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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 17.02.2005
Aktenzeichen: C-250/03
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, Verfahrensordnung des Gerichtshofes


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 43
EG-Vertrag Art. 81
EG-Vertrag Art. 82
Verfahrensordnung des Gerichtshofes Art. 104 § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Beschluss des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 17. Februar 2005. - Giorgio Emanuele Mauri gegen Ministero della Giustizia und Commissione per gli esami di avvocato presso la Corte d'appello di Milano. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia - Italien. - Artikel 104 § 3 der Verfahrensordnung - Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts - Prüfungsordnung für die Prüfung zur Erlangung der Berechtigung zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs. - Rechtssache C-250/03.

Parteien:

In der Rechtssache C-250/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Italien) mit Entscheidung vom 13. November 2002 , beim Gerichtshof eingegangen am 11. Juni 2003 , in dem Verfahren

Giorgio Emanuele Mauri

gegen

Ministero della Giustizia,

Commissione per gli esami di avvocato presso la Corte d'appello di Milano

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans (Berichterstatter) sowie der Richter C. Gulmann, R. Schintgen, J. Makarczyk und J. Kluka,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: R. Grass,

nach Unterrichtung des vorlegenden Gerichts von der Absicht des Gerichtshofes, gemäß Artikel 104 § 3 seiner Verfahrensordnung durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

nachdem den in Artikel 23 der Satzung des Gerichtshofes bezeichneten Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist,

nach Anhörung des Generalanwalts

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen bezieht sich auf die Auslegung der Bestimmungen des EG-Vertrags, in denen der Schutz der gemeinschaftlichen Grundsätze des Wettbewerbs und der Nichtdiskriminierung verankert ist.

2. Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits des Herrn Mauri (Kläger) gegen das Ministero della Giustizia (Ministerium der Justiz) und die Commissione per gli esami di avvocato presso la Corte d'appello di Milano (Kommission für die Rechtsanwaltsprüfungen bei der Corte d'appello Mailand) wegen der Nichtzulassung des Klägers zur mündlichen Prüfung des Staatsexamens für die Berechtigung zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs (im Folgenden: Staatsexamen).

Die nationale Regelung

3. Nach der Vorlageentscheidung ist in Italien der Zugang zur Ausübung der Tätigkeit des Rechtsanwalts von der Ablegung eines Staatsexamens abhängig.

4. Nach Artikel 22 des Königlichen Gesetzesdekrets Nr. 1578 vom 27. November 1933 (GURI Nr. 281 vom 5. Dezember 1933, S. 5521, im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 1578/33) in seiner zeitlich auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung werden die Prüfungsausschüsse für das Staatsexamen vom Ministerium der Justiz bestellt und setzen sich aus fünf Mitgliedern zusammen, und zwar zwei Rechtsanwälten, die seit mindestens acht Jahren bei einer Kammer des Bezirks der Corte d'Appello, bei der das Examen abgelegt wird, eingetragen sind, zwei Richtern desselben Bezirks mit mindestens der Qualifikation eines Beisitzers an der Corte d'Appello und einem ordentlichen Professor der Rechtswissenschaft oder einem Assistenzprofessor, der an einer Universität oder Hochschule lehrt.

5. Der Consiglio nazionale forense (Nationaler Rat der Rechtsanwaltskammern, im Folgenden: CNF) ernennt auf gemeinsamen Vorschlag der Räte der Kammer des betreffenden Bezirks die beiden dem Prüfungsausschuss angehörenden Rechtsanwälte, von denen der Minister der Justiz einen zum Vorsitzenden und den anderen zum stellvertretenden Vorsitzenden dieses Ausschusses ernennt.

Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefrage

6. Im Dezember 2001 nahm der Kläger im Bezirk der Corte d'Appello Mailand an der schriftlichen Prüfung für das Staatsexamen teil. Nach der Korrektur der Prüfungsarbeiten durch den Prüfungsausschuss erhielt er eine Punktzahl, die nicht für die Zulassung zur mündlichen Prüfung ausreichte, von der er daher ausgeschlossen wurde.

7. Der Kläger erhob beim vorlegenden Gericht Klage auf Aufhebung der ihm gegenüber erlassenen Entscheidung. Er machte u. a. geltend, dass die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses, wie sie in Artikel 22 des Gesetzesdekrets Nr. 1578/33 vorgesehen sei, unter Verstoß gegen die Artikel 3 Buchstabe g EG, 28 EG, 49 ff. EG, 81 EG und 82 EG keine unparteiische Beurteilung erlaube und keinen korrekten Wettbewerb um den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts garantiere.

8. Das vorlegende Gericht führt aus, die Beanstandungen des Klägers erschienen nicht völlig unbegründet, soweit es um die Befugnisse der Räte, also der leitenden Organe der Rechtsanwaltskammern, deren Pflichtmitglieder die Rechtsanwälte seien, die im betreffenden Bezirk tätig seien, bei der Benennung der einflussreichsten Mitglieder des Prüfungsausschusses und damit ihr mehr oder weniger unmittelbares Einwirken auf die von diesen vorgenommene Beurteilung gehe.

9. Dieser Rat ernenne zwei der fünf Mitglieder des Prüfungsausschusses, die zudem die Ämter des Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden ausübten, und es sei möglich und sogar üblich, dass das dritte Mitglied, der Rechtslehrer, ebenfalls Rechtsanwalt sei und damit derselben Rechtsanwaltskammer angehöre.

10. Dieser Umstand sei zumindest abstrakt geeignet, es der Rechtsanwaltskammer zu erlauben, in irgendeiner Weise den Zugang zum Beruf zu begrenzen, um die Interessen derjenigen zu schützen, die diesen bereits ausübten, indem nicht nur eine qualitative, sondern auch eine quantitative Auswahl nach Marktkriterien vorgenommen werde.

11. Das Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia ist der Ansicht, dass die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits die Auslegung des Gemeinschaftsrechts erfordert; es hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind die Bestimmungen des Vertrages, in denen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften der Schutz der gemeinschaftlichen Grundsätze des Wettbewerbs und der Nichtdiskriminierung verankert sind, in dem Sinne auszulegen, dass die nationale italienische Regelung und insbesondere Artikel 22 des Königlichen Gesetzesdekrets Nr. 1578 vom 27. November 1933, wonach der Zugang zur Ausübung der wirtschaftlichen beruflichen Tätigkeit des Rechtsanwalts das Bestehen eines Staatsexamens voraussetzt, bei dem den örtlichen leitenden Organen der berufsständischen Kammer, der die in dem betreffenden Gebiet bereits tätigen Wirtschaftsteilnehmer angehören, eine weitreichende Befugnis zur Beurteilung der beruflichen Eignung und Befähigung zuerkannt wird, mit dem Vertrag unvereinbar und daher rechtswidrig sind?

Zur Vorlagefrage

12. Da die Antwort auf die gestellte Frage klar aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes abgeleitet werden kann, hat der Gerichtshof das vorlegende Gericht gemäß Artikel 104 § 3 seiner Verfahrensordnung davon unterrichtet, dass er beabsichtigt, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, und den in Artikel 23 der Satzung des Gerichtshofes bezeichneten Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung hierzu gegeben.

13. Daraufhin haben sich die italienische und die irische Regierung sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften geäußert. Die beiden Regierungen haben im Kern erklärt, wegen der Bedeutung, die die Rechtssache ihres Erachtens habe, bevorzugten sie eine Entscheidung des Gerichtshofes durch Urteil. Die Kommission hat dagegen erklärt, sie habe keine Einwände gegen eine Entscheidung des Gerichtshofes durch mit Gründen versehenen Beschluss.

Zur Zulässigkeit

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

14. Die italienische Regierung vertritt die Ansicht, dass die Vorlagefrage unzulässig sei, da die Entscheidung darüber zum Erlass des Urteils über die Klage des vom Staatsexamen ausgeschlossenen Kandidaten nicht erforderlich sei und sich jedenfalls aus der Vorlageentscheidung nichts anderes ergebe.

15. Da im Übrigen die Vorlagefrage den gemeinschaftlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung - genauer, den Grundsatz der Inländerbehandlung im Bereich der Niederlassungsfreiheit oder des freien Dienstleistungsverkehrs - betreffe, müsse sie auch deshalb als unzulässig betrachtet werden, weil die Bestimmungen des Vertrages über die Freizügigkeit einschließlich der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs keine Anwendung auf Tätigkeiten fänden, die mit keinem ihrer Elemente über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinauswiesen.

16. Die irische Regierung hält die Vorlagefrage ebenfalls für unzulässig.

17. Das Ausgangsverfahren betreffe nämlich das italienische Bildungssystem, und die Ausgestaltung der Bildungssysteme unterliege der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und nicht der Zuständigkeit der Gemeinschaft. Im Übrigen sei die Vorlagefrage hypothetisch, da in der Vorlageentscheidung ausgeführt werde, dass die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses einen Umstand darstellen könne, der zumindest abstrakt ein Hindernis für den Zugang zum Beruf bilden könne. Schließlich enthalte das Vorabentscheidungsersuchen keine ausreichenden Einzelheiten über die Funktionsweise des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Systems, die dem Gerichtshof eine Entscheidung ermöglichen könnten.

Würdigung durch den Gerichtshof

18. Insoweit ist daran zu erinnern, dass allein das mit dem Rechtsstreit befasste nationale Gericht, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen hat. Betreffen die vorgelegten Fragen die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, so ist der Gerichtshof daher grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden. Er kann die Entscheidung über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur dann ablehnen, wenn die von diesem erbetene Auslegung oder Beurteilung der Gültigkeit einer Gemeinschaftsvorschrift offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die erforderlichen tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, um die ihm vorgelegten Fragen sachdienlich beantworten zu können (vgl. insbesondere Urteil vom 25. März 2004 in den Rechtssachen C480/00 bis C482/00, C484/00, C489/00 bis C491/00 und C497/00 bis C499/00, Azienda Agricola Ettore Ribaldi u. a., noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

20. Denn da das vorlegende Gericht einen Rechtsstreit zu entscheiden hat, in dem sich der Kläger auf die Verletzung bestimmter Grundsätze des Gemeinschaftsrechts wegen der Zusammensetzung des Berufungsausschusses beruft, der ihn nicht zur mündlichen Prüfung des Staatsexamens zugelassen hat, kann vernünftigerweise nicht angenommen werden, dass die von diesem Gericht gestellte Frage in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht oder dass das Problem hypothetischer Natur ist.

21. Was im Übrigen den Einwand der italienischen Regierung angeht, dass die Bestimmungen des Vertrages über die Freizügigkeit keine Anwendung fänden, da die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tätigkeit mit keinem ihrer Elemente über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinausweise, ist zu bemerken, dass eine Antwort dem vorlegenden Gericht dann von Nutzen sein könnte, wenn sein nationales Recht in einem Verfahren der vorliegenden Art vorschriebe, dass einem inländischen Kandidaten für das Staatsexamen die gleichen Rechte zustehen, die einem Kandidaten eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage kraft Gemeinschaftsrechts zustünden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Dezember 2000 in der Rechtssachen C448/98, Guimont, Slg. 2000, I10663, Randnr. 23, und vom 5. März 2002 in den Rechtssachen C515/99, C519/99 bis C524/99 und C526/99 bis C540/99, Reisch u. a., Slg. 2002, I2157, Randnr. 26).

22. Schließlich hält der Gerichtshof die Angaben in der Vorlageentscheidung für ausreichend, um die gestellte Frage zweckdienlich beantworten zu können.

23. Daher ist die Vorlagefrage zu beantworten.

Zur Begründetheit

24. Vorab ist zu bemerken, dass die Vorlagefrage zwei Teile umfasst.

25. Das vorlegende Gericht bezieht sich zunächst auf die gemeinschaftlichen Grundsätze des Wettbewerbs und stellt damit eine Frage nach der Auslegung der Artikel 81 EG und 82 EG.

26. Sodann ersucht das vorlegende Gericht durch den Hinweis auf die gemeinschaftlichen Grundsätze der Nichtdiskriminierung den Gerichtshof um die Auslegung von Artikel 43 EG, der ein Diskriminierungsverbot für die Mitgliedstaaten enthält (Urteil vom 21. Juni 1974 in der Rechtssache 2/74, Reyners, Slg. 1974, 631, Randnrn. 15 f.).

27. Dagegen braucht die gestellte Frage nicht unter dem Gesichtspunkt des Artikels 49 EG geprüft zu werden, auch wenn dieser ebenfalls ein Diskriminierungsverbot enthält (Urteil vom 3. Dezember 1974 in der Rechtssache 33/74, Van Binsbergen, Slg. 1974, 1299, Randnr. 27). Wie die irische Regierung zu Recht ausführt, liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, dass ein Rechtsanwalt aus einem anderen Mitgliedstaat, der in Italien eine Dienstleistung erbringt, sich dem Staatsexamen unterziehen muss.

- Zu den Artikeln 81 EG und 82 EG

28. Mit dem ersten Teil seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Artikel 81 EG und 82 EG einer Bestimmung wie Artikel 22 des Gesetzesdekrets Nr. 1578/33 entgegenstehen, wonach sich der Prüfungsausschuss für das Staatsexamen aus fünf vom Minister der Justiz ernannten Mitgliedern zusammensetzt, und zwar zwei Richtern, einem Professor der Rechtswissenschaft und zwei Rechtsanwälten, wobei die Letztgenannten vom CNF auf gemeinsamen Vorschlag der Räte der Rechtsanwaltskammer des betreffenden Bezirks benannt werden.

29. Nach ständiger Rechtsprechung betreffen die Artikel 81 EG und 82 EG zwar an sich nur das Verhalten von Unternehmen und nicht als Gesetz oder Verordnung ergangene Maßnahmen der Mitgliedstaaten; in Verbindung mit Artikel 10 EG, der eine Pflicht zur Zusammenarbeit begründet, verbieten sie es jedoch den Mitgliedstaaten, Maßnahmen, auch in Form von Gesetzen oder Verordnungen, zu treffen oder beizubehalten, die die praktische Wirksamkeit der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln aufheben könnten (vgl. u. a. Urteile vom 19. Februar 2002 in der Rechtssache C35/99, Arduino, Slg. 2002, I1529, Randnr. 34, und vom 9. September 2003 in der Rechtssache C198/01, CIF, Slg. 2003, I8055, Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30. Wie der Gerichtshof u. a. entschieden hat, liegt eine Verletzung der Artikel 10 EG und 81 EG vor, wenn ein Mitgliedstaat gegen Artikel 81 EG verstoßende Kartellabsprachen vorschreibt oder erleichtert oder die Auswirkungen solcher Absprachen verstärkt oder wenn er seiner eigenen Regelung dadurch ihren staatlichen Charakter nimmt, dass er die Verantwortung für in die Wirtschaft eingreifende Entscheidungen privaten Wirtschaftsteilnehmern überträgt (Urteile Arduino, Randnr. 35, und CIF, Randnr. 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

31. Selbst unterstellt, dass die Rechtsanwälte als Mitglieder des Prüfungsausschusses für das Staatsexamen als Unternehmen im Sinne der Artikel 81 EG und 82 EG eingestuft werden könnten, erweist sich nicht, dass der Staat unter den Umständen des Ausgangsverfahrens seiner eigenen Regelung betreffend den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts dadurch ihren staatlichen Charakter genommen hätte, dass er die Verantwortung für Entscheidungen über den Zugang zu ihrem Beruf übertrug.

32. Erstens nimmt nämlich der Staat dadurch einen wesentlichen Platz im Prüfungsausschuss selbst ein, dass er zwei Richter in den fünfköpfigen Ausschuss entsendet, die, auch wenn sie nicht hierarchisch dem Minister der Justiz untergeordnet sind, dennoch dem Staat zugeordnet werden müssen.

33. Zweitens verfügt, wie sich aus den Akten ergibt, das Ministerium der Justiz über erhebliche Befugnisse, die es ihm erlauben, die Arbeiten des Prüfungsausschusses in jeder Phase zu kontrollieren und sogar, falls erforderlich, in diese Arbeiten einzugreifen.

34. So ernennt dieses Ministerium die Mitglieder des Prüfungsausschusses, wählt die Themen der Prüfung aus, kann diese im Fall von Unregelmäßigkeiten für nichtig erklären und kann dadurch eingreifen, dass es seinen eigenen Vertreter für die Durchführung der erteilten Weisungen benennt, um die Disziplin und den ordnungsgemäßen Ablauf der Prüfungen zu gewährleisten.

35. Drittens kann eine ablehnende Entscheidung des Prüfungsausschusses mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht angefochten werden, das diese Entscheidung überprüft.

36. Die Kontrolle, die der Staat in allen Phasen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Prüfung ausübt, erlaubt daher den Schluss, dass er nicht zugunsten privater Wirtschaftsteilnehmer auf die Ausübung seiner Befugnis verzichtet hat.

37. Aus den gleichen Gründen kann gegen diesen Staat auch nicht der Vorwurf erhoben werden, gegen Artikel 81 EG verstoßende Kartellabsprachen vorzuschreiben, zu erleichtern oder die Auswirkungen solcher Absprachen zu verstärken (vgl. in diesem Sinne auch Urteil Arduino, Randnr. 43) oder gegen Artikel 82 EG verstoßende Missbräuche einer beherrschenden Stellung vorzuschreiben, zu erleichtern oder die Auswirkungen solcher Missbräuche zu verstärken.

38. Daher stehen die Artikel 81 EG und 82 EG einer Bestimmung wie Artikel 22 des Gesetzesdekrets Nr. 1578/33 nicht entgegen.

Zu Artikel 43 EG

39. Mit dem zweiten Teil seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 43 EG einer Bestimmung wie Artikel 22 des Gesetzesdekrets Nr. 1578/33 entgegensteht.

40. Artikel 43 EG schreibt die Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit vor, und als solche Beschränkungen sind alle Maßnahmen anzusehen, die die Ausübung dieser Freiheit unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen (vgl. u. a. Urteil vom 17. Oktober 2002 in der Rechtssache C79/01, Payroll u. a., Slg. 2002, I8923, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41. Nach ständiger Rechtsprechung können jedoch eine Beschränkung darstellende Maßnahmen, die für alle im Aufnahmemitgliedstaat tätigen Personen oder Unternehmen gelten, gerechtfertigt sein, wenn sie zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen und soweit sie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (vgl. u. a. Urteil Payroll u. a., Randnr. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42. Zwar kann eine Prüfung für den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts sicherlich ein Hemmnis für die Niederlassungsfreiheit darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Mai 1991 in der Rechtssache C340/89, Vlassopoulou, Slg. 1991, I2357, Randnr. 15), doch wird im Ausgangsverfahren nur die Bestimmung, die sich auf die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses bezieht, gerügt und nicht der Umstand, dass eine solche Prüfung abgehalten wird.

43. Nichts deutet jedoch darauf hin, dass mit einer solchen Bestimmung unabhängig von der Beschränkung, die gegebenenfalls von der Prüfung selbst ausgeht, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit verbunden wäre.

44. Jedenfalls kann selbst dann, wenn in der Beteiligung von Rechtsanwälten am Prüfungsausschuss für das Staatsexamen als solcher eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zu sehen sein sollte, diese, wie die italienische und die irische Regierung sowie die Kommission zu Recht ausführen, im vorliegenden Fall als gerechtfertigt angesehen werden.

45. Diese Beteiligung entspricht einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses, nämlich der Notwendigkeit, die Eignung und Befähigung der Personen, die den Beruf des Rechtsanwalts ausüben sollen, bestmöglich beurteilen zu können. Sie ist geeignet, die Verwirklichung dieses Zieles zu gewährleisten, da die Rechtsanwälte eine Berufserfahrung besitzen, die sie besonders dazu befähigt, die Kandidaten im Hinblick auf die besonderen Anforderungen ihres Berufes zu beurteilen. Denn die in den Randnummern 32 bis 35 des vorliegenden Beschlusses erwähnten Grenzen gewährleisten auch, dass die Maßnahme nicht über das zur Erreichung des erwähnten Zieles Erforderliche hinausgeht.

46. Daher steht Artikel 43 EG einer Bestimmung wie Artikel 22 des Gesetzesdekrets Nr. 1578/33 nicht entgegen.

47. Somit ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Artikel 81 EG, 82 EG und 43 EG einer Bestimmung wie der in Artikel 22 des Gesetzesdekrets Nr. 1578/33 enthaltenen nicht entgegenstehen, wonach sich der Prüfungsausschuss für die Prüfung, von deren Bestehen der Zugang zum Beruf eines Rechtsanwalts abhängt, aus fünf vom Minister der Justiz ernannten Mitgliedern zusammensetzt, und zwar zwei Richtern, einem Professor der Rechtswissenschaft und zwei Rechtsanwälten, wobei die Letztgenannten vom CNF auf gemeinsamen Vorschlag der Räte der Rechtsanwaltskammer des betreffenden Bezirks benannt werden.

Kosten

48. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Die Artikel 81 EG, 82 EG und 43 EG stehen einer Bestimmung wie der in Artikel 22 des Gesetzesdekrets Nr. 1578 vom 27. November 1933 enthaltenen nicht entgegen, wonach sich der Prüfungsausschuss für die Prüfung, von deren Bestehen der Zugang zum Beruf eines Rechtsanwalts abhängt, aus fünf vom Minister der Justiz ernannten Mitgliedern zusammensetzt, und zwar zwei Richtern, einem Professor der Rechtswissenschaft und zwei Rechtsanwälten, wobei die Letztgenannten vom Consiglio nazionale forense (Nationaler Rat der Rechtsanwaltskammern) auf gemeinsamen Vorschlag der Räte der Rechtsanwaltskammer des betreffenden Bezirks benannt werden.

Ende der Entscheidung

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