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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 25.05.1993
Aktenzeichen: C-263/91
Rechtsgebiete: EWGV


Vorschriften:

EWGV Art. 177
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 14 Absatz 1 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften ist dahin auszulegen, daß von den unter diese Bestimmung fallenden Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften im ursprünglichen Wohnsitzstaat Einkommensteuer aus dem Mietwert einer Wohnung auf einem in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Grundstück erhoben werden darf.

2. Nach Artikel 13 Absatz 2 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften ist jede innerstaatliche Besteuerung, die die Beamten oder sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften deshalb unmittelbar oder mittelbar belastet, weil sie Dienstbezuege von den Gemeinschaften erhalten, unabhängig von ihrer Natur und ihren Erhebungsvoraussetzungen selbst dann untersagt, wenn die fragliche Steuer nicht nach der Höhe dieser Bezuege berechnet wird.

Es stellt keine mittelbare Besteuerung der Dienstbezuege dar, wenn im Staat des steuerlichen Wohnsitzes des Beamten Einkommensteuer aus dem Mietwert einer in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Wohnung erhoben wird. Eine solche Besteuerung, bei der es sich um einen objektiven, mit der von dem fraglichen Beamten getroffenen Investitionsentscheidung zusammenhängenden Vorgang handelt, steht in keinem rechtlichen Zusammenhang mit den von den Gemeinschaften gezahlten Gehältern, Löhnen und anderen Bezuegen. Im Eigentum an Grundstücken ist nämlich wie im Eigentum an anderen Sachen unabhängig von der Herkunft der für seinen Erwerb verwendeten Mittel eine eigenständige Einkommensquelle zu sehen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 25. MAI 1993. - NIELS KRISTOFFERSEN GEGEN SKATTEMINISTERIET. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: OESTRE LANDSRET - DAENEMARK. - PROTOKOLL UEBER DIE VORRECHTE UND BEFREIUNGEN DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN - BESTEUERUNG DES MIETWERTS EINES GRUNDSTUECKS. - RECHTSSACHE C-263/91.

Entscheidungsgründe:

1 Der Östre Landsret hat mit Beschluß vom 7. Oktober 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Oktober 1991, gemäß Artikel 177 des Vertrages zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 13 und 14 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Protokoll) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem dänischen Staatsbürger Niels Kristoffersen, der Beamter des Europäischen Parlaments ist, und den dänischen Finanzbehörden.

3 Herr Kristoffersen ist Eigentümer eines Hauses in Luxemburg. Der in den Jahren 1982 und 1983 errichtete Bau wurde mit einem Darlehen finanziert, für das sich die Zinsen im Jahr 1983 auf 138 804 DKR und 1984 auf 153 604 DKR beliefen.

4 Gemäß § 4 Buchstabe b des dänischen Gesetzes über die staatlichen Steuern gilt der Mietwert einer dem Steuerpflichtigen gehörenden Wohnung als Teil seines Einkommens, auch wenn er die Wohnung ausschließlich selbst bewohnt. Gemäß § 6 Absatz 1 Buchstabe e dieses Gesetzes können Zinszahlungen für Darlehen, die zum Erwerb einer solchen Wohnung verwendet wurden, vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen werden.

5 Aufgrund dieser Vorschriften setzten die dänischen Steuerbehörden den Mietwert des Hauses von Herrn Kristoffersen für die Steuerjahre 1983 und 1984 auf 42 283 DKR und 70 927 DKR fest. Da die Zinszahlungen für das Darlehen, das zur Finanzierung des Hauses aufgenommen worden war, in diesen Jahren höher waren als der Mietwert der Wohnung, hatte Herr Kristoffersen ein negatives steuerpflichtiges Einkommen.

6 Nach den maßgeblichen steuerrechtlichen Bestimmungen kann das negative steuerpflichtige Einkommen eines Ehegatten zur Kürzung des steuerpflichtigen Einkommens des anderen Ehegatten verwendet werden. Das negative Einkommen von Herrn Kristoffersen war freilich niedriger, als wenn der Mietwert seiner Wohnung nicht berücksichtigt worden wäre. Herr Kristoffersen rief daher die innerstaatlichen Gerichte an und machte geltend, die dänischen Steuerbehörden hätten die Artikel 13 und 14 des Protokolls dadurch verletzt, daß sie den Mietwert seiner Wohnung in Luxemburg als steuerpflichtiges Einkommen behandelt hätten.

7 Da der Östre Landsret der Auffassung ist, für die Entscheidung des Rechtsstreits komme es auf die Auslegung der erwähnten Bestimmungen des Protokolls an, hat er das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Ist Artikel 14 Absatz 1 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften dahin auszulegen, daß von den unter diese Bestimmung fallenden Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften im ursprünglichen Wohnsitzstaat keine Einkommensteuer aus dem Mietwert einer Wohnung auf einem in einem anderen Mitgliedstaat belegenen eigenen Grundstück erhoben werden darf, wenn nach dem Steuersystem des ursprünglichen Wohnsitzstaats von allen Steuerpflichtigen mit einer Wohnung auf eigenem Grundstück Steuer aus dem Mietwert der Wohnung als einem persönlichen Einkommen erhoben wird?

2) Ist Artikel 13 Absatz 2 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften dahin auszulegen, daß es eine mittelbare Besteuerung der von den Gemeinschaften gezahlten Gehälter, Löhne und Bezuege darstellt, wenn von den Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften im ursprünglichen Wohnsitzstaat Einkommensteuer aus dem Mietwert einer eigenen Wohnung auf einem in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Grundstück erhoben wird?

8 Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens und des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens sowie des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten Frage

9 Im Hinblick auf die Beantwortung der ersten Frage ist darauf hinzuweisen, daß in den Artikeln 13 und 14 des Protokolls eine Verteilung der steuerrechtlichen Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und dem Staat vorgenommen wird, in dem der Beamte vor dem Dienstantritt bei den Gemeinschaften seinen steuerlichen Wohnsitz hatte.

10 Nach Artikel 13 des Protokolls wird von den Gehältern, Löhnen und anderen Bezuegen, die die Gemeinschaften ihren Beamten und sonstigen Bediensteten zahlen, zugunsten der Gemeinschaften eine Steuer erhoben, und diese Beamten und sonstigen Bediensteten sind danach von innerstaatlichen Steuern auf die von den Gemeinschaften gezahlten Gehälter, Löhne und Bezuege befreit.

11 Nach Artikel 14 des Protokolls werden die Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften, die sich lediglich zur Ausübung einer Amtstätigkeit im Dienst der Gemeinschaften im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als des Staates niederlassen, in dem sie zur Zeit des Dienstantritts bei den Gemeinschaften ihren steuerlichen Wohnsitz haben, in beiden genannten Staaten u. a. für die Erhebung der Einkommensteuer so behandelt, als hätten sie ihren früheren Wohnsitz beibehalten, sofern sich dieser in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaften befindet.

12 Die Bedeutung dieses Begriffs der Einkommensteuer im Sinne des Artikels 14 des Protokolls ist nach den Kriterien des anwendbaren innerstaatlichen Rechts zu bestimmen.

13 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, daß Artikel 14 Absatz 1 des Protokolls dahin auszulegen ist, daß von den unter diese Bestimmung fallenden Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften im ursprünglichen Wohnsitzstaat Einkommensteuer aus dem Mietwert einer Wohnung auf einem in einem anderen Mitgliedstaat belegenen eigenen Grundstück erhoben werden darf.

Zur zweiten Frage

14 Zur zweiten Frage ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof das in Artikel 13 des Protokolls enthaltene Verbot dahin auslegt, daß jede innerstaatliche Besteuerung, die die Beamten oder sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften deshalb unmittelbar oder mittelbar belastet, weil sie Dienstbezuege von den Gemeinschaften erhalten, unabhängig von ihrer Natur und ihren Erhebungsvoraussetzungen selbst dann untersagt ist, wenn die fragliche Steuer nicht nach der Höhe dieser Bezuege berechnet wird (Urteil vom 24. Februar 1988 in der Rechtssache 260/86, Kommission/Belgien, Slg. 1988, 955, Randnr. 10).

15 Die Besteuerung des Mietwerts der Wohnung eines europäischen Beamten steht in keinem rechtlichen Zusammenhang mit den von den Gemeinschaften gezahlten Gehältern, Löhnen und anderen Bezuegen; vielmehr handelt es sich dabei um einen objektiven Vorgang, der sich nach der von dem fraglichen Beamten getroffenen Investitionsentscheidung richtet. Im Eigentum an Grundstücken ist nämlich wie im Eigentum an anderen Sachen, unabhängig von der Herkunft der für seinen Erwerb verwendeten Mittel, eine eigenständige Einkommensquelle zu sehen.

16 Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, daß der Artikel 13 Absatz 2 des Protokolls dahin auszulegen ist, daß es keine mittelbare Besteuerung der von den Gemeinschaften gezahlten Gehälter, Löhne und Bezuege darstellt, wenn von den Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften im ursprünglichen Wohnsitzstaat Einkommensteuer aus dem Mietwert einer eigenen Wohnung auf einem in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Grundstück erhoben wird.

Kostenentscheidung:

Kosten

17 Die Auslagen der dänischen und der italienischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom Östre Landsret mit Beschluß vom 7. Oktober 1991 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Artikel 14 Absatz 1 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften ist dahin auszulegen, daß von den unter diese Bestimmung fallenden Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften im ursprünglichen Wohnsitzstaat Einkommensteuer aus dem Mietwert einer Wohnung auf einem in einem anderen Mitgliedstaat belegenen eigenen Grundstück erhoben werden darf.

2) Artikel 13 Absatz 2 dieses Protokolls ist dahin auszulegen, daß es keine mittelbare Besteuerung der von den Gemeinschaften gezahlten Gehälter, Löhne und Bezuege darstellt, wenn von den Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften im ursprünglichen Wohnsitzstaat Einkommensteuer aus dem Mietwert einer eigenen Wohnung auf einem in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Grundstück erhoben wird.

Ende der Entscheidung

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