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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.06.2004
Aktenzeichen: C-255/03
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 28
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)

17. Juni 2004(1)

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Freier Warenverkehr - Maßnahmen gleicher Wirkung - Qualitäts- und Ursprungszeichen - 'Wallonisches Qualitätszeichen'"

Parteien:

In der Rechtssache C-255/03

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C.-F. Durand und F. Simonetti als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich Belgien, vertreten durch E. Dominkovits als Bevollmächtigte,

Beklagter,

wegen Feststellung, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 28 EG verstoßen hat, dass es eine Regelung beschlossen und aufrechterhalten hat, wonach das "Wallonische Qualitätszeichen" für in Wallonien hergestellte oder verarbeitete Enderzeugnisse bestimmter Qualität verliehen wird,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpäsidenten C. Gulmann (Berichterstatter), des Richters S. von Bahr und der Richterin R. Silva de Lapuerta,

Generalanwalt: F. G. Jacobs,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 16. Juni 2003 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 28 EG verstoßen hat, dass es eine Regelung beschlossen und aufrechterhalten hat, wonach das "Wallonische Qualitätszeichen" für in Wallonien hergestellte oder verarbeitete Enderzeugnisse bestimmter Qualität verliehen wird.

Rechtlicher Rahmen und Vorverfahren

2 Die wallonische Regierung beschloss das Dekret vom 7. September 1989 über die Verleihung des Wallonischen Qualitätszeichens, die lokale Ursprungsbezeichnung und die wallonische Ursprungsbezeichnung (Moniteur belge vom 28. November 1989), das ein "Wallonisches Qualitätszeichen" einführte. Nach Kapitel I dieses Dekrets ist das genannte Zeichen das von der Wallonischen Regionalexekutive bestimmte Gattungszeichen, das belegt, dass ein in Wallonien hergestelltes oder verarbeitetes Erzeugnis eine Reihe spezifischer Qualitäten und festgelegter Merkmale besitzt, die ein Qualitätsniveau beweisen. Nach Artikel 2 des Dekrets legt die Wallonische Regionalexekutive in einem detaillierten Lastenheft jeweils die Voraussetzungen fest, unter denen ein oder mehrere Erzeugnisse mit dem wallonischen Qualitätszeichen hergestellt, verarbeitet, zum Verkauf angeboten oder verkauft werden dürfen.

3 Mit Schreiben vom 8. November 1994 unterrichtete die Kommission Belgien darüber, dass das wallonische Qualitätszeichen ihrer Ansicht nach u. a. gegen Artikel 30 EG-Vertrag (jetzt Artikel 28 EG) verstoße, da zu den Voraussetzungen für die Erlangung des Zeichens die Herstellung oder Verarbeitung in Wallonien gehöre, während sich die Anforderungen für die Verleihung eines Qualitätszeichens nur auf wesentliche Merkmale des Erzeugnisses, nicht aber auf seinen geographischen Ursprung beziehen dürften.

4 Nach einem Schriftwechsel und einer Besprechung zwischen der Kommission und Belgien, räumte dieses ein, dass die Rügen der Kommission berechtigt seien, und verpflichtete sich, die Regelung in dem von der Kommission vorgeschlagenen Sinne zu ändern.

5 Am 20. Dezember 1999 übermittelte Belgien der Kommission einen von der wallonischen Regierung verfassten Vorentwurf eines Dekrets, der das Qualitätszeichen aus anderen Mitgliedstaaten stammenden Erzeugnissen, die die Qualitätskriterien erfüllten, öffnen sollte.

6 Über den Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens wurde die Kommission nicht unterrichtet. Sie forderte das Königreich Belgien daher am 24. Juli 2001 nach Artikel 226 EG auf, sich innerhalb von zwei Monaten hierzu zu äußern.

7 Am 20. September 2001 unterrichtete die belgische Regierung die Kommission davon, dass der dieser übermittelte Vorentwurf nicht verabschiedet worden sei. Sie fügte diesem Schreiben einen neuen, von der wallonischen Regierung verfassten Vorentwurf eines Dekrets bei, dessen Artikel 19 eine Übergangsfrist von 18 Monaten zugunsten der Erzeugnisse vorsah, die bereits das wallonische Qualitätszeichen führten. Sie führte aus, dass dieser Text im Mai 2001 von der wallonischen Regierung verabschiedet und am 22. Juni 2001 dem Staatsrat vorgelegt worden sei. Er werde dem wallonischen Parlament wohl im Oktober 2001 vorgelegt und schnell verabschiedet werden.

8 Da sie das Änderungsdekret der Kommission am 27. Juni 2002 noch nicht erhalten hatte, gab sie eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie feststellte, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 28 EG verstoßen habe, dass es für den Bereich der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und der Lebensmittel Rechtsvorschriften über Qualitätszeichen und -bezeichnungen aufrechterhalten habe. In dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme führte die Kommission weiter aus, dass sie die im letzten Vorentwurf vorgesehene Übergangsfrist nicht akzeptieren könne, da sie den Mitgliedstaat bereits 1994 auf die Vertragsverletzung hingewiesen habe. Sie forderte Belgien auf, dieser Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen.

9 Das Änderungsdekret war nach Kenntnis der Kommission auch am 6. Juni 2003 noch nicht in Kraft. Sie hat daher die vorliegende Klage erhoben.

Zur Vertragsverletzung

10 In ihrer Klageschrift trägt die Kommission vor, dass die nationale Regelung über das Wallonische Qualitätszeichen zum einen die Verbesserung der Qualität der wallonischen landwirtschaftlichen Erzeugnisse und zum anderen die Verkaufsförderung dieser Erzeugnisse bezwecke. Dieses Zeichen bescheinige im Wesentlichen, dass das damit ausgezeichnete Erzeugnis in Wallonien hergestellt sei und bestimmte Merkmale habe. Diese Regelung könne Auswirkungen auf den freien Warenverkehr haben, da sie die Vermarktung von Waren inländischen Ursprungs zu Lasten eingeführter Waren begünstige. Sie stelle daher eine nach Artikel 28 EG verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung dar.

11 Die belgische Regierung trägt in der Klagebeantwortung vor, dass sie ihren gemeinschaftlichen Verpflichtungen durch die Verabschiedung des Dekrets der wallonischen Regierung vom 19. Dezember 2002 zur Änderung des Dekrets vom 7. Dezember 1989 (Moniteur belge vom 5. Februar 2003, S. 4849) nachgekommen sei.

12 Nach ständiger Rechtsprechung ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde; später eingetretene Veränderungen kann der Gerichtshof nicht berücksichtigten (vgl. Urteil vom 16. Januar 2003 in der Rechtssache C-122/02, Kommission/Belgien, Slg. 2003, I-833, Randnr. 11).

13 Die belgische Regierung bestreitet nicht, dass sie nicht alle Maßnahmen getroffen hat, um dem Gemeinschaftsrecht innerhalb der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist nachzukommen.

14 Der Klage der Kommission ist daher stattzugeben.

15 Folglich ist festzustellen, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 28 EG verstoßen hat, dass es eine Regelung beschlossen und aufrechterhalten hat, wonach das "Wallonische Qualitätszeichen" für in Wallonien hergestellte oder verarbeitete Enderzeugnisse bestimmter Qualität verliehen wird.

Kostenentscheidung:

Kosten

16 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission einen entsprechenden Antrag gestellt hat und das Königreich Belgien mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 28 EG verstoßen, dass es eine Regelung beschlossen und aufrechterhalten hat, wonach das "Wallonische Qualitätszeichen" für in Wallonien hergestellte oder verarbeitete Enderzeugnisse bestimmter Qualität verliehen wird.

22 Das Königreich Belgien trägt die Kosten des Verfahrens.

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Juni 2004.

Ende der Entscheidung

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