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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.09.1996
Aktenzeichen: C-246/94
Rechtsgebiete: Richtlinie 79/623/EWG, EGV


Vorschriften:

Richtlinie 79/623/EWG Art. 2d
EGV Art. 177
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie 79/623, der die Entstehung einer Einfuhrzollschuld in dem Fall betrifft, daß eine der Pflichten nicht erfuellt wird, die sich bei Waren aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das die Waren überführt worden sind, ergeben, oder daß eine der Bedingungen für die Zulassung zu dem betreffenden Verfahren nicht eingehalten wird, es sei denn, daß sich diese Unterlassungen nachweislich auf die ordnungsgemässe Abwicklung des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben, hat unmittelbare Wirkung und begründet Rechte der einzelnen, die diese gegenüber einem Mitgliedstaat, der die Richtlinie nicht in das nationale Recht umgesetzt hat, geltend machen können und die die nationalen Gerichte zu schützen haben. Diese Bestimmung ist nämlich unbedingt und hinreichend genau, um vor dem nationalen Gericht geltend gemacht werden zu können, denn sie räumt dem Betroffenen die Befugnis ein, nachzuweisen, daß sich die ihm zur Last fallenden Unterlassungen auf die ordnungsgemässe Abwicklung des gewählten Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben. Damit werden die zuständigen nationalen Behörden unbedingt und unzweideutig verpflichtet, die insoweit vorgelegten Beweise zu prüfen.

Die streitige Bestimmung ist auch im Fall eines Verstosses gegen die Verordnung Nr. 612/77 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zu der besonderen Einfuhrregelung für zur Mast bestimmte männliche Jungrinder in der Fassung der Verordnung Nr. 1384/77 anwendbar. Diese Verordnung, die von der Kommission aufgrund einer Ermächtigungsnorm in einem speziellen Bereich erlassen wurde, kann nämlich nicht der Anwendung der generellen Regelung der Richtlinie 79/623 und insbesondere nicht ihres Artikels 2 Buchstabe d entgegenstehen.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 17. September 1996. - Cooperativa Agricola Zootecnica S. Antonio u. a. gegen Amministrazione delle finanze dello Stato. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Corte suprema di Cassazione - Italien. - Verordnungen (EWG) Nrn. 612/77 und 1384/77 der Kommission - Sonderregelung für die Einfuhr zur Mast bestimmter männlicher Jungrinder - Richtlinie 79/623/EWG des Rates. - Verbundene Rechtssachen C-246/94, C-247/94, C-248/94 und C-249/94.

Entscheidungsgründe:

1 Die Corte suprema di cassazione hat mit vier Beschlüssen vom 2. Mai 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 12. September 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 79/623/EWG des Rates vom 25. Juni 1979 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Zollschuld (ABl. L 179, S. 31) und der Verordnung (EWG) Nr. 612/77 der Kommission vom 24. März 1977 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zu der besonderen Einfuhrregelung für zur Mast bestimmte männliche Jungrinder (ABl. L 77, S. 18) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1384/77 der Kommission vom 27. Juni 1977 (ABl. L 157, S. 16) und über die Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 1121/87 der Kommission vom 23. April 1987 zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 612/77 und (EWG) Nr. 1136/79 hinsichtlich der Freigabe der Sicherheit im Rahmen bestimmter besonderer Einfuhrregelungen im Sektor Rindfleisch (ABl. L 109, S. 12) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen drei italienischen landwirtschaftlichen Betrieben und den italienischen Zollbehörden, in denen es darum geht, ob die klagenden Genossenschaften den Anspruch auf die Aussetzung der Abschöpfung, die auf zur Mast bestimmte männliche Jungrinder erhoben wird, verloren haben.

3 Nach einer Sonderregelung in Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. L 148, S. 24) in der Fassung von Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 425/77 des Rates vom 14. Februar 1977 (ABl. L 61, S. 1) kann die bei der Einfuhr zur Mast bestimmter männlicher Jungrinder normalerweise erhobene Abschöpfung vollständig oder teilweise ausgesetzt werden.

4 Die Durchführungsvorschriften hierfür sind in der Verordnung Nr. 612/77 festgelegt. Ihr Artikel 1 bestimmt:

"(1) Für die Gewährung der in Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 genannten vollständigen oder teilweisen Aussetzung der Abschöpfung müssen folgende Voraussetzungen erfuellt sein:

a) Abgabe einer schriftlichen Erklärung durch den Importeur zum Zeitpunkt der Einfuhr, daß die Jungrinder dazu bestimmt sind, im einführenden Mitgliedstaat während eines Zeitraums von 120 Tagen ab dem Tag der Überführung in den freien Verkehr gemästet zu werden;

b) Stellung einer Kaution in Höhe des ausgesetzten Betrages der am Tag der Einfuhr geltenden Abschöpfung seitens des Importeurs;

c)...

(2)...

(3) Die Kaution wird, abgesehen von Fällen höherer Gewalt, nur ganz oder teilweise freigegeben, wenn den zuständigen Behörden des einführenden Mitgliedstaats nachgewiesen wird, daß das Jungrind

a) vor Ablauf der in Absatz 1 Buchstabe a) vorgesehenen Frist nicht geschlachtet wurde oder

b)...

Die Kaution wird unverzueglich freigestellt, nachdem der Nachweis erbracht worden ist.

(4) Wurde der in Absatz 3 genannte Nachweis nicht innerhalb von 180 Tagen ab dem Tag der Überführung in den freien Verkehr erbracht, so verfällt der Betrag der Kaution als Abschöpfung.

(5)..."

5 Um Mißbräuche zu unterbinden, wurde diese Bestimmung durch Artikel 7 der Verordnung Nr. 1384/77 geändert.

6 So wurden die in Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 612/77 aufgeführten Voraussetzungen für eine vollständige oder teilweise Aussetzung der Abschöpfung durch Artikel 7 der Verordnung Nr. 1384/77 um eine weitere Voraussetzung ergänzt, und zwar um das Erfordernis der

"...

d) zum Zeitpunkt der Einfuhr schriftlich eingegangene[n] Verpflichtung des Importeurs, den zuständigen Behörden des einführenden Mitgliedstaats innerhalb eines Monats nach dem Tag der Einfuhr mitzuteilen, in welchem Betrieb oder in welchen Betrieben die Jungrinder gemästet werden sollen".

7 Durch dieselbe Änderungsvorschrift wurde ausserdem Artikel 1 Absatz 3 der Verordnung Nr. 612/77 um eine zusätzliche Voraussetzung für die Freigabe der Kaution ergänzt. Danach ist für die Freigabe auch nachzuweisen, daß das Jungrind "in dem oder den gemäß Absatz 1 Buchstabe d) mitgeteilten Betrieb oder Betrieben gemästet wurde".

8 Durch Artikel 1 der Verordnung Nr. 1121/87, mit der hinsichtlich der Freigabe einer gestellten Sicherheit eine gewisse Proportionalität gesichert werden soll, wurde Artikel 1 Absatz 3 der Verordnung Nr. 612/77 folgender Unterabsatz angefügt:

"Wurde die in Absatz 1 Buchstabe d) genannte Frist nicht eingehalten, wird der Betrag der freizugebenden Sicherheit jedoch um

° 15 % und

° 2 % des Restbetrags je Überschreitungstag

verringert."

9 Artikel 2 der Richtlinie 79/623 bestimmt:

"Eine Einfuhrzollschuld entsteht,

...

d) wenn eine der Pflichten nicht erfuellt wird, die sich bei eingangsabgabenpflichtigen Waren aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das die Waren überführt worden sind, ergeben, oder wenn eine der Bedingungen für die Zulassung zu dem betreffenden Verfahren nicht eingehalten wird, es sei denn, daß sich diese Unterlassungen nachweislich auf die ordnungsgemässe Abwicklung der betreffenden vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben;

..."

10 Diese Richtlinie wurde nach dem in den Ausgangsverfahren entscheidungserheblichen Zeitraum durch die Verordnung (EWG) Nr. 2144/87 des Rates vom 13. Juli 1987 über die Zollschuld (ABl. L 201, S. 15) aufgehoben; ihre Bestimmungen wurden in diese Verordnung übernommen und ergänzt.

11 Die drei in den Ausgangsverfahren klagenden italienischen landwirtschaftlichen Betriebe, die Cooperativa Agricola Zootecnica S. Antonio, die Cooperativa Lomellina di Cerealicoltori Srl und die Azienda agricola Cavicchi Bruno e Fratelli hatten von 1982 bis 1985 mehrere Partien zur Mast bestimmter Rinder nach Italien eingeführt.

12 Nach den Akten wurde der gemeinschaftlichen Sonderregelung über die Aussetzung der Abschöpfung nur hinsichtlich einer der vorgeschriebenen Voraussetzungen nicht entsprochen, nämlich der Verpflichtung nach Artikel 1 der Verordnung Nr. 612/77 in der geänderten Fassung, den italienischen Behörden innerhalb eines Monats nach dem Zeitpunkt der Einfuhr mitzuteilen, wo sich der Maststall befand: Die Cooperativa Agricola Zootecnica S. Antonio hatte diese Mitteilung der zuständigen Zollbehörde mit mehrtägiger Verspätung übermittelt, die Cooperativa Lomellina di Cerealicoltori Srl hatte sie zwar fristgerecht abgeschickt, aber versehentlich nicht an die zuständige Zollbehörde, sondern an die Gemeinden, in deren Gebiet sich die Mastställe befanden, und die Azienda agricola Cavicchi Bruno e Fratelli hatte die Mitteilung versäumt. Wie weiter aus den Akten hervorgeht, hatte die Cooperativa Lomellina di Cerealicoltori Srl zudem nicht innerhalb der Frist des Artikels 1 Absatz 4 der Verordnung Nr. 612/77 nachgewiesen, daß die eingeführten Jungrinder nicht innerhalb von 120 Tagen nach der Einfuhr geschlachtet worden waren.

13 Nach Ansicht der italienischen Zollbehörden hatten die landwirtschaftlichen Genossenschaften durch diese Versäumnisse den Anspruch auf die Aussetzung der Abschöpfung bei der Einfuhr verloren. Sie ordneten daher die Zahlung der angefallenen Zölle an und betrachteten die bei der Einfuhr gestellten Sicherheiten als vollständig verfallen.

14 Die drei betroffenen Betriebe erhoben daraufhin gegen die Finanzverwaltung (Amministrazione delle Finanze dello Stato) Klage beim Tribunale Triest. Sie machten geltend, da die Hauptpflicht, nämlich die Mästung der eingeführten Rinder während eines Zeitraums von 120 Tagen in einem Maststall, erfuellt worden sei, sei es gemeinschaftsrechtlich unzulässig, daß die Zollbehörden Forderungen wegen Verletzung einer sekundären Formvorschrift erhöben.

15 Die letztinstanzlich zuständige Corte suprema di cassazione hat die Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Weist Artikel 2 Buchstabe d der (nicht in das italienische Recht umgesetzten) Richtlinie 79/623/EWG vom 25. Juni 1979 die notwendigen Merkmale auf, um unmittelbar anwendbar zu sein und die Grundlage für Rechte zu bilden, die die einzelnen gegen den italienischen Staat geltend machen können?

2) Bei Bejahung der Frage 1: Ist diese Richtlinienbestimmung auch dann anwendbar, wenn unter Verstoß gegen die Verordnung (EWG) Nr. 612/77 (in der durch Artikel 7 der Verordnung Nr. 1384/77 geänderten Fassung) die Mitteilung des Betriebs, in dem die Rinder gemästet werden sollen, verspätet erfolgt? Dafür ist die in der genannten Verordnung enthaltene Sonderregelung auszulegen, um festzustellen, ob eine derartige Verspätung sich auf das ordnungsgemässe Funktionieren dieser Regelung wirklich ausgewirkt hat.

3) Sollte die Frage 2 zu verneinen, also die Richtlinienbestimmung (im vorliegenden Fall) nicht anwendbar sein, so wird folgende weitere Frage nach der Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 1121/87 vom 23. April 1987 gestellt: Verstösst das in Artikel 1 Nr. 2 dieser Verordnung festgelegte Sanktionsmaß (das bei einer Verspätung der vorgeschriebenen Mitteilung um 50 Tage zum vollständigen Verfall der Sicherheit führt) im Hinblick auf das verfolgte Ziel gegen den in der Rechtsprechung des Gerichtshofes anerkannten Grundsatz der Verhältnismässigkeit der Sanktion?

Zur ersten Frage

16 Mit dieser Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie 79/623 unmittelbare Wirkung hat und Rechte der einzelnen begründet, die diese gegenüber einem Mitgliedstaat, der die Richtlinie nicht in das nationale Recht umgesetzt hat, geltend machen können und die die nationalen Gerichte zu schützen haben.

17 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteile vom 19. Januar 1982 in der Rechtssache 8/81, Becker, Slg. 1982, 53, Randnr. 25, und vom 22. Juni 1989 in der Rechtssache 103/88, Costanzo, Slg. 1989, 1839, Randnr. 29) können sich die einzelnen in all den Fällen, in denen Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor einem nationalen Gericht gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat.

18 Eine Gemeinschaftsvorschrift ist unbedingt, wenn sie eine Verpflichtung normiert, die an keine Bedingung geknüpft ist und zu ihrer Durchführung oder Wirksamkeit auch keiner weiteren Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf (vgl. insbesondere Urteil vom 3. April 1968 in der Rechtssache 28/67, Molkerei-Zentrale Westfalen/Lippe, Slg. 1968, 216, 230 f.).

19 Eine Bestimmung ist hinreichend genau, um von einem einzelnen geltend gemacht und vom Gericht angewandt werden zu können, wenn sie in unzweideutigen Worten eine Verpflichtung festlegt (vgl. Urteile vom 26. Februar 1986 in der Rechtssache 152/84, Marshall, Slg. 1986, 723, und vom 4. Dezember 1986 in der Rechtssache 71/85, Federatie Nederlandse Vakbeweging, Slg. 1986, 3855).

20 Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie 79/623 weist diese Merkmale auf.

21 Mit der Richtlinie 79/623 wird nach ihrer fünften Begründungserwägung das Ziel verfolgt, gemeinsame Regeln für den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die Zollschuld entsteht, damit eine einheitliche Anwendung der geltenden gemeinschaftlichen Eingangs- und Ausfuhrbestimmungen gewährleistet wird.

22 Dieses Ziel einer einheitlichen Rechtsanwendung sowohl hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem die Zollschuld entsteht, als auch ° wie im vorliegenden Fall ° der Gewährung einer etwaigen Zollvergünstigung würde verfehlt, wenn die zuständigen nationalen Behörden nach ihrem Ermessen andere als die in der Richtlinie 79/623 normierten Voraussetzungen oder Formerfordernisse festlegen könnten.

23 Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie 79/623 räumt dem Betroffenen die Befugnis ein, nachzuweisen, daß sich die ihm zur Last fallenden Unterlassungen auf die ordnungsgemässe Abwicklung des fraglichen Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben. Damit werden die zuständigen nationalen Behörden unbedingt und unzweideutig verpflichtet, die insoweit vorgelegten Beweise zu prüfen.

24 Diese Prüfungspflicht, die die zuständigen nationalen Behörden unter der Kontrolle der nationalen Gericht wahrzunehmen haben, wird auch durch das an sich unnötige Wort "nachweislich" in Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie betont. Bezeichnenderweise wird dieses Wort in Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung Nr. 2144/87, der an die Stelle von Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie 79/623 getreten ist, nicht mehr verwendet.

25 Schließlich hat der Gerichtshof, wenn auch nur implizit, im Urteil vom 5. Oktober 1983 in den verbundenen Rechtssachen 186/82 und 187/82 (Esercizio Magazzini Generali und Mellina Agosta, Slg. 1983, 2951) entschieden, daß Artikel 4 der Richtlinie, eine Artikel 2 Buchstabe d entsprechende Vorschrift, unmittelbare Wirkung besitzt.

26 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, daß Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie 79/623 unmittelbare Wirkung hat und Rechte der einzelnen begründet, die diese gegenüber einem Mitgliedstaat, der die Richtlinie nicht in das nationale Recht umgesetzt hat, geltend machen können und die die nationalen Gerichte zu schützen haben.

Zur zweiten Frage

27 Mit dieser Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie 79/623 auch im Fall eines Verstosses gegen die Verordnung Nr. 612/77 in der geänderten Fassung anwendbar ist.

28 Die italienische Regierung trägt insoweit vor, bereits der Gemeinschaftsgesetzgeber selbst bewerte die Nichterfuellung der Verpflichtungen aus der Verordnung Nr. 612/77 als eine schwerwiegende Unterlassung, die die ordnungsgemässe Abwicklung des fraglichen Sonderverfahrens beeinträchtige. In einem solchen Fall entstehe damit die Eingangsabgabenschuld, ohne daß weitere Voraussetzungen zu prüfen seien.

29 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

30 Die Richtlinie 79/623, die zunächst durch die Verordnung Nr. 2144/87 und sodann durch die Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) abgelöst wurde, stellt eine generelle Regelung dar, die der Harmonisierung der Vorschriften über die Zollschuld dient.

31 Die Verordnung Nr. 612/77 in der geänderten Fassung wurde von der Kommission auf der Grundlage der Ermächtigung erlassen, mit der ihr der Rat die Befugnis zur Festlegung der Durchführungsvorschriften zur Sonderregelung des Artikels 13 der Verordnung Nr. 805/68 verlieh. Demgemäß kann diese Verordnung, die aufgrund einer Ermächtigungsnorm in einem speziellen Bereich erlassen wurde, nicht der Anwendung der generellen Regelung der Richtlinie 79/623 und insbesondere nicht ihres Artikels 2 Buchstabe d entgegenstehen, wonach der Betroffene das Recht hat, nachzuweisen, daß sich die ihm zur Last gelegte Unterlassung auf die Abwicklung des fraglichen Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt hat.

32 Im vorliegenden Fall sind die den Klägern vorgeworfenen Verstösse von ganz unterschiedlicher Schwere. Es ist Sache der zuständigen nationalen Behörden, unter der Kontrolle der nationalen Gerichte in jedem Einzelfall zu beurteilen, ob die landwirtschaftlichen Betriebe den Nachweis erbracht haben, daß diese Verstösse sich auf die Abwicklung des fraglichen Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben.

33 Dem nationalen Gericht ist daher zu antworten, daß Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie 79/623 auch im Fall eines Verstosses gegen die Verordnung Nr. 612/77 in der geänderten Fassung anwendbar ist.

Zur dritten Frage

34 Nach der Antwort auf die zweite Frage braucht die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

35 Die Auslagen der italienischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm von der Corte suprema di cassazione mit Beschlüssen vom 2. Mai 1994 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie 79/623/EWG des Rates vom 25. Juni 1979 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Zollschuld hat unmittelbare Wirkung und begründet Rechte der einzelnen, die diese gegenüber einem Mitgliedstaat, der die Richtlinie nicht in das nationale Recht umgesetzt hat, geltend machen können und die die nationalen Gerichte zu schützen haben.

2. Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie 79/623 ist auch im Fall eines Verstosses gegen die Verordnung (EWG) Nr. 612/77 der Kommission vom 24. März 1977 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zu der besonderen Einfuhrregelung für zur Mast bestimmte männliche Jungrinder in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1384/77 der Kommission vom 27. Juni 1977 anwendbar.

Ende der Entscheidung

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