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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.09.2001
Aktenzeichen: C-257/99
Rechtsgebiete: Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten (Europa-Abkommen), Europa-Abkommen


Vorschriften:

Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten (Europa-Abkommen)
Europa-Abkommen Art. 45 Abs. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 45 Absatz 3 des Assoziationsabkommens Gemeinschaften-Tschechische Republik, der den Mitgliedstaaten verbietet, tschechische Staatsangehörige aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminierend zu behandeln, stellt für den Geltungsbereich dieses Abkommens einen klaren und unbedingten Grundsatz auf, der vom nationalen Gericht angewandt werden und deshalb die Rechtslage von Privaten regeln kann. Die unmittelbare Wirkung, die der Bestimmung somit zukommt, bedeutet, dass tschechische Staatsangehörige das Recht haben, sich vor den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats auf sie zu berufen, auch wenn dieser Mitgliedstaat nach Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens die Befugnis behält, auf diese Staatsangehörigen sein nationales Einreise-, Aufenthalts- und Niederlassungsrecht anzuwenden.

( vgl. Randnrn. 33, 39, Tenor 1 )

2. Das Niederlassungsrecht im Sinne des Artikels 45 Absatz 3 des Assoziationsabkommens Gemeinschaften-Tschechische Republik setzt als Nebenrechte ein Einreise- und ein Aufenthaltsrecht der tschechischen Staatsangehörigen voraus, die gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten in einem Mitgliedstaat ausüben wollen. Jedoch ergibt sich aus Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens, dass dieses Einreise- und Aufenthaltsrecht nicht schrankenlos gewährleistet ist, seine Ausübung gegebenenfalls vielmehr durch die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung tschechischer Staatsangehöriger beschränkt werden kann.

( vgl. Randnr. 83, Tenor 2 )

3. Artikel 45 Absatz 3 des Assoziationsabkommens Gemeinschaften-Tschechische Republik, der den Mitgliedstaaten verbietet, tschechische Staatsangehörige bei ihrer Niederlassung aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminierend zu behandeln, in Verbindung mit Artikel 59 Absatz 1 dieses Abkommens, wonach der Aufnahmemitgliedstaat sein nationales Recht über Einreise, Aufenthalt und Niederlassung anwenden darf, sofern er dies nicht in einer Weise tut, die tschechischen Staatsangehörigen die Ausübung der ihnen in Artikel 45 Absatz 3 eingeräumten Rechte unmöglich macht oder übermäßig erschwert, steht grundsätzlich einer Regelung vorheriger Kontrolle nicht entgegen, nach der die Erteilung einer Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung durch die Zuwanderungsbehörden voraussetzt, dass der Antragsteller seine wirkliche Absicht nachweist, eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen, ohne zugleich auf eine unselbständige Beschäftigung oder öffentliche Mittel zurückzugreifen, und dass er von Anfang an über hinreichende Mittel und vernünftige Erfolgsaussichten verfügt.

( vgl. Randnrn. 59, 83, Tenor 3 )

4. Nach der Klausel am Ende des Artikels 59 Absatz 1 Satz 1 des Assoziationsabkommens Gemeinschaften-Tschechische Republik hat eine Regelung, nach der ein tschechischer Staatsangehöriger vor seiner Abreise in den Aufnahmemitgliedstaat Einreisepapiere erlangen muss, deren Erteilung von der Überprüfung materieller Voraussetzungen abhängt, weder den Zweck noch das Ergebnis, diesem Staatsangehörigen die Ausübung der ihm in Artikel 45 Absatz 3 des Abkommens eingeräumten Rechte unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, sofern die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats das ihnen bei der Behandlung von nach dem Abkommen an der Einreisestelle gestellten Anträgen auf Niederlassung zukommenden Ermessen dahin ausüben, dass dem tschechischen Staatsangehörigen auf einer anderen Grundlage als den Immigration Rules eine Einreisegenehmigung gewährt werden kann, wenn sein Antrag diejenigen materiellen Voraussetzungen klar und offenkundig erfuellt, die angewandt worden wären, wenn er in der Tschechischen Republik ein Einreisepapier beantragt hätte.

( vgl. Randnr. 83, Tenor 4 )


Urteil des Gerichtshofes vom 27. September 2001. - The Queen gegen Secretary of State for the Home Department, ex parte Julius Barkoci und Marcel Malik. - Ersuchen um Vorabentscheidung: High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court) - Vereinigtes Königreich. - Außenbeziehungen - Assoziationsabkommem EWG-Tschechische Republik - Niederlassungsfreiheit - Tschechische Staatsangehörige, die in einem Mitgliedstaat eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen wollen. - Rechtssache C-257/99.

Parteien:

In der Rechtssache C-257/99

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court), (Vereinigtes Königreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

The Queen

gegen

Secretary of State for the Home Department,

ex parte:

Julius Barkoci und Marcel Malik,

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 45 und 59 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tschechischen Republik andererseits, im Namen der Gemeinschaft geschlossen und genehmigt durch den Beschluss 94/910/EG, EGKS, Euratom des Rates und der Kommission vom 19. Dezember 1994 (ABl. L 360, S. 1),

erlässt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten C. Gulmann, A. La Pergola (Berichterstatter), M. Wathelet und V. Skouris, der Richter D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet, P. Jann, L. Sevón und R. Schintgen sowie der Richterin F. Macken,

Generalanwalt: J. Mischo

Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- des Klägers Barkoci, vertreten durch N. Blake, QC, und T. Eicke, Barrister, und des Klägers Malik, vertreten durch N. Blake und L. Fransman, Barrister, beauftragt durch B. Sheldrick, Solicitor,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Ewing als Bevollmächtigte im Beistand von E. Sharpston, QC,

- der belgischen Regierung, vertreten durch P. Rietjens als Bevollmächtigten,

- der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und C.-D. Quassowski als Bevollmächtigte,

- der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger und A. Lercher als Bevollmächtigte,

- der italienischen Regierung, vertreten durch U. Leanza als Bevollmächtigten im Beistand von F. Quadri, avvocato dello Stato,

- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Benyon, M.-J. Jonczy und N. Yerrell als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Kläger Barkoci und Malik, vertreten durch N. Blake und T. Eicke, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch G. Amodeo als Bevollmächtigten im Beistand von E. Sharpston, der irischen Regierung, vertreten durch E. Barrington, BL, der italienischen Regierung, vertreten durch F. Quadri, der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra, und der Kommission, vertreten durch F. Benyon, M.-J. Jonczy und N. Yerrell, in der Sitzung vom 11. Juli 2000,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. September 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Der High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court), hat mit Beschluss vom 29. März 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Juli 1999, gemäß Artikel 234 EG sieben Fragen nach der Auslegung der Artikel 45 und 59 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tschechischen Republik andererseits, im Namen der Gemeinschaft geschlossen und genehmigt durch den Beschluss 94/910/EG, EGKS, Euratom des Rates und der Kommission vom 19. Dezember 1994 (ABl. L 360, S. 1; Europa-Abkommen), zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen den Klägern Barkoci und Malik, tschechischen Staatsangehörigen, und dem Secretary of State for the Home Department (Secretary of State oder Beklagter) über dessen Entscheidungen, den Klägern keine Einreisegenehmigung für das Vereinigte Königreich zu erteilen.

Das Europa-Abkommen

3 Das Europa-Abkommen wurde am 4. Oktober 1993 in Luxemburg unterzeichnet und trat gemäß seinem Artikel 123 Absatz 2 am 1. Februar 1995 in Kraft.

4 Nach Artikel 1 Absatz 2 des Europa-Abkommens ist es u. a. dessen Ziel, einen geeigneten Rahmen für den politischen Dialog zwischen den Vertragsparteien zu schaffen, der die Entwicklung enger politischer Beziehungen ermöglicht, die Ausweitung des Handels und ausgewogene Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien zu fördern und so die dynamische wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand in Tschechien zu begünstigen, sowie einen geeigneten Rahmen für die schrittweise Integration der Tschechischen Republik in die Gemeinschaft zu bieten, da diese nach der achtzehnten Begründungserwägung des Europa-Abkommens letztlich die Mitgliedschaft in die Gemeinschaft anstrebt.

5 Die für das Ausgangsverfahren einschlägigen Bestimmungen des Europa-Abkommens finden sich in Titel IV - Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Niederlassungsrecht, Dienstleistungsverkehr.

6 Artikel 38 Absatz 1 des Europa-Abkommens in Titel IV Kapitel I - Freizügigkeit der Arbeitnehmer - lautet wie folgt:

Vorbehaltlich der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Bedingungen und Modalitäten

- wird den Arbeitnehmern tschechischer Staatsangehörigkeit, die im Gebiet eines Mitgliedstaats rechtmäßig beschäftigt sind, eine Behandlung gewährt, die hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, der Entlohnung oder der Entlassung keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber den eigenen Staatsangehörigen bewirkt;

- haben die rechtmäßig im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnhaften Ehegatten und Kinder der dort rechtmäßig beschäftigten Arbeitnehmer während der Geltungsdauer der Arbeitserlaubnis dieser Arbeitnehmer Zugang zum Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaats; eine Ausnahme bilden Saisonarbeitnehmer und Arbeitnehmer, die unter bilaterale Abkommen im Sinne von Artikel 42 fallen, sofern diese Abkommen nichts anderes bestimmen."

7 Artikel 45 Absätze 3 und 4 des Europa-Abkommens in Titel IV Kapitel II - Niederlassungsrecht - bestimmt:

(3) Die Mitgliedstaaten gewähren vom Inkrafttreten dieses Abkommens an für die Niederlassung tschechischer Gesellschaften und Staatsangehöriger und für die Geschäftstätigkeit der in ihrem Gebiet niedergelassenen tschechischen Gesellschaften und Staatsangehörigen eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die Behandlung ihrer eigenen Gesellschaften und Staatsangehörigen, mit Ausnahme der in Anhang XVa aufgeführten Bereiche.

(4) Im Sinne dieses Abkommens

a) bedeutet ,Niederlassung

i) im Falle der Staatsangehörigen das Recht auf Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie auf Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften, die sie tatsächlich kontrollieren. Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit und einer Geschäftstätigkeit umfasst nicht die Suche oder Annahme einer Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt der anderen Vertragspartei und verleiht nicht das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt der anderen Vertragspartei. Die Bestimmungen dieses Artikels gelten nicht für diejenigen, die nicht ausschließlich eine selbständige Tätigkeit ausüben;

...

c) umfassen ,Erwerbstätigkeiten insbesondere gewerbliche Tätigkeiten, kaufmännische Tätigkeiten, handwerkliche Tätigkeiten und freiberufliche Tätigkeiten.

..."

8 Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens in Titel IV Kapitel IV - Allgemeine Bestimmungen - bestimmt:

Für die Zwecke des Titels IV werden die Vertragsparteien durch keine Bestimmung dieses Abkommens daran gehindert, ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Einreise und Aufenthalt, Beschäftigung, Beschäftigungsbedingungen, Niederlassung von natürlichen Personen und Erbringung von Dienstleistungen anzuwenden, sofern sie dies nicht in einer Weise tun, durch die die Vorteile, die einer Vertragspartei aus einer Bestimmung des Abkommens erwachsen, zunichte gemacht oder verringert werden."

Nationales Recht

9 Artikel 11 Absatz 1 des Immigration Act 1971 (Zuwanderungsgesetz) legt fest, wie Einreise" in diesem Gesetz auszulegen ist:

Wer im Vereinigten Königreich mit einem Schiff oder Flugzeug ankommt, ist für die Zwecke dieses Gesetzes nicht in das Vereinigte Königreich eingereist, bis er von Bord geht, und, falls dies in einem Hafen geschieht, solange nicht in das Vereinigte Königreich eingereist, als er in einem Gebiet des Hafens verbleibt, das ein Zuwanderungsbeamter zu diesem Zweck bestimmt hat; wer nicht auf sonstige Weise in das Vereinigte Königreich eingereist ist, reist solange nicht ein, als er gemäß den Befugnissen nach Anhang 2 zu dem Gesetz inhaftiert oder geduldet ist."

10 Das für das Ausgangsverfahren im Übrigen einschlägige Recht findet sich im Wesentlichen in den United Kingdom Immigration Rules (House of Commons Paper 395) (vom Parlament des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland 1994 angenommene Regeln über die Zuwanderung; Immigration Rules oder HC 395) in ihrer entscheidungserheblichen Fassung. Die Immigration Rules regeln die Einreise in das Vereinigte Königreich und den Aufenthalt dort.

11 Die Immigration Rules sollen das Recht des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland den Bestimmungen über das Niederlassungsrecht im Europa-Abkommen sowie in den anderen Europa-Abkommen über die Gründung von Assoziationen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den Ländern Mittel- und Osteuropas andererseits anpassen.

12 Die §§ 24 bis 26 HC 395 regeln die vorherige Erteilung der Einreisepapiere bei bestimmten Gruppen von Personen, die einen Einreiseantrag stellen wollen, und die Ablehnung dieses Antrags, wenn solche Papiere nicht erteilt wurden:

24. Ein Visumspflichtiger und jede andere Person, die zu einem Zweck einreisen möchte, für den zuvor Einreisepapiere zu erlangen sind, muss dem Zuwanderungsbeamten bei der Ankunft einen gültigen Pass oder anderen Ausweis vorlegen, der mit einem Einreisepapier indossiert ist, das ihm für den Zweck erteilt wurde, für den er Einreise beantragt. Die Einreise wird versagt, wenn er kein gültiges Einreisepapier hat...

25. Das Einreisepapier ist ein Visum (für Visumspflichtige) oder eine Einreisebescheinigung (für nicht Visumspflichtige). Diese Papiere erbringen Beweis für das Recht des Inhabers auf Einreise in das Vereinigte Königreich und werden demgemäß als ,Einreisepapiere im Sinne des Immigration Act 1971 behandelt.

26. Ein Antrag auf Erteilung von Einreisepapieren wird entsprechend den Regelungen der vorliegenden Bestimmungen über die Erteilung oder die Verweigerung der Einreisegenehmigung behandelt."

13 § 28 HC 395 bestimmt, dass, wer Einreisepapiere beantragt, sich zur Zeit der Antragstellung außerhalb des Vereinigten Königreichs aufhalten und den Antrag bei der bezeichneten Stelle in seinem Herkunftsland stellen muss.

14 Nach einem Anhang zu den Immigration Rules brauchen tschechische Staatsangehörige für die Einreise in das Vereinigte Königreich kein Visum. Das in § 24 HC 395 vorgesehene Einreisepapier ist daher eine Einreisebescheinigung.

15 Teil 6 der Immigration Rules - Personen, die die Einreise in das Vereinigte Königreich oder den Aufenthalt dort als Geschäftsleute, Selbständige, Investoren, Schriftsteller, Komponisten oder Künstler beantragen - enthält Bestimmungen über die Behandlung von Anträgen von Personen, die nach Bestimmungen eines Europa-Abkommens eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben wollen". Die §§ 211, 212 und 214 bis 216, die sich in diesem Teil finden, lauten wie folgt:

211. Eine selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne der §§ 212 bis 223 ist die Tätigkeit als

- Einzelkaufmann oder

- im Rahmen einer Personengesellschaft oder

- im Rahmen einer im Vereinigten Königreich eingetragenen Kapitalgesellschaft.

212. Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung der Einreise in das Vereinigte Königreich zum Zweck der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit ist der Nachweis, dass

(i) der Antragsteller die Voraussetzungen des... § 214 erfuellt;

(ii) die Mittel, die er in seine Tätigkeit investieren will, ihm zur Verfügung stehen und für die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Vereinigten Königreich ausreichen;

(iii) er, bis er aus seiner selbständigen Erwerbstätigkeit Einkünfte erzielt, über zusätzliche Mittel verfügt, die ausreichen, um seinen und den Lebensunterhalt Unterhaltsberechtigter einschließlich der Wohnung ohne Rückgriff auf nichtselbständige Arbeit oder öffentliche Mittel zu bestreiten;

(iv) sein Anteil am Gewinn des Betriebs ausreicht, um seinen und den Lebensunterhalt Unterhaltsberechtigter einschließlich der Wohnung ohne Rückgriff auf unselbständige Arbeit oder öffentliche Mittel zu bestreiten;

(v) er nicht beabsichtigt, seine selbständige Erwerbstätigkeit durch die Aufnahme oder die Suche nach anderer Arbeit im Vereinigten Königreich als seine Arbeit für den Betrieb zu ergänzen;

(vi) im Besitz gültiger Papiere für die Einreise in das Vereinigte Königreich als selbständiger Erwerbstätiger ist.

213....

214. Wer beabsichtigt, sich im Vereinigten Königreich als Alleinunternehmer oder Teilhaber einer Personengesellschaft niederzulassen, muss zusätzlich zu den Erfordernissen nach § 212 nachweisen:

(i) dass er Staatsangehöriger... der Tschechischen Republik ist;

(ii) dass er aktiv am Handel oder an Dienstleistungen auf eigene Rechnung oder als Gesellschafter im Vereinigten Königreich teilnehmen wird;

(iii) dass er, gegebenenfalls zusammen mit anderen Gesellschaftern, Eigentümer des Betriebs wird;

...

...

215. Personen, die die Genehmigung zur Einreise in das Vereinigte Königreich zur Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit beantragen, kann diese Genehmigung für einen Zeitraum von höchsten 12 Monaten unter einer Bedingung erteilt werden, die ihre Freiheit, eine nichtselbständige Tätigkeit aufzunehmen, einschränkt, vorausgesetzt, sie können dem Zuwanderungsbeamten bei ihrer Ankunft gültige Papiere für ihre Einreise in das Vereinigte Königreich als selbständige Erwerbstätige vorweisen.

...

216. Die Genehmigung der Einreise in das Vereinigte Königreich ist Personen, die dort eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen wollen, zu versagen, wenn dem Zuwanderungsbeamten bei der Ankunft keine gültigen Papiere für die Einreise als selbständige Erwerbstätige vorgelegt werden."

16 Nach § 321 HC 395 kann die Einreise jemandem, der in das Vereinigte Königreich einreisen möchte und Inhaber für ihn ausgestellter, noch gültiger Einreisepapiere ist, nur versagt werden, wenn zur Überzeugung des Zuwanderungsbeamten feststeht, dass für die Zwecke der Erlangung der Einreisepapiere schriftlich oder mündlich falsche Erklärungen abgegeben oder wesentliche Umstände nicht offen gelegt wurden, oder dass sich die Umstände seit Erteilung der Einreisepapiere in einer Weise geändert haben, dass die Grundlage für den Einreiseanspruch des Inhabers entfallen ist.

Das Ausgangsverfahren

17 Nach dem Vorlagebeschluss traf der Kläger Barkoci am 14. Oktober 1997 im Vereinigten Königreich ein und beantragte eine unbefristete Einreisegenehmigung, um zu arbeiten, sowie Asyl. Er erklärte, er wolle in das Vereinigte Königreich auswandern, um dort Arbeit zu suchen, da er als Angehöriger der Sinti und Roma in der Tschechischen Republik, aus der er komme, keine Arbeit finden könne. Er wurde gemäß den Bestimmungen des Immigration Act vorläufig in Haft genommen.

18 Der Asylantrag des Klägers wurde vom Beklagten am 11. November 1997 abgelehnt. Dieser legte hiergegen Einspruch ein und erklärte zugleich, keinen Einreiseantrag nach einer anderen Bestimmung des Zuwanderungsrechts des Vereinigten Königreichs stellen zu wollen. Am 3. Dezember 1997 wurde der Kläger gegen eine Kaution bis zur Entscheidung über seinen Einspruch entlassen.

19 Nach Zurückweisung des Einspruchs wurde dem Kläger mitgeteilt, dass Weisung ergangen sei, ihn abzuschieben. Da er jedoch am 9. März 1998 die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach dem Europa-Abkommen beantragt hatte, um sich im Vereinigten Königreich als selbständiger Gärtner niederzulassen, wurden die Vorkehrungen des Secretary of State für seine Abschiebung rückgängig gemacht.

20 Der Kläger Malik, ebenfalls Angehöriger der Sinti und Roma, traf am 18. Oktober 1997 aus der Tschechischen Republik im Vereinigten Königreich ein und beantragte Asyl. Auch er wurde bis zur Entscheidung über seinen Antrag in Haft genommen. Der Asylantrag des Klägers wurde vom Beklagten am 17. November 1997 abgelehnt. Der Einspruch des Klägers wurde vom Special Adjudicator am 23. Januar 1998 zurückgewiesen.

21 Am 22. Januar 1998 beantragte der Kläger nach dem Europa-Abkommen, sich im Vereinigten Königreich niederlassen zu dürfen, um eine Tätigkeit der allgemeinen Reinigung von Haushalten und Geschäftsbetrieben aufzunehmen. Daraufhin sprach die Zuwanderungsbeamtin dem Kläger die Duldung bis zur Abschiebung aus.

22 Da die Kläger weder eine vorherige Einreisebescheinigung noch eine Einreisegenehmigung erhalten hatten, galten sie gemäß Artikel 11 Absatz 1 Immigration Act 1971 als nicht in das Vereinigte Königreich eingereist. Ihre Anträge auf Aufenthaltsgenehmigung wurden daher als Anträge auf Einreisegenehmigung nach dem Europa-Abkommen behandelt.

23 Die Zuwanderungsbeamten, die die klägerischen Anträge prüften, prüften daher nur, ob die die übrigen Voraussetzungen des § 212 HC 395 klar und offenkundig erfuellt seien, so dass auf das Erfordernis gültiger Einreisepapiere nach § 212 (vi) durch Ermessensentscheidung verzichtet und eine Einreisegenehmigung außerhalb der Immigration Rules gewährt werden könne.

24 Jedoch waren die Zuwanderungsbeamten aufgrund der Geschäftspläne der Kläger und ihrer Antworten während der Anhörung weder von der Rentabilität der Tätigkeiten der Kläger noch auch nur von deren wahrer Selbständigkeit überzeugt. Namentlich der Kläger Malik erklärte ausdrücklich, dass er weiterhin Sozialhilfe in Anspruch nehme, bis seine Tätigkeit genügend Gewinn abwerfe.

25 Daher lehnten die Zuwanderungsbeamten mit Bescheiden vom 9. bzw. 6. März 1998 gemäß § 216 HC 395 die beantragten Einreisegenehmigungen mit der Begründung ab, dass die Kläger nicht über die nach § 212 (vi) HC 395 erforderlichen Einreisepapiere verfügten.

26 Jedoch wurden die Kläger bis zur Abschiebung geduldet. Die dem Kläger Barkoci am 9. März 1998 gewährte Duldung verbot ihm erstmalig, eine Beschäftigung im Vereinigten Königreich anzunehmen und/oder dort eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen.

27 Die gegenüber dem Kläger Malik am 22. Januar 1998, also vor der Versagung der Einreisegenehmigung, ausgesprochene Duldung enthielt hingegen kein solches Verbot.

28 Am 24. Juli 1998 wurde dem Antrag der Kläger auf Zulassung der Klage gegen die beiden Bescheide, mit denen der Beklagte ihnen die Einreise versagt hatte, zugelassen. Deshalb wurde ihre Abschiebung aufgeschoben.

Die Vorabentscheidungsfragen

29 Der High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court), hielt für die Entscheidung des Rechtsstreits die Auslegung des Europa-Abkommens für erforderlich. Er hat dem Gerichtshof die folgenden sieben Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Unmittelbare Wirkung und Auslegung des Europa-Abkommens

1. Hat Artikel 45 des Europa-Abkommens ungeachtet des Artikels 59 des Abkommens unmittelbare Wirkung im nationalen Recht der Mitgliedstaaten?

2. Falls die erste Frage bejaht wird: Wie ist der Vorbehalt im vorletzten Satz des Artikels 59 Absatz 1 des Abkommens (insbesondere die Klausel Vorteile, die einer Vertragspartei aus einer Abkommensbestimmung erwachsen") auszulegen; allgemeiner: inwieweit kann ein Mitgliedstaat, ohne diese Klausel zu verletzen, seine Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Einreise, Aufenthalt und Niederlassung von natürlichen Personen auf Personen anwenden, die sich auf Artikel 45 des Abkommens berufen?

3. Falls die erste Frage verneint wird: Ist eine natürliche Person, die Staatsangehöriger der Tschechischen Republik ist, gleichwohl berechtigt, sich in einem nationalen Rechtsstreit, in dem sie eine Entscheidung der zuständigen nationalen Behörden anficht, mit der ihr die Zulassung zur Niederlassung als Selbständiger nach dem Abkommen versagt wird, auf Artikel 45 dieses Abkommens zu berufen, um die Rechtswidrigkeit der Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats über Einreise, Aufenthalt und Niederlassung natürlicher Personen geltend zu machen, und gegebenenfalls auf welcher Rechtsgrundlage?

Das Erfordernis, vor Reiseantritt eine Erlaubnis zu erlangen

4. Falls die erste oder die dritte Frage bejaht wird: Erlauben Artikel 45 und/oder 59 des Abkommens einem Mitgliedstaat, von einer Person, die nur zu dem Zweck in einen Mitgliedstaat reisen möchte, um sich dort als Selbständiger nach dem Abkommen niederzulassen, zu verlangen, dass sie vorab Einreisepapiere" (also eine Voraberlaubnis, in diesen Staat zu diesem Zweck einzureisen) beantragt und erlangt?

5. Falls die vierte Frage bejaht wird:

a) Ist ein Mitgliedstaat berechtigt, die Erteilung solcher Einreisepapiere davon abhängig zu machen, dass materielle Voraussetzungen der Niederlassung erfuellt sind, wie sie etwa § 212 HC 395 enthält; und

b) kann ein Mitgliedstaat die Einreise einer Person, die sich als Selbständiger nach dem Abkommen niederlassen will, aus dem alleinigen Grund verweigern, dass sie keine Einreisepapiere erlangt hat?

6. Hat in Fällen, in denen eine Person nicht auf einer anderen Grundlage die Genehmigung zur Einreise in den Mitgliedstaat erhalten hat, einer der folgenden Umstände auf die Beantwortung der Frage 5 Einfluss (gegebenenfalls welchen):

i) der Umstand, dass der Betroffene bei der ursprünglichen Ankunft an der Grenze des Mitgliedstaates Einreise nicht nach dem Abkommen, sondern auf einer anderen Grundlage beantragte, die später zurückgewiesen wurde;

ii) der Zeitraum, der zwischen der ursprünglichen Ankunft des Antragstellers an der Grenze des Mitgliedstaats und dem Zeitpunkt seines späteren Antrags auf Niederlassung als Selbständiger nach dem Abkommen verstrichen ist;

iii) der Umfang der Beschränkungen, die die nationalen Behörden dem Antragsteller während dieses Zeitraums aufgrund von Befugnissen nach nationalem Zuwanderungsrecht hinsichtlich seiner Freizügigkeit oder seiner selbständigen oder unselbständigen Beschäftigung auferlegt haben;

iv) der Umstand, dass der Antragsteller von dem Mitgliedstaat Sozialhilfe erlangt hat und hiervon finanziell abhängig war, während er sich als Selbständiger niederließ?

7. Falls ein Mitgliedstaat nicht berechtigt ist, einer Person, die sich nach dem Abkommen niederlassen will, allein mit der Begründung die Einreise zu versagen, dass sie nicht vorab Einreisepapiere erlangt hat, ist es dann legitim, wenn die zuständigen Behörden einer solchen Person eine Einreisegenehmigung nur dann gewähren, wenn ihr Antrag die materiellen Kriterien klar und offenkundig erfuellt, die angewandt worden wären, wenn sie vorab Einreisepapiere beantragt hätte?

Die erste Frage

30 Die erste Frage geht dahin, ob sich ein Einzelner vor dem Gericht eines Mitgliedstaats auf Artikel 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens berufen kann, obwohl die Behörden des Aufnahmestaats nach Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens die Befugnis behalten, auf den tschechischen Staatsangehörigen, der sich auf Artikel 45 beruft, ihre Rechtsvorschriften über Einreise, Aufenthalt und Beschäftigung anzuwenden.

31 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Bestimmung eines von der Gemeinschaft mit Drittländern geschlossenen Abkommens unmittelbar anwendbar, wenn sie unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und im Hinblick auf Zweck und Wesen des Abkommens eine klare und eindeutige Verpflichtung enthält, deren Erfuellung oder deren Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Akts abhängen (vgl. insbesondere Urteil vom 4. Mai 1999 in der Rechtssache C-262/96, Sürül, Slg. 1999, I-2685, Randnr. 60).

32 Es ist zunächst zu prüfen, ob Artikel 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens nach seinem Wortlaut diese Kriterien erfuellt.

33 Die Bestimmung verbietet den Mitgliedstaaten klar, eindeutig und unbedingt, tschechische Staatsangehörige, die auf ihrem Gebiet als Selbständige oder als Gründer oder Geschäftsführer von Firmen tätig sind, die sie tatsächlich kontrollieren, aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminierend zu behandeln.

34 Dieses Gleichbehandlungsgebot begründet eine Verpflichtung zur Erreichung eines ganz bestimmten Ergebnisses und ist seinem Wesen nach geeignet, vom Einzelnen vor einem nationalen Gericht zur Stützung des Begehrens geltend gemacht zu werden, diskriminierende Vorschriften des Rechts eines Mitgliedstaats unangewendet zu lassen, die die Niederlassung eines tschechischen Staatsangehörigen von einer Voraussetzung abhängig macht, die für Inländer nicht gilt; des Erlasses ergänzender Durchführungsvorschriften bedarf es insoweit nicht (in diesem Sinne Urteil Sürül, Randnr. 63).

35 Auch Zweck und Wesen des Europa-Abkommens stehen der Feststellung, dass das Gleichbehandlungsgebot des Artikels 45 Absatz 3 für Einzelne unmittelbar gilt, nicht entgegen.

36 Nach der achtzehnten Begründungserwägung sowie nach Artikel 1 Absatz 2 des Europa-Abkommens hat dieses zum Ziel, eine Assoziation zu schaffen, die die Ausweitung des Handels und ausgewogene Wirtschaftsbedingungen zwischen den Vertragsparteien fördern und so die dynamische wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand in der Tschechischen Republik begünstigen soll, um ihren Beitritt zur Gemeinschaft zu erleichtern.

37 Zudem schließt der Umstand, dass mit dem Abkommen im Wesentlichen die wirtschaftliche Entwicklung Tschechiens gefördert werden soll und deshalb ein Ungleichgewicht zwischen den jeweiligen Verpflichtungen der Gemeinschaft und des betreffenden Drittlands besteht, nicht aus, dass die Gemeinschaft die unmittelbare Wirkung einiger seiner Bestimmungen anerkennt (in diesem Sinne Urteil Sürül, Randnr. 72).

38 Auch Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens steht der Feststellung nicht entgegen, dass Artikel 45 Absatz 3 unmittelbar anwendbar ist. Aus Artikel 59 Absatz 1 ergibt sich nur, dass die Mitgliedstaaten die Befugnis behalten, im Rahmen des Europa-Abkommens ihr nationales Einreise-, Aufenthalts- und Niederlassungsrecht anzuwenden. Artikel 59 Absatz 1 betrifft daher nicht die Durchführung der Bestimmungen des Europa-Abkommens über die Niederlassung durch die Mitgliedstaaten und macht die Durchführung oder die Wirkungen des Gleichbehandlungsgebots des Artikels 45 Absatz 3 nicht vom Erlass zusätzlicher nationaler Maßnahmen abhängig.

39 Auf die erste Frage ist somit zu antworten, dass Artikel 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens für dessen Geltungsbereich einen klaren und unbedingten Grundsatz aufstellt, der vom nationalen Gericht angewandt werden und deshalb die Rechtslage von Privaten regeln kann. Die unmittelbare Wirkung, die der Bestimmung somit zukommt, bedeutet, dass tschechische Staatsangehörige das Recht haben, sich vor den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats auf sie zu berufen, auch wenn dieser Mitgliedstaat nach Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens die Befugnis behält, auf diese Staatsangehörigen sein nationales Einreise-, Aufenthalts- und Niederlassungsrecht anzuwenden.

Die Fragen 2, 4, 5 und 7

40 Die Fragen, 2, 4, 5 und 7 sind gemeinsam zu erörtern. Sie gehen dahin, ob Artikel 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens angesichts des Artikels 59 Absatz 1 geeignet ist, einem tschechischen Staatsangehörigen ein Einreiserecht in einen Mitgliedstaat zu verleihen, in dem er nach diesem Abkommen eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen will.

41 Das vorlegende Gericht möchte namentlich wissen, ob die genannten Bestimmungen des Europa-Abkommens nationalen Regelungen entgegenstehen, nach denen

- ein tschechischer Staatsangehöriger vor seiner Abreise in den Aufnahmestaat ein Einreisepapier erlangen muss, das nur nach Prüfung der materiellen Voraussetzungen des § 212 HC 395 ausgestellt wird, und

- die Zuwanderungsbeamten dieses Staates, die an den Grenzübergängen dieses Staates nach ihrem Ermessen über Einreiseanträge tschechischer Staatsangehöriger nach diesem Abkommen entscheiden, die keine Einreisepapiere besitzen, eine Einreisegenehmigung außerhalb der Immigration Rules nur erteilen dürfen, wenn der Antrag klar und offenkundig die materiellen Voraussetzungen erfuellt, die auch für die Erteilung von Einreisepapieren gelten.

42 Im Interesse einer sachdienlichen Antwort auf diese Fragen ist zu prüfen, inwieweit der Aufnahmemitgliedstaat ohne Verstoß gegen die Klausel am Ende des Artikels 59 Absatz 1 Satz 1 des Europa-Abkommens sein Einreise-, Aufenthalts- und Niederlassungsrecht auf tschechische Staatsangehörige anwenden kann, die sich auf Artikel 45 Absatz 3 des Abkommens berufen.

43 Nach Artikel 45 Absatz 4 Buchstaben a und c des Europa-Abkommens betrifft das Diskriminierungsverbot in Artikel 45 Absatz 3 das Recht auf Zugang zu gewerblichen Tätigkeiten, kaufmännischen Tätigkeiten, handwerklichen Tätigkeiten und freiberuflichen Tätigkeiten, ferner das Recht, sie als Selbständiger auszuüben, sowie das Recht, Firmen zu gründen und zu leiten.

44 Das Recht eines tschechischen Staatsangehörigen auf Zugang zu Erwerbstätigkeiten, die unabhängig vom Arbeitsmarkt sind, setzt voraus, dass er ein Einreise- und Aufenthaltsrecht im Aufnahmestaat hat. Daher ist die Bedeutung des Artikels 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens zu erörtern.

Die Bedeutung des Artikels 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens und die allfällige Erstreckung der Auslegung des Artikels 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) auf diese Bestimmung

45 Die Kläger bringen vor, das Recht, das sie auf der Grundlage des Artikels 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens geltend machten, entspreche dem Niederlassungsrecht des Artikels 52 EG-Vertrag. Dass in Artikel 52 EG-Vertrag ein Aufenthaltsrecht nicht erwähnt werde, habe den Gerichtshof nicht an der Auffassung gehindert, diese Bestimmung verleihe den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats unabhängig von der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung durch den Aufnahmestaat unmittelbar das Recht auf Einreise in diesen und auf Aufenthalt dort (Urteil vom 8. April 1976 in der Rechtssache 48/75, Royer, Slg. 1976, 497, Randnrn. 31 f.).

46 Einem tschechischen Staatsangehörigen stuenden die Rechte auf Niederlassung und Aufenthalt, die Artikel 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens indirekt verleihe, immer dann zu, wenn seine Erwerbstätigkeiten echt und nachprüfbar seien, ohne dass bestimmte Mindesteinnahmen vorgeschrieben wären. Die angefochtenen Entscheidungen des Secretary of State belegten, dass die Erwerbstätigkeiten der Kläger, solange ihre Unternehmerfreiheit nicht beschränkt gewesen sei, nicht nur unbedeutend oder nebensächlich gewesen seien.

47 Freilich unterlägen die fraglichen Rechte der Begrenzung nach Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens. Bestimmungen über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von natürlichen Personen dürften die Mitgliedstaaten jedoch nur erlassen, wenn diese Rechte nicht unvernünftig und übermäßig eingeschränkt würden. Eine Auslegung, nach der die Ausübung des Rechts auf diskriminierungsfreie Niederlassung in einem Mitgliedstaat im unbeschränkten Ermessen dieses Staates läge, würde dem Kapitel des Europa-Abkommens über das Niederlassungsrecht jede Bedeutung nehmen.

48 Daher würden die in Artikel 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens anerkannten Rechte bereits dadurch ihrer Wirkung beraubt, dass der Aufnahmemitgliedstaat nationales Zuwanderungsrecht anwende, das von tschechischen Staatsangehörigen eine Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung verlange.

49 Dem halten die Regierung des Vereinigten Königreichs, die anderen Regierungen, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, und die Kommission entgegen, dass die Artikel 45 Absatz 3 und 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens nach dessen Sinn und Zweck im Zusammenhang gesehen werden müssten. Da Artikel 38 des Europa-Abkommens kein Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats vorsehe, sei eine nationale Überwachungsregelung, die auf der Pflicht zur Erlangung einer vorherigen Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung beruhe, erforderlich, um zu verhindern, dass sich tschechische Staatsangehörige auf die Bestimmungen über das Niederlassungsrecht in diesem Abkommen beriefen, die in Wirklichkeit auf diesem Weg als Arbeitnehmer Zugang zum Arbeitsmarkt gewinnen wollten.

50 Nach ständiger Rechtsprechung zur Auslegung der Bestimmungen des EG-Vertrags wie des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (ABl. 1964, 217, S. 3687) setzt das Recht auf Inländerbehandlung bei der Niederlassung, das Artikel 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens in einer Weise beschreibt, die derjenigen des Artikels 52 EG-Vertrag ähnlich oder analog ist, als Nebenrecht zum Niederlassungsrecht der tschechischen Staatsangehörigen, die gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten in einem Mitgliedstaat ausüben wollen, durchaus ein Einreise- und Aufenthaltsrecht voraus (siehe Urteile Royer, Randnrn. 31 f., und vom 11. Mai 2000 in der Rechtssache C-37/98, Savas, Slg. 2000, I-2927, Randnrn. 60 und 63).

51 Andererseits genügt eine schlicht ähnliche Fassung einer Bestimmung eines Gründungsvertrags der Gemeinschaften und eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen der Gemeinschaft und einem Drittland nicht, um der Bestimmung des völkerrechtlichen Vertrags die Bedeutung zu geben, die den Bestimmungen der Gründungsverträge zukommt (vgl. Urteile vom 9. Februar 1982 in der Rechtssache 270/80, Polydor und RSO, Slg. 1982, 329, Randnrn. 14 bis 21; vom 26. Oktober 1982 in der Rechtssache 104/81, Kupferberg, Slg. 1982, 3641, Randnrn. 29 bis 31, und vom 1. Juli 1993 in der Rechtssache 312/91, Metalsa, Slg. 1993, I-3751, Randnrn. 11 bis 20).

52 Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass die Übertragung der Auslegung einer Bestimmung des EG-Vertrags auf eine vergleichbar, ähnlich oder übereinstimmend gefasste Bestimmung eines Abkommens zwischen der Gemeinschaft und einem Drittland insbesondere davon abhängt, welchen Zweck diese Bestimmungen in dem ihnen je eigenen Rahmen verfolgen. Insoweit kommt dem Vergleich von Zweck und Kontext des Abkommens und des EG-Vertrags erhebliche Bedeutung zu (siehe Urteil Metalsa, Randnr. 11).

53 Das Europa-Abkommen bezweckt schlicht, einen geeigneten Rahmen für die schrittweise Integration der Tschechischen Republik in die Gemeinschaft zum Zwecke ihres späteren Beitritts zu bieten, während der Zweck des EG-Vertrags die Schaffung eines Binnenmarktes ist, der durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist (vgl. Artikel 3 Buchstabe c EG-Vertrag [jetzt nach Änderung Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c EG]).

54 Im Übrigen ergibt sich aus Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens, dass das Einreise- und das Aufenthaltsrecht der tschechischen Staatsangehörigen als Nebenrechte des Niederlassungsrechts nicht schrankenlos gewährleistet sind, ihre Ausübung gegebenenfalls vielmehr durch die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung tschechischer Staatsangehöriger beschränkt werden kann.

55 Daher kann die in der Rechtsprechung des Gerichtshofes gefundene Auslegung des Artikels 52 EG-Vertrag nicht auf Artikel 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens übertragen werden.

56 Das Vorbringen der Kläger, die den tschechischen Staatsangehörigen in Artikel 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens zuerkannten Rechte würden bereits dadurch ihrer Wirkung beraubt, dass ein Mitgliedstaat sein nationales Zuwanderungsrecht, das eine Einreisegenehmigung für tschechische Staatsangehörige vorsehe, anwende, ist daher zurückzuweisen.

57 Freilich ergibt sich aus Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens, dass die Befugnis des Aufnahmemitgliedstaats, sein nationales Einreise-, Aufenthalts- und Niederlassungsrecht für natürliche Personen auf Anträge tschechischer Staatsangehörigen anzuwenden, die Vorteile, die der Tschechischen Republik aus diesem Abkommen erwachsen, nicht zunichte machen oder verringern darf.

58 Zu prüfen ist daher, ob die im Zuwanderungsrecht des Aufnahmemitgliedstaats vorgesehenen Beschränkungen des Niederlassungsrechts, das den tschechischen Staatsangehörigen in Artikel 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens direkt eingeräumt wird, sowie das Einreise- und das Aufenthaltsrecht, die Nebenrechte dazu darstellen, mit der Klausel in Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens vereinbar sind.

Die Vereinbarkeit der Einschränkungen des Niederlassungsrechts durch das Zuwanderungsrecht des Aufnahmemitgliedstaats mit der Klausel in Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens

59 Zu prüfen ist, ob die vom Mitgliedstaat angewandten Zuwanderungsbestimmungen, nach denen ein tschechischer Staatsangehöriger vor seiner Abreise in den Aufnahmemitgliedstaat Einreisepapiere erhalten haben muss, deren Erteilung von der Prüfung materieller Voraussetzungen der Art abhängt, wie sie in § 212 HC 395 vorgesehen sind, geeignet sind, das angestrebte Ziel zu erreichen, und im Hinblick auf dieses Ziel keinen Eingriff in den Wesensgehalt der den tschechischen Staatsangehörigen in Artikel 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens gewährten Rechte darstellen, die die Ausübung dieser Rechte unmöglich oder übermäßig schwierig machen würden.

60 Die Kläger und die Kommission bringen vor, wenn ein Mitgliedstaat einem tschechischen Staatsangehörigen die Einreise aus dem rein formalen Grund verweigere, dass dieser vor seiner Abreise keine Einreisepapiere erhalten habe, dann überschreite er offenkundig die Grenzen, die ihm vom Europa-Abkommen im Hinblick auf das angestrebte Ziel gezogen würden, sofern der besagte Staatsangehörige den materiellen Anforderungen des Zuwanderungsrechts genüge, die sich auf die ausschließliche und gewinnbringende Art der beabsichtigten selbständigen Erwerbstätigkeit bezögen.

61 Um die Begründetheit dieses Vorbringens zu prüfen, muss, da Artikel 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens nur auf Personen anwendbar ist, die ausschließlich eine selbständige Tätigkeit im Sinne des Artikels 45 Absatz 4 Buchstabe a Ziffer i letzter Satz ausüben, festgestellt werden, ob die nach dieser Bestimmung Berechtigten im Aufnahmemitgliedstaat eine Arbeitnehmer- oder eine selbständige Tätigkeit ausüben wollen.

62 Daher verfolgt eine nationale Regelung, die die vorherige Kontrolle der genauen Art der vom Antragsteller beabsichtigten Tätigkeit vorsieht, ein legitimes Ziel, da sie erlaubt, die Ausübung des Einreise- und Aufenthaltsrechts durch tschechische Staatsangehörige, die sich auf Artikel 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens berufen, nur solchen zu gestatten, die Rechte aus dieser Bestimmung ziehen können.

63 Materielle Anforderungen der Art, wie sie in § 212 HC 395 enthalten sind, verfolgen, wie die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission vorgetragen haben, das Ziel, den zuständigen Behörden die Prüfung zu erlauben, ob ein tschechischer Staatsangehöriger, der sich im Vereinigten Königreich niederlassen will, wirklich die Absicht hat, dort eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen, ohne zugleich auf eine unselbständige Beschäftigung oder öffentliche Mittel zurückzugreifen, und ob er von Anfang an über hinreichende Mittel und vernünftige Erfolgsaussichten verfügt. Materielle Anforderungen wie sie § 212 HC 395 vorsieht, sind zudem geeignet, dieses Ziel zu erreichen.

64 Stellt sich im Rahmen einer solchen vorherigen Kontrolle heraus, dass ein tschechischer Staatsangehöriger, der formgerecht einen Antrag auf Einreisegenehmigung im Hinblick auf die Niederlassung gestellt hat, den materiellen Anforderungen entspricht, die das Zuwanderungsrecht des Aufnahmemitgliedstaats für diese Zwecke aufstellt, so verpflichtet die Beachtung der Klausel in Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens den Mitgliedstaat, ihm das Niederlassungsrecht als Selbständiger und zu diesem Zweck eine Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung zuzuerkennen.

65 Im Übrigen erfordert eine solche vorherige Kontrolle eingehende Untersuchungen, die vom Zuwanderungsbeamten an der Einreisestelle des Vereinigten Königreichs namentlich aus sprachlichen Gründen kaum durchzuführen sind. Müssen die materiellen Voraussetzungen hingegen in der Tschechischen Republik überprüft werden, so erlaubt das einen einfacheren Zugang zu den Informationen über die Lage der tschechischen Staatsangehörigen, die sich im Vereinigten Königreich niederlassen wollen.

66 Daher sind nationale Bestimmungen, nach denen ein tschechischer Staatsangehöriger vor seiner Abreise in den Aufnahmemitgliedstaat Einreisepapiere erhalten muss, deren Ausstellung von der Überprüfung materieller Voraussetzungen abhängig ist, wie sie in § 212 HC 395 vorgesehen sind, mit dem Europa-Abkommen vereinbar.

67 Hinzu kommt Folgendes. Zwar haben die Zuwanderungsbehörden des Aufnahmemitgliedstaats die Befugnis, die Einreisegenehmigung, die ein tschechischer Staatsangehöriger bei seiner Ankunft auf dem Gebiet dieses Staates beantragt, mit der alleinigen Begründung zu verweigern, dass er in seinem Wohnsitzland kein Einreisepapier für eine Niederlassung erhalten hat. Gleichwohl haben die Zuwanderungsbeamten, wie in Randnummern 22 f. ausgeführt, obwohl die Kläger niemals Einreisepapiere für das Vereinigte Königreich beantragt hatten, im Rahmen ihres Ermessens eine einzelfallbezogene Prüfung der Einreiseanträge vorgenommen, die die Kläger fünf Monate bzw. drei Monate nach ihrer physischen Einreise gestellt hatten, um zu überprüfen, ob ihnen auf einer anderen Grundlage als den Immigration Rules eine Einreisegenehmigung deshalb erteilt werden könne, weil die übrigen Voraussetzungen des § 212 HC 395 klar und offenkundig erfuellt seien.

68 Eine solche Einzelfallprüfung im Falle tschechischer Staatsangehöriger ohne Einreisepapiere, wie sie im Ausgangsverfahren durchgeführt wurde, scheint der flexiblen Praxis der britischen Behörden in Zuwanderungssachen zu entsprechen. In der mündlichen Verhandlung hat das Vereinigte Königreich vorgetragen, dass der Secretary of State im Fall von Einreiseanträgen zum Zwecke der Niederlassung, die nach dem Abkommen an der Einreisestelle des Vereinigten Königreichs gestellt würden, regelmäßig sein Ermessen ausübe.

69 Daher braucht nicht geprüft zu werden, ob Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens es dem Aufnahmemitgliedstaat erlaubt, einem tschechischen Staatsangehörigen ohne Einreisepapiere die Einreise zu verweigern. Zu prüfen ist nur, ob das britische Vorgehen insgesamt - also die Anwendung des gesamten nationalen Zuwanderungsrechts einschließlich des Ermessens des Secretary of State, im Einzelfall auf Einreisepapiere zu verzichten - mit der Klausel am Ende des Artikels 59 Absatz 1 Satz 1 vereinbar ist.

Die Vereinbarkeit der Art der Ausübung des Ermessens des Secretary of State mit der Klausel in Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens

70 Hierfür ist von Belang, dass eine Regelung der vorherigen Kontrolle, wie sie die Immigration Rules vorsehen, nach den Ausführungen in den Randnummern 62 bis 66 grundsätzlich mit Artikel 45 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens vereinbar ist, wenn der Aufnahmemitgliedstaat mit dieser Regelung die Erteilung einer Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung davon abhängig macht, dass die Zuwanderungsbehörden überprüfen, ob der Antragsteller im Aufnahmestaat wirklich ausschließlich einer gewinnbringenden selbständigen Tätigkeit nachgehen will.

71 Aufgrund der Regelung, die im Falle tschechischer Staatsangehöriger ohne Einreisepapiere eine Einzelfallprüfung vorsieht, kann zudem eine Einreisegenehmigung außerhalb der Immigration Rules erteilt werden, wenn die materiellen Anforderungen an eine Niederlassung, die das Zuwanderungsrecht des Aufnahmemitgliedstaats vorsieht, klar und offenkundig erfuellt sind, wenn die Ablehnung des Antrags aus dem einzigen Grund, der Staatsangehörige habe kein vorheriges Einreisepapier erhalten, also rein formalistisch wäre.

72 Soweit nun die Zuwanderungsbehörden des Aufnahmemitgliedstaats generell Einreisepapiere nicht unabdingbar verlangen, entspricht es dem Sinn einer vorherigen Kontrollregelung und ist nach dem Europa-Abkommen gerechtfertigt, dass diese Behörden den aufgrund dieses Abkommens an der Einreisestelle gestellten Niederlassungsantrag im Rahmen ihres Ermessens einer summarischeren Prüfung unterziehen, als sie beim Antrag auf Erteilung eines Einreisepapiers eines tschechischen Staatsangehörigen in seinem Wohnsitzland erfolgt.

73 Dass der Antrag tschechischer Staatsangehöriger auf Niederlassung im Aufnahmemitgliedstaat auf der Grundlage des Europa-Abkommens - vorbehaltlich der gerichtlichen Kontrolle des entsprechenden Bescheids der Zuwanderungsbehörden - offenkundig begründet sein muss, macht die Ausübung der diesen Staatsangehörigen in Artikel 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens eingeräumten Rechte daher nicht unmöglich noch erschwert es sie übermäßig.

74 Nach alledem verwehren es die Artikel 45 Absatz 3 und 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens den Zuwanderungsbehörden des Aufnahmemitgliedstaats nicht, von einem tschechischen Staatsangehörigen zu verlangen, dass er vor seiner Abreise in diesen Staat ein Einreisepapier erhält, das nach der Prüfung materieller Voraussetzungen der Niederlassung, wie sie in § 212 HC 395 vorgesehen sind, ausgestellt wird, soweit diese Behörden bei Einreiseanträgen zum Zwecke der Niederlassung, die nach diesem Abkommen an der Einreisestelle gestellt werden, ihr Ermessen dahin ausüben, dass dem tschechischen Staatsangehörigen auf einer anderen Grundlage als den Immigration Rules eine Einreisegenehmigung gewährt werden kann, wenn sein Antrag diejenigen materiellen Voraussetzungen klar und offenkundig erfuellt, die angewandt worden wären, wenn er in der Tschechischen Republik ein Einreisepapier beantragt hätte.

Die Vereinbarkeit der Anforderung, dass ein neuer formgerechter Niederlassungsantrag zu stellen ist, mit dem Gleichbehandlungsgebot des Artikels 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens

75 Die Kläger behaupten weiter, die Abschiebung aus dem Aufnahmemitgliedstaat, die ihnen trotz ihrer tatsächlichen Anwesenheit im Vereinigten Königreich drohe, könne ernstlich mit ihrer Fähigkeit in Konflikt geraten, ein bereits errichtetes Unternehmen zu führen, was für keine der Maßnahmen gelte, die einem britischen Staatsangehörigen auferlegt werden könnten, der ein ähnliches Unternehmen führe.

76 Daher ist zu prüfen, ob es mit dem Gleichbehandlungsgebot des Artikels 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens vereinbar ist, von einem tschechischen Staatsangehörigen, der weder vor seiner Abreise in den Aufnahmestaat ein Einreisepapier noch an der Einreisestelle eine Einreisegenehmigung auf einer anderen Grundlage als den Immigration Rules erhalten hat, einen neuen, formgerechten Antrag auf Niederlassung zu verlangen, der im Herkunftsstaat oder gegebenenfalls in einem anderen Land zu stellen ist, obwohl von den Angehörigen des Aufnahmemitgliedstaats solches nicht gefordert wird.

77 Wie in Randnummer 22 ausgeführt, werden die Kläger gemäß Section 11 (1) des Immigration Act 1971 so behandelt, als wären sie nicht in das Vereinigte Königreich eingereist; ihre Anträge auf Aufenthaltsgenehmigung wurden daher als Anträge auf erstmalige Einreisegenehmigung behandelt. Entgegen dem Vorbringen der Kläger entspricht nach einer nationalen Regelung, die auf angemessenen, vor der Abreise eines tschechischen Angehörigen in den Aufnahmestaat durchgeführten Überprüfungsmaßnahmen beruht, die Duldung von dessen physischer Anwesenheit ohne Einreisepapiere nicht einer echten Einreisegenehmigung.

78 An der Vereinbarkeit einer nationalen Zuwanderungskontrolle, nach der vorab Einreisepapiere zu beantragen sind, mit dem Europa-Abkommen ändert es nämlich nichts, dass ein tschechischer Staatsangehöriger bis zur Entscheidung über eine Klage gegen einen früheren Bescheid, mit dem ihm auf anderer Grundlage die Einreise in den Mitgliedstaat versagt wurde, geduldet worden war und, bevor er den Antrag auf Niederlassung gestellt hatte, im Interesse der Beachtung der Menschenwürde und der Solidarität die Erlaubnis erhalten hatte, zu arbeiten oder öffentliche Mittel zu beziehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. September 1990 in der Rechtssache C-192/89, Sevince, Slg. 1990, I-3461, Randnr. 31, und vom 16. Dezember 1992 in der Rechtssache C-237/91, Kus, Slg. 1992, I-6781, Randnrn. 12 bis 17).

79 Die Kläger können also nicht unter Berufung darauf, dass sie im Vereinigten Königreich geduldet wurden, geltend machen, sie hätten das Recht erworben, in diesem Mitgliedstaat einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen; dieses Recht könne verletzt werden, wenn sie in ihrem Herkunftsstaat oder gegebenenfalls in einem anderen Land einen neuen formgerechten Antrag auf Einreisepapiere stellen müssten.

80 Wie der Gerichtshof im Übrigen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit entschieden hat, erlaubt der Vorbehalt in Artikel 48 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt nach Änderung Artikel 39 Absatz 3 EG) den Mitgliedstaaten, gegenüber den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten aus den in dieser Bestimmung genannten Gründen, darunter Gründen der öffentlichen Ordnung, Maßnahmen zu ergreifen, die sie gegenüber ihren eigenen Staatsangehörigen deshalb nicht treffen könnten, weil sie nicht die Befugnis haben, diese abzuschieben oder ihnen die Einreise zu untersagen (vgl. Urteile vom 4. Dezember 1974 in der Rechtssache 41/74, Van Duyn, Slg. 1974, 1337, Randnr. 22, vom 18. Mai 1982 in den Rechtssachen 115/81 und 116/81, Adoui und Cornuaille, Slg. 1982, 1665, Randnr. 7, vom 7. Juli 1992 in der Rechtssache C-370/90, Singh, Slg. 1992, I-4265, Randnr. 22, vom 17. Juni 1997 in den Rechtssachen C-65/95 und C-111/95, Shingara und Radiom, Slg. 1997, I-3343, Randnr. 28, und vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C-171/96, Pereira Roque, Slg. 1998, I-4607, Randnr. 37).

81 Diese unterschiedliche Behandlung eigener Staatsangehöriger und von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten beruht auf dem völkerrechtlichen Grundsatz, dass es einem Mitgliedstaat verwehrt ist, seinen eigenen Staatsangehörigen die Einreise und den Aufenthalt im Inland zu untersagen, worauf auch immer sie gestützt werden; es ist nicht anzunehmen, dass der EG-Vertrag diesen Grundsatz in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten außer Acht lässt (Urteile Van Duyn, Randnr. 22, und Pereira Roque, Randnr. 38).

82 Aus denselben Gründen ist eine solche Ungleichbehandlung zugunsten der Angehörigen des Aufnahmemitgliedstaats mit Artikel 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens vereinbar.

83 Nach alledem ist auf die Fragen 2, 4, 5 und 7 wie folgt zu antworten:

- Das Niederlassungsrecht im Sinne des Artikels 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens setzt als Nebenrechte ein Einreise- und ein Aufenthaltsrecht der tschechischen Staatsangehörigen voraus, die gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten in einem Mitgliedstaat ausüben wollen. Jedoch ergibt sich aus Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens, dass dieses Einreise- und Aufenthaltsrecht nicht schrankenlos gewährleistet ist, seine Ausübung gegebenenfalls vielmehr durch die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung tschechischer Staatsangehöriger beschränkt werden kann.

- Artikel 45 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens steht grundsätzlich einer Regelung vorheriger Kontrolle nicht entgegen, nach der die Erteilung einer Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung durch die Zuwanderungsbehörden voraussetzt, dass der Antragsteller seine wirkliche Absicht nachweist, eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen, ohne zugleich auf eine unselbständige Beschäftigung oder öffentliche Mittel zurückzugreifen, und dass er von Anfang an über hinreichende Mittel und vernünftige Erfolgsaussichten verfügt. Materielle Anforderungen, wie sie § 212 HC 395 vorsieht, sollen den zuständigen Behörden diese Prüfung erlauben und sind geeignet, dieses Ziel zu erreichen.

- Nach der Klausel am Ende des Artikels 59 Absatz 1 Satz 1 des Europa-Abkommens hat eine Regelung, nach der ein tschechischer Staatsangehöriger vor seiner Abreise in den Aufnahmemitgliedstaat Einreisepapiere erlangen muss, deren Erteilung von der Überprüfung materieller Voraussetzungen abhängt, wie sie § 212 HC 395 vorsieht, weder den Zweck noch das Ergebnis, diesem Staatsangehörigen die Ausübung der ihm in Artikel 45 Absatz 3 des Abkommens eingeräumten Rechte unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, sofern die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats das ihnen bei der Behandlung von nach dem Abkommen an der Einreisestelle gestellten Anträgen auf Niederlassung zukommenden Ermessen dahin ausüben, dass dem tschechischen Staatsangehörigen auf einer anderen Grundlage als den Immigration Rules eine Einreisegenehmigung gewährt werden kann, wenn sein Antrag diejenigen materiellen Voraussetzungen klar und offenkundig erfuellt, die angewandt worden wären, wenn er in der Tschechischen Republik ein Einreisepapier beantragt hätte.

Die Fragen drei und sechs

84 Angesichts der auf die Fragen eins, zwei, vier, fünf und sieben gegebenen Antworten brauchen die Fragen drei und sechs nicht beantwortet zu werden. Die dritte Frage wurde nämlich nur für den Fall der Verneinung der ersten und die sechste Frage nur für den - hier nicht gegebenen - Fall gestellt, dass einem tschechischen Staatsangehörigen, der aufgrund des Abkommens in einem Mitgliedstaat eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen will, aus einem anderen Grund als dem Fehlen eines vorher ausgestellten Einreisepapiers die Einreisegenehmigung in den Mitgliedstaat versagt wird.

Kostenentscheidung:

Kosten

85 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs, der belgischen, der deutschen, der französischen, der irischen, der italienischen und der niederländischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court), mit Beschluss vom 29. März 1999 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tschechischen Republik andererseits, im Namen der Gemeinschaft geschlossen und genehmigt durch den Beschluss 94/910/EG, EGKS, Euratom des Rates und der Kommission vom 19. Dezember 1994, stellt für dessen Geltungsbereich einen klaren und unbedingten Grundsatz auf, der vom nationalen Gericht angewandt werden und deshalb die Rechtslage von Privaten regeln kann. Die unmittelbare Wirkung, die der Bestimmung somit zukommt, bedeutet, dass tschechische Staatsangehörige das Recht haben, sich vor den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats auf sie zu berufen, auch wenn dieser Mitgliedstaat nach Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens die Befugnis behält, auf diese Staatsangehörigen sein nationales Einreise-, Aufenthalts- und Niederlassungsrecht anzuwenden.

2. Das Niederlassungsrecht im Sinne des Artikels 45 Absatz 3 dieses Europa-Abkommens setzt als Nebenrechte ein Einreise- und ein Aufenthaltsrecht der tschechischen Staatsangehörigen voraus, die gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten in einem Mitgliedstaat ausüben wollen. Jedoch ergibt sich aus Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens, dass dieses Einreise- und Aufenthaltsrecht nicht schrankenlos gewährleistet ist, seine Ausübung gegebenenfalls vielmehr durch die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung tschechischer Staatsangehöriger beschränkt werden kann.

3. Artikel 45 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 59 Absatz 1 dieses Europa-Abkommens steht grundsätzlich einer Regelung vorheriger Kontrolle nicht entgegen, nach der die Erteilung einer Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung durch die Zuwanderungsbehörden voraussetzt, dass der Antragsteller seine wirkliche Absicht nachweist, eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen, ohne zugleich auf eine unselbstständige Beschäftigung oder öffentliche Mittel zurückzugreifen, und dass er von Anfang an über hinreichende Mittel und vernünftige Erfolgsaussichten verfügt. Materielle Anforderungen, wie sie § 212 der United Kingdom Immigration Rules (House of Commons Paper 395) vorsieht, sollen den zuständigen Behörden diese Prüfung erlauben und sind geeignet, dieses Ziel zu erreichen.

4. Nach der Klausel am Ende des Artikels 59 Absatz 1 Satz 1 dieses Europa-Abkommens hat eine Regelung, nach der ein tschechischer Staatsangehöriger vor seiner Abreise in den Aufnahmemitgliedstaat Einreisepapiere erlangen muss, deren Erteilung von der Überprüfung materieller Voraussetzungen abhängt, wie sie § 212 dieser Immigration Rules vorsieht, weder den Zweck noch das Ergebnis, diesem Staatsangehörigen die Ausübung der ihm in Artikel 45 Absatz 3 des Abkommens eingeräumten Rechte unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, sofern die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats das ihnen bei der Behandlung von nach dem Abkommen an der Einreisestelle gestellten Anträgen auf Niederlassung zukommenden Ermessen dahin ausüben, dass dem tschechischen Staatsangehörigen auf einer anderen Grundlage als den Immigration Rules eine Einreisegenehmigung gewährt werden kann, wenn sein Antrag diejenigen materiellen Voraussetzungen klar und offenkundig erfuellt, die angewandt worden wären, wenn er in der Tschechischen Republik ein Einreisepapier beantragt hätte.

Ende der Entscheidung

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