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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 16.01.2003
Aktenzeichen: C-265/01
Rechtsgebiete: EG, Verordnung (EWG) Nr. 2913/92


Vorschriften:

EG Art. 28
Verordnung (EWG) Nr. 2913/92
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Das Fischereirecht der Gemeinschaft steht einer nationalen Regelung wie derjenigen entgegen, die während eines bestimmten Zeitraums die Anlandung von Jakobsmuscheln, die in den Hoheitsgewässern eines anderen Mitgliedstaats gefangen wurden, an einem Teil des Küstengebiets des betreffenden Mitgliedstaats untersagt. Die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 10 Absatz 1 erster und zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3760/92 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Regelung für die Fischerei und die Aquakultur und Artikel 46 Absatz 1 der Verordnung Nr. 850/98 zur Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische Massnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen erlassen dürfen, müssen sich nämlich auf rein lokale Bestände oder ausschließlich auf die Fischer des betreffenden Mitgliedstaats oder Fischereifahrzeuge unter der Flagge dieses Staates beziehen und dürfen nur für die Gewässer unter dessen Hoheitsgewalt oder Gerichtsbarkeit gelten.

( vgl. Randnrn. 34-38 )


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 16. Januar 2003. - Strafverfahren gegen Annie Pansard und andere, en présence du Comité Région pêches maritimes. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal de grande instance de Dinan - Frankreich. - Ursprung eines Fischereierzeugnisses - Artikel 28 EG - Nationale Regelung, die die Anlandung bestimmter Fischereierzeugnisse zeitweilig untersagt - Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. - Rechtssache C-265/01.

Parteien:

In der Rechtssache C-265/01

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Tribunal de grande instance Dinan (Frankreich) in dem bei diesem anhängigen Strafverfahren gegen

Annie Pansard u. a.,

Beteiligter:

Comité Région pêches maritimes, Adhäsionskläger des Ausgangsverfahrens,

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) und des Artikels 28 EG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet, des Richters C. Gulmann, der Richterinnen F. Macken (Berichterstatterin) und N. Colneric sowie des Richters J. N. Cunha Rodrigues,

Generalanwalt: S. Alber

Kanzler: M.-F. Contet, Verwaltungsrätin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der französischen Regierung, vertreten durch L. Bernheim und G. de Bergues als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Bordes und T. van Rijn als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der französischen Regierung, vertreten durch L. Bernheim, der niederländischen Regierung, vertreten durch J. van Bakel als Bevollmächtigten, und der Kommission, vertreten durch A. Bordes und T. van Rijn, in der Sitzung vom 21. März 2002,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. April 2002,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunal de grande instance Dinan hat in einer Strafsache mit Urteil vom 28. Juni 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Juli 2001, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung der Richtlinie (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1, im Folgenden: Zollkodex) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Strafverfahren gegen Annie Pansard u. a. wegen des Vergehens der Anlandung von Jakobsmuscheln während eines Verbotszeitraums.

Rechtlicher Rahmen

Das Gemeinschaftsrecht

Die Regelung über den Warenursprung

3 Der Zollkodex, der den Ursprung der Waren definiert, die dem gemeinschaftlichen Zollrecht unterliegen, bestimmt in Artikel 23:

(1) Ursprungswaren eines Landes sind Waren, die vollständig in diesem Land gewonnen oder hergestellt worden sind.

(2) Vollständig in einem Land gewonnene oder hergestellte Waren sind:

...

e) Jagdbeute und Fischfänge, die in diesem Land erzielt worden sind;

f) Erzeugnisse der Seefischerei und andere Meereserzeugnisse, die außerhalb des Küstenmeeres eines Landes von Schiffen aus gefangen worden sind, die in diesem Land ins Schiffsregister eingetragen oder angemeldet sind und die Flagge dieses Landes führen;

...

(3) Im Sinne des Absatzes 2 schließt der Begriff ,Land auch das Küstenmeer des betreffenden Landes ein."

4 Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe f der durch den Zollkodex aufgehobenen Verordnung (EWG) Nr. 802/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Begriffsbestimmung für den Warenursprung (ABl. L 148, S. 1) zählte zu den vollständig in einem Land gewonnene[n] oder hergestellte[n] Waren" die Erzeugnisse der Seefischerei und andere Meereserzeugnisse, die von Schiffen aus gefangen worden sind, die in diesem Land ins Schiffsregister eingetragen oder angemeldet sind und die Flagge dieses Landes führen".

Die Fischereiregelung

5 Artikel 2 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 101/76 des Rates vom 19. Januar 1976 über die Einführung einer gemeinsamen Strukturpolitik für die Fischwirtschaft (ABl. L 20, S. 19) bestimmt:

(1) Die Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten für die Ausübung der Fischerei in den ihrer Oberhoheit oder ihrer Gerichtsbarkeit unterliegenden Meeresgewässern dürfen zu keiner unterschiedlichen Behandlung anderer Mitgliedstaaten führen.

Die Mitgliedstaaten gewähren insbesondere allen die Flagge eines Mitgliedstaats führenden und im Bereich der Gemeinschaft registrierten Fischereifahrzeugen gleichen Zugang zu den Fanggründen und zur Fischerei in den in Absatz 1 genannten Gewässern.

(2) Sie teilen den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf dem in Absatz 1 Unterabsatz 1 genannten Gebiet sowie die sich aus der Anwendung von Absatz 1 Unterabsatz 2 ergebenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften mit."

6 In Artikel 3 der Verordnung Nr. 101/76 heißt es weiter:

Die Mitgliedstaaten unterrichten die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission über alle von ihnen geplanten Änderungen an der gemäß Artikel 2 festgelegten Fischereiregelung."

7 Aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 170/83 des Rates vom 25. Januar 1983 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Regelung für die Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen (ABl. L 24, S. 1) sowie der Verordnung (EWG) Nr. 3760/92 des Rates vom 20. Dezember 1992 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Regelung für die Fischerei und die Aquakultur (ABl. L 389, S. 1), die die Verordnung Nr. 170/83 aufgehoben hat, hat der Rat zum Schutz der Fischereiressourcen der Gemeinschaft zulässige Gesamtfangmengen festgesetzt und auf die Mitgliedstaaten aufgeteilt. Für Jakobsmuscheln wurde jedoch keine zulässige Gesamtfangmenge festgesetzt.

8 In Artikel 10 Absatz 1 erster und zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3760/92 heißt es allerdings:

(1) Die Mitgliedstaaten können Maßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen in Gewässern unter ihrer Hoheitsgewalt oder Gerichtsbarkeit ergreifen, sofern

- sie ausschließlich lokale Bestände betreffen, die nur für die Fischer des betreffenden Mitgliedstaats von Interesse sind;

- sie nur für die Fischer des betreffenden Mitgliedstaats gelten".

9 Der durch die Verordnung Nr. 170/83 aufgestellte rechtliche Rahmen wurde durch die Verordnung (EWG) Nr. 171/83 des Rates vom 25. Januar 1983 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände (ABl. L 24, S. 14) ergänzt, die in Artikel 19 Absätze 1 und 2 bestimmt:

(1) Im Falle rein örtlicher Bestände, die nur für die Fischer eines einzelnen Mitgliedstaats von Interesse sind, kann dieser zur Erhaltung und Bewirtschaftung dieser Bestände Maßnahmen treffen, sofern diese Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht übereinstimmen und mit der gemeinsamen Fischereipolitik in Einklang stehen.

(2) Die Mitgliedstaaten können rein örtlich begrenzte Bedingungen oder Einzelheiten festlegen, die allein die Fischer dieses Mitgliedstaats betreffen und mit denen darauf abgestellt wird, die Fänge durch technische Maßnahmen zusätzlich zu den in den Gemeinschaftsregelungen vorgesehenen zu begrenzen, sofern diese Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht übereinstimmen und mit der gemeinsamen Fischereipolitik in Einklang stehen."

10 Die durch die Verordnung Nr. 171/83 eingeführten Regeln wurden mehrfach geändert. Diese Verordnung wurde durch die Verordnung (EWG) Nr. 3094/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände (ABl. L 288, S. 1) aufgehoben. Die Verordnung (EG) Nr. 894/97 des Rates vom 29. April 1997 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände (ABl. L 132, S. 1) nahm, wie sich aus ihrer ersten Begründungserwägung ergibt, aus Gründen der Klarheit und der Übersichtlichkeit eine Kodifizierung der Verordnung Nr. 3094/86 vor.

11 Die Vorschriften und Anhänge der letztgenannten Verordnung, mit Ausnahme der Artikel 11 und 18 bis 20, wurden durch die Verordnung (EG) Nr. 850/98 des Rates vom 30. März 1998 zur Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische Maßnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren (ABl. L 125, S. 1) aufgehoben.

12 Artikel 46 Absatz 1 der Verordnung Nr. 850/98 bestimmt:

Die Mitgliedstaaten können Maßnahmen zur Erhaltung und zur Bewirtschaftung von Beständen treffen, wenn diese

a) rein lokale Bestände betreffen, die nur für die Fischer des betreffenden Mitgliedstaats von Interesse sind, oder

b) Bedingungen oder Einzelheiten betreffen, deren Ziel die Begrenzung der Fänge durch technische Maßnahmen ist und die

i) die Bedingungen oder Einzelheiten der Fischereivorschriften der Gemeinschaft ergänzen oder

ii) über die in diesen Rechtsvorschriften festgelegten Mindestanforderungen hinausgehen,

sofern diese Maßnahmen ausschließlich für die Fischer des betreffenden Mitgliedstaats gelten, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und mit der Gemeinsamen Fischereipolitik in Einklang stehen."

13 Dieser Artikel wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 1298/2000 des Rates vom 8. Juni 2000 zur fünften Änderung der Verordnung (EG) Nr. 850/98 (ABl. L 148, S. 1) wie folgt neu gefasst, um seinen Anwendungsbereich deutlicher zu machen:

(1) Die Mitgliedstaaten können Maßnahmen zur Erhaltung und zur Bewirtschaftung von Beständen treffen, wenn diese

a) rein lokale Bestände betreffen, die nur für die Fischer des betreffenden Mitgliedstaats von Interesse sind, oder

b) Bedingungen oder Einzelheiten betreffen, deren Ziel die Begrenzung der Fänge durch technische Maßnahmen ist und die

i) die Bedingungen oder Einzelheiten der Fischereivorschriften der Gemeinschaft ergänzen oder

ii) über die in diesen Rechtsvorschriften festgelegten Mindestanforderungen hinausgehen,

sofern diese Maßnahmen ausschließlich für in der Gemeinschaft registrierte Fischereifahrzeuge unter der Flagge des betreffenden Mitgliedstaats oder - im Fall von Fischereitätigkeiten, die nicht von einem Fischereifahrzeug ausgehen - für in dem betreffenden Mitgliedstaat ansässige Personen gelten."

Die nationale Regelung

14 Am 19. März 1980 erließ der französische Verkehrsminister den Erlass Nr. 794 P-3 zur Regelung des Fangs und der Anlandung von Jakobsmuscheln (im Folgenden: Erlass), nach dessen Artikel 1 [i]m Küstengebiet zwischen der belgischen und der spanischen Grenze... der Fang von Jakobsmuscheln im Zeitraum vom 15. Mai bis zum 30. September untersagt [ist]" und nach dessen Artikel 3 [d]ie Anlandung von Jakobsmuscheln... während der Zeiten dieses Fangverbots untersagt [ist]".

Das Ausgangsverfahren und die Vorabentscheidungsfragen

15 Frau Pansard u. a. fischten als Berufsfischer mit in Frankreich registrierten Schiffen in den Gewässern von Jersey (Kanalinseln) Jakobsmuscheln aufgrund von Fanglizenzen, die von den Behörden Jerseys ausgestellt waren. Ihre Fänge landeten sie an der französischen Küste an, und zwar vom 24. Mai bis zum 2. Juni 2001 in Saint-Cast le Guildo und am 30. Juli 2001 in Saint-Suliac. Da diese Anlandungen gegen den Erlass verstießen, wurde beim vorlegenden Gericht ein Strafverfahren gegen sie eingeleitet.

16 Vor diesem Gericht haben die Angeklagten des Ausgangsverfahrens geltend gemacht, nachdem sie die Kommission über die Schwierigkeiten informiert hätten, in denen sie sich befänden, habe diese die Möglichkeit geprüft, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Französische Republik einzuleiten. Sie haben ferner beim vorlegenden Gericht beantragt, den Gerichtshof um Vorabentscheidung über die Vereinbarkeit des Erlasses mit dem Gemeinschaftsrecht zu ersuchen. Sie haben daher beantragt, das Verfahren bis zu einer Entscheidung der Kommission bzw. des Gerichtshofes auszusetzen.

17 Aufgrund dessen hat das Tribunal de grande instance Dinan beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Können Jakobsmuscheln, die unter den oben genannten Bedingungen gefischt wurden, als eingeführte Erzeugnisse angesehen werden, auch wenn nach französischem Recht für Fischereierzeugnisse das Recht des Staates gilt, dessen Flagge das Fischereifahrzeug führt?

2. Stehen die Bestimmungen des Vertrages von Maastricht, die Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen verbieten, der Rechtsgültigkeit des Erlasses vom 19. März 1980, der die Anlandung von Jakobsmuscheln während der Schonzeit für Fische untersagt, entgegen?

Zu den Fragen

18 Vorab ist zum einen daran zu erinnern, dass der Gerichtshof in einem nach Artikel 234 EG eingeleiteten Verfahren nicht zur Entscheidung über die Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit dem Gemeinschaftsrecht befugt ist. Er kann jedoch dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts geben, die es diesem ermöglichen, die Frage der Vereinbarkeit bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens zu beurteilen (vgl. u. a. Urteile vom 15. Juli 1964 in der Rechtssache 6/64, Costa, Slg. 1964, 1251, 1268, und vom 29. November 2001 in der Rechtssache C-17/00, De Coster, Slg. 2001, I-9445, Randnr. 23).

19 Zum anderen kann der Gerichtshof, um dem Gericht, das ihm eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, eine sachdienliche Antwort zu geben, auf gemeinschaftsrechtliche Vorschriften eingehen, die das vorlegende Gericht in seiner Frage nicht angeführt hat (vgl. Urteile vom 20. März 1986 in der Rechtssache 35/85, Tissier, Slg. 1986, 1207, Randnr. 9, und vom 8. November 1999 in der Rechtssache C-107/98, Teckal, Slg. 1999, I-8121, Randnr. 39).

20 Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Auslegung zu geben, ist festzustellen, dass für die Entscheidung im Ausgangsverfahren die gemeinschaftsrechtlichen Fischereivorschriften maßgeblich sind.

21 Die zweite Vorabentscheidungsfrage, die als erste zu prüfen ist, ist daher so zu verstehen, dass es im Wesentlichen darum geht, ob das Fischereirecht der Gemeinschaft einer nationalen Regelung wie derjenigen, um die es im Ausgangsverfahren geht, entgegensteht, die während eines bestimmten Zeitraums die Anlandung von Jakobsmuscheln, die in den Hoheitsgewässern eines anderen Mitgliedstaats gefangen wurden, an einem Teil des Küstengebiets des betreffenden Mitgliedstaats untersagt.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

22 Die Kommission, die als einzige eine Antwort auf die zweite Frage vorgeschlagen hat, macht zunächst geltend, die französische Regelung, um die es im Ausgangsverfahren gehe, sei insoweit, als sie ein allgemeines Verbot der Anlandung von Jakobsmuscheln aufstelle, als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung der Einfuhr im Sinne von Artikel 28 EG anzusehen.

23 Die Mitgliedstaaten könnten von den in Artikel 30 EG vorgesehenen Ausnahmen keinen Gebrauch machen, da ihre Restzuständigkeit auf dem Gebiet der technischen Erhaltungsmaßnahmen für die Fischereiressourcen sich nach der Gemeinschaftsregelung nur auf die Erhaltung rein lokaler Bestände erstrecke, die nur für den betreffenden Mitgliedstaat von Interesse seien, sowie auf technische Maßnahmen, die über die in der Gemeinschaftsregelung festgelegten Mindestanforderungen hinausgingen und nur die Fischer dieses Mitgliedstaats beträfen.

24 Im Übrigen dürften die Mitgliedstaaten seit der Verabschiedung der Verordnung Nr. 3760/92 nur in den ihrer Hoheit oder Gerichtsbarkeit unterliegenden Gewässern Maßnahmen ergreifen.

25 Zudem sei der Erlass der Kommission nicht mitgeteilt worden und sei daher seit Verabschiedung der Verordnung Nr. 171/83 mit einem wesentlichen Verfahrensfehler behaftet, der zu seiner Unanwendbarkeit gegenüber Dritten führe.

26 Schließlich sei ein allgemeines und uneingeschränktes Verbot der Anlandung in den französischen Häfen während des saisonalen Fangverbots weder als zur Einhaltung dieses Verbots erforderliche Maßnahme noch als für einen wirksamen Schutz der Gesundheit und des Lebens der Tiere unerlässliche Maßnahme anzusehen, da diese Ziele auf ebenso wirksame Weise durch Maßnahmen erreicht werden könnten, die den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr weniger beschränkten.

Würdigung durch den Gerichtshof

27 Nach Artikel 40 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 34 EG) entwickeln die Mitgliedstaaten während der Übergangszeit eine gemeinsame Agrarpolitik und legen sie noch vor deren Ende fest, um die Ziele des Artikels 39 EG-Vertrag (jetzt Artikel 33 EG) zu erreichen.

28 Gemäß Artikel 102 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und die Anpassungen der Verträge (ABl. L 73, S. 14) fällt der Erlass von Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Schätze des Meeres seit dem 1. Januar 1979 in die ausschließliche Zuständigkeit des Rates, der auf Vorschlag der Kommission tätig wird (Urteil vom 14. Februar 1984 in der Rechtssache 24/83, Gewiese und Mehlich, Slg. 1984, 817, Randnr. 5).

29 Wie der Gerichtshof ferner entschieden hat, sind die Mitgliedstaaten - sobald die Gemeinschaft gemäß Artikel 40 EG-Vertrag eine Regelung über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für einen bestimmten Sektor erlassen hat - verpflichtet, sich aller Maßnahmen zu enthalten, die von dieser Regelung abweichen oder sie verletzten können (Urteile vom 18. Mai 1977 in der Rechtssache 111/76, Van den Hazel, Slg. 1977, 901, Randnr. 13, und vom 17. Oktober 1995 in der Rechtssache C-44/94, Fishermen's Organisations u. a., Slg. 1995, I-3115, Randnr. 52).

30 Hier ist festzustellen, dass die Gemeinschaft durch den Erlass der Verordnung (EWG) Nr. 100/76 des Rates vom 19. Januar 1976 über die gemeinsame Marktorganisation für Fischereierzeugnisse (ABl. L 20, S. 1), die durch die Verordnung (EWG) Nr. 3796/81 des Rates vom 29. Dezember 1981 (ABl. L 379, S. 1) aufgehoben wurde, eine gemeinsame Agrarpolitik für die Fischwirtschaft eingeführt hat. Überdies hat der Rat durch die Verordnung Nr. 101/76 eine gemeinsame Strukturpolitik für diesen Sektor festgelegt.

31 Gewiss schließt das Bestehen einer gemeinsamen Marktorganisation nicht aus, dass die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats unter den Bedingungen, die in einer Gemeinschaftsregelung festgelegt sind, die Bestandteil einer solchen Organisation ist, nationale Maßnahmen erlassen können (vgl. Urteil Fishermen's Organisations u. a., Randnr. 53).

32 Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Gemeinschaft - wie in Randnummer 7 dieses Urteils festgestellt - zahlreiche Maßnahmen zur Bewirtschaftung der Bestände an Fischereierzeugnissen erlassen hat, insbesondere durch Festsetzung von Fangquoten für solche Erzeugnisse, und den Fischereimarkt weitgehend reglementiert hat.

33 Dagegen hat sie keine spezifische Maßnahme für die Bewirtschaftung der Bestände im Zusammenhang mit Jakobsmuscheln getroffen.

34 Allerdings können die Mitgliedstaaten, wie sich aus Artikel 10 Absatz 1 erster und zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3760/92 ergibt, Maßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen in Gewässern unter ihrer Hoheitsgewalt oder Gerichtsbarkeit ergreifen, sofern sie ausschließlich lokale Bestände betreffen, die nur für die Fischer des betreffenden Mitgliedstaats von Interesse sind, und nur für die Fischer des betreffenden Mitgliedstaats gelten.

35 Auch aus Artikel 46 Absatz 1 der Verordnung Nr. 850/98 sowie aus demselben Artikel in der Fassung der Verordnung Nr. 1298/2000 ergibt sich, dass ein Mitgliedstaat Maßnahmen zur Erhaltung und zur Bewirtschaftung von Beständen nur treffen kann, wenn diese rein lokale Bestände betreffen, die nur für die Fischer des betreffenden Mitgliedstaats von Interesse sind, oder Bedingungen oder Einzelheiten betreffen, deren Ziel die Begrenzung der Fänge durch technische Maßnahmen ist, sofern diese Maßnahmen - nach der in der Verordnung Nr. 850/98 enthaltenen Vorschrift - ausschließlich für die Fischer des betreffenden Mitgliedstaats gelten, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und mit der gemeinsamen Fischereipolitik in Einklang stehen bzw. - nach der Vorschrift in der Fassung der Verordnung Nr. 1298/2000 - ausschließlich für in der Gemeinschaft registrierte Fischereifahrzeuge unter der Flagge des betreffenden Mitgliedstaats oder - im Fall von Fischereitätigkeiten, die nicht von einem Fischereifahrzeug ausgehen - für in dem betreffenden Mitgliedstaat ansässige Personen gelten.

36 Aus alledem ergibt sich somit, dass die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zum Erlass von Maßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen sich in einem bestimmten Rahmen bewegt. Die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang erlassen dürfen, müssen sich nämlich auf rein lokale Bestände oder ausschließlich auf die Fischer des betreffenden Mitgliedstaats oder Fischereifahrzeuge unter der Flagge dieses Staates beziehen und dürfen nur für die Gewässer unter dessen Hoheitsgewalt oder Gerichtsbarkeit gelten.

37 Die im Ausgangsverfahren streitige nationale Vorschrift geht jedoch über die Zuständigkeit des betreffenden Mitgliedstaats insoweit hinaus, als sie zum einen weder rein lokale Bestände noch Bedingungen oder Einzelheiten betrifft, deren Ziel die Begrenzung der Fänge durch technische Maßnahmen ist, und zum anderen die Anlandung von Fischen untersagt, die in Gewässern gefangen wurden, die nicht der Hoheitsgewalt oder Gerichtsbarkeit dieses Mitgliedstaats unterliegen.

38 Auf die umformulierte zweite Frage ist daher zu antworten, dass das Fischereirecht der Gemeinschaft einer nationalen Regelung wie derjenigen, um die es im Ausgangsverfahren geht, entgegensteht, die während eines bestimmten Zeitraums die Anlandung von Jakobsmuscheln, die in den Hoheitsgewässern eines anderen Mitgliedstaats gefangen wurden, an einem Teil des Küstengebiets des betreffenden Mitgliedstaats untersagt.

39 Angesichts der Antwort auf die zweite Frage braucht die erste Frage nicht beantwortet zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

40 Die Auslagen der französischen und der niederländischen Regierung sowie der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom Tribunal de grande instance Dinan mit Urteil vom 28. Juni 2001 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Das Fischereirecht der Gemeinschaft steht einer nationalen Regelung wie derjenigen, um die es im Ausgangsverfahren geht, entgegen, die während eines bestimmten Zeitraums die Anlandung von Jakobsmuscheln, die in den Hoheitsgewässern eines anderen Mitgliedstaats gefangen wurden, an einem Teil des Küstengebiets des betreffenden Mitgliedstaats untersagt.

Ende der Entscheidung

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