem Verfahrensfehler insbesondere für die Befugnisse der Mitgliedstaaten zum Erlass von Maßnahmen gegen Lebensmittel ergeben könnten, die nach einem solchen rechtswidrigen Verfahren in ihr Hoheitsgebiet eingeführt würden.

44 Zur Anwendung von Artikel 12 der Verordnung Nr. 258/97 durch die Italienische Republik vertritt das vorlegende Gericht die Auffassung, dass diese Vorschrift eine Schutzklausel enthalte, die eine spezielle Ausprägung des Vorsorgeprinzips darstelle (vgl. zu Artikel 11 der Richtlinie 90/220 Urteil vom 21. März 2000 in der Rechtssache C-6/99, Greenpeace France u. a., Slg. 2000, I-1651, Randnr. 44).

45 Da sich aus dem Wortlaut von Artikel 5 der Verordnung Nr. 258/97 offenbar ergebe, dass die Anwendung des vereinfachten Verfahrens nicht bedeute, dass die Kommission das Inverkehrbringen der betreffenden Lebensmittel genehmigt habe, könne der Mitgliedstaat nach dem Vorsorgeprinzip von seiner Befugnis aus Artikel 12 dieser Verordnung Gebrauch machen, auch wenn er nicht oder noch nicht über Anhaltspunkte dafür verfüge, dass diese Lebensmittel eine Gefahr für die menschliche Gesundheit und die Umwelt darstellten.

46 Würde das vereinfachte Verfahren eine stillschweigende Zustimmung der Kommission zum Inverkehrbringen der notifizierten Lebensmittel bedeuten, so würde sich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zustimmung stellen.

47 Überdies würde sich, wenn die Verordnung Nr. 258/97 dahin auszulegen wäre, dass die Anwendung des vereinfachten Verfahrens im vorliegenden Fall gerechtfertigt sei, auch die Frage nach der Vereinbarkeit dieser Verordnung mit den Artikeln 153 EG und 174 EG sowie mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Angemessenheit stellen.

48 Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale del Lazio das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Diese Fragen sind nicht gesondert formuliert worden, doch kann aus den Gründen des Vorlagebeschlusses geschlossen werden, dass sich das Vorabentscheidungsersuchen auf folgende Fragen bezieht:

1. Ist Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 dahin auszulegen, dass Lebensmittel und Lebensmittelzutaten im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b dieser Verordnung auch dann als den bestehenden Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten im Wesentlichen gleichwertig anzusehen sind und infolgedessen im vereinfachten Verfahren durch eine Mitteilung" in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie Rückstände transgener Proteine enthalten?

2. Wenn Frage 1 verneint wird und der Rückgriff auf das vereinfachte Verfahren im vorliegenden Fall daher nicht gerechtfertigt ist, welche Folgen hat dies dann insbesondere für die Befugnis der Mitgliedstaaten, nach dem Vorsorgeprinzip, von dem Artikel 12 der Verordnung Nr. 258/97 eine spezielle Ausprägung darstellt, Maßnahmen wie das Dekret vom 4. August 2000 zu ergreifen, und für die Verteilung der Beweislast für die von dem neuartigen Erzeugnis ausgehende Gefährdung der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt?

3. Wirkt sich eine Bejahung der Frage, ob das vereinfachte Verfahren eine stillschweigende Zustimmung der Kommission zum Inverkehrbringen der Erzeugnisse, auf die es angewandt wird, impliziert, auf die Antwort auf Frage 2 dahin aus, dass der betreffende Mitgliedstaat zuvor die Rechtmäßigkeit dieser stillschweigenden Zustimmung in Frage stellen muss?

4. Ist Artikel 5 der Verordnung Nr. 258/97 bei einer Bejahung von Frage 1 mit den Artikeln 153 EG und 174 EG sowie mit den Grundsätzen der Vorsorge, der Verhältnismäßigkeit und der Angemessenheit vereinbar, soweit

- er keine umfassende Prüfung der Unbedenklichkeit der Lebensmittel und Lebensmittelzutaten im Hinblick auf die Risiken vorsieht, die diese für die menschliche Gesundheit und die Umwelt mit sich bringen, und nicht die Beteiligung und Unterrichtung der Mitgliedstaaten und ihrer wissenschaftlichen Einrichtungen gewährleistet, obwohl diese Beteiligung zum Schutz dieser Güter unentbehrlich ist, wie sich aus dem in den Artikeln 6 ff. dieser Verordnung vorgesehenen normalen Verfahren ergibt, und

- ein solches vereinfachtes Verfahren allein aus Gründen der Beschleunigung und Vereinfachung des Verwaltungshandelns auf das Inverkehrbringen von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten angewandt werden kann, zu denen in Anbetracht der Tatsache, dass sie Rückstände transgener Proteine enthalten, keine Informationen über alle Auswirkungen ihres Inverkehrbringens auf die Gesundheit der Verbraucher, den menschlichen Verzehr und die Umwelt vorliegen, wie allgemein aus der Empfehlung 97/618/EG ableitet werden kann?

Zur ersten Frage

49 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 dahin auszulegen ist, dass das Vorhandensein von Rückständen transgener Proteine in bestimmten Größenordnungen bei neuartigen Lebensmitteln es ausschließt, dass diese Lebensmittel als den bestehenden Lebensmitteln im Wesentlichen gleichwertig angesehen werden und damit das vereinfachte Verfahren für das Inverkehrbringen dieser neuartigen Lebensmittel angewandt wird.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

50 Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens machen geltend, nach der Verordnung Nr. 258/97 könnten neuartige Lebensmittel nach dem vereinfachten Verfahren in den Verkehr gebracht werden, wenn sie keine GVO enthielten und den bestehenden Lebensmitteln im Wesentlichen gleichwertig seien.

51 Die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Lebensmittel enthielten aber keine GVO. Es sei unstreitig, dass sie, auch wenn sie transgene Proteine enthielten, nicht als GVO eingestuft werden könnten.

52 Außerdem habe die Verordnung Nr. 258/97 die Beurteilung der wesentlichen Gleichwertigkeit vollständig an die Wissenschaft delegiert. Diese Frage betreffe nicht die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, sondern beziehe sich ausschließlich auf die Tragweite eines wissenschaftlichen Begriffes. Demzufolge könne der Gerichtshof über diese Frage als solche nicht im Vorabentscheidungsverfahren befinden.

53 Die italienische Regierung trägt vor, nach der Verordnung Nr. 258/97 sei das normale Verfahren, auf das Artikel 3 Absatz 2 dieser Verordnung Bezug nehme (im Folgenden: normales Verfahren), einzuhalten, sofern eine Risikobeurteilung erforderlich sei. Ohne eine solche Beurteilung sei der wesentliche Grundsatz der Verordnung Nr. 258/97, nämlich der Schutz der öffentlichen Gesundheit, verletzt, und die fraglichen Lebensmittel befänden sich nicht rechtmäßig auf dem Markt.

54 Teil I Abschnitt 3 Punkt 3.3 des Anhangs der Empfehlung 97/618 bestätige, dass der Begriff wesentliche Gleichwertigkeit" von instrumentalem und relativem Wert sei. Dieser Begriff und damit das vereinfachte Verfahren seien nur anwendbar, wenn sich die Gleichwertigkeit auf alle in der Verordnung Nr. 258/97 genannten Aspekte (Zusammensetzung, Nährwert usw.) beziehe.

55 Im Ausgangsverfahren habe das Istituto superiore di sanità das Vorhandensein transgener Proteine festgestellt, die auf eingefügte Gene zurückgingen, und die Existenz dieser Proteine sei auch nicht bestritten. Die bloße Feststellung, dass im vorliegenden Fall keine Beurteilung der Unschädlichkeit des Vorhandenseins dieser Proteine in dem mit der Verordnung Nr. 258/97 eingeführten normalen Verfahren vorgenommen worden sei, das die Beteiligung und Unterrichtung aller Mitgliedstaaten vorsehe, führe zur Unanwendbarkeit des vereinfachten Verfahrens.

56 Die norwegische Regierung trägt vor, dass das Vorhandensein fremder Proteine in neuartigen Lebensmitteln, die auf Gene zurückgingen, die häufig von Organismen aus einem anderen Teilbereich der Biologie stammten, als solches eine wesentliche Veränderung der Zusammensetzung der betreffenden Pflanze darstelle.

57 Bei der Prüfung der Frage, ob Lebensmittel als mit anderen Lebensmitteln im Wesentlichen gleichwertig eingestuft werden könnten, müssten auch die Folgen berücksichtigt werden, die sich aus der genetischen Veränderung ergeben könnten.

58 Insbesondere die Insertion von fremden Genen könnte unvorhersehbare Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Pflanze haben, die im Rahmen einer Gesamtbeurteilung der Risiken eingehender geprüft werden müssten. Diese Risiken könnten durch die Auswirkungen der genetischen Insertion in die in der Pflanze bereits vorhandenen Gene selbst verursacht werden oder sich aus der Wechselwirkung der ein fremdes Gen enthaltenden Erzeugnisse mit den Bestandteilen/Prozessen der verwandten Linie ergeben.

59 Aus dieser Feststellung folge, dass das Vorhandensein fremder Proteine in neuartigen Lebensmitteln, wie dies bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnissen der Fall sei, es ausschließe, dass diese Lebensmittel als den bestehenden Lebensmitteln im Wesentlichen gleichwertig im Sinne von Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 angesehen werden könnten. Wenn unter diesen Umständen die wesentliche Gleichwertigkeit bejaht würde, hätte dies im Übrigen zur Folge, dass die betreffenden Lebensmittel entgegen Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 in den Verkehr gebracht werden könnten, ohne dass Sicherheitsbewertungen durchgeführt würden. Die erste Frage sei daher zu verneinen.

60 Das Parlament macht geltend, das nationale Gericht habe als Tatsachenfrage zu entscheiden, ob neuartige Lebensmittel zu einer der Gruppen von Lebensmitteln gehörten, für die die Anwendung des vereinfachten Verfahrens zulässig sei, und ob sie den bestehenden Lebensmitteln im Wesentlichen gleichwertig seien. Das Parlament hält es für zweifelhaft, dass diese beiden Voraussetzungen im Ausgangsverfahren erfuellt seien.

61 Die Kommission trägt vor, in formaler Hinsicht bestuenden keine rechtlichen Hindernisse für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens für das Inverkehrbringen der fraglichen neuartigen Lebensmittel.

62 Sowohl aus Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung Nr. 258/97 als auch aus der Empfehlung 97/618 ergebe sich, dass bei der konkreten Prüfung der Frage, ob nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen neuartige Lebensmittel, die transgene Proteine enthielten, als den herkömmlichen Lebensmitteln, die solche Proteine nicht enthielten, im Wesentlichen gleichwertig angesehen werden könnten, Vorsicht angebracht sei, da der Begriff der wesentlichen Gleichwertigkeit nicht eindeutig sei und eine solche Prüfung einen schwierigen Vergleich verschiedener Parameter erfordere.

63 Zur Zeit der Ereignisse des Ausgangsverfahrens - genauer, zu dem Zeitpunkt, zu dem die im Ausgangsverfahren klagenden Gesellschaften technische und wissenschaftliche Schritte unternommen hätten, um die neuartigen Lebensmittel nach dem vereinfachten Verfahren in den Verkehr zu bringen - hätten der Begriff der wesentlichen Gleichwertigkeit und damit das vereinfachte Verfahren nach der Rechtslage und dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse für das Inverkehrbringen dieser Lebensmittel angewandt werden können, ungeachtet der in ihnen vorhandenen Rückstände transgener Proteine.

64 Jedoch habe sich infolge von Erörterungen in internationalen wissenschaftlichen Institutionen die Bedeutung des Begriffes der wesentlichen Gleichwertigkeit erheblich gewandelt.

65 Nach dieser kritischen Überprüfung sei die Kommission zu der Schlussfolgerung gelangt, dass beim gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Forschung Lebensmittel, die transgene Proteine enthielten, grundsätzlich wohl nicht mehr als den bestehenden Lebensmitteln im Wesentlichen gleichwertig im Sinne von Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 angesehen werden könnten, sofern nicht eine umfassende Beurteilung ihrer charakteristischen Merkmale jenseits aller vernünftigen Zweifel gewährleisten könne, dass sämtliche in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen erfuellt seien.

66 Unter Berücksichtigung dieser neuen Sichtweise, die auf der Vorsicht und der Entwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse Rechnung tragenden Erwägungen beruhe, seien die Kommission und die Mitgliedstaaten übereingekommen, das vereinfachte Verfahren ab 1. Januar 1998 auf solche Lebensmittel nicht mehr anzuwenden.

67 Diese neue Politik erkläre, weshalb die Kommission in Artikel 38 ihres am 30. Juli 2001 vorgelegten Vorschlags 2001/C 304 E/15 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel (ABl. 2001, C 304 E, S. 221) die Streichung der Anwendung des vereinfachten Verfahrens für die in Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 258/97 genannten Lebensmittel vorgesehen habe.

68 Jedoch sei die Anwendung des Begriffes der wesentlichen Gleichwertigkeit und damit des vereinfachten Verfahrens im Ausgangsverfahren gerechtfertigt, weil die Kommission und die Mitgliedstaaten im maßgebenden Zeitraum im Anschluss an die kritische Überprüfung dieser Frage noch keine striktere Haltung eingenommen hätten.

69 Diese Auffassung stehe auch im Einklang mit einer wörtlichen Auslegung der Verordnung Nr. 258/97 und schütze das Vertrauen in ein objektives Verständnis dieser Verordnung. Im Übrigen hätten sowohl das Istituto superiore di sanità in seiner Stellungnahme vom 28. Juli 2000 als auch der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuss in seiner Stellungnahme vom 7. September 2000 bestätigt, dass die neuartigen Lebensmittel die Gesundheit oder die Umwelt nicht gefährdeten.

Antwort des Gerichtshofes

70 Für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens wird die in Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 enthaltene Voraussetzung der wesentlichen Gleichwertigkeit entweder nach den verfügbaren und allgemein anerkannten wissenschaftlichen Befunden oder, was im Ausgangsverfahren der Fall war, von wissenschaftlichen Einrichtungen beurteilt, die auf die Bewertung der mit den neuartigen Lebensmitteln verbundenen Risiken spezialisiert sind, also von den in Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung genannten zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten, die ex ante, d. h. vor dem Inverkehrbringen der neuartigen Lebensmittel, tätig werden.

71 Es handelt sich um eine Voraussetzung für die Anwendung dieses Verfahrens, die, wenn sie erfuellt ist und soweit das betreffende neuartige Lebensmittel zu einer der Lebensmittelgruppen gehört, auf die dieses Verfahren angewandt werden kann, was das vorlegende Gericht in Bezug auf die im Ausgangsverfahren fraglichen Lebensmittel festzustellen hat, impliziert, dass die im Rahmen des normalen Verfahrens vorgesehene Risikobewertung nicht erforderlich ist.

72 Aus den Erfordernissen der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts wie auch des Gleichheitsgrundsatzes ergibt sich, dass die Begriffe einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift, die, wie Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung Nr. 258/97 und der darin enthaltene Begriff der wesentlichen Gleichwertigkeit, für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Gemeinschaft autonom und einheitlich auszulegen sind, wobei diese Auslegung unter Berücksichtigung des Kontextes dieser Vorschrift und des mit der Regelung verfolgten Zweckes vorzunehmen ist (in diesem Sinne u. a. Urteil vom 19. September 2000 in der Rechtssache C-287/98, Linster, Slg. 2000, I-6917, Randnr. 43).

73 Da die wesentliche Gleichwertigkeit einen in der Verordnung Nr. 258/97 nicht definierten gemeinschaftsrechtlichen Begriff darstellt, sind somit für seine autonome und einheitliche Auslegung der Kontext des Artikels 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 dieser Verordnung und die mit ihr verfolgten Zwecke zu untersuchen.

74 Die doppelte Zielsetzung der Verordnung Nr. 258/97, die darin besteht, das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes der neuartigen Lebensmittel zu sichern (erste Begründungserwägung der Verordnung) und die öffentliche Gesundheit vor den Risiken zu schützen, die sich aus diesen Lebensmitteln ergeben können (zweite Begründungserwägung und Artikel 3 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Verordnung), stellt insoweit einen wichtigen Faktor dar, der für eine Auslegung spricht, wonach der Begriff der wesentlichen Gleichwertigkeit es nicht ausschließt, dass neuartige Lebensmittel, die Unterschiede in der Zusammensetzung aufweisen, die keine Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben, als im Wesentlichen gleichwertig angesehen werden.

75 Was den Kontext des Begriffes der wesentlichen Gleichwertigkeit angeht, so ist dieser Begriff im Rahmen der insbesondere in der Empfehlung 97/618 genannten Arbeiten der internationalen wissenschaftlichen Institutionen zu sehen, in denen er entwickelt wurde.

76 Aus der Rechtsgrundlage dieser Empfehlung, nämlich Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung Nr. 258/97, ergibt sich zwar, dass die Empfehlung erlassen wurde, um Klarheit in das normale Verfahren zu bringen. Dies erklärt im Übrigen auch, weshalb das in Teil I Abschnitt 5 unter IV des Anhangs der Empfehlung 97/618 (in Verbindung mit Abschnitt 3 unter 3.3 und 3.7) genannte Erfordernis einer toxikologischen Standardbewertung, auf das sich das vorlegende Gericht bezieht, im vorliegenden Fall nicht einschlägig ist. Es handelt sich hier um die Verwendung des Begriffes der wesentlichen Gleichwertigkeit im speziellen Rahmen einer Risikoanalyse, wie sie in dem normalen Verfahren vorgesehen ist.

77 Doch ist diese Empfehlung für die Bestimmung des Begriffes der wesentlichen Gleichwertigkeit im Sinne von Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 nützlich. Aus Teil I Abschnitt 3 Punkt 3.3 Absätze 1 und 2 des Anhangs der Empfehlung ergibt sich nämlich, dass dieser Begriff eigentlich keine Risikobewertung umfasst, sondern einen Ansatz für den Vergleich des neuartigen Lebensmittels mit seinem traditionellen Äquivalent darstellt, der vorgenommen wird, um festzustellen, ob es insbesondere in Bezug auf seine Zusammensetzung und seine spezifischen Eigenschaften einer Risikobewertung unterzogen werden muss. Daraus ergibt sich auch, dass das Fehlen der wesentlichen Gleichwertigkeit nicht zwangsläufig bedeutet, dass das fragliche Lebensmittel gefährlich wäre, sondern nur, dass es einer Bewertung der Risiken, die mit ihm verbunden sein könnten, zu unterziehen ist.

78 Um den Begriff der wesentlichen Gleichwertigkeit noch weiter zu umschreiben, muss er außerdem im Kontext des Verfahrens der Risikoanalyse gesehen werden, wie dieses gewöhnlich auf internationaler und Gemeinschaftsebene festgelegt ist. Es handelt sich nämlich um einen Begriff, der, wie im vorliegenden Fall, von wissenschaftlichen Einrichtungen angewandt wird, die auf die Bewertung der Risiken neuartiger Lebensmittel spezialisiert und mit ihr betraut sind.

79 Dieser Begriff ist genauer gesagt als eine spezifische Methode auf dem Gebiet der neuartigen Lebensmittel zu verstehen, die der Identifizierung der Gefahren als erstem Schritt des Abschnitts der wissenschaftlichen Risikobewertung dient, nämlich der Identifizierung der biologischen, chemischen und physikalischen Wirkstoffe mit möglicherweise verhängnisvollen Folgen für die Gesundheit, die in einem bestimmten Lebensmittel oder einer Lebensmittelgruppe vorhanden sein können und eine wissenschaftliche Bewertung erfordern, um besser beurteilt werden zu können (in diesem Sinne u. a. Verfahrenshandbuch der Codex-Alimentarius-Kommission der FAO [Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen], 12. Auflage, S. 51 und 52, und Anhang III der vorläufigen Mitteilung der Codex-Alimentarius-Kommission der FAO und der WHO, CX 4/10, CL 2000/12 - GP, April 2000, sowie Artikel 3 Nummern 9 bis 14 der Verordnung [EG] Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit [ABl. L 31, S. 1] und Punkte 5.1.1 und 5.1.2 sowie Anhang III der Mitteilung KOM/2000/1 der Kommission vom 2. Februar 2000 über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips; vgl. auch Urteile des Gerichts vom 11. September 2002 in der Rechtssache T-13/99, Pfizer Animal Health/Rat, Slg. 2002, II-3305, Randnr. 156, und in der Rechtssache T-70/99, Alpharma/Rat, Slg. 2002, II-3495, Randnr. 169).

80 Da der Schutz der öffentlichen Gesundheit ein wesentliches Ziel der Verordnung Nr. 258/97 darstellt, kann der Begriff der wesentlichen Gleichwertigkeit nicht so ausgelegt werden, dass das vereinfachte Verfahren, das schon nach dem Wortlaut von Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung Ausnahmecharakter hat, eine Lockerung der Sicherheitsnormen erfährt, denen neuartige Lebensmittel genügen müssen (in diesem Sinne zum Bereich der Arzneispezialitäten Urteil vom 3. Dezember 1998 in der Rechtssache C-368/96, Generics [UK] u. a., Slg. 1998, I-7967, Randnr. 22).

81 Zu den insbesondere von der norwegischen Regierung angeführten unvorhersehbaren Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, die sich aus der Insertion von fremden Genen ergeben könnten, ist festzustellen, dass diese Auswirkungen, wenn sie nach den bei der Erstprüfung durch die zuständige Stelle verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen als Gefahr für die menschliche Gesundheit zu identifizieren wären, Gegenstand einer Risikobewertung sein müssten und daher der Annahme einer wesentlichen Gleichwertigkeit im konkreten Fall entgegenstehen würden.

82 Ein anderer Faktor des Regelungszusammenhangs des in Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 enthaltenen Begriffes der wesentlichen Gleichwertigkeit, der die Auslegung bestärkt, nach der dieser Begriff Unterschieden in der Zusammensetzung, die für die öffentliche Gesundheit irrelevant sind, nicht entgegensteht, ergibt sich aus Artikel 5 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 8 dieser Verordnung.

83 Daraus folgt nämlich, dass bestimmte Unterschiede, insbesondere in Bezug auf die Zusammensetzung der neuartigen Lebensmittel, es nicht ausschließen, dass diese Lebensmittel als im Wesentlichen gleichwertig im Sinne von Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 angesehen werden; vielmehr sind diese Unterschiede nach Artikel 8 der Verordnung auf der Etikettierung speziell anzugeben.

84 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, dass Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 dahin auszulegen ist, dass das bloße Vorhandensein von Rückständen transgener Proteine in bestimmten Größenordnungen bei neuartigen Lebensmitteln es nicht ausschließt, dass diese Lebensmittel als den bestehenden Lebensmitteln im Wesentlichen gleichwertig angesehen werden und damit das vereinfachte Verfahren für das Inverkehrbringen dieser neuartigen Lebensmittel angewandt wird. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn nach den bei der Erstprüfung verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen ein Risiko potenziell gefährlicher Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit erkennbar ist. Das vorlegende Gericht hat festzustellen, ob diese Voraussetzung erfuellt ist.

Zur zweiten und zur dritten Frage

85 Die zweite und die dritte Frage des vorlegenden Gerichts, die zusammen zu prüfen sind, gehen im Wesentlichen dahin, welche Auswirkungen die Ordnungsmäßigkeit des Rückgriffs auf das vereinfachte Verfahren auf die Befugnis der Mitgliedstaaten hat, nach dem Vorsorgeprinzip und insbesondere nach Artikel 12 der Verordnung Nr. 258/97 Maßnahmen wie das Dekret vom 4. August 2000 zu ergreifen, vor allem was die Beweislast für die Unbedenklichkeit der neuartigen Lebensmittel und die Frage betrifft, ob die Anfechtung der stillschweigenden Zustimmung der Kommission, die in der Durchführung des vereinfachten Verfahrens liegen könnte, Voraussetzung für solche Maßnahmen ist.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

86 Nach Ansicht der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens ist klar, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 12 der Verordnung Nr. 258/97, die diese Vorschrift ausdrücklich enthalte, im Ausgangsverfahren nicht erfuellt seien, da sich das Dekret vom 4. August 2000 für die Annahme, dass die neuartigen Lebensmittel nach den verfügbaren wissenschaftlichen Informationen die menschliche Gesundheit oder die Umwelt gefährdeten, auf keinen stichhaltigen Grund habe stützen können.

87 Daher gehe die zweite Frage des vorlegenden Gerichts im Wesentlichen dahin, ob, falls die Vorschrift über die Anwendung des vereinfachten Verfahrens für neuartige Lebensmittel mit transgenen Proteinen rechtswidrig sei, ein Mitgliedstaat nach dem Gemeinschaftsrecht und insbesondere nach dem Vorsorgeprinzip eine vorbeugende Maßnahme, mit der die Vermarktung dieser Lebensmittel ausgesetzt werde, auch dann erlassen könne, wenn die Voraussetzungen des Artikels 12 der Verordnung Nr. 258/97 nicht erfuellt seien.

88 Insoweit ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass bei Nichterfuellung der Voraussetzungen des Artikels 12 der Verordnung Nr. 258/97 wie im vorliegenden Fall es weder nach dem Vorsorgeprinzip noch nach irgendeinem anderen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz gerechtfertigt sein könne, dass ein Mitgliedstaat vorbeugende Maßnahmen zur Aussetzung der Vermarktung von in den Verkehr gebrachten Erzeugnissen unter Berufung auf die Ungültigkeit derjenigen Vorschrift dieser Verordnung erlasse, die das Verfahren, nach dem dieses Inverkehrbringen erfolgt sei, vorsehe, solange diese Ungültigkeit nicht nach Maßgabe des EG-Vertrags festgestellt worden sei. Die zweite Frage sei daher zu verneinen.

89 Die italienische Regierung trägt vor, Artikel 12 der Verordnung Nr. 258/97 bestätige den instrumentalen und relativen Wert des Begriffes der wesentlichen Gleichwertigkeit, wie er von der Kommission in der Empfehlung 97/618 anerkannt worden sei.

90 Ein Mitgliedstaat, der die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines neuartigen Lebensmittels aussetze, müsse eine mit Gründen versehene Bewertung des Lebensmittels vorlegen, um die vorherige Bewertung in Zweifel zu ziehen, die von einer anderen Fachbehörde als derjenigen, auf die sich dieser Staat stütze, abgegeben worden sei, und die Kommission bewerte in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 13 der Verordnung Nr. 258/97 ihrerseits die technischen Schlussfolgerungen der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, der die Vermarktung und Verwendung dieses Lebensmittels ausgesetzt habe.

91 Das vereinfachte Verfahren erlege der Kommission nicht die Verpflichtung auf, die Mitteilung des neuartigen Lebensmittels oder der neuartigen Lebensmittelzutat zu prüfen. Eine solche Kontrolle stelle daher keine Voraussetzung für die Gültigkeit der Notifizierung dar, so dass unmöglich davon auszugehen sei, dass ein solches Verfahren als ein komplexer Akt oder als ein einseitiger Akt zu sehen sei, der Anwendbarkeitsvoraussetzungen unterliege.

92 Daher sei die Qualifizierung der Mitteilung über das Inverkehrbringen eines neuartigen Lebensmittels irrelevant für die Frage, ob die Mitgliedstaaten befugt seien, die Genehmigung auszusetzen, bis die Unbedenklichkeit dieses Lebensmittels unter Beteiligung und Unterrichtung aller Mitgliedstaaten im Rahmen von Artikel 13 der Verordnung Nr. 258/97 geprüft worden sei.

93 Die norwegische Regierung trägt zunächst vor, wenn sich ein Mitgliedstaat wie die Italienische Republik im Ausgangsverfahren dagegen wende, dass neuartige Lebensmittel als den bestehenden Lebensmitteln im Wesentlichen gleichwertig im Sinne von Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 anzusehen seien, sei es nach Unterabsatz 2 dieser Vorschrift erforderlich, dass die Frage gemäß dem Verfahren des Artikels 13 der Verordnung entschieden werde. Unter solchen Umständen habe jeder Mitgliedstaat die Möglichkeit, sich auf dieses Verfahren zu berufen.

94 Ein Mitgliedstaat, der eine am Ende dieses Verfahrens getroffene Entscheidung über die wesentliche Gleichwertigkeit in Frage stelle, habe die Möglichkeit, Artikel 12 der Verordnung Nr. 258/97 heranzuziehen, sofern dessen Voraussetzungen erfuellt seien.

95 Die norwegische Regierung trägt sodann vor, ein Mitgliedstaat könne berechtigterweise auf Artikel 12 der Verordnung Nr. 258/97 zurückgreifen, wenn er über preliminäre wissenschaftliche Hinweise verfüge, aufgrund deren er vernünftige Gründe für die Befürchtung habe, dass ein neuartiges Lebensmittel für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt potenziell gefährlich sei. Diese umsichtige Vorgehensweise sei umso mehr geboten, als es sich um ein vergleichsweise neues Wissenschaftsgebiet handele, auf dem die Kenntnis der potenziellen Auswirkungen der GVO noch begrenzt sei.

96 In Anbetracht der Art der Voraussetzungen und des spezifischen Verfahrens nach Artikel 12 der Verordnung Nr. 258/97 sei es nicht Sache eines nationalen Gerichts, zu entscheiden, ob die Inanspruchnahme dieser Vorschrift durch einen Mitgliedstaat gerechtfertigt sei.

97 Abschließend macht die norwegische Regierung geltend, die fehlende Reaktion der Kommission im Rahmen des vereinfachten Verfahrens könne nicht als stillschweigende Zustimmung zur Vermarktung der neuartigen Lebensmittel ausgelegt werden, da die Rolle der Kommission in diesem Verfahren auf den Empfang, die Weiterleitung und die Veröffentlichung der Mitteilungen über das Inverkehrbringen dieser neuartigen Lebensmittel beschränkt sei.

98 Der Rat trägt vor, die Rechtsnatur des vereinfachten Verfahrens sei für die Anwendung der Schutzklausel des Artikels 12 der Verordnung Nr. 258/97 irrelevant, da die Mitgliedstaaten unter Berufung auf diese Vorschrift jederzeit und unabhängig von dem Verfahren, nach dem das Inverkehrbringen der neuartigen Lebensmittel genehmigt worden sei, deren Vermarktung unter Anführung stichhaltiger Gründe aussetzen könnten.

Antwort des Gerichtshofes

99 Bei der Prüfung dieser Fragen ist zu berücksichtigen, dass das vorlegende Gericht und nicht der Gerichtshof darüber zu entscheiden hat, ob im Ausgangsverfahren die neuartigen Lebensmittel den bestehenden Lebensmitteln im Wesentlichen gleichwertig sind, wobei insbesondere die im vorliegenden Urteil in der Antwort auf die erste Frage gelieferten Auslegungskriterien zu beachten sind.

100 Was die Rechtsnatur des vereinfachten Verfahrens angeht, so kann die fehlende Reaktion der Kommission bei der Durchführung dieses Verfahrens nicht als stillschweigende Zustimmung zur Vermarktung der neuartigen Lebensmittel angesehen werden, da die Rolle der Kommission in einem solchen Verfahren auf den Empfang, die Weiterleitung und die Veröffentlichung der Mitteilungen über die Vermarktung dieser neuartigen Lebensmittel beschränkt ist. Im Fall eines wegen fehlender wesentlicher Gleichwertigkeit zwischen den neuartigen und den bestehenden Lebensmitteln ungerechtfertigten Rückgriffs auf das vereinfachte Verfahren kann ein Mitgliedstaat die Schutzklausel des Artikels 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 in Anspruch nehmen, sofern die Anwendungsvoraussetzungen dieser Bestimmung erfuellt sind, ohne vorher die Rechtmäßigkeit irgendeiner - auch nur stillschweigenden - Zustimmung der Kommission in Frage stellen zu müssen.

101 Was die Feststellung der wesentlichen Gleichwertigkeit im Rahmen des vereinfachten Verfahrens betrifft, so verlangt Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 258/97, dass sie ex ante, d. h. vor dem Inverkehrbringen des neuartigen Lebensmittels, erfolgt; doch sehen Unterabsatz 2 dieser Vorschrift und Artikel 13 der Verordnung die Möglichkeit vor, das Vorliegen einer solchen wesentlichen Gleichwertigkeit auf Gemeinschaftsebene überprüfen zu lassen.

102 Es steht fest, dass die Italienische Republik im Ausgangsverfahren die Schutzklausel in Anspruch genommen hat, ohne dass zuvor das Gemeinschaftsverfahren nach Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 2 und Artikel 13 der Verordnung Nr. 258/97 durchgeführt wurde, das speziell zur Überprüfung der ex ante getroffenen Feststellung der wesentlichen Gleichwertigkeit geschaffen worden ist.

103 Dieser Umstand kann jedoch nicht für sich allein die Ordnungsmäßigkeit des Rückgriffs auf die Schutzklausel beeinträchtigen. Nach den Artikeln 12 Absatz 2 und 13 der Verordnung Nr. 258/97 können nämlich die Gründe für die Maßnahme, die der Mitgliedstaat auf der Basis der Schutzklausel getroffen hat, einschließlich derjenigen in Bezug auf die Regel der wesentlichen Gleichwertigkeit, auf Gemeinschaftsebene überprüft werden, und zwar nach demselben Verfahren wie dem, auf das Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 2 der Verordnung verweist, d. h. nach dem des Artikels 13 der Verordnung.

104 Die Anwendbarkeit dieses Artikels 12 wird weder durch den Typ des vor dem Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel durchgeführten Verfahrens - vereinfachtes oder normales Verfahren - noch grundsätzlich durch die Ordnungsmäßigkeit des angewandten Verfahrens bestimmt.

105 Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass in einem Fall, in dem das vereinfachte Verfahren zu Unrecht angewandt wurde, weil die Unterschiede in der Zusammensetzung eines neuartigen Lebensmittels gegenüber der des bestehenden Lebensmittels angesichts der sich aus diesen Unterschieden ergebenden Risiken für die öffentliche Gesundheit nicht den Schluss auf eine wesentliche Gleichwertigkeit dieser Erzeugnisse erlaubt haben, die Darlegung solcher Risiken gegebenenfalls den Erlass einer Schutzmaßnahme auf der Grundlage von Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 rechtfertigen kann.

106 Damit die doppelte Zielsetzung der Verordnung Nr. 258/97 nicht beeinträchtigt wird, die darin besteht, das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes der neuartigen Lebensmittel zu sichern und die öffentliche Gesundheit vor den mit diesen Lebensmitteln möglicherweise verbundenen Risiken zu schützen, können Schutzmaßnahmen, die aufgrund der Schutzklausel getroffen werden, nicht wirksam mit einer rein hypothetischen Betrachtung des Risikos begründet werden, die auf bloße, wissenschaftlich noch nicht verifizierte Vermutungen gestützt wird (in diesem Sinne auf einem nicht harmonisierten Gebiet Urteil des EFTA-Gerichtshofes vom 5. April 2001, EFTA-Überwachungsbehörde/Norwegen, E-3/00, EFTA Court Reports 2000-2001, S. 73, Randnrn. 36 bis 38).

107 Derartige Schutzmaßnahmen können ungeachtet ihrer vorläufigen Natur und auch wenn sie Präventivcharakter haben, nur getroffen werden, wenn sie auf eine möglichst umfassende Risikobewertung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des konkreten Falles gestützt sind, die erkennen lassen, dass diese Maßnahmen geboten sind, um gemäß Artikel 3 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 258/97 zu gewährleisten, dass die neuartigen Lebensmittel keine Gefahr für den Verbraucher darstellen.

108 Was die Beweislast angeht, die dem betreffenden Mitgliedstaat nach Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 obliegt, so ist darauf hinzuweisen, dass der Staat nach dieser Vorschrift stichhaltige Gründe" für die Annahme haben muss, dass die Verwendung eines neuartigen Lebensmittels die menschliche Gesundheit oder die Umwelt gefährdet.

109 Daraus folgt zwar, dass die von dem betreffenden Mitgliedstaat angeführten Gründe, wie sie sich aus einer Analyse der Risiken ergeben, keinen allgemeinen Charakter haben dürfen. Angesichts der Tatsache, dass die Erstprüfung der Unbedenklichkeit der neuartigen Lebensmittel im Rahmen des vereinfachten Verfahrens begrenzt ist (vgl. Randnr. 79 des vorliegenden Urteils), und der im Wesentlichen vorläufigen Natur der auf die Schutzklausel gestützten Maßnahmen ist jedoch davon auszugehen, dass der Mitgliedstaat die ihm obliegende Beweislast erfuellt, wenn er sich auf Indizien stützt, die das Vorhandensein eines spezifischen Risikos, das mit diesen neuartigen Lebensmitteln möglicherweise verbunden ist, erkennen lassen.

110 Da außerdem die Schutzklausel, wie das vorlegende Gericht zutreffend ausgeführt hat, als besondere Ausprägung des Vorsorgeprinzips anzusehen ist (vgl. zu Artikel 11 der Richtlinie 90/220 Urteil Greenpeace France u. a., Randnr. 44), sind Voraussetzungen für die Anwendung dieser Klausel unter gebührender Berücksichtigung dieses Prinzips auszulegen.

111 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich aus dem Vorsorgeprinzip, dass bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit Schutzmaßnahmen getroffen werden können, ohne dass abgewartet werden müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden (Urteile vom 5. Mai 1998 in der Rechtssache C-157/96, National Farmers' Union u. a., Slg. 1998, I-2211, Randnr. 63, und in der Rechtssache C-180/96, Vereinigtes Königreich/Kommission, Slg. 1998, I-2265, Randnr. 99).

112 Daher können Schutzmaßnahmen nach Artikel 12 der Verordnung Nr. 258/97, ausgelegt im Licht des Vorsorgeprinzips, auch dann getroffen werden, wenn sich die Durchführung einer möglichst umfassenden wissenschaftlichen Risikobewertung in Anbetracht der besonderen Umstände des konkreten Falles wegen der Unzulänglichkeit der verfügbaren wissenschaftlichen Daten als unmöglich erweist (in diesem Sinne Urteile Pfizer Animal Health/Rat, Randnrn. 160 und 162, sowie Alpharma/Rat, Randnrn. 173 und 175).

113 Derartige Maßnahmen setzen insbesondere voraus, dass die Risikobewertung, über die die nationalen Behörden verfügen, spezifische Indizien erkennen lässt, die, ohne die wissenschaftliche Unsicherheit zu beseitigen, auf der Grundlage der verlässlichsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung vernünftigerweise den Schluss zulassen, dass die Durchführung dieser Maßnahmen geboten ist, um zu verhindern, dass neuartige Lebensmittel, die mit potenziellen Risiken für die menschliche Gesundheit behaftet sind, auf dem Markt angeboten werden.

114 Demnach ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass die Frage der Ordnungsmäßigkeit des Rückgriffs auf das vereinfachte Verfahren nach Artikel 5 der Verordnung Nr. 258/97 für das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Befugnis der Mitgliedstaaten hat, Maßnahmen nach Artikel 12 der Verordnung wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Dekret vom 4. August 2000 zu treffen. Da das vereinfachte Verfahren nicht irgendeine - auch nur stillschweigende - Zustimmung der Kommission impliziert, ist ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit einer solchen Zustimmung in Frage zu stellen, bevor er derartige Maßnahmen trifft. Diese Maßnahmen können jedoch nur dann getroffen werden, wenn der Mitgliedstaat zuvor eine möglichst umfassende Risikobewertung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des konkreten Falles vorgenommen hat, aus der sich ergibt, dass die Durchführung solcher Maßnahmen im Hinblick auf das Vorsorgeprinzip geboten ist, um gemäß Artikel 3 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 258/97 zu gewährleisten, dass die neuartigen Lebensmittel keine Gefahr für den Verbraucher darstellen.

Zur vierten Frage

115 Die vierte Frage des vorlegenden Gerichts geht im Wesentlichen dahin, ob, falls der Rückgriff auf das vereinfachte Verfahren trotz des Vorhandenseins von Rückständen transgener Proteine in den neuartigen Lebensmitteln gerechtfertigt ist, Artikel 5 der Verordnung Nr. 258/97 insbesondere im Hinblick auf die Artikel 153 EG und 174 EG sowie auf die Grundsätze der Vorsorge und der Verhältnismäßigkeit gültig ist.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

116 Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, die norwegische Regierung, der Rat und die Kommission weisen zunächst darauf hin, dass die im Ausgangsverfahren einschlägigen Vorschriften über das vereinfachte Verfahren komplexe technische und wissenschaftliche Beurteilungen verlangten. Daraus ergebe sich, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber in dem Bereich, zu dem diese Vorschriften gehörten, über ein Ermessen bei der Feststellung der aktuellen Grundlagen einer Maßnahme und der Festlegung der verfolgten Ziele verfüge. Demzufolge habe sich die Kontrolle der Ausübung dieses Ermessens durch den Gerichtshof auf die Prüfung der Frage zu beschränken, ob diese Ausübung offensichtlich fehlerhaft oder missbräuchlich sei oder ob der Gemeinschaftsgesetzgeber die Grenzen dieses Ermessens offensichtlich überschritten habe.

117 Nach Ansicht der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens ist das vereinfachte Verfahren mit den Artikeln 153 EG und 174 EG sowie mit den Grundsätzen der Vorsorge und der Angemessenheit vereinbar; der Gemeinschaftsgesetzgeber habe keineswegs das Ermessen überschritten, über das er insoweit verfüge. Obgleich durch Erfordernisse der Beschleunigung und Vereinfachung des Verwaltungshandelns motiviert, ermögliche es das vereinfachte Verfahren, den gebotenen Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt wirksam aufrechtzuhalten.

118 Entgegen den Ausführungen des vorlegenden Gerichts sichere das vereinfachte Verfahren die Beteiligung und Unterrichtung der Mitgliedstaaten und ihrer wissenschaftlichen Einrichtungen sowohl vor als auch nach dem Inverkehrbringen der neuartigen Lebensmittel.

119 Die norwegische Regierung macht geltend, dass die Anwendung des vereinfachten Verfahrens auf neuartige Lebensmittel, die wie die des Ausgangsverfahrens transgene Proteine enthielten, dazu führe, dass diese Lebensmittel in der gesamten Gemeinschaft vermarktet werden könnten, ohne dass eine Bewertung ihrer Unbedenklichkeit vorgenommen werde, und zwar ungeachtet der unvorhersehbaren Auswirkungen, die sie wegen der Insertion eines fremden Gens haben könnten.

120 Unter diesen Umständen verstoße die Anwendung des vereinfachten Verfahrens auf transgene Proteine enthaltende Lebensmittel gegen die Artikel 95 Absatz 3 EG, 152 Absatz 1 EG, 153 Absatz 1 EG und 174 Absatz 2 EG, und die Verweisung in Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 258/97 auf Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung sei daher ungültig.

121 Das Parlament, der Rat und die Kommission tragen vor, die Auslegung von Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 258/97, nach der diese Vorschrift den Rückgriff auf das vereinfachte Verfahren für die Genehmigung des Inverkehrbringens neuartiger Lebensmittel mit transgenen Proteinen erlaube, führe nicht zu einem Verstoß gegen die Artikel 153 EG und 174 EG und insbesondere auch nicht gegen das Vorsorgeprinzip. Diese Auslegung habe also keineswegs die Ungültigkeit dieser Vorschrift zur Folge, soweit sie die Anwendung des vereinfachten Verfahrens auf solche Lebensmittel gestatte.

122 Die Regelung des vereinfachten Verfahrens sei als gültig anzusehen, berücksichtige man sowohl die strengen Voraussetzungen, denen seine Anwendung unterliege, als auch andere Vorschriften der Verordnung Nr. 258/97, die für dieses Verfahren gälten, nämlich:

- den allgemeinen Grundsatz des Artikels 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 258/97, wonach die neuartigen Lebensmittel insbesondere keine Gefahr für den Verbraucher darstellen dürften (vgl. auch zweite Begründungserwägung der Verordnung);

- die doppelte Voraussetzung, von der Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 dieser Verordnung die Anwendung des vereinfachten Verfahrens abhängig mache, nämlich dass diese Lebensmittel zu bestimmten Gruppen gehören müssten, die keine Lebensmittel mit GVO umfassten, und den bestehenden Lebensmitteln im Wesentlichen gleichwertig sein müssten;

- das Erfordernis, dass sich die wesentliche Gleichwertigkeit auf eine von einer spezialisierten Einrichtung ex ante vorgenommene wissenschaftliche Analyse stützen müsse;

- die für jeden Mitgliedstaat nach Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 258/97 bestehende Möglichkeit, das Vorliegen einer wesentlichen Gleichwertigkeit zwischen den neuartigen und den bestehenden Lebensmitteln nach dem Verfahren des Artikels 13 der Verordnung feststellen zu lassen;

- die Schutzklausel des Artikels 12 der Verordnung Nr. 258/97, auf deren Grundlage die Mitgliedstaaten Maßnahmen gegen neuartige Lebensmittel ergreifen könnten, deren Inverkehrbringen genehmigt worden sei, bei denen sich aber herausgestellt habe, dass sie mit Risiken für die öffentliche Gesundheit verbunden seien.

123 Der Rat trägt insbesondere vor, dass die Genehmigung des Inverkehrbringens eines Lebensmittels im Anschluss an eine Mitteilung im Rahmen des vereinfachten Verfahrens in rechtlicher Hinsicht keine Vermutung für die Unbedenklichkeit dieses Lebensmittels begründe. Aus dieser wesentlichen Feststellung folge, dass die Mitgliedstaaten befugt seien, jederzeit die Erzeugnisse vom Markt zu nehmen, bei denen stichhaltige Gründe für die Annahme vorlägen, dass sie gesundheitsschädlich seien, auch wenn ihr Inverkehrbringen nach der Verordnung Nr. 258/97 genehmigt worden sei.

124 Außerdem gelte die Schutzklausel des Artikels 12 der Verordnung sowohl für die Entscheidungen der Kommission über die Genehmigung für das Inverkehrbringen im Rahmen des normalen Verfahrens als auch für die Mitteilungen über das Inverkehrbringen, die im Rahmen des vereinfachten Verfahrens an die Kommission gerichtet würden, und zwar auch in den Fällen, in denen die Voraussetzungen für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens offenbar nicht erfuellt gewesen seien.

125 Die Kommission macht im Wesentlichen geltend, dass die einschlägigen Vorschriften der Verordnung Nr. 258/97 nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstießen. Das vereinfachte Verfahren, das der Gemeinschaftsgesetzgeber unter den verschiedenen ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten gewählt habe, biete sowohl einfache Modalitäten des Inverkehrbringens neuartiger Lebensmittel als auch angemessene Sicherheitsgarantien für die menschliche Gesundheit und die Umwelt und entspreche auch dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die zur Zeit des Erlasses der Vorschriften über dieses Verfahren vorhanden gewesen seien.

Antwort des Gerichtshofes

126 Auch bei der Prüfung dieser Frage ist zu berücksichtigen, dass das vorlegende Gericht und nicht der Gerichtshof darüber zu entscheiden hat, ob im Ausgangsverfahren die neuartigen Lebensmittel den bestehenden Lebensmitteln im Wesentlichen gleichwertig sind, wobei insbesondere die im vorliegenden Urteil in der Antwort auf die erste Frage gelieferten Auslegungskriterien zu beachten sind.

127 Die vierte Frage betrifft die Gültigkeit des vereinfachten Verfahrens hinsichtlich einer der in Artikel 5 der Verordnung Nr. 258/97 vorgesehenen Anwendungsvoraussetzungen, nämlich der der wesentlichen Gleichwertigkeit im Sinne von Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung, für den Fall, dass diese Voraussetzung im vorliegenden Fall als erfuellt anzusehen ist, und bezieht sich insoweit auf diese beiden Vorschriften.

128 In einem solchen Fall stellt sich insbesondere die Frage, ob das vereinfachte Verfahren, das keine vollständige Risikobeurteilung verlangt, mit so hinreichenden Modalitäten versehen ist, dass ein hohes Gesundheits- und Umweltschutzniveau im Sinne der Artikel 152 Absatz 1 EG und 174 Absatz 2 EG gesichert und die Beachtung der Grundsätze der Vorsorge und der Verhältnismäßigkeit gewährleistet ist.

129 Was zunächst das Vorbringen betrifft, dass das vereinfachte Verfahren nur wegen Erfordernissen der Beschleunigung und Vereinfachung des Verwaltungshandelns keine umfassende Bewertung der Risiken neuartiger Lebensmittel verlange, so ist an die eigentliche Funktion des Begriffes der wesentlichen Gleichwertigkeit zu erinnern. Dieser steht für eine spezifische Methode für neuartige Lebensmittel, die es erlaubt, die Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt zu identifizieren, die sich möglicherweise aus den festgestellten Unterschieden zwischen diesen und den bestehenden Lebensmitteln ergeben. Sind solche Gefahren identifizierbar, so kann das vereinfachte Verfahren nicht angewandt werden, da dann eine umfassendere Risikoanalyse erforderlich ist, die nach dem normalen Verfahren vorgenommen werden muss.

130 Was sodann die These angeht, dass das vereinfachte Verfahren nicht die Beteiligung und Unterrichtung der Mitgliedstaaten und ihrer wissenschaftlichen Einrichtungen gewährleiste, so steht fest, dass im Ausgangsverfahren die Erstprüfung der wesentlichen Gleichwertigkeit von einer wissenschaftlichen Einrichtung eines Mitgliedstaats vorgenommen wurde.

131 Diese Prüfung stellt außerdem die erste Phase einer möglichen Kette von Verfahren dar, in deren Verlauf die Anerkennung der wesentlichen Gleichwertigkeit überprüft werden kann und die Folgendes umfassen: außer einem spezifischen Mechanismus zur Nachprüfung der Feststellung der wesentlichen Gleichwertigkeit auf Gemeinschaftsebene (Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 2 und Artikel 13 der Verordnung Nr. 258/97) den Erlass von Schutzmaßnahmen auf nationaler Ebene in Anwendung der Schutzklausel, die auf einer möglichst umfassenden Risikobewertung insbesondere durch die wissenschaftlichen Einrichtungen der Mitgliedstaaten beruhen (Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung), und schließlich die Überprüfung der Begründetheit solcher Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene (Artikel 12 Absatz 2 und Artikel 13 der Verordnung).

132 Mit diesen verschiedenen Verfahren hat der Gemeinschaftsgesetzgeber eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten eingeführt, die den Mitgliedstaaten einschließlich ihrer wissenschaftlichen Einrichtungen ausreichend Möglichkeiten bieten soll, sich an den Prüfungen und etwaigen Überprüfungen der Unbedenklichkeit der neuartigen Lebensmittel zu beteiligen.

133 Zum Vorsorgeprinzip ist daran zu erinnern (vgl. Randnr. 110 des vorliegenden Urteils), dass die Schutzklausel des Artikels 12 der Verordnung Nr. 258/97 eine besondere Ausprägung dieses Prinzips darstellt und dieses daher gegebenenfalls Bestandteil des Entscheidungsprozesses sein muss, der zum Erlass einer auf die Artikel 12 und 13 der Verordnung gestützten Maßnahme zum Schutz der menschlichen Gesundheit führt. Im Übrigen ist dieses Prinzip gegebenenfalls auch im Rahmen des normalen Verfahrens zu berücksichtigen, insbesondere bei der Entscheidung, ob das Inverkehrbringen angesichts der Schlussfolgerungen in Bezug auf die Risikobewertung ohne Gefahr für den Verbraucher genehmigt werden kann.

134 Schließlich kommt es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes für die Frage, ob eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, darauf an, ob die gewählten Mittel zur Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet sind und ob sie nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (u. a., für den Bereich der Arzneispezialitäten, Urteil Generics [UK] u. a., Randnr. 66).

135 Auf einem Gebiet, auf dem der Gemeinschaftsgesetzgeber komplexe Bewertungen vorzunehmen hat, muss sich die gerichtliche Kontrolle der Ausübung seiner Zuständigkeit auf die Prüfung beschränken, ob diese Ausübung einen offensichtlichen Beurteilungsfehler oder einen Ermessensmissbrauch aufweist oder ob der Gesetzgeber die Grenzen seines Ermessens offenkundig überschritten hat (Urteil Generics [UK] u. a., Randnr. 67).

136 Es ist nicht ersichtlich, dass das vereinfachte Verfahren, das insbesondere auf der Voraussetzung der wesentlichen Gleichwertigkeit beruht, ungeeignet wäre, um sowohl das Ziel, das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes der neuartigen Lebensmittel zu sichern, als auch das des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu erreichen, die mit der Verordnung Nr. 258/97 verfolgt werden.

137 Es handelt sich nämlich um ein vom normalen Verfahren abweichendes Verfahren, das nur auf bestimmte Arten von neuartigen Lebensmitteln und nur bei Erfuellung der Voraussetzung der wesentlichen Gleichwertigkeit anwendbar ist, wobei diese Gleichwertigkeit Unterschiede in der Zusammensetzung zwischen den neuartigen und den bestehenden Lebensmitteln nicht ausschließt, soweit sie nicht potenziell verhängnisvolle Folgen für die menschliche Gesundheit haben können.

138 Unter diesen Umständen ist das vereinfachte Verfahren angesichts der Tatsache, dass die ex ante erfolgte Anerkennung der wesentlichen Gleichwertigkeit anhand verschiedener späterer Verfahren sowohl auf nationaler als auch auf Gemeinschaftsebene überprüft werden kann (vgl. Randnr. 131 des vorliegenden Urteils), als mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar anzusehen.

139 Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass die Prüfung dieser Frage nichts ergeben hat, was die Gültigkeit des Artikels 5 der Verordnung Nr. 258/97 insbesondere hinsichtlich der Anwendungsvoraussetzung dieser Vorschrift, die sich auf die wesentliche Gleichwertigkeit im Sinne von Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung bezieht, beeinträchtigen könnte.

Kostenentscheidung:

Kosten

140 Die Auslagen der italienischen und der norwegischen Regierung sowie des Parlaments, des Rates und der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Tribunale amministrativo regionale del Lazio mit Beschluss vom 18. April 2001 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten ist dahin auszulegen, dass das bloße Vorhandensein von Rückständen transgener Proteine in bestimmten Größenordnungen bei neuartigen Lebensmitteln es nicht ausschließt, dass diese Lebensmittel als den bestehenden Lebensmitteln im Wesentlichen gleichwertig angesehen werden und damit das vereinfachte Verfahren für das Inverkehrbringen dieser neuartigen Lebensmittel angewandt wird. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn nach den bei der Erstprüfung verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen ein Risiko potenziell gefährlicher Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit erkennbar ist. Das vorlegende Gericht hat festzustellen, ob diese Voraussetzung erfuellt ist.

2. Die Frage der Ordnungsmäßigkeit des Rückgriffs auf das vereinfachte Verfahren nach Artikel 5 der Verordnung Nr. 258/97 für das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel hat grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Befugnis der Mitgliedstaaten, Maßnahmen nach Artikel 12 der Verordnung wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Dekret vom 4. August 2000 zu treffen. Da das vereinfachte Verfahren nicht irgendeine - auch nur stillschweigende - Zustimmung der Kommission impliziert, ist ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit einer solchen Zustimmung in Frage zu stellen, bevor er derartige Maßnahmen trifft. Diese Maßnahmen können jedoch nur dann getroffen werden, wenn der Mitgliedstaat zuvor eine möglichst umfassende Risikobewertung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des konkreten Falles vorgenommen hat, aus der sich ergibt, dass die Durchführung solcher Maßnahmen im Hinblick auf das Vorsorgeprinzip geboten ist, um gemäß Artikel 3 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 258/97 zu gewährleisten, dass die neuartigen Lebensmittel keine Gefahr für den Verbraucher darstellen.

3. Die Prüfung der vierten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit des Artikels 5 der Verordnung Nr. 258/97 insbesondere hinsichtlich der Anwendungsvoraussetzung dieser Vorschrift, die sich auf die wesentliche Gleichwertigkeit im Sinne von Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung bezieht, beeinträchtigen könnte.

Ende der Entscheidung

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