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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 23.05.1996
Aktenzeichen: C-237/94
Rechtsgebiete: Verordnung 1612/68/EWG


Vorschriften:

Verordnung 1612/68/EWG Art. 7
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft steht einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, soweit danach die Gewährung einer Geldleistung zur Deckung der einem Wanderarbeitnehmer entstehenden Bestattungskosten davon abhängig ist, daß die Erd- oder Feuerbestattung in diesem Mitgliedstaat stattfindet.

Es ist nämlich davon auszugehen, daß eine Vorschrift des nationalen Rechts, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck steht, selbst bei unterschiedsloser Geltung mittelbar diskriminierend ist und somit im Widerspruch zu der durch Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 vorgeschriebenen Gleichbehandlung steht, wenn sie sich ihrem Wesen nach eher auf Wanderarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, daß sie Wanderarbeitnehmer besonders benachteiligt.

Zum einen ist, was die Bestattungskosten anbelangt, darauf hinzuweisen, daß Wanderarbeitnehmern zwar Kosten der gleichen Art und in gleicher Höhe entstehen wie inländischen Arbeitnehmern, daß jedoch vor allem Wanderarbeitnehmer beim Tod eines Familienangehörigen angesichts der Bindungen, die die Angehörigen einer solchen Familie im allgemeinen mit ihrem Herkunftsstaat aufrechterhalten, eine Bestattung in einem anderen Mitgliedstaat vornehmen lassen werden. Zum anderen kann die Ablehnung der Gewährung einer Geldleistung im Falle einer Bestattung in einem anderen Mitgliedstaat weder mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit noch mit Überlegungen gerechtfertigt werden, die sich auf die Höhe der Bestattungskosten beziehen ° da die Kosten für die Überführung des Sarges zu einem weit von der Wohnung des Verstorbenen entfernten Ort ohnehin nicht ersetzt werden ° oder die Schwierigkeiten bei der Kontrolle der entstandenen Kosten betreffen.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 23. Mai 1996. - John O'Flynn gegen Adjudication Officer. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Social Security Commissioner - Vereinigtes Königreich. - Soziale Vergünstigungen für Arbeitnehmer - Bestattungsgeld. - Rechtssache C-237/94.

Entscheidungsgründe:

1 Der Social Security Commissioner hat mit Beschluß vom 28. Juni 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 22. August 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung von Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn O' Flynn und dem Adjudication Officer wegen dessen Weigerung, das in den Social Fund (Maternity and Funeral Expenses) Regulations 1987 (Verordnung von 1987 über den Social Fund ° Mutterschaftsgeld und Bestattungsgeld; im folgenden: Verordnung von 1987) vorgesehene Bestattungsgeld zu zahlen.

3 Das Bestattungsgeld ist eine Sozialleistung, die unter dem Vorbehalt gewährt wird, daß ausreichende Mittel zur Verfügung stehen. Es soll die Kosten decken, die dem Antragsteller oder einem Angehörigen seiner Familie (d. h., nach dem Wortlaut der Verordnung von 1987, dem "verpflichteten Angehörigen") bei einem Todesfall in der Familie entstehen.

4 Nach Regulation 7 (1) (c) der Verordnung von 1987 wird das Bestattungsgeld nur gezahlt, wenn "die Bestattung im Vereinigten Königreich stattfindet". Gemäß Regulation 3 (1) dieser Verordnung ist unter "Bestattung" eine Erd- oder Feuerbestattung zu verstehen.

5 Gemäß Regulation 7 (2) der Verordnung von 1987 beläuft sich das Bestattungsgeld auf einen Betrag, der zur Deckung der vom verpflichteten Angehörigen zu tragenden wesentlichen Ausgaben ausreicht. Es deckt daher alle Kosten, die normalerweise mit der Erd- oder Feuerbestattung an einem nahe bei der Wohnung des Verstorbenen gelegenen Ort verbunden sind, und gegebenenfalls die Kosten für die Überführung des Leichnams innerhalb des Vereinigten Königreichs in diese Wohnung. Dagegen deckt es nicht die gesamten Kosten für die Überführung des Sarges zu einem weit von der Wohnung des Verstorbenen entfernten Bestattungsort. In diesem Fall sind die zusätzlichen Kosten für die Überführung des Sarges vom verpflichteten Angehörigen zu tragen.

6 Herr O' Flynn ist ein irischer Staatsangehöriger, der als ehemaliger Wanderarbeitnehmer im Vereinigten Königreich wohnt. Sein Sohn starb am 25. August 1988 im Vereinigten Königreich. Im Vereinigten Königreich wurde ein Gottesdienst abgehalten; die Beerdigung fand aber in Irland statt.

7 Herr O' Flynn beantragte die Zahlung von Bestattungsgeld, die mit der Begründung abgelehnt wurde, daß die Beerdigung nicht im Vereinigten Königreich stattgefunden habe, wie dies Regulation 7 (1) (c) der Verordnung von 1987 verlange.

8 Gegen diese Ablehnung erhob Herr O' Flynn Klage. Vor dem nationalen Gericht machte er insbesondere geltend, daß Regulation 7 (1) (c) der Verordnung von 1987 eine mittelbare Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern darstelle und gegen Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 verstosse, wonach ein Arbeitnehmer eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen genieße wie die inländischen Arbeitnehmer. Die Parteien haben in der Folgezeit unterschiedliche Auffassungen zu den Kriterien vertreten, nach denen sich bestimmt, ob Wanderarbeitnehmer durch eine Vorschrift wie Regulation 7 (1) (c) der Verordnung von 1987 diskriminiert werden.

9 Nach Auffassung von Herrn O' Flynn stellt die streitige Voraussetzung schon aufgrund ihres gebietsbezogenen Charakters eine mittelbare Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern dar. Hilfsweise trug er vor, daß der diskriminierende Charakter dieser Vorschrift jedenfalls dann als erwiesen anzusehen sei, wenn dargetan werde, daß Wanderarbeitnehmer die streitige Voraussetzung unter normalen Umständen mit geringerer Wahrscheinlichkeit erfuellten.

10 Die beklagte Behörde machte geltend, daß die Voraussetzung nur dann als diskriminierend anzusehen sei, wenn nachgewiesen werde, daß Wanderarbeitnehmer sie, insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Bräuche, viel schwerer erfuellen könnten als inländische Arbeitnehmer. Hierfür müsse dargetan werden, daß die streitige Voraussetzung nur von einem erheblich geringeren Anteil der Arbeitnehmer aus allen anderen Mitgliedstaaten als der inländischen Arbeitnehmer erfuellt werde. Jedenfalls könne sich ein Wanderarbeitnehmer auf den diskriminierenden Charakter der streitigen Voraussetzung nicht berufen, wenn diese aus Gründen nicht erfuellt werde, die mit seiner Staatsangehörigkeit nichts zu tun hätten.

11 Unter diesen Umständen hat der Social Security Commissioner das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist es mit dem gemeinschaftsrechtlichen Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Sinne des Artikels 7 der Verordnung Nr. 1612/68 vereinbar, daß das Vereinigte Königreich die Zahlung von Bestattungsgeld durch den Social Fund von einer gebietsbezogenen Voraussetzung abhängig macht, nämlich davon, daß die Bestattung im Vereinigten Königreich stattfindet?

2. Hängt die Antwort auf die Frage 1 von einer der folgenden Erwägungen ab:

a) Ist für die Prüfung, ob eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit vorliegt, maßgebend,

i) ob in vernünftiger und üblicher Weise handelnde Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten infolge der gebietsbezogenen Voraussetzung mit geringerer Wahrscheinlichkeit Zahlungen erhalten als Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs (und muß, falls dies zutrifft, nachgewiesen werden, daß infolge der Voraussetzung wahrscheinlich ein erheblich geringerer Anteil der Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten als der Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs Zahlungen erhält) oder

ii) ob es in der Praxis für Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten wesentlich schwieriger ist, die Voraussetzung zu erfuellen, oder

iii) ist ein anderer Prüfungsmaßstab anzulegen und, wenn ja, welcher?

b) Ist es in jedem Fall ausreichend, einen Vergleich zwischen den Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs und den Staatsangehörigen des besonderen Mitgliedstaats, dem der Antragsteller angehört, vorzunehmen, oder ist es erforderlich, einen Vergleich zwischen den Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs und den Staatsangehörigen aller anderen Mitgliedstaaten vorzunehmen?

3. Kann eine solche Voraussetzung eine rechtswidrige Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit bedeuten, und/oder kann ein Antragsteller eine solche Diskriminierung geltend machen, wenn der Umstand, daß er die Voraussetzung nicht erfuellt, auf mit der Staatsangehörigkeit nicht zusammenhängenden Gründen beruht, nämlich auf Kostengründen?

12 Aus den Gründen des Vorlagebeschlusses geht hervor, daß der nationale Richter geklärt wissen möchte, ob Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 einer Vorschrift wie Regulation 7 (1) (c) der Verordnung von 1987 entgegensteht, soweit danach die Gewährung einer Geldleistung zur Deckung der einem Wanderarbeitnehmer entstehenden Bestattungskosten davon abhängig ist, daß die Bestattung in dem Mitgliedstaat stattfindet, dessen Rechtsvorschriften die Gewährung dieser Geldleistung vorsehen. In Anbetracht der ihm vorgetragenen Argumente stellt sich der nationale Richter die Frage, ob er insbesondere folgende Umstände zu berücksichtigen hat: den Anteil und die Staatsangehörigkeit der Wanderarbeitnehmer, die die streitige Voraussetzung tatsächlich erfuellen, das Ausmaß der Schwierigkeiten, die Wanderarbeitnehmer in der Praxis zur Erfuellung dieser Voraussetzung überwinden müssen, und die Gründe, aus denen ein Wanderarbeitnehmer die streitige Voraussetzung in einer bestimmten Situation nicht erfuellt.

13 Diese Fragen hängen eng miteinander zusammen und können gemeinsam geprüft werden.

14 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß eine Geldleistung wie das Bestattungsgeld eine "soziale Vergünstigung im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68" darstellt und daß es nach dieser Vorschrift den Wanderarbeitnehmern unter den gleichen Voraussetzungen wie den inländischen Arbeitnehmern möglich sein muß, diese Leistung zu beziehen.

15 Die Regierung des Vereinigten Königreichs trägt vor, daß das Bestattungsgeld im Interesse der Bürger und der öffentlichen Gesundheit gewährleisten solle, daß alle im Vereinigten Königreich verstorbenen Personen dort in angemessener Weise beerdigt oder eingeäschert würden. Diese Geldleistung werde in nichtdiskriminierender Weise gewährt. Sie werde nämlich den Wanderarbeitnehmern wie den inländischen Arbeitnehmern gewährt, wenn die Erd- oder Feuerbestattung im Vereinigten Königreich stattfinde, und sie werde den einen wie den anderen verweigert, wenn die Erd- oder Feuerbestattung ausserhalb des Vereinigten Königreichs stattfinde.

16 Es ist jedoch festzustellen, daß eine Leistung wie das Bestattungsgeld nicht nur die Kosten deckt, die aufgrund der Beerdigung oder Einäscherung des Leichnams anfallen, sondern auch sämtliche Kosten, die der verpflichtete Angehörige aufbringt, um in jeder Hinsicht für eine schlichte, aber angemessene Bestattung an einem nahe bei der Wohnung des Verstorbenen gelegenen Ort zu sorgen. Jedoch werden die Kosten für die Überführung des Sarges zu einem weit von dieser Wohnung entfernten Bestattungsort durch das Bestattungsgeld nicht gedeckt.

17 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes verbietet der sowohl in Artikel 48 des Vertrages als auch in Artikel 7 der Verordnung Nr. 1612/68 niedergelegte Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur offene Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen (siehe insbesondere Urteile vom 12. Februar 1974 in der Rechtssache 152/73, Sotgiu, Slg. 1974, 153, Randnr. 11, vom 21. November 1991 in der Rechtssache C-27/91, Le Manoir, Slg. 1991, I-5531, Randnr. 10, vom 10. März 1993 in der Rechtssache C-111/91, Kommission/Luxemburg, Slg. 1993, I-817, Randnr. 9, und vom 23. Februar 1994 in der Rechtssache C-419/92, Scholz, Slg. 1994, I-505, Randnr. 7).

18 Als mittelbar diskriminierend sind daher Voraussetzungen des nationalen Rechts anzusehen, die zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit gelten, aber im wesentlichen (Urteile vom 15. Januar 1986 in der Rechtssache 41/84, Pinna, Slg. 1986, 1, Randnr. 24, vom 30. Mai 1989 in der Rechtssache 33/88, Allué u. a., Slg. 1989, 1591, Randnr. 12, und Le Manoir, a. a. O., Randnr. 11) oder ganz überwiegend (Urteile vom 17. November 1992 in der Rechtssache C-279/89, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1992, I-5785, Randnr. 42, und vom 20. Oktober 1993 in der Rechtssache C-272/92, Spotti, Slg. 1993, I-5185, Randnr. 18) Wanderarbeitnehmer betreffen, sowie unterschiedslos geltende Voraussetzungen, die von inländischen Arbeitnehmern leichter zu erfuellen sind als von Wanderarbeitnehmern (Urteile Kommission/Luxemburg, a. a. O., Randnr. 10, und vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C-349/87, Paraschi, Slg. 1991, I-4501, Randnr. 23). Eine mittelbare Diskriminierung ist auch in Voraussetzungen zu sehen, bei denen die Gefahr besteht, daß sie sich besonders zum Nachteil von Wanderarbeitnehmern auswirken (Urteile vom 8. Mai 1990 in der Rechtssache C-175/88, Biehl, Slg. 1990, I-1779, Randnr. 14, und vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache C-204/90, Bachmann, Slg. 1992, I-249, Randnr. 9).

19 Anders verhält es sich nur dann, wenn diese Vorschriften durch objektive, von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer unabhängige Erwägungen gerechtfertigt sind und in einem angemessenen Verhältnis zu dem Zweck stehen, der mit den nationalen Rechtsvorschriften zulässigerweise verfolgt wird (in diesem Sinn Urteile Bachmann, a. a. O., Randnr. 27, Kommission/Luxemburg, a. a. O., Randnr. 12, und vom 2. August 1993 in den Rechtssachen C-259/91, C-331/91 und C-332/91, Allué u. a., Slg. 1993, I-4309, Randnr. 15).

20 Wie sich aus dieser gesamten Rechtsprechung ergibt, ist eine Vorschrift des nationalen Rechts, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck steht, als mittelbar diskriminierend anzusehen, wenn sie sich ihrem Wesen nach eher auf Wanderarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, daß sie Wanderarbeitnehmer besonders benachteiligt.

21 In diesem Zusammenhang braucht nicht festgestellt zu werden, daß die in Rede stehende Vorschrift in der Praxis einen wesentlich grösseren Anteil der Wanderarbeitnehmer betrifft. Es genügt die Feststellung, daß die betreffende Vorschrift geeignet ist, eine solche Wirkung hervorzurufen. Im übrigen können die Gründe, aus denen sich ein Wanderarbeitnehmer dafür entscheidet, von seinem Recht auf Freizuegigkeit innerhalb der Gemeinschaft Gebrauch zu machen, bei der Beurteilung des diskriminierenden Charakters einer nationalen Vorschrift nicht berücksichtigt werden. Denn die Möglichkeit, sich auf eine so grundlegende Freiheit wie die Freizuegigkeit zu berufen, kann nicht durch solche Überlegungen rein subjektiver Art eingeschränkt werden.

22 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß Wanderarbeitnehmern als verpflichteten Angehörigen Kosten der gleichen Art und in gleicher Höhe entstehen wie inländischen Arbeitnehmern. Dagegen werden vor allem Wanderarbeitnehmer beim Tod eines Familienangehörigen angesichts der Bindungen, die die Angehörigen einer solchen Familie im allgemeinen mit ihrem Herkunftsstaat aufrechterhalten, eine Bestattung in einem anderen Mitgliedstaat vornehmen lassen.

23 Daher stellt der Umstand, daß jeder Ersatz der einem Wanderarbeitnehmer als verpflichtetem Angehörigen entstehenden Kosten davon abhängig gemacht wird, daß die Erd- oder Feuerbestattung im Vereinigten Königreich stattfindet, eine mittelbare Diskriminierung dar, sofern diese Voraussetzung nicht objektiv gerechtfertigt ist und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck steht.

24 Zwar hat der vorlegende Richter, wie die Regierung des Vereinigten Königreichs vorträgt, den Gerichtshof nicht ausdrücklich zur Rechtfertigung der streitigen nationalen Vorschrift befragt, doch bezieht sich seine erste Frage, wie der Generalanwalt in Nummer 33 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, allgemein auf den unmittelbar oder mittelbar diskriminierenden Charakter einer solchen Vorschrift.

25 Daher hält es der Gerichtshof für erforderlich, auf diesen Aspekt des Problems einzugehen, um dem nationalen Gericht eine möglichst vollständige und nützliche Antwort zu geben.

26 Hinsichtlich des Schutzes der öffentlichen Gesundheit genügt der Hinweis, daß dieser Schutz auch gewährleistet ist, wenn der Leichnam aus dem Vereinigten Königreich in einen anderen Mitgliedstaat übergeführt wird, um dort beerdigt oder eingeäschert zu werden.

27 Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat die streitige nationale Vorschrift ausserdem mit den sehr hohen Kosten und praktischen Schwierigkeiten gerechtfertigt, die die Zahlung von Bestattungsgeld mit sich bringen würde, wenn die Erd- oder Feuerbestattung ausserhalb des Vereinigten Königreichs stattfinde.

28 Mit Ausnahme der Kosten für die Beförderung des Sarges ausserhalb des Vereinigten Königreichs würden sich jedoch die dem Wanderarbeitnehmer im Vereinigten Königreich entstehenden Kosten in einem solchen Fall nicht von denjenigen unterscheiden, die anfallen würden, wenn die Erd- oder Feuerbestattung im Vereinigten Königreich stattfände. Die Kontrolle dieser Kosten wäre nicht schwieriger als im Falle einer Erd- oder Feuerbestattung im Vereinigten Königreich. Die Kosten für die Überführung des Sarges zu einem weit von der Wohnung des Verstorbenen entfernten Ort werden ohnehin nicht ersetzt.

29 Was die Kosten der Erd- oder Feuerbestattung in einem anderen Mitgliedstaat anbelangt, so hindert nichts das Vereinigte Königreich daran, die Geldleistung auf einen pauschalen oder angemessenen Betrag zu begrenzen, der nach Maßgabe der normalen Kosten einer Erd- oder Feuerbestattung im Vereinigten Königreich festgesetzt wird.

30 Folglich ist auf die Vorabentscheidungsfragen zu antworten, daß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 einer Vorschrift wie Regulation 7 (1) (c) der Verordnung von 1987 entgegensteht, soweit danach die Gewährung einer Geldleistung zur Deckung der einem Wanderarbeitnehmer entstehenden Bestattungskosten davon abhängig ist, daß die Erd- oder Feuerbestattung in dem Mitgliedstaat stattfindet, dessen Rechtsvorschriften die Gewährung dieser Geldleistung vorsehen.

Kostenentscheidung:

Kosten

31 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Social Security Commissioner mit Beschluß vom 28. Juni 1994 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft steht einer Vorschrift wie Regulation 7 (1) (c) der Social Fund (Maternity and Funeral Expenses) Regulations 1987 entgegen, soweit danach die Gewährung einer Geldleistung zur Deckung der einem Wanderarbeitnehmer entstehenden Bestattungskosten davon abhängig ist, daß die Erd- oder Feuerbestattung in dem Mitgliedstaat stattfindet, dessen Rechtsvorschriften die Gewährung dieser Geldleistung vorsehen.

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