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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 20.01.2009
Aktenzeichen: C-240/07
Rechtsgebiete: Richtlinie 2006/116/EG


Vorschriften:

Richtlinie 2006/116/EG Art. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

20. Januar 2009

"Dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte - Rechte der Hersteller von Tonträgern - Vervielfältigungsrecht - Verbreitungsrecht - Schutzdauer - Richtlinie 2006/116/EG - Rechte von Drittstaatsangehörigen"

Parteien:

In der Rechtssache C-240/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 29. März 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Mai 2007, in dem Verfahren

Sony Music Entertainment (Germany) GmbH

gegen

Falcon Neue Medien Vertrieb GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts, J.-C. Bonichot und T. von Danwitz sowie der Richter J. Makarczyk, P. Kuris, E. Juhász, G. Arestis (Berichterstatter), L. Bay Larsen und der Richterin P. Lindh,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. April 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Sony Music Entertainment (Germany) GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt M. Schaefer,

- der Falcon Neue Medien Vertrieb GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte R. Nirk und E. Schott,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Wils und H. Krämer als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. Mai 2008

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 10 der Richtlinie 2006/116/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte (ABl. L 372, S. 12).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Sony Music Entertainment (Germany) GmbH (im Folgenden: Sony) und der Falcon Neue Medien Vertrieb GmbH (im Folgenden: Falcon) wegen des Schutzes bestimmter dem Urheberrecht verwandter Schutzrechte.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Art. 12 der Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. L 346, S. 61) sah vor:

"Unbeschadet einer weiteren Harmonisierung erlöschen die in dieser Richtlinie genannten Rechte der ausübenden Künstler, Tonträgerhersteller und Sendeunternehmen nicht vor Ablauf der entsprechenden Fristen, die im [Internationalen Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen, das am 26. Oktober 1961 in Rom geschlossen wurde,] vorgesehen sind. Die in dieser Richtlinie genannten Rechte der Hersteller von erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen erlöschen nicht vor Ablauf einer Frist von zwanzig Jahren, gerechnet vom Ende des Jahres an, in dem die Aufzeichnung erfolgte."

4 Die in Art. 12 der Richtlinie 92/100 genannte Schutzdauer wurde durch Art. 3 der Richtlinie 93/98/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte (ABl. L 290, S. 9) auf fünfzig Jahre verlängert.

5 Die Richtlinie 2006/116 hat die Richtlinie 93/98 kodifiziert. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116 sieht vor:

"Die Rechte der Hersteller von Tonträgern erlöschen fünfzig Jahre nach der Aufzeichnung. ...

Der vorliegende Absatz bewirkt jedoch nicht, dass die Rechte der Hersteller von Tonträgern, die aufgrund des Ablaufs der Schutzfrist des Artikels 3 Absatz 2 der Richtlinie 93/98/EWG in der Fassung vor der Änderung durch die Richtlinie 2001/29/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 (ABl. L 167, S. 10)] am 22. Dezember 2002 nicht mehr geschützt waren, erneut geschützt sind."

6 Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/116 bestimmt:

"(1) Für Werke, deren Ursprungsland im Sinne der Berner Übereinkunft [zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971)] ein Drittland und deren Urheber nicht Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft ist, endet der in den Mitgliedstaaten gewährte Schutz spätestens mit dem Tag, an dem der Schutz im Ursprungsland des Werkes endet, ohne jedoch die Frist nach Artikel 1 zu überschreiten.

(2) Die Schutzdauer nach Artikel 3 gilt auch für Rechtsinhaber, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft sind, sofern ihnen der Schutz in den Mitgliedstaaten gewährt wird. Jedoch endet der in den Mitgliedstaaten gewährte Schutz, unbeschadet der internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, spätestens mit dem Tag, an dem der Schutz in dem Drittland endet, dessen Staatsangehöriger der Rechtsinhaber ist, und darf die in Artikel 3 festgelegte Schutzdauer nicht überschreiten."

7 In den Abs. 1 bis 3 von Art. 10 der Richtlinie 2006/116 mit der Überschrift "Zeitliche Anwendbarkeit" heißt es:

"(1) Wenn eine Schutzfrist, die länger als die entsprechende Schutzfrist nach dieser Richtlinie ist, am 1. Juli 1995 in einem Mitgliedstaat bereits lief, so wird sie durch diese Richtlinie in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht verkürzt.

(2) Die in dieser Richtlinie vorgesehene Schutzfrist findet auf alle Werke oder Gegenstände Anwendung, die zu dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt zumindest in einem der Mitgliedstaaten aufgrund der Anwendung nationaler Bestimmungen im Bereich des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte geschützt waren, oder die zu diesem Zeitpunkt die Schutzkriterien der Richtlinie [92/100] erfüllten.

(3) Nutzungshandlungen, die vor dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt erfolgt sind, bleiben von dieser Richtlinie unberührt. Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Bestimmungen, um insbesondere die erworbenen Rechte Dritter zu schützen."

Nationales Recht

8 § 137f des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273) in der durch das Gesetz vom 23. Juni 1995 (BGBl. I S. 842) geänderten Fassung (im Folgenden: UrhG) ist die Übergangsregelung für die Umsetzung der Richtlinie 93/98.

9 § 137f Abs. 2 und 3 UrhG hat folgenden Wortlaut:

"(2) Die Vorschriften dieses Gesetzes in der ab dem 1. Juli 1995 geltenden Fassung sind auch auf Werke anzuwenden, deren Schutz nach diesem Gesetz vor dem 1. Juli 1995 abgelaufen ist, nach dem Gesetz eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zu diesem Zeitpunkt aber noch besteht. Satz 1 gilt entsprechend für die verwandten Schutzrechte des Herausgebers nachgelassener Werke (§ 71), der ausübenden Künstler (§ 73), der Hersteller von Tonträgern (§ 85), der Sendeunternehmen (§ 87) und der Filmhersteller (§§ 94 und 95).

(3) Lebt nach Absatz 2 der Schutz eines Werkes im Geltungsbereich dieses Gesetzes wieder auf, so stehen die wiederauflebenden Rechte dem Urheber zu. Eine vor dem 1. Juli 1995 begonnene Nutzungshandlung darf jedoch in dem vorgesehenen Rahmen fortgesetzt werden. Für die Nutzung ab dem 1. Juli 1995 ist eine angemessene Vergütung zu zahlen. Die Sätze 1 bis 3 gelten für verwandte Schutzrechte entsprechend."

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

10 Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, vertreibt Falcon zwei Tonträger mit Aufnahmen von Darbietungen des Künstlers Bob Dylan. Die erste CD trägt den Titel "Bob Dylan - Blowin in the Wind", die zweite den Titel "Bob Dylan - Gates of Eden".

11 Auf diesen Tonträgern finden sich Musiktitel, die auf den Alben "Bob Dylan - Bringing It All Back Home", "The Times They Are A-Changin'" und "Highway 61 Revisited" erschienen sind. Diese Alben wurden vor dem 1. Januar 1966 in den USA veröffentlicht.

12 Sony, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, ist die deutsche Tochtergesellschaft des multinationalen japanischen Konzerns gleichen Namens.

13 Sony beantragte beim zuständigen Landgericht, Falcon zu untersagen, die Tonträger "Bob Dylan - Blowin in the Wind" und "Bob Dylan - Gates of Eden" zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen und zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen. Ferner beantragte sie, Falcon zu verurteilen, Auskunft zu erteilen, und deren Schadensersatzpflicht festzustellen.

14 Falcon brachte vor, dass an den vor dem 1. Januar 1966 aufgenommenen Bob-Dylan-Alben im Inland keine Rechte eines Tonträgerherstellers bestünden.

15 Das Landgericht wies die Klage von Sony ab. Das von Sony angerufene Berufungsgericht führte aus, dass die Rechte des Tonträgerherstellers an den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Aufnahmen zwar unstreitig wirksam auf Sony übertragen worden seien. Dennoch wies dieses Gericht die Berufung von Sony zurück, weil aufgrund des am 29. Oktober 1971 in Genf geschlossenen Übereinkommens zum Schutz der Hersteller von Tonträgern gegen die unerlaubte Vervielfältigung ihrer Tonträger (im Folgenden: Genfer Übereinkommen), das für Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika in Kraft getreten sei, Tonträgerhersteller Urheberrechtsschutz aus § 85 UrhG nur an nach dem 1. Januar 1966 erbrachten Leistungen hätten. Vor diesem Zeitpunkt entstandene Musikaufnahmen seien auch nicht nach § 137f UrhG geschützt, der eine Übergangsbestimmung zur Anpassung des innerstaatlichen Rechts an die Richtlinie 93/98 sei. Abs. 2 dieser Vorschrift gelte nämlich nicht für Tonträger, die vor dem 1. Januar 1966 hergestellt worden seien, weil für diese in Deutschland zu keinem Zeitpunkt Schutz bestanden habe.

16 Unter diesen Umständen legte Sony gegen das Urteil des Berufungsgerichts Revision beim Bundesgerichtshof ein. Dieser ist der Auffassung, dass der Erfolg der Revision, über die er zu entscheiden habe, von der Auslegung des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116 abhänge, und hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Findet die in der Richtlinie 2006/116 vorgesehene Schutzfrist unter den Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie auch dann Anwendung, wenn der betreffende Gegenstand in dem Mitgliedstaat, in dem Schutz beansprucht wird, zu keiner Zeit geschützt war?

2. Falls die Frage 1 zu bejahen ist:

a) Sind nationale Bestimmungen im Sinne des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116 auch die Bestimmungen der Mitgliedstaaten über den Schutz von Rechtsinhabern, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft sind?

b) Findet die in der Richtlinie 2006/116 vorgesehene Schutzfrist gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie auch auf Gegenstände Anwendung, die am 1. Juli 1995 zwar die Schutzkriterien der Richtlinie 92/100 erfüllt haben, deren Rechtsinhaber aber nicht Angehörige eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft sind?

Zu den Vorlagefragen

17 Vorab ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden dem Urheberrecht verwandten Schutzrechte Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte an Tonträgern betreffen. Es ist unstreitig, dass diese Rechte wirksam auf Sony übertragen worden sind.

18 Ferner geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass Unternehmen mit Sitz in den Vereinigten Staaten gemäß § 126 UrhG in Deutschland den im oben in Randnr. 15 erwähnten Übereinkommen vorgesehenen Schutz nur für Leistungen nach dem 1. Januar 1966 in Anspruch nehmen können; diese Voraussetzung ist bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Tonträgern nicht erfüllt. Ein Schutz dieser Tonträger in Deutschland ergibt sich auch nicht aus der Anwendung des § 137f Abs. 2 UrhG, da diese Bestimmung voraussetzt, dass das in Rede stehende Werk in dem betreffenden Gebiet vor dem 1. Juli 1995 geschützt gewesen ist, was bei diesen Tonträgern zu keinem Zeitpunkt der Fall war.

19 Wie zudem aus dem Wortlaut des Vorabentscheidungsersuchens selbst hervorgeht, beruht dieses auf der Annahme, dass der nach dem Recht des Vereinigten Königreichs vorgesehene Schutz auch für Tonträger gilt, die vor dem 1. Januar 1966 festgelegt wurden, und auf Tonträger amerikanischer Hersteller ausgedehnt worden ist, die in den Vereinigten Staaten veröffentlicht wurden.

Zur ersten Frage

20 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116 vorgesehene Schutzfrist auch Gegenständen zu gewähren ist, die in dem Mitgliedstaat, in dem dieser Schutz beansprucht wird, zu keinem Zeitpunkt geschützt gewesen sind.

21 Nach Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116 finden die in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie vorgesehenen Fristen für den Schutz der Rechte von Tonträgerherstellern auf den betreffenden Gegenstand Anwendung, wenn dieser am 1. Juli 1995 zumindest in einem Mitgliedstaat aufgrund der Anwendung nationaler Bestimmungen im Bereich des Urheberrechts oder der verwandten Schutzrechte geschützt war oder die Schutzkriterien der Richtlinie 92/100 erfüllte.

22 Somit ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 2, dass die erste der darin vorgesehenen, alternativ aufgestellten Voraussetzungen das vorherige Bestehen eines Schutzes des betreffenden Gegenstands in zumindest einem Mitgliedstaat betrifft. Nach dieser Vorschrift wird nicht verlangt, dass es sich bei diesem Mitgliedstaat um denjenigen handelt, in dem der von der Richtlinie 2006/116 vorgesehene Schutz beansprucht wird.

23 Darüber hinaus weist der dritte Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/116 darauf hin, dass die Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Vorschriften den freien Warenverkehr sowie den freien Dienstleistungsverkehr behindern und die Wettbewerbsbedingungen im Gemeinsamen Markt verfälschen können. Mit dieser Richtlinie sollen im Hinblick auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten harmonisiert werden, damit in der gesamten Gemeinschaft dieselbe Schutzdauer gilt.

24 Unter diesen Umständen stünde eine Auslegung von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116, wonach die erste der in dieser Vorschrift alternativ aufgestellten Voraussetzungen nur dann erfüllt wäre, wenn nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem der in der Richtlinie vorgesehene Schutz beansprucht wird, vorher ein Schutz bestanden hätte, auch wenn ein solcher vorheriger Schutz in einem anderen Mitgliedstaat gewährt worden wäre, weder mit dem Wortlaut der in Rede stehenden Vorschrift noch mit dem Zweck dieser Richtlinie in Einklang.

25 Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass die in der Richtlinie 2006/116 vorgesehene Schutzfrist gemäß Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie auch dann Anwendung findet, wenn der betreffende Gegenstand in dem Mitgliedstaat, in dem Schutz beansprucht wird, zu keiner Zeit geschützt war.

Zur zweiten Frage, Buchst. a

26 Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob nationale Bestimmungen im Sinne der ersten der alternativen Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116 auch die Bestimmungen über den Schutz von Inhabern von dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten sind, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft sind.

27 Wie der Generalanwalt in Nr. 64 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, bezieht sich die Regelung von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116 auf den Gegenstand des Schutzes und ist auf alle Werke und Gegenstände anwendbar, die am 1. Juli 1995 durch die Bestimmungen mindestens eines Mitgliedstaats im Bereich des Urheberrechts oder der verwandten Schutzrechte geschützt waren.

28 Aus dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 2 geht nicht hervor, dass dieser nur auf solche nationalen Bestimmungen im Bereich des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte Bezug nimmt, die den Schutz von Rechtsinhabern betreffen, die Angehörige eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft sind. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung müssen die Mitgliedstaaten die in der Richtlinie 2006/116 vorgesehenen Schutzfristen nämlich allen Werken und allen Gegenständen gewähren, die als solche am 1. Juli 1995 in zumindest einem Mitgliedstaat geschützt waren.

29 Somit ist im Rahmen der Anwendung von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116 zu prüfen, ob ein Werk oder Gegenstand ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Inhabers der dem Urheberrecht verwandten Schutzrechte an diesem Werk oder Gegenstand als am 1. Juli 1995 in zumindest einem Mitgliedstaat geschützt angesehen werden kann.

30 In der Vorlageentscheidung äußert der Bundesgerichtshof jedoch Zweifel, ob eine Auslegung von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116, wonach diese Bestimmung auch für Inhaber von dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten gelten würde, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft sind, mit Art. 7 Abs. 2 dieser Richtlinie zu vereinbaren ist.

31 Hierzu ist festzustellen, dass Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116 die Voraussetzungen festlegen soll, unter denen die in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutzfristen der dem Urheberrecht verwandten Schutzrechte übergangsweise auf bestehende Situationen Anwendung finden. Diese Bestimmung sieht die Anwendung dieser Fristen auf Werke und Gegenstände vor, die am 1. Juli 1995 zumindest in einem Mitgliedstaat durch nationale Bestimmungen im Bereich des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte geschützt waren.

32 Art. 10 Abs. 2 beabsichtigt nicht, all jene Fälle, in denen die in der Richtlinie vorgesehenen Schutzfristen von Inhabern von dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft sind, für Werke oder Gegenstände beansprucht werden, die keine der alternativen Voraussetzungen der Übergangsbestimmung des Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie erfüllen, von der in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116 festgelegten Regelung auszunehmen.

33 Dieser Art. 7 Abs. 2 soll den Schutz von dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten gegenüber Inhabern solcher Rechte regeln, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft sind, und sieht zu diesem Zweck vor, dass die in Art. 3 der Richtlinie genannten Schutzfristen in Bezug auf diese Inhaber Anwendung finden, sofern ihnen der Schutz in den Mitgliedstaaten gewährt wird.

34 Unter Berücksichtigung des Vorstehenden ist die Frage, ob im Kontext von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116 ein Inhaber von dem Urheberrecht verwandten Rechten an einem Werk oder Gegenstand, der Drittstaatsangehöriger ist, am 1. Juli 1995 in zumindest einem Mitgliedstaat geschützt war, im Lichte der nationalen Bestimmungen dieses Mitgliedstaats zu beurteilen, und nicht im Lichte der nationalen Bestimmungen des Mitgliedstaats, in dem der in der Richtlinie vorgesehene Schutz beansprucht wird. Dieses Ergebnis wird im Übrigen durch den dritten und den siebzehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie gestützt, in denen auf das verfolgte Ziel der Harmonisierung und insbesondere auf das Ziel hingewiesen wird, im Hinblick auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für die Berechnung der Schutzdauer für dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte in der gesamten Gemeinschaft ein und denselben für den Beginn der Schutzdauer maßgeblichen Zeitpunkt sowie dieselben Schutzfristen für diese Rechte vorzusehen.

35 Hieraus folgt, dass es für die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie nicht darauf ankommt, ob im Fall von Werken oder Gegenständen, die am 1. Juli 1995 in zumindest einem Mitgliedstaat nach den nationalen Bestimmungen dieses Mitgliedstaats geschützt waren, der Inhaber dieses Schutzrechts Drittstaatsangehöriger ist und in dem Mitgliedstaat, in dem die von der Richtlinie 2006/116 vorgesehene Schutzfrist beansprucht wird, nach dem nationalen Recht dieses Mitgliedstaats über keinen Schutz verfügt. Entscheidend ist nämlich, ob das betreffende Werk oder der betreffende Gegenstand am 1. Juli 1995 gemäß den nationalen Bestimmungen zumindest eines Mitgliedstaats geschützt war.

36 Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass im Vereinigten Königreich der nach dem nationalen Recht vorgesehene Schutz auch für vor dem 1. Januar 1966 festgelegte Tonträger gilt und dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Tonträger am 1. Juli 1995 bereits in diesem Mitgliedstaat geschützt waren. Unter diesen Umständen kann Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116 für die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Situation nicht maßgeblich sein.

37 Folglich ist auf die zweite Frage, Buchst. a, zu antworten, dass Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116 dahin auszulegen ist, dass die in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutzfristen Anwendung finden, wenn das betreffende Werk als solches oder der betreffende Gegenstand als solcher am 1. Juli 1995 in zumindest einem Mitgliedstaat gemäß den nationalen Bestimmungen dieses Mitgliedstaats über das Urheberrecht oder verwandte Schutzrechte geschützt war und der Inhaber solcher Schutzrechte an diesem Werk oder Gegenstand, der Drittstaatsangehöriger ist, zu diesem Zeitpunkt den in diesen nationalen Bestimmungen vorgesehenen Schutz genoss.

Zur zweiten Frage, Buchst. b

38 Angesichts dieser Antwort und unter Berücksichtigung der in Randnr. 19 des vorliegenden Urteils erwähnten Annahme, auf der die Vorlageentscheidung beruht, muss die zweite Frage, Buchst. b, nicht mehr beantwortet werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

39 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Die in der Richtlinie 2006/116/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte vorgesehene Schutzfrist findet gemäß Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie auch dann Anwendung, wenn der betreffende Gegenstand in dem Mitgliedstaat, in dem Schutz beansprucht wird, zu keiner Zeit geschützt war.

Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116 ist dahin auszulegen, dass die in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutzfristen Anwendung finden, wenn das betreffende Werk als solches oder der betreffende Gegenstand als solcher am 1. Juli 1995 in zumindest einem Mitgliedstaat gemäß den nationalen Bestimmungen dieses Mitgliedstaats über das Urheberrecht oder verwandte Schutzrechte geschützt war und der Inhaber solcher Schutzrechte an diesem Werk oder Gegenstand, der Drittstaatsangehöriger ist, zu diesem Zeitpunkt den in diesen nationalen Bestimmungen vorgesehenen Schutz genoss.

Ende der Entscheidung

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