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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 01.04.1993
Aktenzeichen: C-256/91
Rechtsgebiete: Gemeinsamer Zolltarif, Verordnung Nr. 28/90/EWG vom 04.01.1990


Vorschriften:

Gemeinsamer Zolltarif Position 1108
Gemeinsamer Zolltarif Position 1901
Gemeinsamer Zolltarif Position 3505
Gemeinsamer Zolltarif Position 3809
Verordnung Nr. 28/90/EWG vom 04.01.1990
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein zur Verwendung in der Papier- und Textilindustrie bestimmtes, nach seiner Beschaffenheit auch für die menschliche Ernährung geeignetes, wenn auch lebensmittelrechtlich nicht zugelassenes Stärkeerzeugnis (Stärkegehalt 99 Gewichtshundertteile nach Ewers bzw. 81,1 Gewichtshundertteile nach der Verzuckerungsmethode; Acetylgehalt 0,65 bzw. 0,67 Gewichtshundertteile), bestehend aus nativer Kartoffelstärke, diese versetzt mit einem von Acetaldehyd befreiten und neutralisierten Kartoffelstärkeester, ist in die Unterposition 1108 13 00 des Gemeinsamen Zolltarifs ° Kombinierte Nomenklatur ° einzureihen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 1. APRIL 1993. - EMSLAND-STAERKE GMBH GEGEN OBERFINANZDIREKTION MUENCHEN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: BUNDESFINANZHOF - DEUTSCHLAND. - GEMEINSAMER ZOLLTARIF - KOMBINIERTE NOMENKLATUR - STAERKEERZEUGNIS. - RECHTSSACHE C-256/91.

Entscheidungsgründe:

1 Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluß vom 20. August 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Oktober 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vier Fragen nach der Auslegung des Gemeinsamen Zolltarifs in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2587/91 der Kommission vom 26. Juli 1991 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 259, S. 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Emsland-Stärke GmbH, der Klägerin des Ausgangsverfahrens, und der Oberfinanzdirektion München, der Beklagten des Ausgangsverfahrens, über die Tarifierung eines als "Stärkeester F 2000" bezeichneten Stärkeerzeugnisses.

3 Dieses Stärkeerzeugnis besteht aus einem Pulver mit dem mikroskopischen Bild granulärer Kartoffelstärke mit einem Stärkegehalt von 99 Gewichtshundertteilen (GHT) nach Ewers bzw. 81,1 GHT nach der Verzuckerungsmethode sowie einem Acetylgehalt von 0,65 bzw. 0,67 GHT. Das Pulver wird in der Weise hergestellt, daß der durch alkalische Katalyse von Kartoffelstärke mit Vinylacetat gewonnene Kartoffelstärkeester nach Entfernen von Acetaldehyd und Neutralisation mit zusätzlicher Stärke vermischt und danach getrocknet wird.

4 Nach dem Vorlagebeschluß ist dieses Erzeugnis zur Verwendung für die Oberflächenbehandlung und als Streichmasse in der Papierindustrie sowie als Versteifungs- und Schlichtemittel in der Textilindustrie bestimmt. Es ist seiner Beschaffenheit nach auch für die menschliche Ernährung geeignet, obwohl sein Vertrieb als Lebensmittel nach den im Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht zulässig ist.

5 Am 13. Dezember 1988 erteilte die Beklagte eine verbindliche Zolltarifauskunft, wonach das fragliche Stärkeerzeugnis als anderweit weder genannte noch inbegriffene "andere" Lebesmittelzubereitung aus Stärke in die Unterposition 1901 90 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen ist.

6 Die Klägerin focht diese Einreihung vor dem Bundesfinanzhof an. Ihrer Ansicht nach ist das fragliche Erzeugnis als veresterte Stärke in die Unterposition 3505 10 50 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen. Ihre Begründung lautet im wesentlichen, für die Einreihung als veresterte Stärke komme es nicht auf die Art der Herstellung, sondern auf das Verhältnis zwischen Stärke- und Acetylgehalt, also auf analytische Merkmale, an. Liege der Acetylgehalt über 0,5 GHT und der Stärkeanteil unter 95 GHT, so sei die Ware der Unterposition 3505 10 50 zuzuordnen. Die Beklagte vertritt dagegen die Auffassung, dem Wortlaut der Unterposition 3505 10 50 könne nicht entnommen werden, daß Stärke nur aufgrund ihres erhöhten Acetylgehalts, ohne Rücksicht auf das Herstellungsverfahren, in die gleiche Position wie Stärkeester einzureihen sei.

7 Bei seiner Beurteilung der Rechtssache äussert der Bundesfinanzhof Bedenken gegen die von den Parteien vorgeschlagene Einreihung des fraglichen Erzeugnisses. Die Einreihung in die Position 1901 (Lebensmittelzubereitungen aus Stärke) sei nicht gerechtfertigt, da das fragliche Erzeugnis nicht zur menschlichen Ernährung bestimmt sei. Die Einordnung unter die Unterposition 3505 10 50 (veresterte Stärken) sei ebensowenig gerechtfertigt. Hierzu führt der Bundesfinanzgerichtshof aus, dem Umstand, daß Mischungen aus nativer Kartoffelstärke und acetylierter Kartoffelstärke mit einem Stärkegehalt von 95 GHT und einem Acetylgehalt von weniger als 0,5 GHT aufgrund ihres schwachen Acetylgehalts als Stärke in die Position 1108 und nicht als veresterte Stärke in die Unterposition 3505 10 50 einzureihen seien, lasse sich nicht entnehmen, daß entsprechende Mischungen allein aufgrund ihres etwas höheren Acetylgehalts der letztgenannten Unterposition zuzuordnen seien. Es komme auch eine Einreihung in die Position 3809 (Versteifungs-, Schlichte- und Bindemittel auf der Grundlage von Stärke oder Stärkederivaten für die Textil-, Papier-, Lederindustrie und ähnliche Industrien) oder ° wenn man die native Kartoffelstärke als den Stoff ansehe, der dem Erzeugnis seinen wesentlichen Charakter verleihe ° in die Unterposition 1108 13 00 (Kartoffelstärke) in Betracht.

8 Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Ist der Gemeinsame Zolltarif ° Kombinierte Nomenklatur ° dahin auszulegen, daß ein zur Verwendung in der Papier- und Textilindustrie bestimmtes, nach seiner Beschaffenheit auch für die menschliche Ernährung geeignetes, wenn auch lebensmittelrechtlich nicht zugelassenes Stärkeerzeugnis (Stärkegehalt/Ewers 99 Gewichtshundertteile bzw. 81,1 Gewichtshundertteile/Verzuckerungsmethode; Acetylgehalt 0,65 bzw. 0,67 Gewichtshundertteile), bestehend aus nativer Kartoffelstärke, diese versetzt mit einem von Acetaldehyd befreiten und neutralisierten Kartoffelstärkeester, als anderweit weder genannte noch inbegriffene Lebensmittelzubereitung aus Stärke der Unterposition 1901 90 90 zuzuweisen ist?

2) Bei Verneinung von Frage 1: Ergibt die zolltarifliche Auslegung, daß ein Erzeugnis, wie zu 1. beschrieben, als "verestert" anzusehen und demzufolge als veresterte Stärke der Unterposition 3505 10 50 zuzuweisen ist?

3) Bei Verneinung von Frage 2: Ergibt die zolltarifliche Auslegung, daß ein Erzeugnis, wie zu 1. beschrieben, ohne Erkennbarkeit seiner Bestimmung nach Zusammensetzung und Aufmachung, als anderweit weder genannte noch inbegriffene andere Zubereitung von der in der Textil- und Papierindustrie verwendeten Art, auf der Grundlage von Stärke, der zutreffenden Unterteilung von Position 3809 zuzuweisen ist?

4) Bei Verneinung von Frage 3: Welcher anderen Position ist ein Erzeugnis, wie zu 1. beschrieben, zuzuweisen?

9 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des rechtlichen Rahmens des Ausgangsrechtsstreits, des Verfahrensablaufs sowie der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

10 Mit seinen vier Vorlagefragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das nationale Gericht wissen, in welche Position des Gemeinsamen Zolltarifs ° Kombinierte Nomenklatur ° ein zur Verwendung in der Papier- und Textilindustrie bestimmtes, nach seiner Beschaffenheit auch für die menschliche Ernährung geeignetes, wenn auch lebensmittelrechtlich nicht zugelassenes Stärkeerzeugnis (Stärkegehalt 99 GHT nach Ewers bzw. 81,1 GHT nach der Verzuckerungsmethode; Acetylgehalt 0,65 bzw. 0,67 GHT), bestehend aus nativer Kartoffelstärke, diese versetzt mit einem von Acetaldehyd befreiten und neutralisierten Kartoffelstärkeester, einzureihen ist.

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes (siehe insbesondere Urteile vom 8. Dezember 1977 in der Rechtssache 62/77, Carlsen-Verlag, Slg. 1977, 2343, Randnr. 3, und 7. März 1990 in den Rechtssachen C-153/88 bis C-157/88, Fauque u. a., Slg. 1990, I-649, Randnr. 10) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Nummer des Gemeinsamen Zolltarifs und in den Vorschriften zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind.

12 "Stärke von Kartoffeln" ist im Kapitel 11 der Kombinierten Nomenklatur und insbesondere in der Unterposition 1108 13 00 genannt.

13 Nach Anmerkung 1 b zu Kapitel 11 gehört zu diesem Kapitel nicht Stärke der Position 1901. Nach den Erläuterungen zu Position 1108 gehören weiter nicht zu dieser Position Dextrine und andere modifizierte Stärken der Position 3505 sowie zubereitete Schlichtemittel und Appreturen aus Stärke nach der Position 3809.

14 Um festzustellen, ob das fragliche Stärkeerzeugnis zur Unterposition 1108 13 10 gehört, ist somit zunächst zu prüfen, ob es nicht eines der Stärkeerzeugnisse der Positionen darstellt, die nach den obengenannten Erläuterungen nicht unter das Kapitel 11 der Kombinierten Nomenklatur fallen.

15 In die Position 1901 der Kombinierten Nomenklatur sind Lebensmittelzubereitungen aus Stärke, anderweit weder genannt noch inbegriffen, eingereiht. Nach den Erläuterungen zu dieser Position sind diese Lebensmittelzubereitungen häufig zum schnellen Bereiten von Getränken, Breien, Kindernahrung oder Diätkost bestimmt und können auch Zwischenerzeugnisse für die Lebensmittelindustrie sein.

16 Diese Position umfasst also nur Erzeugnisse, die zur Verwendung als Lebensmittel oder als Zwischenerzeugnis in der Lebensmittelindustrie bestimmt sind. Nach dem Vorlagebeschluß ist das fragliche Stärkeerzeugnis zwar für die menschliche Ernährung geeignet, jedoch zur Verwendung in der Papier- und Textilindustrie bestimmt. Wie der Gerichtshof im Urteil vom 23. März 1972 in der Rechtssache 36/71 (Henck, Slg. 1972, 187) ausgeführt hat, kann die Zweckbestimmung eines Erzeugnisses ein objektives Merkmal für seine Einreihung in den Gemeinsamen Zolltarif darstellen.

17 Daraus folgt, daß das streitige Erzeugnis nicht unter die Position 1901 des Gemeinsamen Zolltarifs eingeordnet werden kann.

18 Was zweitens die Position 3505 des Gemeinsamen Zolltarifs angeht, so ist zu prüfen, ob das fragliche Erzeugnis als veresterte Stärke anzusehen und somit in die Unterposition 3505 10 50 einzureihen ist.

19 Der Position 3505 sind unter anderem modifizierte Stärken, insbesondere veresterte Stärken (Unterposition 3505 10 50), zugewiesen. Nach den Erläuterungen zu Position 3505 des Harmonisierten Systems werden die modifizierten Stärken durch Umwandlung von Stärke unter Einwirkung von Wärme, Chemikalien (z. B. Säuren, Basen) oder Amylasen sowie etwa durch Oxidation, Veretherung oder Veresterung gewonnen. Nicht zur Position 3505 gehören gemäß diesen Erläuterungen nicht umgewandelte Stärke (Position 1108) und zubereitete Schlichtemittel und Appreturen auf der Grundlage von Stärke oder Dextrin für die Textilindustrie, Lederindustrie, Papierindustrie oder ähnliche Industrien (Position 3809).

20 Nach dem Vorlagebeschluß handelt es sich bei dem fraglichen Stärkeerzeugnis um eine Mischung aus etwa 90 % nativer Kartoffelstärke und etwa 10 % veresterter Stärke.

21 Nach der Allgemeinen Vorschrift 3 b für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur werden Mischungen und Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.

22 Angesichts des Mengenverhältnisses zwischen der nativen Stärke und dem Kartoffelstärkeester ist die native Stärke der charaktergebende Bestandteil der Mischung. Die Verfahrensakten lassen nämlich nicht den Schluß zu, daß der Kartoffelstärkeester die Eigenschaften der Mischung derart prägt, daß er als der Bestandteil, der der Mischung ihren wesentlichen Charakter verleiht, angesehen werden kann. Im Gegenteil wird der Charakter der nativen Stärke nach einer im Vorlagebeschluß angeführten gutachtlichen Äusserung der Bundesforschungsanstalt für Getreide- und Kartoffelverarbeitung durch Trockenmischungen mit Kartoffelstärkeester nicht verändert.

23 Unter diesen Umständen ist eine Einreihung des fraglichen Stärkeerzeugnisses als veresterte Stärke in die Unterposition 3505 10 50 ausgeschlossen.

24 Was drittens die Position 3809 des Gemeinsamen Zolltarifs angeht, so fallen unter das Kapitel 38 verschiedene Erzeugnisse der chemischen Industrie, darunter Zubereitungen auf der Grundlage von Stärke oder Stärkederivaten, die in der Textil-, Papier- oder Lederindustrie oder ähnlichen Industrien verwendet werden und anderweitig weder genannt noch inbegriffen sind.

25 Nach den Erläuterungen zu Position 3809 geht es hierbei um industrielle Erzeugnisse, die zwar Stoffe enthalten, die für den menschlichen Verbrauch geeignet sind, oder die Grundlage für solche Stoffe darstellen, die jedoch als solche weder zur menschlichen Ernährung geeignet noch hierzu bestimmt sind. Zu dieser Position gehören eine ganze Reihe von Erzeugnissen und Zubereitungen verschiedener Art, die im allgemeinen bei der Herstellung oder Ausrüstung (Endbearbeitung) von Garnen, Geweben, Filzen, Papier, Pappe, Leder oder ähnlichen Erzeugnissen verwendet werden. Nach den Erläuterungen erkennt man die Waren dieser Position aufgrund ihrer Zusammensetzung und Aufmachung, die ihre spezifische Verwendung in den im Wortlaut dieser Position genannten Industrien, wie der Bodenbeläge-, Vulkanfiber- und der Pelzindustrie, kennzeichnen.

26 Somit ergibt sich aus diesen Erläuterungen, daß man die Erzeugnisse der Position 3809 aufgrund ihrer Zusammensetzung und Aufmachung, die ihre spezifische Verwendung in den im Wortlaut der Position genannten Industrien kennzeichnen, erkennt. Diese Kennzeichnung, die auf der Beschaffenheit und der Aufmachung des Erzeugnisses beruht, fehlt aber beim fraglichen Stärkeerzeugnis, dessen Beschaffenheit und Aufmachung nach dem Vorlagebeschluß neutral sind.

27 Unter diesen Umständen lässt sich das streitige Erzeugnis nicht der Position 3809 zuordnen.

28 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt insgesamt, daß das fragliche Stärkeerzeugnis nicht in die Positionen 1901, 3505 und 3809 eingereiht werden kann, die in den Erläuterungen zu Position 1108 des Harmonisierten Systems angeführt sind. Daher gehört dieses Erzeugnis, eine zu 90 % aus Kartoffelstärke und zu 10 % aus veresterter Stärke bestehende Mischung, gemäß der vorgenannten Allgemeinen Regel 3 b grundsätzlich zur Position 1108 und speziell zur Unterposition 1108 13 00 betreffend Kartoffelstärke.

29 Es bleibt jedoch zu prüfen, ob dieser Einreihung die Verordnung (EWG) Nr. 28/90 der Kommission vom 4. Januar 1990 zur Einreihung von bestimmten Waren in die KN-Codes 1108 11 00, 1108 12 00, 1108 13 00 und 1108 14 00 und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1463/87 (ABl. L 3, S. 9) entgegensteht.

30 Nach Artikel 1 und Nummer 3 des Anhangs dieser Verordnung sind in die Unterposition 1108 13 00 die Erzeugnisse einzureihen, die sich als feines weisses Pulver darstellen und die aus einer Mischung aus nativer Kartoffelstärke und geringen Mengen acetylierter Kartoffelstärke oder sehr schwach acetylierter Kartoffelstärke mit einem Stärkegehalt von 95 GHT oder mehr und einem Acetylgehalt von weniger als 0,5 GHT bestehen. Nach der im Anhang angeführten Begründung sind diese Erzeugnisse aufgrund ihrer analytischen Merkmale (insbesondere ihres schwachen Acetylgehalts) als Stärke des KN-Code 1108 13 00 und nicht als veresterte Stärke des KN-Code 3505 10 50 anzusehen.

31 Nach dem Vorlagebeschluß hat das fragliche Stärkeerzeugnis einen Acetylgehalt von 0,65 bzw. 0,67 GHT, also einen höheren Gehalt als den in der Verordnung Nr. 28/90 angeführten von 0,5 GHT.

32 Somit ist zu prüfen, ob eine Einreihung des fraglichen Erzeugnisses in die Position 1108 ausgeschlossen ist, weil sein Acetylgehalt etwas über 0,5 GHT liegt.

33 Dem Wortlaut der Verordnung Nr. 28/90 ist nicht zu entnehmen, daß eine Unterscheidung zwischen nativer Stärke, die in die Unterposition 1108 13 00 einzureihen ist, und veresterter Stärke, die zur Unterposition 3505 10 50 gehört, nach dem Acetylgehalt getroffen werden soll. Denn einerseits stellt diese Verordnung nur klar, daß ein Stärkeerzeugnis mit den im Anhang dieser Verordnung genannten Merkmalen auf jeden Fall in die Unterposition 1108 13 00 einzureihen ist; andererseits enthält die Verordnung keinen Hinweis darauf, welcher Tarifposition ein Stärkeerzeugnis mit einem etwas höheren Acetylgehalt als 0,5 GHT zuzuordnen ist.

34 Der Acetylgehalt der Stärke ist ein Indikator für ihren Substitutionsgrad: Je höher der Acetylgehalt ist, desto weitergehend ist die Stärke modifiziert. Daher kann Stärke mit einem sehr niedrigen Acetylgehalt nativer Stärke entsprechen.

35 Unter diesen Umständen lässt sich einem etwas höheren Acetylgehalt (im vorliegenden Fall 0,65 bzw. 0,67 GHT), als er in der Verordnung Nr. 28/90 angegeben ist, zumal dann nicht entnehmen, daß das fragliche Erzeugnis nicht in die Unterposition 1108 13 00 eingereiht werden kann, wenn es sich dabei, wie im Ausgangsverfahren, um ein Erzeugnis handelt, das aus einer Mischung aus 90 % Kartoffelstärke und 10 % veresterter Stärke besteht.

36 Folglich ist das fragliche Stärkeerzeugnis als "Stärke von Kartoffeln" in die Unterposition 1108 13 00 des Gemeinsamen Zolltarifs einzureihen.

37 Dem vorlegenden Gericht ist daher zu antworten, daß ein zur Verwendung in der Papier- und Textilindustrie bestimmtes, nach seiner Beschaffenheit auch für die menschliche Ernährung geeignetes, wenn auch lebensmittelrechtlich nicht zugelassenes Stärkeerzeugnis (Stärkegehalt 99 Gewichtshundertteile nach Ewers bzw. 81,1 Gewichtshundertteile nach der Verzuckerungsmethode; Acetylgehalt 0,65 bzw. 0,67 Gewichtshundertteile), bestehend aus nativer Kartoffelstärke, diese versetzt mit einem von Acetaldehyd befreiten und neutralisierten Kartoffelstärkeester, in die Unterposition 1108 13 00 des Gemeinsamen Zolltarifs ° Kombinierte Nomenklatur ° einzureihen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

38 Die Auslagen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

auf die ihm vom Bundesfinanzhof mit Beschluß vom 20. August 1991 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Ein zur Verwendung in der Papier- und Textilindustrie bestimmtes, nach seiner Beschaffenheit auch für die menschliche Ernährung geeignetes, wenn auch lebensmittelrechtlich nicht zugelassenes Stärkeerzeugnis (Stärkegehalt 99 Gewichtshundertteile nach Ewers bzw. 81,1 Gewichtshundertteile nach der Verzuckerungsmethode; Acetylgehalt 0,65 bzw. 0,67 Gewichtshundertteile), bestehend aus nativer Kartoffelstärke, diese versetzt mit einem von Acetaldehyd befreiten und neutralisierten Kartoffelstärkeester, ist in die Unterposition 1108 13 00 des Gemeinsamen Zolltarifs ° Kombinierte Nomenklatur ° einzureihen.

Ende der Entscheidung

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