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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 25.10.2007
Aktenzeichen: C-240/06
Rechtsgebiete: EG, Richtlinie 69/335/EWG


Vorschriften:

EG Art. 56 Abs. 1
Richtlinie 69/335/EWG Art. 12 Abs. 1 Buchst. a
Richtlinie 69/335/EWG Art. 12 Abs. 1 Buchst. c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

25. Oktober 2007

"Art. 56 Abs. 1 EG - Richtlinie 69/335/EWG - Art. 12 Abs. 1 Buchst. a und c - Ausnahme vom Verbot der doppelten Besteuerung von Einlagen - Einlage in Form von Aktien in eine in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Gesellschaft - Aktientausch - Steuer auf die Übertragung von Gütern"

Parteien:

In der Rechtssache C-240/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Finnland) mit Entscheidung vom 26. Mai 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Mai 2006, in dem Verfahren

Fortum Project Finance SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, M. Ilesic (Berichterstatter) und E. Levits,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Fortum Project Finance SA, vertreten durch M. Tunturi und T. Kanervo, asiamiehet,

- der finnischen Regierung, vertreten durch E. Bygglin und J. Heliskoski als Bevollmächtigte,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von R. Hill, Barrister,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und P. Aalto als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Juli 2007

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 Abs. 1 EG und Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25) in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 (ABl. L 156, S. 23) (im Folgenden: Richtlinie 69/335).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Fortum Project Finance SA (im Folgenden: Fortum Project Finance), einer Gesellschaft luxemburgischen Rechts, und dem Uudenmaan verovirasto (Finanzamt Uusimaa, Finnland) wegen Erhebung der finnischen Übertragungssteuer (varainsiirtovero) auf die gesamte Beteiligung, die die Fortum Oyj (im Folgenden: Fortum), eine Gesellschaft finnischen Rechts, am Kapital der Fortum Heat and Gas Oy (im Folgenden: Fortum Heat and Gas), einer anderen Gesellschaft finnischen Rechts, hält und die sie als Einlage an Fortum Project Finance übertragen möchte, die als Gegenleistung für diese Übertragung neue eigene Aktien ausgeben soll.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Art. 56 Abs. 1 EG bestimmt:

"Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten ... verboten."

4 Mit der Richtlinie 69/335 soll, wie sich aus ihrem ersten und ihrem zweiten Erwägungsgrund ergibt, der freie Kapitalverkehr, der als eine für die Schaffung eines Binnenmarkts wesentliche Grundfreiheit angesehen wird, gefördert werden. Dazu soll die Richtlinie steuerrechtliche Hindernisse beseitigen, die auf dem Gebiet der Ansammlung von Kapital bestehen, insbesondere bei Gesellschaftseinlagen, d. h. Einlagen von Aktionären oder anderen Gesellschaftern in ihre Kapitalgesellschaften.

5 Zu diesem Zweck sehen die Art. 1 bis 9 der Richtlinie 69/335 die Erhebung einer harmonisierten Abgabe auf Gesellschaftseinlagen (im Folgenden: Gesellschaftsteuer) vor.

6 In Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie werden die der Gesellschaftsteuer unterliegenden Vorgänge aufgelistet, zu denen nach Buchst. c "die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art" gehört.

7 Nach Art. 7 der Richtlinie kann eine solche Einlage mit einem einheitlichen Satz von höchstens 1 % besteuert werden.

8 Art. 10 der Richtlinie 69/335 bestimmt, dass die Mitgliedstaaten abgesehen von der Gesellschaftsteuer von Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristischen Personen mit Erwerbszweck insbesondere auf die in Art. 4 der Richtlinie genannten Vorgänge keinerlei andere Steuern oder Abgaben erheben.

9 Art. 11 der Richtlinie 69/335 lautet:

"Die Mitgliedstaaten erheben keine Steuer irgendwelcher Art:

a) auf die Ausfertigung, die Ausgabe, die Börsenzulassung, das Inverkehrbringen von oder den Handel mit Aktien, Anteilen oder anderen Wertpapieren gleicher Art sowie Zertifikaten derartiger Wertpapiere, ungeachtet der Person des Emittenten;

b) auf Anleihen einschließlich Renten, die durch Ausgabe von Obligationen oder anderen handelsfähigen Wertpapieren aufgenommen werden, ungeachtet der Person des Emittenten, auf alle damit zusammenhängenden Formalitäten sowie auf die Ausfertigung, Ausgabe oder Börsenzulassung, das Inverkehrbringen von oder den Handel mit diesen Obligationen oder anderen handelsfähigen Wertpapieren."

10 Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 69/335 bestimmt allerdings, dass die Mitgliedstaaten in Abweichung von den Art. 10 und 11 der Richtlinie insbesondere Folgendes erheben können:

"a) pauschal oder nicht pauschal erhobene Börsenumsatzsteuern;

b) Besitzwechselsteuern, einschließlich der Katastersteuern, auf die Einbringung von in ihrem Hoheitsgebiet gelegenen Liegenschaften oder 'fonds de commerce' in eine Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person mit Erwerbszweck;

c) Besitzwechselsteuern auf Einlagen jeder Art in eine Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person mit Erwerbszweck, sofern die Übertragung dieser Einlagen durch andere Werte als Gesellschaftsanteile abgegolten wird;

..."

Nationales Recht

11 Nach § 15 des Gesetzes über die Übertragungssteuer (varainsiirtoverolaki [931/1996]) hat der Erwerber bei der Übertragung des Eigentumsrechts an Wertpapieren an den Staat eine Steuer zu entrichten.

12 Nach § 20 Abs. 1 dieses Gesetzes beträgt die Steuer bei der Übertragung von Wertpapieren 1,6 % des Kaufpreises oder des Wertes der Gegenleistung.

13 Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 des finnischen Einkommensteuergesetzes (tuloverolaki [1535/1992]) vom 30. Dezember 1992 ist eine im betreffenden Steuerjahr in Finnland ansässige natürliche oder juristische Person, eine inländische Zweckgemeinschaft oder inländische Nachlassmasse mit ihren inländischen und ausländischen Einkünften steuerpflichtig.

14 Der finnische Staat erhebt keine Gesellschaftsteuer im Sinne der Richtlinie 69/335.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

15 Fortum beabsichtigt, ihre gesamte Beteiligung am Kapital von Fortum Heat and Gas auf Fortum Project Finance zu übertragen. Diese soll nach einer Erhöhung des Kapitals um den Wert der erhaltenen Aktien neue Aktien zugunsten von Fortum ausgeben.

16 Infolge dieses Vorgangs müsste Fortum Project Finance in Luxemburg auf das im Wege des Aktientauschs erhaltene Kapital Gesellschaftsteuer in Höhe von 1 % zahlen.

17 Da sie nicht sicher ist, ob sie mit diesem Erwerb nicht auch der Übertragungssteuer unterliegt, wandte sich Fortum Project Finance mit dieser Frage an das Uudenmaan verovirasto, das in einem Vorbescheid bestätigte, dass diese Gesellschaft Übertragungssteuer in Höhe von 1,6 % des Wertes der als Einlage erhaltenen Aktien von Fortum Heat and Gas zu zahlen hätte.

18 Fortum Project Finance beantragte beim Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki) die Aufhebung dieses Bescheids. Sie berief sich insbesondere darauf, dass die Erhebung der Übertragungssteuer zu einer doppelten Besteuerung des Kapitalerwerbs führe, was gegen Art. 56 Abs. 1 EG und die Richtlinie 69/335 verstoße.

19 Auf Ersuchen des Helsingin hallinto-oikeus gab das finnische Finanzministerium eine Stellungnahme ab, in der es den Standpunkt vertrat, dass die Richtlinie 69/335 die Mitgliedstaaten nicht daran hindere, eine Steuer auf die Übertragung des Eigentumsrechts an Wertpapieren zu erheben, und ein Aktientausch eine Übertragung impliziere, die einer entsprechenden Steuer unterliege. Außerdem sei der Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der genannten Richtlinie nach den Urteilen vom 11. Dezember 1997, Immobiliare SIF (C-42/96, Slg. 1997, I-7089), und vom 17. Dezember 1998, Codan (C-236/97, Slg. 1998, I-8679), strikt begrenzt.

20 Fortum Project Finance machte in ihrer Erwiderung geltend, dass das Urteil Codan weder den Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335 noch die Frage der Einlagen betroffen habe. Zu dem Urteil Immobiliare SIF trug sie vor, dass die prozentuale Festlegung des Steuersatzes als solche kein ausreichender Beweis dafür sei, dass es sich um eine Steuer handele.

21 Das Helsingin hallinto-oikeus wies die Klage von Fortum Project Finance mit der Begründung ab, dass die Übertragungssteuer nicht auf die Zeichnung von Aktien durch Fortum im Rahmen der von Fortum Project Finance vorgenommenen Ausgabe oder die Erhöhung des Gesellschaftskapitals, sondern auf die Übertragung von Aktien von Fortum Heat and Gas erhoben werde und dementsprechend nicht im Widerspruch zu Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335 stehe.

22 Da die Übertragungssteuer auf die Übertragung von Aktien und nicht auf den Transfer von Kapital von einem Mitgliedstaat in einen anderen erhoben werde, verstoße sie nicht gegen Art. 56 Abs. 1 EG und es bestehe kein Anlass, den Vorbescheid zu ändern.

23 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt Fortum Project Finance bei dem vorlegenden Gericht, das Urteil des Helsingin hallinto-oikeus aufzuheben und festzustellen, dass Aktien, mit denen der Zeichnungspreis neuer Aktien bezahlt wird, keiner Übertragungssteuer unterliegen.

24 Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die von ihm im Ausgangsverfahren zu erlassende Entscheidung eine Auslegung von Art. 56 Abs. 1 EG und Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335 erfordert.

25 Unter diesen Umständen hat das Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind Art. 56 EG und Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335/EWG dahin auszulegen, dass sie der Erhebung der Übertragungssteuer entgegenstehen, wenn Wertpapiere in der vorstehend beschriebenen Weise als Einlage auf eine Aktiengesellschaft übertragen werden, die als Gegenleistung hierfür von ihr neu ausgegebene Aktien überträgt?

Zur Vorlagefrage

26 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 56 Abs. 1 EG und Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335 der Erhebung einer Steuer wie der Übertragungssteuer entgegenstehen, wenn Wertpapiere als Einlage auf eine Aktiengesellschaft übertragen werden, die als Gegenleistung für diese Übertragung von ihr neu ausgegebene Aktien überträgt.

27 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall kein Anlass besteht, Art. 56 Abs. 1 EG auszulegen, da das Gesetz über die Übertragungssteuer identische Besteuerungsregeln für die Übertragung von Wertpapieren im Inland und für grenzüberschreitende Übertragungen vorsieht, so dass diese Bestimmung, wie sich den dem Gerichtshof vorgelegten Akten entnehmen lässt, keine unmittelbaren oder mittelbaren diskriminierenden Wirkungen hat.

28 Was sodann die Anwendung der Richtlinie 69/335 in der vorliegenden Rechtssache betrifft, so trägt die Regierung des Vereinigten Königreichs einleitend vor, dass ein Vorgang wie der im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehende nicht vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie erfasst werde, da diese nur Kapitalansammlungsvorgänge erfasse, mit denen das wirtschaftliche Potenzial der Beteiligten verstärkt werde. Im vorliegenden Fall führe der fragliche Aktientausch jedoch nicht zu einer solchen Verstärkung der Fortum-Gruppe insgesamt.

29 Dieser Argumentation kann jedoch nicht gefolgt werden. Denn der fragliche Vorgang - eine Kapitalerhöhung gegen eine Einlage von Aktien - fällt klar unter Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335, der die Erhöhung des Gesellschaftskapitals einer Gesellschaft durch Einlagen jeder Art der harmonisierten Gesellschaftsteuer unterwirft, ohne dabei in irgendeiner Weise auf die wirtschaftlichen Folgen eines solchen Vorgangs für die Beteiligten Bezug zu nehmen.

30 In seinem Urteil vom 30. März 2006, Aro Tubi Trafilerie (C-46/04, Slg. 2006, I-3009), hatte der Gerichtshof Gelegenheit, die "Erhöhung des Kapitals" im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335 dementsprechend als eine förmliche Erhöhung des Kapitals der Gesellschaft entweder durch Ausgabe neuer Anteile oder durch Erhöhung des Nennwerts der bestehenden Anteile zu definieren (Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31 Da die Richtlinie 69/335 auf einen Vorgang wie den im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden anwendbar ist, wäre für diesen Vorgang im Großherzogtum Luxemburg Gesellschaftsteuer zu zahlen. Demnach ist zu prüfen, ob daneben die finnischen Steuerbehörden Übertragungssteuer erheben dürfen oder ob die Erhebung dieser Steuer, wie Fortum Project Finance und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften geltend machen, vielmehr durch Art. 12 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie untersagt wird.

32 Dazu tragen die finnische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs vor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Besteuerung nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 69/335 zulässig sei, der auf Steuern auf die Übertragung von Wertpapieren wie Aktien Anwendung finde. Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie sei so zu verstehen, dass er auf Steuern Anwendung finde, die auf den Besitzwechsel von anderen Gütern als den von Art. 12 Abs. 1 Buchst. a oder b der Richtlinie erfassten erhoben würden, d. h. von solchen, die weder Wertpapiere noch Liegenschaften oder "fonds de commerce" seien. Hierfür berufen sich die genannten Regierungen auf die Urteile Immobiliare SIF und Codan, in denen der Gerichtshof unter ähnlichen Umständen wie denen des Ausgangsrechtsstreits nicht Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335 ausgelegt habe, sondern Buchst. a bzw. Buchst. b dieser Vorschrift.

33 Die Kommission, in dieser Hinsicht unterstützt durch Fortum Project Finance, macht dagegen geltend, dass Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 69/335 die grundlegende Regelung für die Besteuerung der Übertragung von Wertpapieren darstelle, während Art. 12 Abs. 1 Buchst. c eine detailliertere Regelung für die Besteuerung der als Einlage vorgenommenen Übertragung von Wertpapieren und anderen Aktiva auf eine Gesellschaft aufstelle. Durch die Urteile Immobiliare SIF und Codan werde diese Analyse nicht in Frage gestellt, da der Gerichtshof dort nicht Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335 ausgelegt habe.

34 Der Argumentation der Kommission und von Fortum Project Finance kann jedoch nicht gefolgt werden.

35 Wie der Generalanwalt in Nr. 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist die entscheidende Frage im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens die, ob Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 69/335 die Mitgliedstaaten ermächtigt, Wertpapierübertragungen auch dann, wenn die Gesellschaft, die die entsprechenden Wertpapiere erhält, als Gegenleistung eigene Aktien überträgt, zu besteuern, ohne dass Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie dem entgegensteht. Zu klären ist mit anderen Worten, ob Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 69/335 als lex specialis zu Art. 12 Abs. 1 Buchst. c anzusehen ist, so dass die erste Bestimmung in den Situationen, die sie speziell regeln soll, Vorrang gegenüber der zweiten hat.

36 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bei mehreren möglichen Auslegungen einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift derjenigen der Vorzug zu geben ist, die die praktische Wirksamkeit der Vorschrift zu wahren geeignet ist (Urteil vom 24. Februar 2000, Kommission/Frankreich, C-434/97, Slg. 2000, I-1129, Randnr. 21 und die dort zitierte Rechtsprechung).

37 Art. 12 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 69/335 bezieht sich auf spezielle Kategorien von Gütern, nämlich zum einen auf Wertpapiere und zum anderen auf Liegenschaften und "fonds de commerce", Art. 12 Abs. 1 Buchst. c findet dagegen auf Güter allgemein, d. h. auf Güter "jeder Art", Anwendung und macht zudem die Erhebung von Besitzwechselsteuern davon abhängig, dass die Übertragung dieser Güter "durch andere Werte als Gesellschaftsanteile abgegolten wird".

38 Somit kann sich der Begriff der Güter "jeder Art" in Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335 nach dem in Randnr. 36 des vorliegenden Urteils angeführten Grundsatz der praktischen Wirksamkeit nur auf Güter beziehen, die anderer Art als die in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a und b genannten, also keine Wertpapiere und "Liegenschaften oder 'fonds de commerce'" sind.

39 Wie nämlich der Generalanwalt in Nr. 63 seiner Schlussanträge dargelegt hat, würde eine Auslegung von Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335 dahin gehend, dass er Güter "jeder Art" einschließlich der in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a und b aufgeführten erfasst, dazu führen, dass diese Buchstaben in Buchst. c vollständig aufgingen, so dass ihre Existenz weder irgendeinen Sinn noch irgendeinen Zweck hätte.

40 Daher ist festzustellen, dass Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335 in einer Situation wie der des Ausgangsrechtsstreits, in der es um die Übertragung von Wertpapieren und ihre Vergütung mit Gesellschaftsanteilen geht, der Erhebung einer Steuer wie der Übertragungssteuer nicht entgegensteht.

41 Der im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehende Vorgang fällt dagegen unter Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 69/335, so dass für die Erhebung der Übertragungssteuer im vorliegenden Fall diese Bestimmung maßgeblich ist.

42 Diese Auslegung steht im Übrigen aus den vom Generalanwalt in den Nrn. 67 bis 70 seiner Schlussanträge dargelegten Gründen im Einklang mit dem Urteil Codan, in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass es Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 69/335 unter Umständen wie denen des Ausgangsrechtsstreits erlaubt, dass bei der Übertragung von Aktien zusätzlich zu der infolge der Kapitalerhöhung anwendbaren Gesellschaftsteuer eine andere Steuer erhoben wird.

43 Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 69/335 dahin auszulegen ist, dass ihr Art. 12 Abs. 1 Buchst. c keine Anwendung auf die Erhebung einer Steuer wie der Übertragungssteuer findet, wenn Wertpapiere als Einlage auf eine Kapitalgesellschaft übertragen werden, die als Gegenleistung für diese Übertragung von ihr neu ausgegebene Aktien überträgt. Die Erhebung einer solchen Steuer ist nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der genannten Richtlinie zulässig.

Kostenentscheidung:

Kosten

44 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 ist dahin auszulegen, dass ihr Art. 12 Abs. 1 Buchst. c keine Anwendung auf die Erhebung einer Steuer wie der finnischen Übertragungssteuer (varainsiirtovero) findet, wenn Wertpapiere als Einlage auf eine Kapitalgesellschaft übertragen werden, die als Gegenleistung für diese Übertragung von ihr neu ausgegebene Aktien überträgt. Die Erhebung einer solchen Steuer ist nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der genannten Richtlinie zulässig.

Ende der Entscheidung

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