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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.09.2008
Aktenzeichen: C-251/07
Rechtsgebiete: Richtlinie 2000/76/EG


Vorschriften:

Richtlinie 2000/76/EG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

11. September 2008

"Umwelt - Richtlinie 2000/76/EG - Verbrennung von Abfällen - Einstufung einer Anlage zur Erzeugung von Wärme und Elektrizität - Begriffe 'Verbrennungsanlage' und 'Mitverbrennungsanlage'"

Parteien:

In der Rechtssache C-251/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Högsta domstol (Oberster Gerichtshof Schwedens) mit Entscheidung vom 7. Mai 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Mai 2007, in dem Verfahren

Gävle Kraftvärme AB

gegen

Länsstyrelsen i Gävleborgs län

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter), J. Malenovský und T. von Danwitz,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk als Bevollmächtigte,

- der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J.-B. Laignelot und P. Dejmek als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 22. Mai 2008

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2000/76/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Dezember 2000 über die Verbrennung von Abfällen (ABl. L 332, S. 91).

2 Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Gävle Kraftvärme AB (im Folgenden: Gävle Kraftvärme) und dem Länsstyrelsen i Gävleborgs län (Präfektur von Gävleborg, im Folgenden: Präfektur) über einen Genehmigungsantrag für den Betrieb einer Kraft-Wärme-Kopplung-Anlage (im Folgenden KWK-Anlage).

Rechtlicher Rahmen

3 Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 194, S. 39) in ihrer durch die Entscheidung 96/350/EG der Kommission vom 24. Mai 1996 (ABl. L 135, S. 32) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 75/442) bestimmt:

"Die Mitgliedstaaten treffen Maßnahmen, um Folgendes zu fördern:

a) in erster Linie die Verhütung oder Verringerung der Erzeugung von Abfällen und ihrer Gefährlichkeit ...

...

b) in zweiter Linie

i) die Verwertung der Abfälle im Wege der Rückführung, der Wiederverwendung, des Wiedereinsatzes oder anderer Verwertungsvorgänge im Hinblick auf die Gewinnung von sekundären Rohstoffen oder

ii) die Nutzung von Abfällen zur Gewinnung von Energie."

4 Die Richtlinie 75/442 wurde mit Wirkung vom 17. Mai 2006 durch die Richtlinie 2006/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 über Abfälle (ABl. L 114, S. 9) aufgehoben und kodifiziert. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 75/442 wurde im Wesentlichen gleichlautend in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2006/12 übernommen.

5 Die Erwägungsgründe 7, 13 und 24 der Richtlinie 2000/76 lauten:

"(7) Im Hinblick auf ein hohes Umweltschutz- und Gesundheitsschutzniveau müssen ... für Verbrennungs- und Mitverbrennungsanlagen in der Gemeinschaft strenge Betriebsbedingungen, technische Anforderungen und Emissionsgrenzwerte festgelegt und aufrechterhalten werden. Die Grenzwerte sollten negative Auswirkungen auf die Umwelt und hierdurch bedingte Gefahren für die menschliche Gesundheit verhindern oder, soweit es praktikabel ist, begrenzen.

...

(13) Die Einhaltung der in dieser Richtlinie festgelegten Emissionsgrenzwerte sollte als notwendige, jedoch nicht hinreichende Bedingung für die Einhaltung der Anforderungen der Richtlinie 96/61/EG [des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl. L 257, S. 26)] betrachtet werden. Hierzu könnte die Einhaltung strengerer Emissionsgrenzwerte für die unter diese Richtlinie fallenden Schadstoffe, von Emissionsgrenzwerten für andere Stoffe oder Medien oder von sonstigen geeigneten Bedingungen erforderlich sein.

...

(24) Die Verpflichtung zur Nutzung der bei der Verbrennung oder Mitverbrennung erzeugten Wärme und zur Minimierung und Verwertung der Rückstände, die beim Betrieb von Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlagen entstehen, wird zum Erreichen der Ziele des Artikels 3 der Richtlinie 75/442/EWG, der die Abfallhierarchie betrifft, beitragen."

6 Die Richtlinie 2000/76 bezweckt nach ihrem Art. 1 Abs. 1 die Vermeidung oder, soweit es praktikabel ist, die Begrenzung von Belastungen der Umwelt, insbesondere der Verunreinigung durch Emissionen in die Luft, den Boden, das Oberflächen- und Grundwasser, sowie der daraus resultierenden Gefahren für die menschliche Gesundheit infolge der Verbrennung und Mitverbrennung von Abfällen.

7 Nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2000/76 soll dieses Ziel insbesondere durch strenge Betriebsbedingungen und technische Vorschriften sowie durch die Festlegung von Emissionsgrenzwerten für Abfallverbrennungs- und -mitverbrennungsanlagen erreicht werden.

8 Die Begriffe "Verbrennungsanlage" und "Mitverbrennungsanlage" werden in Art. 3 Nrn. 4 und 5 der Richtlinie 2000/76 wie folgt definiert:

"4. 'Verbrennungsanlage' jede ortsfeste oder nicht ortsfeste technische Einheit oder Anlage, die zur thermischen Behandlung von Abfällen mit oder ohne Nutzung der entstehenden Verbrennungswärme eingesetzt wird. Dies schließt die Verbrennung durch Oxidation von Abfällen und andere thermische Behandlungsverfahren wie Pyrolyse, Vergasung und Plasmaverfahren ein, soweit die bei der Behandlung entstehenden Stoffe anschließend verbrannt werden.

Diese Begriffsbestimmung erstreckt sich auf den Standort der Verbrennungsanlage und die gesamte Verbrennungsanlage einschließlich aller Verbrennungslinien, die Annahme und Lagerung des Abfalls, die auf dem Gelände befindlichen Vorbehandlungsanlagen, das Abfall-, Brennstoff- und Luftzufuhrsystem, den Kessel, die Abgasbehandlungsanlagen, die auf dem Gelände befindlichen Anlagen zur Behandlung und Lagerung von Rückständen und Abwasser, den Schornstein, die Vorrichtungen und Systeme zur Kontrolle der Verbrennungsvorgänge, zur Aufzeichnung und Überwachung der Verbrennungsbedingungen;

5. 'Mitverbrennungsanlage' jede ortsfeste oder nicht ortsfeste Anlage, deren Hauptzweck in der Energieerzeugung oder der Produktion stofflicher Erzeugnisse besteht und

- in der Abfall als Regel- oder Zusatzbrennstoff verwendet wird oder

- in der Abfall im Hinblick auf die Beseitigung thermisch behandelt wird.

Falls die Mitverbrennung in solch einer Weise erfolgt, dass der Hauptzweck der Anlage nicht in der Energieerzeugung oder der Produktion stofflicher Erzeugnisse, sondern in der thermischen Behandlung von Abfällen besteht, gilt die Anlage als Verbrennungsanlage im Sinne der Nummer 4.

Diese Begriffsbestimmung erstreckt sich auf den Standort der Verbrennungsanlage und die gesamte Verbrennungsanlage einschließlich aller Verbrennungslinien, die Annahme und Lagerung des Abfalls, die auf dem Gelände befindlichen Vorbehandlungsanlagen, das Abfall-, Brennstoff- und Luftzufuhrsystem, den Kessel, die Abgasbehandlungsanlagen, die auf dem Gelände befindlichen Anlagen zur Behandlung und Lagerung von Rückständen und Abwasser, den Schornstein, die Vorrichtungen und Systeme zur Kontrolle der Verbrennungsvorgänge, zur Aufzeichnung und Überwachung der Verbrennungsbedingungen".

9 Art. 3 Nr. 12 der Richtlinie 2000/76 definiert den Begriff "Genehmigung" als

"eine schriftliche Entscheidung oder mehrere solcher Entscheidungen der zuständigen Behörde, mit der oder denen eine Erlaubnis zum Betrieb einer Anlage vorbehaltlich bestimmter Auflagen erteilt wird, durch die sichergestellt werden soll, dass die Anlage allen Anforderungen dieser Richtlinie entspricht. Eine Genehmigung kann für eine oder mehrere Anlagen oder Anlagenteile gelten, die denselben Standort haben und von demselben Betreiber betrieben werden".

10 Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/76 sieht vor:

"Unbeschadet der Richtlinie 96/61/EG muss der für eine Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlage bei der zuständigen Behörde gestellte Antrag auf Genehmigung eine Beschreibung der Maßnahmen umfassen, die geplant sind, um Folgendes zu gewährleisten:

...

b) soweit durchführbar, Nutzung der bei der Verbrennung oder Mitverbrennung entstehenden Wärme, beispielsweise durch Kraft-Wärme-Kopplung, Erzeugung von Prozessdampf oder Fernwärme;

..."

11 Art. 6 Abs. 1 bis 3 und 6 der Richtlinie 2000/76 bestimmt:

"(1) Verbrennungsanlagen müssen so betrieben werden, dass mit dem erzielten Verbrennungsgrad in der Schlacke und Rostasche ein Gehalt an organisch gebundenem Gesamtkohlenstoff (TOC) von weniger als 3 % oder ein Glühverlust von weniger als 5 % des Trockengewichts des verbrannten Stoffes eingehalten wird. Erforderlichenfalls müssen geeignete Techniken der Abfallvorbehandlung angewandt werden.

Verbrennungsanlagen sind so auszulegen, auszurüsten, auszuführen und zu betreiben, dass die Temperatur des entstehenden Verbrennungsgases nach der letzten Zuführung von Verbrennungsluft kontrolliert, gleichmäßig und selbst unter den ungünstigsten Bedingungen zwei Sekunden lang auf 850 °C erhöht wird; die Messung muss in der Nähe der Innenwand oder an einer anderen repräsentativen Stelle des Brennraums entsprechend der Genehmigung der zuständigen Behörden erfolgen. Wenn gefährliche Abfälle mit einem Gehalt von mehr als 1 Gewichtsprozent an halogenierten organischen Stoffen, berechnet als Chloride, verbrannt werden, ist die Temperatur für mindestens zwei Sekunden auf 1 100 °C zu erhöhen.

Jede Linie der Verbrennungsanlage muss mit mindestens einem Hilfsbrenner ausgestattet sein. Dieser muss automatisch eingeschaltet werden, wenn die Temperatur der Verbrennungsgase nach der letzten Zuführung von Verbrennungsluft auf unter 850 °C oder gegebenenfalls 1 100 °C sinkt. Er ist auch bei An- und Abfahrvorgängen der Anlage einzusetzen, um zu gewährleisten, dass die Temperatur von 850 °C oder gegebenenfalls 1 100 °C zu jedem Zeitpunkt dieser Betriebsvorgänge - und solange sich unverbrannter Abfall im Brennraum befindet - aufrechterhalten bleibt.

Während der An- und Abfahrvorgänge oder wenn die Temperatur des Verbrennungsgases unter 850 °C oder gegebenenfalls 1 100 °C absinkt, darf der Hilfsbrenner nicht mit Brennstoff gespeist werden, der höhere Emissionen zur Folge haben kann als die Verbrennung von Gasöl gemäß Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 75/716/EWG des Rates [vom 24. November 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schwefelgehalt bestimmter flüssiger Brennstoffe (ABl. L 307, S. 22)], von Flüssiggas oder Erdgas.

(2) Mitverbrennungsanlagen müssen so ausgelegt, ausgerüstet, ausgeführt und betrieben werden, dass die Temperatur des bei der Mitverbrennung von Abfällen entstehenden Verbrennungsgases kontrolliert, gleichmäßig und selbst unter den ungünstigsten Bedingungen zwei Sekunden lang auf 850 °C erhöht wird. Wenn gefährliche Abfälle mit einem Gehalt von mehr als 1 Gewichtsprozent an halogenierten organischen Stoffen, berechnet als Chloride, mitverbrannt werden, ist die Temperatur auf 1 100 °C zu erhöhen.

(3) Die Verbrennungs- und Mitverbrennungsanlagen müssen mit einem automatischen System ausgestattet sein, das zum Einsatz kommt, um die Beschickung mit Abfall unter folgenden Umständen zu verhindern:

a) während des Anfahrvorgangs bis zum Erreichen der Temperatur von 850 °C oder gegebenenfalls 1 100 °C oder der gemäß Absatz 4 vorgegebenen Temperatur;

b) bei jedem Absinken der Temperatur unter 850 °C oder gegebenenfalls 1 100 °C oder unter die gemäß Absatz 4 vorgegebene Temperatur;

c) wenn die aufgrund dieser Richtlinie erforderlichen kontinuierlichen Messungen ergeben, dass ein Emissionsgrenzwert wegen einer Störung oder eines Ausfalls der Reinigungseinrichtungen überschritten wird.

...

(6) Jede beim Verbrennungs- oder Mitverbrennungsprozess entstehende Wärme muss, soweit praktikabel, genutzt werden."

12 Art. 7 in Verbindung mit den Anhängen II und V der Richtlinie 2000/76 legt die Emissionsgrenzwerte für Verbrennungs- und Mitverbrennungsanlagen fest. Nach Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/76 gelten die Emissionsgrenzwerte für Verbrennungsanlagen auch für Mitverbrennungsanlagen, in denen mehr als 40 % der freigesetzten Wärme mit gefährlichen Abfällen erzeugt werden.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

13 Gävle Kraftvärme ist eine Gesellschaft des Konzerns Gävle Energi, der seinerseits Tochter einer im Eigentum der Gemeinde Gävle stehenden Aktiengesellschaft ist. Gävle Kraftvärme betreibt die KWK-Anlage "Johannes", die die Wärme und Strom erzeugende Grundproduktionsanlage in ihrem Fernwärmenetz ist.

14 Als Gävle Kraftvärme den Ausbau dieses Kraftwerks plante, beantragte sie beim Östersunds tingsrätt, Miljödomstol (dem für Umweltangelegenheiten in erster Instanz zuständigen Gericht), eine Betriebsgenehmigung für eine in dem Kraftwerk eingerichtete Eingangsverbrennungsleistung von insgesamt maximal 170 MW. Dieser Antrag bezog sich insbesondere auf die Genehmigung

- zum Weiterbetrieb des vorhandenen Restbrennstoffkessels (Kessel 1) mit einer eingerichteten Eingangsverbrennungsleistung von insgesamt 85 MW;

- zur Errichtung und Inbetriebnahme eines neuen Abfallkessels mit einer eingerichteten Eingangsverbrennungsleistung von insgesamt maximal 50 MW (Kessel 2) und

- zur Errichtung und Inbetriebnahme eines neuen Kessels für biologische Brennstoffe mit einer eingerichteten Eingangsverbrennungsleistung von insgesamt maximal 85 MW (Kessel 3).

15 Der Genehmigungsantrag bezog sich noch auf weitere Veränderungen, die durch den geplanten erweiterten Betrieb notwendig werden.

16 Bei der Stellung dieses Antrags waren die Modalitäten des Ausbaus noch nicht im Einzelnen endgültig festgelegt. Gävle Kraftvärme konnte entweder Kessel 2 errichten und Kessel 3 nur im Bedarfsfall errichten lassen oder statt Kessel 2 Kessel 3 errichten. Jedenfalls sollte die Leistung zusammen 85 MW nicht übersteigen.

17 In ihrem Genehmigungsantrag hatte Gävle Kraftvärme ausgeführt, sowohl Kessel 1 als auch Kessel 2 ließen sich als "Mitverbrennungsanlagen" qualifizieren. Die Präfektur, die diesen Antrag guthieß, vertrat jedoch die Auffassung, dass der fragliche Betrieb eher dem einer Abfallverbrennungsanlage entspreche. Der Miljödomstol folgte der von Gävle Kraftvärme vorgeschlagenen Einstufung mit der Begründung, Hauptzweck der Anlage sei die Erzeugung von Energie.

18 Die Präfektur focht diese Entscheidung beim Svea Hovrätt, Miljööverdomstol (dem für Umweltangelegenheiten in zweiter Instanz zuständigen Gericht), an und machte geltend, Kessel 1 sei als "Mitverbrennungsanlage", Kessel 2 hingegen als "Verbrennungsanlage" einzustufen; dem schloss sich der Miljööverdomstol an.

19 Gegen diese Entscheidung erhob Gävle Kraftvärme Klage beim Högsta domstol (Oberster Gerichtshof) mit der Begründung, der Miljööverdomstol habe die Kessel zu Unrecht einzeln eingestuft.

20 Das vorlegende Gericht hält die Einstufung einer Anlage insoweit für bedeutsam, als die betrieblichen Anforderungen je nach dem betreffenden Anlagentyp unterschiedlich seien. Da die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits seiner Ansicht nach von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhängt, hat es deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist bei der Auslegung der Richtlinie 2000/76 dann, wenn eine KWK-Anlage aus mehreren Einheiten (Kesseln) besteht, jede Einheit als eine Anlage zu beurteilen, oder ist bei der Beurteilung auf die KWK-Anlage als Ganzes abzustellen?

2. Ist eine Anlage, die für die Verbrennung von Abfällen, als Hauptzweck aber für die Energieerzeugung konstruiert ist, bei der Auslegung der Richtlinie 2000/76 als Verbrennungsanlage oder als Mitverbrennungsanlage einzustufen?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Vorlagefrage

21 Die Begriffe "Verbrennungsanlage" und "Mitverbrennungsanlage" sind in Art. 3 Nrn. 4 und 5 der Richtlinie 2000/76 definiert.

22 Innerhalb des Art. 3 Nr. 4 dieser Richtlinie wird eine Anlage als "jede ... technische Einheit oder Anlage" definiert.

23 Im Rahmen der Bestimmung des Begriffs "Mitverbrennungsanlage" in Art. 3 Nr. 5 der Richtlinie 2000/76 wird der Begriff "Anlage" nicht weiter erläutert; offensichtlich verweist diese Vorschrift jedoch implizit auf Art. 3 Nr. 4. Aus dem Wortlaut der Nr. 5 geht nämlich hervor, dass die Definition von "Mitverbrennungsanlage" vom Begriff "Verbrennungsanlage" in Art. 3 Nr. 4 ausgeht und dass die beiden Vorschriften hinsichtlich sämtlicher technischer Faktoren, die bei der Einstufung einer Verbrennungseinheit zu berücksichtigen sind, nicht voneinander abweichen.

24 Die technischen Faktoren, die eine Verbrennungsanlage und eine Mitverbrennungsanlage ausmachen, sind in Art. 3 Nrn. 4 Unterabs. 2 und 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 2000/76 aufgezählt. Zu diesen Faktoren gehört der "Kessel". Wie die Generalanwältin in Nr. 20 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, ist der Begriff "Kessel" (wie auch der Begriff "Schornstein") im Gegensatz zu anderen aufgezählten Faktoren, die im Plural stehen, im Singular aufgeführt.

25 Der Wortlaut des Art. 3 Nrn. 4 und 5 der Richtlinie 2000/76 spricht somit für die Auslegung, dass jeder einzelne Kessel mit den jeweils mit ihm zusammenhängenden Ausrüstungsgegenständen eine gesonderte Anlage im Sinne dieser Richtlinie darstellt.

26 Diese Auslegung wird durch die Systematik und den Zweck der Richtlinie 2000/76 bestätigt.

27 Was zum einen die Systematik dieser Richtlinie angeht, so unterliegen Verbrennungsanlagen und Mitverbrennungsanlagen unstreitig unterschiedlichen Vorschriften hinsichtlich der für sie geltenden Betriebsbedingungen und Emissionsgrenzwerte. Im Allgemeinen unterliegen Mitverbrennungsanlagen weniger strengen Vorschriften.

28 Insbesondere enthalten die für Verbrennungsanlagen geltenden Betriebsbedingungen für Mitverbrennungsanlagen nicht vorgesehene Anforderungen hinsichtlich des Gehalts an organisch gebundenem Gesamtkohlenstoff in der Schlacke und der Rostasche sowie bezüglich des Glühverlusts. Außerdem umfassen die Betriebsbedingungen für beide Anlagentypen zwar bestimmte Anforderungen hinsichtlich der Temperatur der Verbrennungsgase bei der Abfallzufuhr, jedoch müssen nur Verbrennungsanlagen mit mindestens einem Hilfsbrenner ausgestattet sein.

29 Wie die Generalanwältin in Nr. 21 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, können manche Bestimmungen über Verbrennungsanlagen nur auf einzelne Kessel angewandt werden. Die Auslegung, nach der in einer KWK-Anlage jeder Kessel als eine gesonderte Anlage anzusehen ist, entspricht somit der Systematik der Richtlinie 2000/76.

30 Dies wird auch durch die Vorschriften über die Erlangung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlage bestätigt. Art. 3 Nr. 12 der Richtlinie 2000/76 sieht nämlich ausdrücklich den Fall vor, dass eine Genehmigung für mehrere einzelne Anlagen erteilt wird, die denselben Standort haben und von demselben Betreiber betrieben werden.

31 Was zum anderen die Ziele der Richtlinie 2000/76 betrifft, so bezweckt diese nach ihrem Art. 1 die Vermeidung oder, soweit es praktikabel ist, die Begrenzung von Belastungen der Umwelt infolge der Verbrennung und Mitverbrennung von Abfällen, indem sie strenge Betriebsbedingungen und technische Anforderungen vorschreibt und Emissionsgrenzwerte festlegt.

32 Wie die österreichische Regierung und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften in ihren Erklärungen festgestellt haben, könnte eine Auslegung der Richtlinie 2000/76 dahin, dass die getrennte Einstufung jedes einzelnen Kessels ausgeschlossen wäre, diesen Zweck beeinträchtigen. Wenn eine KWK-Anlage, die Verbrennungs- und Mitverbrennungseinheiten enthält, insgesamt als "Mitverbrennungsanlage" eingestuft würde, so könnte sie daher dadurch den strengeren für Verbrennungsanlagen geltenden Verpflichtungen entzogen werden.

33 Aufgrund dessen ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass dann, wenn eine KWK-Anlage aus mehreren Kesseln besteht, für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie 2000/76 jeder Kessel und die jeweils mit ihm zusammenhängenden Ausrüstungsgegenstände als gesonderte Anlage anzusehen sind.

Zur zweiten Frage

34 Nach Art. 3 Nr. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/76 stellt eine Anlage, die zur thermischen Behandlung von Abfällen eingesetzt wird, eine Verbrennungsanlage dar.

35 Nach Art. 3 Nr. 5 Unterabs. 1 dieser Richtlinie ist eine Anlage, deren Hauptzweck in der Energieerzeugung oder der Produktion stofflicher Erzeugnisse besteht und in der Abfall entweder als Regel- oder Zusatzbrennstoff verwendet oder im Hinblick auf die Beseitigung thermisch behandelt wird, als Mitverbrennungsanlage anzusehen.

36 Art. 3 Nr. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie bestimmt, dass eine Anlage als "Verbrennungsanlage" im Sinne von Art. 3 Nr. 4 gilt, falls die Mitverbrennung in solch einer Weise erfolgt, dass der Hauptzweck der Anlage nicht in der Energieerzeugung oder der Produktion stofflicher Erzeugnisse, sondern in der thermischen Behandlung von Abfällen besteht.

37 Aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen geht klar hervor, dass es sich bei einer Mitverbrennungsanlage um eine besondere Form der Verbrennungsanlage handelt und dass nach dem Hauptzweck einer Anlage zu beurteilen ist, ob sie eine Verbrennungs- oder eine Mitverbrennungsanlage ist.

38 Die Beurteilung des Hauptzwecks einer Anlage bezieht sich auf tatsächliche Faktoren, die zum Zeitpunkt dieser Beurteilung bestehen, und zwar auf die Kapazität und die Funktionsweise dieser Anlage oder, falls die betreffende Anlage noch nicht errichtet ist, auf die Planungsgrundlage, auf der der Antrag auf Betriebserlaubnis beruht.

39 Die schwedische Regierung vertritt in ihren schriftlichen Erklärungen die Auffassung, eine Beurteilung der Einstufung einer Anlage, bei der nur auf den Hauptzweck dieser Anlage abgestellt würde, berge die Gefahr einer Umgehung des Zwecks der Richtlinie 2000/76. Zahlreiche Verbrennungseinheiten, die ursprünglich für eine Abfallverbrennung geplant und errichtet worden seien, könnten nämlich, wenn die gewonnene Wärme für die Energieerzeugung eingesetzt werde, zu Mitverbrennungsanlagen umqualifiziert werden. Diese Einheiten entgingen dann den für Verbrennungsanlagen geltenden strengeren Bedingungen. Nach Ansicht der schwedischen Regierung ist bei der Unterscheidung zwischen den beiden Anlagentypen vielmehr auf den Zweck abzustellen, zu dem die betreffende Einheit errichtet worden ist.

40 Diese Auffassung ist jedoch zurückzuweisen. Erstens steht sie im Widerspruch zum klaren Wortlaut der Richtlinie 2000/76. Wie die Kommission in ihren Erklärungen vor dem Gerichtshof festgestellt hat, geht aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 3 Nr. 5 dieser Richtlinie hervor, dass sich Mitverbrennungsanlagen von Verbrennungsanlagen in ihrem Hauptzweck unterscheiden. Diese Bestimmung legt hingegen in Bezug auf den Zweck, zu dem die Anlage errichtet worden ist, keine Kriterien fest.

41 Zweitens bezweckt die Abfallregelung der Gemeinschaft, wie sich aus dem 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/76 sowie aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinien 75/442 und 2006/12 ergibt, so weit wie möglich die Verwertung der Abfälle und insbesondere deren Nutzung zur Gewinnung von Energie zu fördern. Eine zu enge Auslegung des Begriffs "Mitverbrennungsanlage" könnte aber die Erreichung dieses Ziels gefährden. Denn eine Anwendung einschneidenderer Vorschriften auf Anlagen, deren Hauptzweck tatsächlich in der Energieerzeugung oder der Produktion stofflicher Erzeugnisse besteht, könnte die Betreiber solcher Einheiten davon abhalten, eine entsprechende Tätigkeit aufzunehmen oder fortzusetzen.

42 Drittens genügt die Tatsache, dass mit einer Anlage in beschränktem Umfang eine Energieerzeugung durch Verbrennung von Abfällen betrieben wird, als solche nicht, um die Anlage als Einheit anzusehen, deren Hauptzweck in der Energieerzeugung oder der Produktion stofflicher Erzeugnisse bestünde. Denn der 24. Erwägungsgrund sowie die Art. 4 Abs. 2 Buchst. b und 6 Abs. 6 der Richtlinie 2000/76 sehen ausdrücklich vor, dass nicht nur die bei einem Verbrennungs-, sondern auch die bei einem Mitverbrennungsprozess entstehende Wärme, soweit praktikabel, genutzt werden muss.

43 Schließlich stellt die Richtlinie 2000/76 für beide Anlagentypen strenge Anforderungen auf und sieht für Mitverbrennungsanlagen besondere Schutzvorkehrungen vor. Beispielsweise gelten nach ihrem Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 2 die für Verbrennungsanlagen festgelegten Emissionsgrenzwerte auch für Mitverbrennungsanlagen, wenn in diesen mehr als 40 % der freigesetzten Wärme mit gefährlichen Abfällen erzeugt werden. Nach dem 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/76 müssen außerdem die in dieser bezeichneten Anlagen dann, wenn sie wegen ihrer Kapazität auch in den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/61 fallen, zudem die Bestimmungen dieser Richtlinie, insbesondere hinsichtlich der Emissionsgrenzwerte, einhalten.

44 Wie die Generalanwältin in den Nrn. 43 bis 47 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, muss sich der Hauptzweck einer Verbrennungseinheit objektiv aus verschiedenen tatsächlichen Umständen ergeben.

45 Im Rahmen einer solchen Beurteilung ist es Sache der zuständigen Behörden, die bei jeder einzelnen Anlage vorliegenden besonderen Umstände zu prüfen. Insbesondere sind die Menge der erzeugten Energie oder produzierten stofflichen Erzeugnisse im Vergleich zur Menge der in der betreffenden Anlage verbrannten Abfälle sowie die Gesichtspunkte Stabilität oder Kontinuität dieser Produktion zu berücksichtigen.

46 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Einstufung einer Anlage als "Verbrennungs-" oder als "Mitverbrennungsanlage" im Sinne von Art. 3 Nrn. 4 und 5 der Richtlinie 2000/76 nach ihrem Hauptzweck vorzunehmen ist. Es ist Sache der zuständigen Behörden, diesen Hauptzweck aufgrund einer Beurteilung der zu deren Zeitpunkt vorliegenden tatsächlichen Umstände festzustellen. Bei dieser Beurteilung sind insbesondere die Menge der von der betreffenden Anlage erzeugten Energie oder produzierten stofflichen Erzeugnisse im Vergleich zur Menge der in dieser Anlage verbrannten Abfälle sowie die Gesichtspunkte Stabilität oder Kontinuität dieser Produktion zu berücksichtigen.

Kostenentscheidung:

Kosten

47 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1. Besteht eine KWK-Anlage aus mehreren Kesseln, so sind für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie 2000/76/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Dezember 2000 über die Verbrennung von Abfällen jeder Kessel und die jeweils mit ihm zusammenhängenden Ausrüstungsgegenstände als gesonderte Anlage anzusehen.

2. Die Einstufung einer Anlage als "Verbrennungs-" oder als "Mitverbrennungsanlage" im Sinne von Art. 3 Nrn. 4 und 5 der Richtlinie 2000/76 ist nach ihrem Hauptzweck vorzunehmen. Es ist Sache der zuständigen Behörden, diesen Hauptzweck aufgrund einer Beurteilung der zu deren Zeitpunkt vorliegenden tatsächlichen Umstände festzustellen. Bei dieser Beurteilung sind insbesondere die Menge der von der betreffenden Anlage erzeugten Energie oder produzierten stofflichen Erzeugnisse im Vergleich zur Menge der in dieser Anlage verbrannten Abfälle sowie die Gesichtspunkte Stabilität oder Kontinuität dieser Produktion zu berücksichtigen.



Ende der Entscheidung

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