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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 20.01.2005
Aktenzeichen: C-245/03
Rechtsgebiete: Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssystem


Vorschriften:

Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssystem Art. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 20. Januar 2005. - Merck, Sharp & Dohme BV gegen Belgischer Staat. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Conseil d'État - Belgien. - Richtlinie 89/105/EWG - Arzneimittel für den menschlichen Gebrauch - Antrag auf Aufnahme in die Positivliste - Natur der Frist für die Beantwortung - Zwingender Charakter - Folgen einer Überschreitung der Frist. - Rechtssache C-245/03.

Parteien:

In der Rechtssache C-245/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Conseil d'État (Belgien) mit Beschluss vom

9. Mai 2003

, beim Gerichtshof eingegangen am

10. Juni 2003

, in dem Verfahren

Merck, Sharp & Dohme BV

gegen

Belgischer Staat

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter C. Gulmann, R. Schintgen und G. Arestis,

Generalanwalt: A. Tizzano,

Kanzler: M. Múgica Arzamendi, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom

14. Juli 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Merck, Sharp & Dohme BV, vertreten durch R. Subiotto, Solicitor, und T. Graf, avocat,

- der belgischen Regierung, vertreten durch A. Snoecx als Bevollmächtigte im Beistand von L. Levi und L. Depré, avocats,

- der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,

- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster als Bevollmächtigte,

- der finnischen Regierung, vertreten durch T. Pynnä als Bevollmächtigte,

- der norwegischen Regierung, vertreten durch A. Enersen und F. Platou Amble als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Stovlbaek und B. Stromsky als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom

30. September 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 6 Nummer 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme (ABl. 1989, L 40, S. 8, im Folgenden: Richtlinie).

2. Dieses Ersuchen wurde im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Merck, Sharp & Dohme BV (im Folgenden: Klägerin) und dem Belgischen Staat wegen der stillschweigenden Ablehnung des Ministers für Soziales und Renten (im Folgenden: Minister), die Arzneispezialität Proscar im Rahmen der Gesundheitspflege und Entschädigungspflichtversicherung zur Erstattung zuzulassen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3. Die fünfte und sechste Begründungserwägung der Richtlinie lauten wie folgt:

Ziel dieser Richtlinie ist es, einen Überblick über die einzelstaatlichen Vereinbarungen zur Preisfestsetzung zu erhalten, einschließlich ihres Funktionierens in bestimmten Fällen und aller ihnen zugrunde liegenden Kriterien, und sie allen Teilnehmern am Arzneimittelmarkt in den Mitgliedstaaten allgemein zugänglich zu machen. Diese Angaben sollten veröffentlicht werden.

Als erster Schritt zur Beseitigung dieser Unterschiede erweist sich die Festlegung einer Reihe von Anforderungen als dringend notwendig, die darauf abzielen, sicherzustellen, dass alle Betroffenen überprüfen können, dass die einzelstaatlichen Maßnahmen keine mengenmäßigen Beschränkungen für die Ein- oder Ausfuhr oder Maßnahmen gleicher Wirkung darstellen. Diese Anforderungen beeinflussen jedoch nicht die Politik der Mitgliedstaaten, die für die Preisfestsetzung für Arzneimittel den Regeln des freien Wettbewerbs den Vorrang geben. Diese Anforderungen beeinflussen auch die einzelstaatliche Politik in Bezug auf die Preisfestsetzung und das Sozialversicherungssystem nur in dem Maße, in dem dies für die Transparenz im Sinne dieser Richtlinie notwendig ist.

4. Artikel 6 der Richtlinie bestimmt:

Ist ein Arzneimittel durch das staatliche Krankenversicherungssystem nur gedeckt, wenn die zuständigen Behörden beschlossen haben, das betreffende Arzneimittel in eine Positivliste der unter das staatliche Krankenversicherungssystem fallenden Arzneimittel aufzunehmen, so gilt Folgendes:

1. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass eine Entscheidung über einen Antrag auf Aufnahme eines Arzneimittels in die Liste der unter das Krankenversicherungssystem fallenden Arzneimittel, der vom Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß den Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats gestellt worden ist, innerhalb von neunzig Tagen nach Eingang des Antrags getroffen und dem Antragsteller mitgeteilt wird. Kann ein Antrag nach diesem Artikel gestellt werden, bevor die zuständigen Behörden dem Preis zugestimmt haben, der für das Erzeugnis gemäß Artikel 2 verlangt werden soll, oder wird über den Preis eines Arzneimittels und über dessen Aufnahme in die Liste der unter das Krankenversicherungssystem fallenden Erzeugnisse in einem einzigen Verwaltungsverfahren entschieden, wird die Frist um neunzig Tage verlängert. Der Antragsteller macht den zuständigen Behörden ausreichende Angaben. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, so wird die Frist ausgesetzt, und die zuständigen Behörden teilen dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind.

Lässt ein Mitgliedstaat nicht zu, dass ein Antrag nach diesem Artikel gestellt werden kann, bevor die zuständigen Behörden dem Preis zugestimmt haben, der für das Erzeugnis gemäß Artikel 2 verlangt werden soll, so muss er sicherstellen, dass die Dauer der beiden Verfahren zusammen 180 Tage nicht übersteigt. Diese Frist kann nach Artikel 2 verlängert oder nach Unterabsatz 1 ausgesetzt werden.

2. Eine Entscheidung, ein Arzneimittel nicht in die Liste der unter das Krankenversicherungssystem fallenden Erzeugnisse aufzunehmen, muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten; gegebenenfalls sind zugrunde liegende Stellungnahmen oder Empfehlungen von Sachverständigen hierin anzugeben. Der Antragsteller ist über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren.

Nationales Recht

5. Am 2. Februar 1993, dem Tag, an dem der Antrag gestellt wurde, das Arzneimittel Proscar zur Erstattung zuzulassen, war die Aufnahme von Arzneimitteln in die Liste der erstattungsfähigen Arzneispezialitäten durch das Gesetz vom 9. August 1963 und den Königlichen Erlass vom 2. September 1980 geregelt. Diese Vorschriften knüpften an die Überschreitung der Frist für die Beantwortung eines Aufnahmeantrags keine bestimmten Rechtsfolgen.

6. Der Königliche Erlass vom 2. September 1980 wurde durch das am 14. Juli 1994 koordinierte Gesetz über die Gesundheitspflege und Entschädigungspflichtversicherung in der Fassung des am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Gesetzes vom 10. August 2001 über Maßnahmen im Bereich der Gesundheitspflege, durch das die Richtlinie in belgisches Recht umgesetzt wurde, geändert (im Folgenden: Gesetz vom 14. Juli 1994). Diese Vorschriften führten für Anträge auf Aufnahme eines Arzneimittels in die Liste der erstattungsfähigen Arzneispezialitäten ein System der stillschweigenden Zustimmung (und automatischen Aufnahme) bei Überschreitung der Frist ein.

Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefrage

7. Am 2. Februar 1993 beantragte die Klägerin beim Institut national d'assurance maladie invalidité (staatliche Anstalt für Kranken- und Invaliditätsversicherung; im Folgenden: INAMI) die Zulassung der Arzneispezialität Proscar, die bei der Behandlung und Kontrolle der benignen Prostata-Hyperplasie indiziert ist, zur Erstattung. Diesem Antrag waren Zulassungsunterlagen beigefügt, insbesondere die Stellungnahme der Commission de transparence des médicaments (Transparenzausschuss für Arzneimittel) vom 3. Januar 1993, die eine Beurteilung der therapeutischen Bedeutung des Arzneimittels in der pharmakologischen Gruppe, zu der es gehört, sowie der Darreichungsform des Arzneimittels und Packungsgröße im Verhältnis zur Dosierung bei den angesprochenen Krankheitsbildern und im Verhältnis zu den Gesundheitskosten enthielt.

8. Am 1. Juli 1993 gab der Conseil technique des spécialités pharmaceutiques (Fachbeirat für Arzneispezialitäten; im Folgenden: CTSP) des INAMI eine ablehnende Stellungnahme ab. Diese ablehnende Stellungnahme wurde der Klägerin mit Schreiben vom 8. Juli 1993 zugestellt.

9. Die Klägerin richtete am 11. August 1993 ein Schreiben an das INAMI, in dem sie sich zu der ablehnenden Stellungnahme des CTSP äußerte. Am 2. September 1993 beschloss der CTSP, vor seiner endgültigen Entscheidung die Meinung mehrerer Sachverständiger zu der Frage einzuholen, in welchen Fällen die Anwendung eines solchen Medikaments absolut unerlässlich sei und wie dies gegebenenfalls objektiv nachgewiesen werden könne.

10. Am 12. Januar 1994 äußerten sich die Sachverständigen ablehnend zur Erstattungsfähigkeit von Proscar. Sie waren nämlich der Auffassung, es handele sich hierbei eher um ein Bagatellarzneimittel als um ein therapeutisches Arzneimittel.

11. Der CTSP gab daher am 10. Februar 1994 erneut eine Stellungnahme ab, in der er sich gegen die Erstattungsfähigkeit von Proscar aussprach.

12. Am 25. Februar 1994 richtete die Klägerin ein Schreiben zur Änderung des Antrags auf Zulassung von Proscar zur Erstattung an das INAMI. Sie schlug die Erstattung nach Kategorie C durch Aufnahme in Kapitel IV des Anhangs I des Königlichen Erlasses vom 2. September 1980 vor. Alternativ regte sie am 1. April 1994 die Zulassung von Proscar zur Erstattung nach Kategorie Cs an.

13. Der CTSP prüfte am 14. April 1994 diese neuen Vorschläge und gelangte zu der Auffassung, dass diese Vorschläge nichts an der ablehnenden Stellungnahme änderten, die er zuvor abgegeben hatte.

14. Die Commission des conventions pharmaciens - organismes assureurs (Ausschuss für Vereinbarungen zwischen den Apothekern und den Versicherungsunternehmen) des INAMI äußerte sich am 8. Juli 1994 nicht zur ablehnenden Stellungnahme des CTSP. Am 17. Oktober 1994 gab das Comité de l'assurance (Versicherungsausschuss) des INAMI nach einem Meinungsaustausch zwischen seinen Mitgliedern ebenfalls eine ablehnende Stellungnahme in Bezug auf die Zulassung von Proscar zur Erstattung ab.

15. Der Minister für Soziales und Renten teilte der Klägerin am 27. Februar 1995 mit, dass er die Arzneispezialität Proscar nicht zur Erstattung im Rahmen der Gesundheitspflege und Entschädigungspflichtversicherung zulassen werde.

16. Diese Entscheidung wurde von der Klägerin angefochten und schließlich vom Conseil d'État am 7. Juni 1996 mit der Begründung aufgehoben, dass für die Entscheidung über die Aufnahme eines Pharmazeutikums in die Liste der erstattungsfähigen Arzneispezialitäten oder deren Ablehnung nicht der Minister, sondern der König zuständig sei.

17. Am 3. Juli 1996 forderte die Klägerin die Gegenpartei auf, diesem Urteil Folge zu leisten und ihr die Zulassung von Proscar zur Erstattung gemäß dem Antrag vom 2. Februar 1993 zu erteilen. Da die zuständige Behörde sich über vier Monate nicht äußerte, war dieser Antrag stillschweigend zurückgewiesen. Gegen diese stillschweigende Zurückweisung richtet sich die Klage des Ausgangsverfahrens.

18. Der Conseil d'État hat das Verfahren unter diesen Bedingungen ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist die Frist von 90 Tagen, verlängerbar um weitere 90 Tage, die in Artikel 6 Nummer 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 89/105/EWG vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme genannt ist, eine Ordnungs- oder eine Ausschlussfrist? Welche Folgen hat im letztgenannten Fall eine Fristüberschreitung für die Beantwortung des Antrags auf Aufnahme eines Arzneimittels in die Liste der unter das Krankenversicherungssystem fallenden Erzeugnisse?

Ist diese Fristüberschreitung dahin auszulegen, dass sie als Aufnahme in diese Liste gilt?

Zur Vorlagefrage

19. Um diese Frage sachdienlich beantworten zu können, muss erstens festgestellt werden, welchen Charakter die in Artikel 6 Nummer 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 89/105 festgesetzte Frist hat, und zweitens, welche Folgen die Richtlinie im Fall einer Überschreitung dieser Frist vorsieht.

Zum Ordnungs- oder Ausschlusscharakter der in Artikel 6 Nummer 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie genannten Frist

20. Zur Frage des Ordnungs- oder Ausschlusscharakters der Frist des Artikels 6 Nummer 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie ergibt sich, wie der Generalanwalt in Nummer 36 seiner Schlussanträge festgestellt hat, aus dem Wortlaut wie aus der Struktur dieser Vorschrift, dass die betreffende Frist als Ausschlussfrist anzusehen ist.

21. Zum einen zeigen nämlich die Verwendung des Verbs sicherstellen im Indikativ sowie die genaue Festlegung der Modalitäten für die Berechnung der Frist, dass die zuständigen Behörden verpflichtet sind, die vorgegebene Frist beim Erlass ihrer Entscheidungen zu beachten.

22. Zum anderen legt Artikel 6 Nummer 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie auch genau die Bedingungen für die Verlängerung und die Aussetzung der fraglichen Frist fest. Die genaue Angabe dieser Bedingungen wäre jedoch überflüssig, wenn es den Mitgliedstaaten freistünde, diese Frist nicht zu beachten.

23. Diese Auslegung von Artikel 6 Nummer 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie wird durch den Zweck der Richtlinie bestätigt, der - wie sich aus ihrer sechsten Begründungserwägung ergibt - darin besteht, den Betroffenen die Möglichkeit zu bieten, sich zu vergewissern, dass die Aufnahme von Arzneimitteln durch die Behörden nach objektiven Kriterien erfolgt und inländische Arzneimittel und solche aus anderen Mitgliedstaaten nicht unterschiedlich behandelt werden (vgl. Urteil vom 12. Juni 2003 in der Rechtssache C229/00, Kommission/Finnland, Slg. 2003, I5727, Ra ndnr. 39).

24. Aufgrund dessen ist auf den ersten Teil der Vorabentscheidungsfrage zu antworten, dass die in Artikel 6 Nummer 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie festgesetzte Frist eine Ausschlussfrist ist, die von den Mitgliedstaaten nicht überschritten werden darf.

Zu den Folgen der Überschreitung der Beantwortungsfrist durch die zuständige Behörde

25. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Artikel 6 Nummer 1 der Richtlinie keine Angaben zu den Folgen einer Überschreitung der Frist für die Beantwortung eines Antrags auf Aufnahme eines Arzneimittels in die Positivliste der erstattungsfähigen Arzneimittel durch die Verwaltung macht. Insbesondere enthält dieser Artikel keine Bestimmung darüber, ob eine solche Überschreitung zur automatischen Aufnahme in diese Liste führt.

26. Da auch keine andere Vorschrift der Richtlinie Angaben hierzu enthält, sind die Zielsetzung und die Struktur der Richtlinie zu prüfen, um zu entscheiden, ob diese dahin auszulegen ist, dass sie die automatische Aufnahme eines Arzneimittels in die Positivliste der erstattungsfähigen Arzneimittel vorschreibt, wenn die in ihrem Artikel 6 Nummer 1 Unterabsatz 1 festgesetzte Frist verstrichen ist.

27. Hierzu ist festzustellen, dass - wie sich aus der sechsten Begründungserwägung der Richtlinie ergibt - die darin aufgestellten Transparenzanforderungen die einzelstaatliche Politik in Bezug auf die Preisfestsetzung und das Sozialversicherungssystem nur in dem Maße beeinflussen, in dem dies für die Transparenz im Sinne dieser Richtlinie notwendig ist. Daraus folgt, dass die Richtlinie vom Gedanken einer minimalen Einwirkung auf die mitgliedstaatliche Organisation der internen Sozialversicherungspolitiken getragen ist.

28. Insoweit ergibt sich aus einer ständigen Rechtsprechung, dass das Gemeinschaftsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unberührt lässt (u. a. Urteile vom 7. Februar 1984 in der Rechtssache 238/82, Duphar, Slg. 1984, 523, Randnr. 16, und vom 17. Juni 1997 in der Rechtssache C70/95, Sodemare u. a., Slg. 1997, I3395, Randnr. 27) und dass in Ermangelung einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene das Recht jedes Mitgliedstaats bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Leistungen der sozialen Sicherheit gewährt werden (u. a. Urteile vom 24. April 1980 in der Rechtssache 110/79, Coonan, Slg. 1980, 1445, Randnr. 12, vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C349/87, Paraschi, Slg. 1991, I4501, Randnr. 15, und vom 30. Januar 1997 in den Rechtssachen C4/95 und C5/95, Stöber und Piosa Pereira, Slg. 1997, I511, Randnr. 36).

29. In Ermangelung einer spezifischen Vorschrift der Richtlinie ist es daher Sache der Mitgliedstaaten, die Folgen einer Fristüberschreitung festzulegen, wobei die von ihnen erlassenen Vorschriften zum einen nicht weniger günstig gestaltet sein dürfen als diejenigen für entsprechende Fälle (Äquivalenzgrundsatz) und zum anderen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. Urteile vom 24. September 2002 in der Rechtssache C255/00, Grundig Italiana, Slg. 2002, I8003, Randnr. 33, und vom 9. Dezember 2003 in der Rechtssache C129/00, Kommission/Italien, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25).

30. Diese Auslegung wird durch die unterschiedliche Behandlung bestätigt, die die Richtlinie für Anträge auf Genehmigung des Verkaufspreises oder der Erhöhung dieses Preises gegenüber Anträgen auf Aufnahme der Arzneimittel in eine Positivliste vorsieht.

31. Allerdings ist festzustellen, dass die Richtlinie, wenn sie die Nichteinhaltung einer Frist mit der automatischen Bewilligung des Antrags ahnden will, dies ausdrücklich angibt.

32. So sieht Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie betreffend Anträge auf Genehmigung des Verkaufspreises für Arzneimittel für diesen Fall vor: Ergeht innerhalb der vorstehend genannten Frist bzw. Fristen keine Entscheidung, so ist der Antragsteller berechtigt, das Erzeugnis zu dem vorgeschlagenen Preis in Verkehr zu bringen.

33. Ebenso sieht Artikel 3 Nummer 1 Unterabsatz 3 der Richtlinie betreffend Anträge auf Genehmigung der Erhöhung des Preises für ein bereits im Verkehr befindliches Arzneimittel für diesen Fall vor: Ergeht innerhalb der vorstehend genannten Frist bzw. Fristen keine Entscheidung, so ist der Antragsteller berechtigt, die beantragte Preiserhöhung vollständig anzuwenden.

34. Aufgrund dessen ist auf den zweiten Teil der Vorabentscheidungsfrage zu antworten, dass die Richtlinie dahin auszulegen ist, dass sie im Fall einer Überschreitung der in ihrem Artikel 6 Nummer 1 Unterabsatz 1 festgesetzten Frist nicht die automatische Aufnahme eines Arzneimittels in die Liste der unter das Krankenversicherungssystem fallenden Arzneimittel vorschreibt.

Kostenentscheidung:

Kosten

35. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1. Die in Artikel 6 Nummer 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme festgesetzte Frist ist eine Ausschlussfrist, die von den Mitgliedstaaten nicht überschritten werden darf.

2. Artikel 6 Nummer 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 89/105 schreibt im Fall einer Überschreitung der in diesem Artikel festgesetzten Frist nicht die automatische Aufnahme eines Arzneimittels in die Liste der unter das Krankenversicherungssystem fallenden Arzneimittel vor.

Ende der Entscheidung

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