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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.07.1991
Aktenzeichen: C-247/89
Rechtsgebiete: EWGV, RL Nr. 77/62/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 169
RL Nr. 77/62/EWG Art. 1
RL Nr. 77/62/EWG Art. 9
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die von der Kommission im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens abgegebene mit Gründen versehene Stellungnahme muß eine detaillierte und zusammenhängende Darlegung der Gründe enthalten, aus denen die Kommission zu der Überzeugung gelangt ist, daß der betreffende Mitgliedstaat gegen eine ihm nach dem EWG-Vertrag obliegende Verpflichtung verstossen hat; es ist jedoch nicht erforderlich, daß in ihr die zur Abstellung eines rechtswidrigen Verhaltens zu ergreifenden Maßnahmen angegeben werden.

2. Der in Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/62 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge in seiner ursprünglichen Fassung vorgesehene Ausschluß der öffentlichen Lieferaufträge, die von Verkehrsträgern vergeben werden, vom Anwendungsbereich der Richtlinie galt für den Verkehrssektor insgesamt.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 11. JULI 1991. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN PORTUGIESISCHE REPUBLIK. - FEHLENDE VEROEFFENTLICHUNG EINER BEKANNTMACHUNG EINES LIEFERAUFTRAGS. - RECHTSSACHE C-247/89.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission hat mit Klageschrift, die am 4. August 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 77/62/EWG des Rates vom 21. Dezember 1976 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. 1977, L 13, S. 1) und insbesondere gegen deren Artikel 9 verstossen hat, daß sie dem Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften eine Ausschreibung des Unternehmens Äroportos e Navegação Aérea über die Lieferung und Montage einer Telefonzentrale für den Flughafen Lissabon nicht zur Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften zugeleitet hat.

2 Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 77/62 definiert die öffentlichen Lieferaufträge als zwischen einem Unternehmer (einer natürlichen oder juristischen Person) und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossene entgeltliche schriftliche Verträge über die Lieferung von Waren. Gemäß Artikel 1 Buchstabe b gelten als öffentliche Auftraggeber der Staat, die Gebietskörperschaften und die in Anhang I aufgeführten juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder - in den Mitgliedstaaten, die diesen Begriff nicht kennen - die dort aufgeführten gleichwertigen Einrichtungen.

3 Durch Artikel 26 in Verbindung mit dem Anhang I, IX D der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1985, L 302, S. 217; im weiteren: Beitrittsakte) wurden der Liste der in Anhang I der Richtlinie 77/62 aufgeführten juristischen Personen des öffentlichen Rechts und Einrichtungen im Sinne des Artikels 1 Buchstabe b hinzugefügt:

"...

XIII. Portugal:

die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, bei denen die Vergabe öffentlicher Lieferaufträge staatlicher Kontrolle unterliegt".

4 Gemäß Artikel 9 der Richtlinie 77/62 sind die öffentlichen Auftraggeber, die einen Lieferauftrag vergeben wollen, verpflichtet, die Bekanntmachung, mit der sie ihre Absicht erklären, unverzueglich auf dem geeignetsten Wege dem Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften zuzuleiten, damit diese im Amtsblatt veröffentlicht wird.

5 Gemäß Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/62 findet die Richtlinie keine Anwendung auf öffentliche Lieferaufträge, die von Verkehrsträgern vergeben werden.

6 Gemäß den Artikeln 392 und 395 der Beitrittsakte hätte die Richtlinie 77/62 am 1. Januar 1986 in Portugal in nationales Recht umgesetzt sein müssen.

7 Das öffentliche Unternehmen Äroportos e Navegação Aérea (im weiteren: ANA-EP) ist eine durch die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 246/79 vom 25. Juli 1979 (Diário da República Nr. 170, Reihe I) errichtete juristische Person des öffentlichen Rechts. Gemäß dieser gesetzesvertretenden Verordnung und der dieser als Anhang beigegebenen Satzung der ANA-EP hat diese die Aufgaben, die Unterstützung der Zivilluftfahrt zu betreiben und zu entwickeln, mit dem Ziel, den Luftverkehr zu steuern, zu leiten und zu kontrollieren und den Start und die Landung der Flugzeuge, den Abflug, die Ankunft und den Transfer von Passagieren sowie das Fracht- und Postwesen sicherzustellen. Die ANA-EP gewährleistet auch die Tätigkeiten und Dienstleistungen im Zusammenhang mit der bestehenden Infrastruktur der Flughäfen und der Luftfahrt, unter anderem im Flughafen Lissabon. Schließlich hat sie Studien, Planung, Anlage und Entwicklung einer neuen Infrastruktur für Zivilflughäfen und Luftfahrt durchzuführen.

8 Im Jahre 1987 schrieb die ANA-EP die Lieferung und Montage einer Telefonzentrale für den Flughafen Lissabon aus. Hierzu veröffentlichte sie in der portugiesischen Wochenzeitung "O Expresso" vom 29. August 1987 eine Anzeige.

9 Die Kommission erlangte von dieser Anzeige Kenntnis; sie stellte fest, daß alle Anwendungsbedingungen der Richtlinie 77/62 vorlagen und keine der Ausnahmen hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs anwendbar war.

10 Da die Kommission der Auffassung war, die ANA-EP als öffentlicher Auftraggeber habe ihre Verpflichtung aus Artikel 9 der Richtlinie 77/62, die Bekanntmachung des Auftrags an das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften zu schicken, verletzt, forderte sie die Portugiesische Republik am 28. September 1987 auf, sich zu äussern.

11 In ihrer Antwort vom 20. Oktober 1987 bestritt die portugiesische Regierung die Anwendbarkeit der Richtlinie 77/62.

12 Da die Argumente der portugiesischen Regierung nach Auffassung der Kommission die unterbliebene Veröffentlichung der Ausschreibung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften nicht rechtfertigen konnten, gab sie am 21. November 1988 die mit Gründen versehene Stellungnahme gemäß Artikel 169 Absatz 1 EWG-Vertrag ab und forderte die portugiesische Regierung auf, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um dieser binnen eines Monats nach ihrer Zustellung nachzukommen.

13 In ihrer Antwort auf die mit Gründen versehene Stellungnahme äusserte die portugiesische Regierung die Absicht, die portugiesischen Rechtsvorschriften zu ändern. Die Kommission hielt diese Stellungnahme für unzureichend; sie hat die vorliegende Klage erhoben.

14 Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens, der Vorgeschichte des Rechtsstreits und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur Zulässigkeit

15 Die portugiesische Regierung macht geltend, die Klage sei unzulässig. Sie stützt sich dabei auf mehrere Argumente, die dahin gehen, die beanstandete Zuwiderhandlung sei der Portugiesischen Republik nicht zuzurechnen, zwischen der Begründung in der mit Gründen versehenen Stellungnahme und der Begründung in der Klageschrift bestehe ein Widerspruch, das Verhalten der Kommission sei mehrdeutig gewesen und die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzte Frist sei unzureichend.

16 Die beanstandete Zuwiderhandlung sei nicht zuzurechnen, weil Artikel 9 der Richtlinie 77/62 dem Staat nur dann die Verpflichtung zur Bekanntmachung der Ausschreibungen im Amtsblatt auferlege, wenn dieser selbst der öffentliche Auftraggeber sei. Die ANA-EP sei hingegen eine vom Staat getrennte juristische Person; die unterbliebene Veröffentlichung ihrer Ausschreibungen könne folglich dem Staat nicht zugerechnet werden. Da die Richtlinie noch nicht in die innerstaatliche Rechtsordnung umgesetzt worden sei, sei die ANA-EP zur Veröffentlichung der Ausschreibung ihrer öffentlichen Lieferaufträge nicht verpflichtet.

17 Die Kommission führt aus, die ANA-EP sei ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne der Richtlinie 77/62, da der portugiesische Staat eine Kontrolle über deren öffentliche Lieferaufträge ausübe. Damit obliege die Verantwortung für die Unterlassung der ANA-EP, ihre Ausschreibungen zu veröffentlichen, dem portugiesischen Staat. Daß die Richtlinie noch nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt worden sei, könne an dieser Auslegung der Richtlinie nichts ändern.

18 Die Frage, ob das Verhalten der ANA-EP der Portugiesischen Republik zuzurechnen ist, erfordert eine tatsächliche Beurteilung, die zur Prüfung der Begründetheit der Vertragsverletzungsklage und nicht zu ihrer Zulässigkeit gehört.

19 Diese Frage ist also im Rahmen der Begründetheit der Klage zu behandeln.

20 Zu dem Widerspruch zwischen der Begründung in der mit Gründen versehenen Stellungnahme und der Begründung in der Klageschrift führt die portugiesische Regierung aus, in der mit Gründen versehenen Stellungnahme habe die Kommission die ANA-EP als öffentlichen Auftraggeber im Sinne der Richtlinie 77/62 angesehen, weil der Abschluß von Lieferverträgen einer Zustimmung oder Genehmigung der portugiesischen Regierung unterworfen sei, während sie in der Klageschrift erklärt habe, daß die Abschaffung dieses Genehmigungs- oder Zustimmungsverfahrens für öffentliche Lieferverträge für die Eigenschaft der ANA-EP als öffentlicher Auftraggeber im Sinne der Richtlinie unerheblich sei. Ausserdem sei der Standpunkt der Kommission mehrdeutig gewesen, da diese niemals präzisiert habe, durch welche Maßnahmen die beanstandete Zuwiderhandlung abzustellen sei. Auch habe die Kommission sich ihrer Absicht, das Erfordernis einer staatlichen Genehmigung oder Zustimmung für bestimmte öffentliche Aufträge aufzuheben, nicht widersetzt. Schließlich hätte die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzte Frist für eine Gesetzesänderung nicht ausgereicht.

21 Nach Auffassung der Kommission greift keines dieser Argumente durch. Die Beschreibung des dem portugiesischen Staat vorgeworfenen Verhaltens sei in keiner Weise geändert worden. Der Vorwurf betreffe sowohl in der mit Gründen versehenen Stellungnahme als auch in der Klageschrift die von der ANA-EP vorgenommene Ausschreibung. Die Kommission habe niemals verlangt, die portugiesischen Rechtsvorschriften zu ändern. Sie sei auch nicht verpflichtet, in der mit Gründen versehenen Stellungnahme die zur Abstellung eines rechtswidrigen Verhaltens zu ergreifenden Maßnahmen anzugeben. Schließlich sei die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzte Frist angemessen und ausreichend gewesen, da die erste Mitteilung der Kommission an den portugiesischen Staat, also das Aufforderungsschreiben, vom 28. September 1987 datiere.

22 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes muß die mit Gründen versehene Stellungnahme eine detaillierte und zusammenhängende Darlegung der Gründe enthalten, aus denen die Kommission zu der Überzeugung gelangt ist, daß der betreffende Mitgliedstaat gegen eine ihm nach dem EWG-Vertrag obliegende Verpflichtung verstossen hat (siehe Urteil vom 28. März 1985 in der Rechtssache 274/83, Kommission/Italien, Slg. 1985, 1077). Die Kommission ist jedoch nicht verpflichtet, in der mit Gründen versehenen Stellungnahme die zur Abstellung eines rechtswidrigen Verhaltens zu ergreifenden Maßnahmen anzugeben.

23 Der Text der zu den Akten gegebenen mit Gründen versehenen Stellungnahme zeigt, daß diese den Erfordernissen der Rechtsprechung entspricht. Die Kommission hat nämlich hinreichend detailliert und zusammenhängend den Sachverhalt, den rechtlichen Rahmen und die Argumente dargelegt, aufgrund deren sie zu der Überzeugung gelangt ist, daß die Portugiesische Republik gegen ihre Verpflichtung aus Artikel 9 der Richtlinie 77/62 verstossen hatte. Die Kommission hat weder in der vorprozessualen Phase noch in der prozessualen Phase des Rechtsstreits ihren Standpunkt geändert, und dieser kann somit nicht als mehrdeutig angesehen werden.

24 Weiter ist die Argumentation in der mit Gründen versehenen Stellungnahme und die Argumentation in der Klageschrift in der Sache identisch; sie betreffen die gleiche Rüge, nämlich den Verstoß gegen Artikel 9 der Richtlinie 77/62.

25 Zu der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzten Frist ist darauf hinzuweisen, daß die der portugiesischen Regierung vorgeworfene Vertragsverletzung dieser mit dem Aufforderungsschreiben vom 28. September 1987, also mehr als ein Jahr vor der am 21. November 1988 abgegebenen mit Gründen versehenen Stellungnahme, zur Kenntnis gebracht wurde. Die portugiesische Regierung hat die beanstandete Vertragsverletzung seit Ingangsetzung des vorprozessualen Verfahrens bestritten, indem sie sich sowohl auf die Unanwendbarkeit der Richtlinie 77/62 auf den vorliegenden Fall als auch darauf berufen hat, daß die Zuwiderhandlung dem portugiesischen Staat nicht zuzurechnen sei. Unter diesen Voraussetzungen ist die der portugiesischen Regierung in der mit Gründen versehenen Stellungnahme für die Erfuellung ihrer Verpflichtungen gesetzte Monatsfrist angemessen und ausreichend.

26 Die Argumente hinsichtlich der Unzulässigkeit der Klage sind demgemäß zu verwerfen.

Zur Begründetheit

27 Die Kommission führt aus, die ANA-EP sei gemäß Artikel 9 der Richtlinie 77/62 verpflichtet gewesen, die betreffende Ausschreibung dem Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften zur Veröffentlichung im Amtsblatt zuzuleiten, da alle Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung erfuellt gewesen seien und keine der in dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmebestimmungen einschlägig gewesen sei.

28 Die portugiesische Regierung hingegen ist der Auffassung, die Bestimmungen der Richtlinie 77/62 seien auf den Abschluß des betreffenden Liefervertrages nicht anwendbar gewesen.

29 Zunächst seien nämlich die in der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 246/79 und in der Satzung der ANA-EP definierten Aufgaben einerseits und der Betrieb des Luftverkehrs andererseits komplementär und untrennbar. Die ANA-EP müsse somit als ein Verkehrsträger im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/62 angesehen werden, dessen öffentliche Lieferaufträge nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fielen.

30 Die portugiesische Regierung nimmt weiter auf die Richtlinie 90/531/EWG des Rates vom 17. September 1990 betreffend die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor Bezug. Diese Richtlinie betreffe unter anderem die öffentlichen Aufträge in den Sektoren, die vom Anwendungsbereich unter anderem der Richtlinie 77/62 in der zuletzt durch die Richtlinie 88/265/EWG des Rates vom 22. März 1988 geänderten Fassung (ABl. L 127, S. 1) ausgenommen seien. Der Umstand, daß die ANA-EP ausdrücklich unter den in die Richtlinie 90/531 einbezogenen Trägern genannt sei, beweise, daß die ANA-EP nicht unter die Richtlinie 77/62 gefallen sei.

31 Schließlich sei Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/62, der die "Verkehrsträger" von deren Anwendungsbereich ausnehme, weiter gefasst als der durch Artikel 3 der Richtlinie 88/295 neu formulierte Wortlaut dieses Artikels. Letzterer nehme nämlich nur "Beförderungsunternehmen des Land-, Luft- und Schiffsverkehrs" vom Anwendungsbereich der Richtlinie 77/62 aus. Dieser Unterschied zeige, daß die Ausnahmeregelung des Artikels 2 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/62 in ihrer zum Zeitpunkt der betreffenden Ausschreibung geltenden Fassung Träger einschließe, die, wie die ANA-EP, Bodeneinrichtungen verwalteten.

32 Nach Auffassung der Kommission ist die ANA-EP kein Verkehrsträger im Sinne der Richtlinie 77/62. Unter Verweisung auf das Vademekum über öffentliches Auftragswesen in der Gemeinschaft (ABl. 1987, C 358, S. 1) macht die Kommission geltend, Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie sei restriktiv auszulegen; er betreffe ausschließlich Organisationen, die die Beförderung von Personen und Waren von einem Punkt zu einem anderen sicherstellten. Die durch die Richtlinie 88/295 erfolgte Neufassung des Artikels 2 Absatz 2 Buchstabe a bezwecke nur eine Klarstellung des Artikels, nicht aber eine Änderung seines Anwendungsbereichs. Schließlich komme in der Nennung der ANA-EP in der Richtlinie 90/531 das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel zum Ausdruck, öffentliche Unternehmen und private Einrichtungen, die Flughäfen betrieben, einander gleichzustellen.

33 Gemäß Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/62 in der zum Zeitpunkt der streitigen Ausschreibung geltenden Fassung findet diese auf öffentliche Lieferaufträge, die von Verkehrsträgern vergeben werden, keine Anwendung.

34 Dieser Ausschluß ist durch die sechste und die siebte Begründungserwägung der Richtlinie 77/62 gerechtfertigt, die folgendermassen lauten:

"Die Stellen, die zur Zeit die Verkehrsdienste in den Mitgliedstaaten verwalten, unterstehen zum Teil dem öffentlichen Recht und zum Teil dem Privatrecht. Gemäß den Zielen der gemeinsamen Verkehrspolitik ist sicherzustellen, daß nicht nur die einzelnen Unternehmen einer Verkehrsart, sondern auch diese Unternehmen und Unternehmen der anderen Verkehrsarten in gleicher Weise behandelt werden.

Solange noch keine Bestimmungen zur Koordinierung der Verfahren für Verkehrsunternehmen erlassen sind, die der genannten besonderen Lage Rechnung tragen, müssen diejenigen Stellen, die aufgrund ihres Rechtsstatus unter diese Richtlinie fallen würden, von ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen werden."

35 Weiter erfasst der Begriff des Verkehrsträgers, der in Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/62 in der im vorliegenden Fall anwendbaren Fassung verwendet wird, den Verkehrssektor insgesamt.

36 Die von der ANA-EP aufgrund der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 246/79 und ihrer Satzung ausgeuebten Tätigkeiten stehen aber in einem engen Zusammenhang mit der Beförderung von Personen und Waren im Luftverkehr, da diese Beförderung ohne die erforderliche Infrastruktur und ohne die Verwaltung der Bodeneinrichtungen nicht durchführbar wäre.

37 Auch umfasst die gemeinsame Verkehrspolitik, auf die die in Randnummer 34 zitierten Begründungserwägungen Bezug nehmen, die Tätigkeiten, die mit dem Funktionieren der für den Verkehr erforderlichen Infrastruktur zusammenhängen. Das dort genannte Erfordernis der Gleichbehandlung betrifft auch die Träger, die Tätigkeiten und Dienstleistungen, die zur Infrastruktur der Flughäfen und der Luftfahrt in den Mitgliedstaaten gehören, ausüben und teils dem öffentlichen Recht, teils dem Privatrecht unterliegen.

38 Eine Einrichtung wie die ANA-EP, die solche Tätigkeiten ausübt und solche Dienstleistungen erbringt, ist demgemäß als ein Verkehrsträger im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/62 in der zum Zeitpunkt der betreffenden Ausschreibung geltenden Fassung anzusehen.

39 Diese Feststellung wird durch die Bestimmungen und die Tragweite der am 17. September 1990 vom Rat erlassenen Richtlinie 90/531 betreffend die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor bestätigt.

40 Nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer ii dieser Richtlinie, die unter anderem die Vergabe von Lieferaufträgen im Bereich der Verkehrsversorgung regeln soll, ist diese nämlich auf die Nutzung eines geographisch abgegrenzten Gebiets zum Zwecke der Versorgung von Beförderungsunternehmen im Luftverkehr mit Flughäfen anwendbar; in Anhang VIII dieser Richtlinie wird die ANA-EP als einer der Auftraggeber bezeichnet, die gemäß Artikel 2 Absatz 6 dieser Richtlinie die dort aufgestellten Kriterien erfuellen.

41 Aus der sechsten und der siebten Begründungserwägung der Richtlinie 90/531 ergibt sich nun aber deutlich, daß der Verkehrssektor zu den Bereichen gehört, die vom Anwendungsbereich der Richtlinie 77/62 in der zuletzt durch die Richtlinie 88/295 geänderten Fassung ausgeklammert waren.

42 Dem auf den Wortlaut des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 77/62 gestützten Argument der Kommission, der Begriff des Verkehrsträgers sei restriktiv auszulegen, kann somit nicht gefolgt werden.

43 Ohne daß eine Entscheidung über die anderen von der portugiesischen Regierung angeführten Verteidigungsgründe erforderlich wäre, ist demgemäß festzustellen, daß die ANA-EP als Verkehrsträger im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/62 zum Zeitpunkt der in Frage stehenden Ausschreibung nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fiel und die Vertragsverletzungsklage somit unbegründet ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

44 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung hat die unterliegende Partei die Kosten zu tragen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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