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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.06.2000
Aktenzeichen: C-240/98
Rechtsgebiete: Richtlinie 93/13/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 93/13/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Eine Gerichtsstandsklausel, die in einen Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden aufgenommen worden ist, ohne im einzelnen ausgehandelt worden zu sein, und die die ausschließliche Zuständigkeit dem Gericht zuweist, in dessen Bezirk der Gewerbetreibende seine Niederlassung hat, ist als mißbräuchlich im Sinne des Artikels 3 der Richtlinie 93/13 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen anzusehen, da sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertiges Mißverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.

(vgl. Randnr. 24)

2 Der Schutz, den die Richtlinie 93/13 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen den Verbrauchern gewährt, erfordert, daß das nationale Gericht von Amts wegen prüfen kann, ob eine Klausel des ihm vorgelegten Vertrages mißbräuchlich ist, wenn es die Zulässigkeit einer bei den nationalen Gerichten eingereichten Klage prüft.

Das nationale Gericht muß die vor oder nach dieser Richtlinie erlassenen nationalen Rechtsvorschriften bei ihrer Anwendung soweit wie möglich unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Zweckes dieser Richtlinie auslegen. Das Erfordernis einer richtlinienkonformen Auslegung verlangt insbesondere, daß das nationale Gericht der Auslegung den Vorzug gibt, die es ihm ermöglicht, seine Zuständigkeit von Amts wegen zu verneinen, wenn diese durch eine mißbräuchliche Klausel vereinbart worden ist.

(vgl. Randnrn. 29, 32, Tenor 1-2)


Urteil des Gerichtshofes vom 27. Juni 2000. - Océano Grupo Editorial SA gegen Roció Murciano Quintero (C-240/98) und Salvat Editores SA gegen José M. Sánchez Alcón Prades (C-241/98), José Luis Copano Badillo (C-242/98), Mohammed Berroane (C-243/98) und Emilio Viñas Feliú (C-244/98). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Juzgado de Primera Instancia nº 35 de Barcelona - Spanien. - Richtlinie 93/13/EWG - Mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen - Gerichtsstandsvereinbarung - Befugnis des Gerichts, von Amts wegen zu prüfen, ob eine solche Klausel rechtswidrig ist. - Verbundene Rechtssachen C-240/98 bis C-244/98.

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen C-240/98 bis C-244/98

betreffend dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Juzgado de Primera Instancia Nr. 35 Barcelona (Spanien) in den bei diesem anhängigen Rechtsstreitigkeiten

Océano Grupo Editorial SA

gegen

Rocío Murciano Quintero (C-240/98)

und

Salvat Editores SA

gegen

José M. Sánchez Alcón Prades (C-241/98),

José Luis Copano Badillo (C-242/98), Mohammed Berroane (C-243/98),

Emilio Viñas Feliu (C-244/98)

vorgelegte Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29)

erläßt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, des Kammerpräsidenten L. Sevón sowie der Richter P. J. G. Kapteyn, C. Gulmann, J.-P. Puissochet, G. Hirsch, P. Jann (Berichterstatter), H. Ragnemalm, M. Wathelet, V. Skouris und der Richterin F. Macken,

Generalanwalt: A. Saggio

Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Océano Grupo Editorial SA und der Salvat Editores SA, beide vertreten durch Rechtsanwalt A. Estany Segalas, Barcelona,

- der spanischen Regierung, vertreten durch Abogado del Estado S. Ortíz Vaamonde als Bevollmächtigten,

- der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, und R. Loosli-Surrans, Chargé de mission in derselben Direktion, als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. L. Iglesias Buhigues, Rechtsberater, und Desantes Real, dem Juristischen Dienst zur Verfügung gestellter nationaler Beamter, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Océano Grupo Editorial SA, der Salvat Editores SA, der spanischen Regierung, der französischen Regierung und der Kommission in der Sitzung vom 26. Oktober 1999,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Dezember 1999,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Der Juzgado de Primera Instancia Nr. 35 Barcelona hat mit Beschlüssen vom 31. März 1998 (C-240/98 und C-241/98) und vom 1. April 1998 (C-242/98, C-243/98 und C-244/98), beim Gerichtshof eingegangen am 8. Juli 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eine Frage nach der Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen der Océano Grupo Editorial SA und Frau Murciano Quintero sowie zwischen der Salvat Editores SA und den Herren Sánchez Alcón Prades, Copano Badillo, Berroane und Viñas Feliu wegen Zahlung bestimmter Beträge aufgrund von Ratenkaufverträgen zwischen diesen Unternehmen und den Beklagten des Ausgangsverfahrens.

Rechtlicher Rahmen

Die Gemeinschaftsregelung

3 Zweck der Richtlinie ist nach deren Artikel 1 Absatz 1 "die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über mißbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern".

4 Artikel 2 der Richtlinie bestimmt:

"Im Sinne dieser Richtlinie bedeuten:

...

b) Verbraucher: eine natürliche Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann;

c) Gewerbetreibender: eine natürliche oder juristische Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, auch wenn diese dem öffentlich-rechtlichen Bereich zuzurechnen ist."

5 Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie lautet:

"Eine Vertragsklausel, die nicht im einzelnen ausgehandelt wurde, ist als mißbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Mißverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht."

6 Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie verweist auf deren Anhang, der "eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste der Klauseln [enthält], die für mißbräuchlich erklärt werden können". In diesem Anhang werden unter Nummer 1 die Klauseln aufgeführt, "die darauf abzielen oder zur Folge haben, daß

...

q) dem Verbraucher die Möglichkeit, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen oder sonstige Beschwerdemittel zu ergreifen, genommen oder erschwert wird..."

7 Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie bestimmt:

"Die Mitgliedstaaten sehen vor, daß mißbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, daß der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die mißbräuchlichen Klauseln bestehen kann."

8 Artikel 7 Absätze 1 und 2 der Richtlinie lautet:

"(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daß im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung mißbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.

(2) Die in Absatz 1 genannten Mittel müssen auch Rechtsvorschriften einschließen, wonach Personen oder Organisationen, die nach dem innerstaatlichen Recht ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben, im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden anrufen können, damit diese darüber entscheiden, ob Vertragsklauseln, die im Hinblick auf eine allgemeine Verwendung abgefaßt wurden, mißbräuchlich sind, und angemessene und wirksame Mittel anwenden, um der Verwendung solcher Klauseln ein Ende zu setzen."

9 Nach Artikel 10 Absatz 1 der Richtlinie hatten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um dieser Richtlinie spätestens am 31. Dezember 1994 nachzukommen.

Die nationale Regelung

10 Im spanischen Recht wurden Verbraucher gegen mißbräuchliche Vertragsklauseln von Gewerbetreibenden zunächst durch die Ley General 26/1984 para la Defensa de los Consumidores y Usuarios (Allgemeines Gesetz 26/1984 zum Schutz der Verbraucher und Dienstleistungsnehmer) vom 19. Juli 1984 (Boletín Oficial del Estado Nr. 176 vom 24. Juli 1984; im folgenden: Gesetz 26/1984) geschützt.

11 Nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe c des Gesetzes 26/1984 müssen Klauseln, Bestimmungen oder Bedingungen, die für das Angebot oder die Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen gelten, Treu und Glauben entsprechen und ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Rechten und den Pflichten der Vertragspartner sicherstellen, was jedenfalls die Verwendung mißbräuchlicher Klauseln ausschließt. Nach Artikel 10 Absatz 4 dieses Gesetzes sind letztere, die als Klauseln definiert sind, die den Verbraucher unverhältnismäßig und unbillig benachteiligen oder zu einem Mißverhältnis zwischen den Rechten und Pflichten der Vertragspartner zum Nachteil der Verbraucher führen, von Rechts wegen nichtig.

12 Die vollständige Umsetzung der Richtlinie erfolgte durch die Ley 7/1998 sobre Condiciones Generales de la Contratacíon (Gesetz 7/1998 über die allgemeinen Vertragsbedingungen) vom 13. April 1998 (Boletín Oficial del Estado Nr. 89 vom 14. April 1998; im folgenden: Gesetz 7/1998).

13 Nach Artikel 8 des Gesetzes 7/1998 sind die allgemeinen Bedingungen, die zum Nachteil der den Vertrag annehmenden Partei gegen die Bestimmungen des Gesetzes verstoßen, insbesondere die allgemeinen mißbräuchlichen Klauseln in Verbraucherverträgen im Sinne des Gesetzes 26/1984, von Rechts wegen nichtig.

14 Darüber hinaus wurde das Gesetz 26/1984 durch das Gesetz 7/1998 u. a. um einen Artikel 10bis, dessen Absatz 1 im wesentlichen Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie wiedergibt, sowie um eine weitere Bestimmung ergänzt, die im wesentlichen die im Anhang der Richtlinie beigefügte Liste der Klauseln, die für mißbräuchlich erklärt werden können, wiedergibt und klarstellt, daß in diese Liste nur ein Minimum aufgenommen worden ist. Nach Nummer 27 dieser zusätzlichen Bestimmung ist die Aufnahme einer Klausel in einen Vertrag mißbräuchlich, die die Zuständigkeit ausdrücklich einem anderen Gericht als dem des Wohnsitzes des Verbrauchers oder des Erfuellungsortes zuweist.

Die Ausgangsstreitigkeiten und die Vorlagefrage

15 Die Beklagten des Ausgangsverfahrens, die alle in Spanien wohnen, schlossen zwischen dem 4. Mai 1995 und dem 16. Oktober 1996 jeweils einen Ratenkaufvertrag über eine Enzyklopädie für private Zwecke. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens sind die Verkäufer dieser Enzyklopädien.

16 Die Verträge enthielten eine Klausel, mit der Barcelona (Spanien) als Gerichtsstand vereinbart wurde, wo keiner der Beklagten des Ausgangsverfahrens wohnt, wo sich aber der Sitz der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens befindet.

17 Da die Käufer der Enzyklopädien die Raten zu den vereinbarten Fälligkeitsterminen nicht zahlten, befaßten die Verkäufer zwischen dem 25. Juli 1997 und 19. Dezember 1997 den Juzgado de Primera Instancia Nr. 35 Barcelona im Rahmen des Verfahrens des "Juicio de cognición" (summarisches Verfahren für Rechtsstreitigkeiten bis zu einem bestimmten Streitwert) mit der Sache, um die Verurteilung der Beklagten des Ausgangsverfahrens zur Zahlung der geschuldeten Beträge zu erreichen.

18 Diese Anträge wurden den Beklagten nicht zugestellt, da das vorlegende Gericht Zweifel daran hat, ob es für die Entscheidung der Rechtsstreitigkeiten zuständig ist. Es weist darauf hin, daß das Tribunal Supremo Gerichtsstandsklauseln wie die, um die es in den bei ihm anhängigen Rechtsstreitigkeiten gehe, wiederholt für mißbräuchlich erklärt habe. Die Entscheidungen der nationalen Gerichte zu der Frage, ob die Nichtigkeit mißbräuchlicher Klauseln im Rahmen von Verfahren, die den Schutz von Verbraucherinteressen beträfen, von Amts wegen geprüft werden könnten, seien aber widersprüchlich.

19 Der Juzgado de Primera Instancia Nr. 35 Barcelona hält unter diesen Umständen eine Auslegung der Richtlinie zur Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtsstreitigkeiten für erforderlich und hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, die in allen fünf Vorlagebeschlüssen gleich lautet:

"Erlaubt der Verbraucherschutz, den die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen gewährleistet, dem nationalen Gericht, von Amts wegen zu prüfen, ob eine Klausel des ihm zur Prüfung vorgelegten Vertrages mißbräuchlich ist, wenn es über die Zulässigkeit einer Klage vor den ordentlichen Gerichten zu entscheiden hat?"

20 Der Gerichtshof hat mit Beschluß vom 20. Juli 1998 die fünf Rechtssachen C-240/98 bis C-244/98 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

21 Eine Klausel wie die in den Ausgangsverfahren streitige erfuellt, wenn sie in einen Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden im Sinne der Richtlinie aufgenommen worden ist, ohne im einzelnen ausgehandelt worden zu sein, alle Kriterien, um als mißbräuchlich im Sinne der Richtlinie qualifiziert werden zu können.

22 Eine solche Klausel, die die Zuständigkeit für alle Rechtsstreitigkeiten aus dem Vertrag dem Gericht zuweist, in dessen Bezirk der Gewerbetreibende seine Niederlassung hat, zwingt den Verbraucher, die ausschließliche Zuständigkeit eines Gerichts anzuerkennen, das von seinem Wohnsitz möglicherweise weit entfernt ist, was sein Erscheinen vor Gericht erschweren kann. Bei Rechtsstreitigkeiten mit geringem Streitwert könnten die Aufwendungen des Verbrauchers für sein Erscheinen vor Gericht sich als abschreckend erweisen und diesen davon abhalten, den Rechtsweg zu beschreiten oder sich überhaupt zu verteidigen. Eine solche Klausel gehört somit zu der im Anhang der Richtlinie unter Nummer 1 Buchstabe q genannten Gruppe von Klauseln, die darauf abzielen oder zur Folge haben, daß dem Verbraucher die Möglichkeit genommen oder erschwert wird, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen.

23 Dagegen ermöglicht diese Klausel dem Gewerbetreibenden, sämtliche Rechtsstreitigkeiten, die seine Erwerbstätigkeit betreffen, bei dem Gericht zu bündeln, in dessen Bezirk er seine Niederlassung hat, was sowohl sein Erscheinen organisatorisch erleichtert als auch die damit verbundenen Kosten verringert.

24 Somit ist eine Gerichtsstandsklausel, die in einen Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden aufgenommen worden ist, ohne im einzelnen ausgehandelt worden zu sein, und die ausschließliche Zuständigkeit dem Gericht zuweist, in dessen Bezirk der Gewerbetreibende seine Niederlassung hat, als mißbräuchlich im Sinne des Artikels 3 der Richtlinie anzusehen, da sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertiges Mißverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.

25 Was die Frage betrifft, ob ein Gericht, das mit einem Rechtsstreit über einen Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher befaßt ist, von Amts wegen prüfen kann, ob eine Klausel dieses Vertrages mißbräuchlich ist, so ist festzustellen, daß das durch die Richtlinie eingeführte Schutzsystem davon ausgeht, daß der Verbraucher sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, daß er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluß nehmen zu können.

26 Das Ziel des Artikels 6 der Richtlinie, nach dem die Mitgliedstaaten vorsehen, daß mißbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind, könnte nicht erreicht werden, wenn die Verbraucher die Mißbräuchlichkeit solcher Klauseln selbst geltend machen müßten. In Rechtsstreitigkeiten mit niedrigem Streitwert könnten die Rechtsanwaltsgebühren höher sein als der streitige Betrag, was den Verbraucher davon abhalten könnte, sich gegen die Anwendung einer mißbräuchlichen Klausel zu verteidigen. Zwar räumen die Verfahrensordnungen vieler Mitgliedstaaten dem einzelnen in solchen Rechtsstreitigkeiten das Recht ein, sich selbst zu verteidigen, doch besteht die nicht zu unterschätzende Gefahr, daß der Verbraucher die Mißbräuchlichkeit der ihm entgegengehaltenen Klausel vor allem aus Unkenntnis nicht geltend macht. Infolgedessen kann ein wirksamer Schutz des Verbrauchers nur erreicht werden, wenn dem nationalen Gericht die Möglichkeit eingeräumt wird, eine solche Klausel von Amts wegen zu prüfen.

27 Im übrigen geht das durch die Richtlinie eingeführte Schutzsystem, wie der Generalanwalt in Nummer 24 seiner Schlußanträge ausgeführt hat, davon aus, daß die Ungleichheit zwischen Verbraucher und Gewerbetreibenden nur durch ein positives Eingreifen von dritter Seite, die von den Vertragsparteien unabhängig ist, ausgeglichen werden kann. Deshalb sieht Artikel 7 der Richtlinie, der in Absatz 1 den Mitgliedstaaten vorschreibt, dafür zu sorgen, daß angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung mißbräuchlicher Klauseln ein Ende gesetzt wird, in Absatz 2 vor, daß diese Mittel die Möglichkeit anerkannter Verbraucherschutzverbände einschließen, die Gerichte anzurufen, um klären zu lassen, ob Vertragsklauseln, die im Hinblick auf eine allgemeine Verwendung abgefaßt worden sind, mißbräuchlich sind, und gegebenenfalls deren Verbot zu erreichen, auch wenn sie nicht konkret in einem Vertrag verwendet worden sind.

28 Wie die französische Regierung ausgeführt hat, ist schwerlich vorstellbar, daß in einem System, das als Vorbeugungsmaßnahme die Zulassung bestimmter Verbandsklagen auf Abstellung von Mißbräuchen, die den Verbraucherinteressen schaden, verlangt, ein Gericht, das mit einem Rechtsstreit über einen bestimmten Vertrag mit einer mißbräuchlichen Klausel befaßt ist, diese Klausel nur deshalb nicht ausschließen kann, weil der Verbraucher deren Mißbräuchlichkeit nicht geltend gemacht hat. Die Möglichkeit des Gerichts, von Amts wegen die Mißbräuchlichkeit einer Klausel zu prüfen, ist im Gegenteil als ein Mittel anzusehen, das geeignet ist, das in Artikel 6 der Richtlinie vorgeschriebene Ziel, nämlich zu verhindern, daß der einzelne Verbraucher an eine mißbräuchliche Klausel gebunden ist, zu erreichen und die Verwirklichung des Zieles des Artikels 7 zu fördern, da eine solche Prüfung abschreckend wirken kann und damit dazu beiträgt, daß der Verwendung mißbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in Verbraucherverträgen ein Ende gesetzt wird.

29 Nach alledem erfordert der Schutz, den die Richtlinie den Verbrauchern gewährt, daß das nationale Gericht von Amts wegen prüfen kann, ob eine Klausel des ihm vorgelegten Vertrages mißbräuchlich ist, wenn es die Zulässigkeit einer bei den nationalen Gerichten eingereichten Klage prüft.

30 Da es sich um einen Fall handelt, in dem eine Richtlinie nicht umgesetzt worden ist, muß das nationale Gericht, das das nationale Recht - gleich, ob es sich um vor oder nach der Richtlinie erlassene Vorschriften handelt - bei dessen Anwendung auszulegen hat, nach ständiger Rechtsprechung (Urteile vom 13. November 1990 in der Rechtssache C-106/89, Marleasing, Slg. 1990, I-4135, Randnr. 8, vom 16. Dezember 1993 in der Rechtssache C-334/92, Wagner Miret, Slg. 1993, I-6911, Randnr. 20, und vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache C-91/92, Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325, Randnr. 26) seine Auslegung so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Artikel 189 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 249 EG) nachzukommen.

31 Somit ist es Sache des vorlegenden Gerichts, das mit einem Rechtsstreit befaßt ist, der unter die Richtlinie fällt und auf einem Sachverhalt beruht, der nach Ablauf der Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie entstanden ist, die im entscheidungserheblichen Zeitpunkt geltenden nationalen Rechtsvorschriften, die in den Randnummern 10 und 11 wiedergegeben sind, bei ihrer Anwendung soweit wie möglich richtlinienkonform so auszulegen, daß sie von Amts wegen angewandt werden können.

32 Nach alledem muß das nationale Gericht die vor oder nach dieser Richtlinie erlassenen nationalen Rechtsvorschriften bei ihrer Anwendung soweit wie möglich unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Zweckes dieser Richtlinie auslegen. Das Erfordernis einer richtlinienkonformen Auslegung verlangt insbesondere, daß das nationale Gericht der Auslegung den Vorzug gibt, die es ihm ermöglicht, seine Zuständigkeit von Amts wegen zu verneinen, wenn diese durch eine mißbräuchliche Klausel vereinbart worden ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

33 Die Auslagen der spanischen und der französischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Juzgado de Primera Instancia Nr. 35 Barcelona mit Beschlüssen vom 31. März 1998 und 1. April 1998 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

1. Der Schutz, den die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen den Verbrauchern gewährt, erfordert, daß das nationale Gericht von Amts wegen prüfen kann, ob eine Klausel des ihm vorgelegten Vertrages mißbräuchlich ist, wenn es die Zulässigkeit einer bei den nationalen Gerichten eingereichten Klage prüft.

2. Das nationale Gericht muß die vor oder nach dieser Richtlinie erlassenen nationalen Rechtsvorschriften bei ihrer Anwendung soweit wie möglich unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Zweckes dieser Richtlinie auslegen. Das Erfordernis einer richtlinienkonformen Auslegung verlangt insbesondere, daß das nationale Gericht der Auslegung den Vorzug gibt, die es ihm ermöglicht, seine Zuständigkeit von Amts wegen zu verneinen, wenn diese durch eine mißbräuchliche Klausel vereinbart worden ist.

Ende der Entscheidung

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