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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 02.06.2005
Aktenzeichen: C-266/03
Rechtsgebiete: EGV, Verordnung (EWG) Nr. 3921/91 des Rates vom 16. Dezember 1991 über die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Binnenschiffsgüter- und -personenverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, Verordnung (EG) Nr. 1356/96 des Rates vom 8. Juli 1996 über gemeinsame Regeln zur Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im Binnenschiffsgüter- und -personenverkehr zwischen Mitgliedstaaten


Vorschriften:

EGV Art. 10
Verordnung (EWG) Nr. 3921/91 des Rates vom 16. Dezember 1991 über die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Binnenschiffsgüter- und -personenverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind
Verordnung (EG) Nr. 1356/96 des Rates vom 8. Juli 1996 über gemeinsame Regeln zur Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im Binnenschiffsgüter- und -personenverkehr zwischen Mitgliedstaaten
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 2. Juni 2005. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Großherzogtum Luxemburg. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Aushandlung, Abschluss, Ratifizierung und Inkraftsetzung von Abkommen durch einen Mitgliedstaat - Binnenschiffsgüter- und -personenverkehr - Außenkompetenz der Gemeinschaft - Artikel 10 EG - Verordnungen (EWG) Nr. 3921/91 und (EG) Nr. 1356/96. - Rechtssache C-266/03.

Parteien:

In der Rechtssache C266/03

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 18. Juni 2003,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften , vertreten durch C. Schmidt und W. Wils als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Großherzogtum Luxemburg , vertreten durch S. Schreiner als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) und der Richter K. Lenaerts, S. von Bahr und K. Schiemann,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. November 2004

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Mit ihrer Klage beantragt die Kommission, festzustellen, dass das Großherzogtum Luxemburg dadurch seine Verpflichtungen aus Artikel 10 EG sowie aus der Verordnung (EWG) Nr. 3921/91 des Rates vom 16. Dezember 1991 über die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Binnenschiffsgüter- und -personenverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind (ABl. L 373, S. 1), und der Verordnung (EG) Nr. 1356/96 des Rates vom 8. Juli 1996 über gemeinsame Regeln zur Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im Binnenschiffsgüter- und -personenverkehr zwischen Mitgliedstaaten (ABl. L 175, S. 7) verletzt hat, dass es

- das am 30. Dezember 1992 in Luxemburg unterzeichnete Abkommen zwischen der Regierung des Großherzogtums Luxemburg und der Regierung der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über die Binnenschifffahrt ( Mémorial A 1994, S. 579),

- das am 10. November 1993 in Bukarest unterzeichnete Abkommen zwischen der Regierung des Großherzogtums Luxemburg und der Regierung Rumäniens über die Binnenschifffahrt ( Mémorial A 1995, S. 13) und

- das am 9. März 1994 in Luxemburg unterzeichnete Abkommen zwischen der Regierung des Großherzogtums Luxemburg und der Regierung der Republik Polen über die Binnenschifffahrt ( Mémorial A 1995, S. 1570)

individuell ausgehandelt, geschlossen, ratifiziert und in Kraft gesetzt sowie ihre Kündigung abgelehnt hat.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Vorschriften des EGVertrags

2. Artikel 10 EG lautet:

Die Mitgliedstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus diesem Vertrag oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben. Sie erleichtern dieser die Erfüllung ihrer Aufgabe.

Sie unterlassen alle Maßnahmen, welche die Verwirklichung der Ziele dieses Vertrags gefährden könnten.

3. In Bezug auf den Verkehrssektor bestimmt Artikel 70 EG, dass die Mitgliedstaaten die Ziele des Vertrages im Rahmen einer gemeinsamen Politik verfolgen.

4. Artikel 71 Absatz 1 EG lautet:

Zur Durchführung des Artikels 70 wird der Rat unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Verkehrs gemäß dem Verfahren des Artikels 251 und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Ausschusses der Regionen

a) für den internationalen Verkehr aus oder nach dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder für den Durchgangsverkehr durch das Hoheitsgebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gemeinsame Regeln aufstellen;

b) für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, die Bedingungen festlegen;

c) Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit erlassen;

d) alle sonstigen zweckdienlichen Vorschriften erlassen.

5. Auf der Grundlage dieser Vorschrift hat der Rat die Verordnungen Nr. 3921/91 und Nr. 1356/96 erlassen.

Verordnung Nr. 3921/91

6. Nach ihrer dritten Begründungserwägung zielt die Verordnung Nr. 3921/91 darauf ab, nichtansässigen Verkehrsunternehmen die Durchführung innerstaatlicher Güter- und Personenbeförderungen in der Binnenschifffahrt unter denselben Bedingungen zu gestatten, wie sie der betreffende Mitgliedstaat seinen eigenen Verkehrsunternehmen vorschreibt.

7. Zu diesem Zweck sieht Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung vor, dass ab 1. Januar 1993 jeder Unternehmer des Güter- und Personenverkehrs in der Binnenschifffahrt zum innerstaatlichen gewerblichen Güter- und Personenverkehr in der Binnenschifffahrt in einem Mitgliedstaat, in dem er nicht ansässig ist - der so genannten Kabotage -, zugelassen ist, sofern er sich in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit dessen Rechtsvorschriften niedergelassen hat und gegebenenfalls dort die Genehmigung für den grenzüberschreitenden Güter- und Personenverkehr in der Binnenschifffahrt erhalten hat. Nach Artikel 1 Absatz 1 Unterabsatz 2 kann ein Unternehmer, der diese Bedingungen erfüllt, die Kabotage vorübergehend in dem betreffenden Mitgliedstaat ausüben, ohne dort einen Unternehmenssitz oder eine Zweigniederlassung zu gründen.

8. Ferner bestimmt Artikel 2 Absatz 1 dieser Verordnung, dass der Verkehrsunternehmer zur Durchführung der Kabotage nur zugelassen wird, wenn er nur Schiffe verwendet, deren Eigentümer natürliche Personen sind, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben und Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind, oder juristische Personen, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat haben und mehrheitlich Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten gehören.

9. Schließlich berührt die Verordnung Nr. 3921/91 nach ihrem Artikel 6 nicht die aufgrund der am 17. Oktober 1868 in Mannheim unterzeichneten Revidierten Rheinschifffahrtsakte (im Folgenden: Mannheimer Akte) bestehenden Rechte.

Verordnung Nr. 1356/96

10. Aus der Überschrift und der zweiten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1356/96 geht hervor, dass sie die Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im Binnenschiffsgüter- und personenverkehr zwischen Mitgliedstaaten durch die Aufhebung aller Beschränkungen zum Ziel hat, die mit der Staatsangehörigkeit des Erbringers von Dienstleistungen oder damit zusammenhängen, dass dieser in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat niedergelassen ist, in dem die Dienstleistung erbracht werden soll.

11. Die Artikel 1 und 2 dieser Verordnung bestimmen, dass ein Binnenschifffahrtsunternehmer ohne Diskriminierung aufgrund seiner Staatsangehörigkeit und seines Niederlassungsorts zu den Beförderungen zwischen Mitgliedstaaten und für den Durchgangsverkehr durch Mitgliedstaaten zugelassen ist. Artikel 2 enthält auch die Bedingungen für diese Zulassung.

12. Gemäß Artikel 3 der Verordnung bleiben von ihr [d]ie Rechte, die sich für die Verkehrsunternehmer aus Drittstaaten aus der Revidierten Rheinschifffahrtsakte (Mannheimer Akte) und aus dem Übereinkommen über die Regelung der Schifffahrt auf der Donau (Belgrader Übereinkommen) ergeben,... ebenso unberührt wie die internationalen Verpflichtungen, die die Gemeinschaft eingegangen ist.

Vom Großherzogtum Luxemburg geschlossene Abkommen

13. In den drei in Randnummer 1 des vorliegenden Urteils genannten Abkommen (im Folgenden: streitige Abkommen) werden Regeln für den Binnenschiffsgüter- und personenverkehr zwischen den Vertragsparteien sowie für die gegenseitige Nutzung der Binnenschiffsverkehrsrouten jeder Partei aufgestellt.

14. Sie sehen u. a. vor, dass Güter- und Personenbeförderungen durch die Schiffe einer Vertragspartei zwischen zwei Häfen der anderen Partei (Kabotage) einer speziellen Erlaubnis durch deren zuständige Behörden bedürfen und dass die Schiffe einer Vertragspartei in den durch die zuständigen Behörden der betreffenden Vertragsparteien bestimmten Fällen Güter- und Personenbeförderungen zwischen den Häfen der anderen Partei und eines Drittstaats (Verkehr mit Drittstaaten) durchführen dürfen.

15. Diese Abkommen wurden vom Großherzogtum Luxemburg durch Gesetze vom 10. April 1994, 6. Januar 1995 und 24. Juli 1995 ratifiziert und traten am 6. Juni 1994, am 3. Februar 1995 und am 1. Oktober 1995 in Kraft.

Vorgeschichte des Rechtsstreits und vorgerichtliches Verfahren

16. Am 28. Juni 1991 legte die Kommission dem Rat eine Empfehlung für einen Beschluss über die Aufnahme von Verhandlungen in Bezug auf den Abschluss eines Übereinkommens zwischen der Gemeinschaft und Drittländern im Bereich der Fracht- und Passagierbeförderung im Binnenschiffsverkehr vor.

17. Mit Beschluss vom 7. Dezember 1992 ermächtigte der Rat die Kommission, ein Übereinkommen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit Polen und den Vertragsstaaten der Donaukonvention (Ungarn, Tschechoslowakei, Rumänien, Bulgarien, ehemalige UdSSR, ehemaliges Jugoslawien und Österreich) über Regeln für die Fracht und Passagierbeförderung im Binnenschiffsverkehr auszuhandeln.

18. Im Anschluss an den Beschluss des Rates vom 7. Dezember 1992 forderte die Kommission mit Schreiben vom 24. April 1993 mehrere Mitgliedstaaten, darunter das Großherzogtum Luxemburg, auf, von jeder Initiative abzusehen, die den guten Verlauf der auf Gemeinschaftsebene unternommenen Verhandlungen gefährden könnte, und insbesondere auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt auf eine Ratifizierung der schon paraphierten oder unterzeichneten Abkommen sowie auf die Eröffnung neuer Verhandlungen mit Staaten Mittel- und Osteuropas zu verzichten.

19. Am 8. April 1994 beschloss der Rat, dass den Verhandlungen mit der Tschechischen Republik, der Republik Ungarn, der Republik Polen und der Slowakischen Republik Vorrang einzuräumen sei.

20. Da die Kommission der Auffassung war, dass die luxemburgische Regierung dadurch Artikel 5 EGVertrag (jetzt Artikel 10 EG) verletzt habe, dass sie die streitigen Abkommen weiter ausgehandelt und das parlamentarische Genehmigungsverfahren eingeleitet habe, wiederholte sie mit Schreiben vom 12. April 1994 ihre Aufforderung und gab der luxemburgischen Regierung auf, keine Ratifizierungsurkunden auszutauschen.

21. Die multilateralen Verhandlungen der Kommission führten am 5. August 1996 zur Paraphierung des Entwurfs eines Übereinkommens, auf dessen Grundlage die Kommission dem Rat am 13. Dezember 1996 einen Vorschlag für einen Beschluss über den Abschluss eines Abkommens zur Festlegung von Bedingungen für den Binnenschiffsgüter und personenverkehr zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Tschechischen Republik, der Republik Polen und der Slowakischen Republik vorlegte.

22. Bis heute wurde jedoch von der Gemeinschaft kein Übereinkommen mit den betreffenden Staaten geschlossen.

23. Als die Kommission vom Inkrafttreten der Abkommen Kenntnis erlangte, leitete sie das Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 226 EG ein. Nachdem sie dem Großherzogtum Luxemburg Gelegenheit zur Äußerung gegeben hatte, gab sie am 28. Februar 2000 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie diesen Mitgliedstaat aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um der Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen.

24. Da die Kommission die Situation nach wie vor für unbefriedigend hielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

Zur Klage

25. Die Kommission stützt ihre Klage auf drei Rügen. Erstens wirft sie dem Großherzogtum Luxemburg eine Verletzung der ausschließlichen Außenkompetenz der Gemeinschaft im Sinne des Urteils vom 31. März 1971 in der Rechtssache 22/70 (Kommission/Rat, AETR, Slg. 1971, 263) vor. Zweitens macht sie eine Verletzung von Artikel 10 EG geltend. Drittens führt sie aus, dass die streitigen Abkommen nicht mit der Verordnung Nr. 1356/96 vereinbar seien.

Zur ersten Rüge: Verletzung der ausschließlichen Außenkompetenz der Gemeinschaft

Vorbringen der Parteien

26. Mit ihrer ersten Rüge macht die Kommission geltend, dass das Großherzogtum Luxemburg dadurch die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft im Sinne des Urteils AETR verletzt habe, dass sie die streitigen Abkommen ausgehandelt, geschlossen, ratifiziert und in Kraft gesetzt habe. Diese Abkommen beeinträchtigten die gemeinsamen Regeln, die die Gemeinschaft mit der Verordnung Nr. 3921/91 erlassen habe.

27. Insbesondere beeinträchtigten die streitigen Abkommen dadurch, dass sie Verkehrsunternehmern aus den betreffenden Drittstaaten mit spezieller Erlaubnis den Zugang zur Kabotage in Luxemburg ermöglichten, die gemeinsamen Regeln der Verordnung Nr. 3921/91, soweit diese Regeln ab dem 1. Januar 1993 die Bedingungen für die Zulassung zur Kabotage in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft umfassend harmonisierten. Indem sich das Großherzogtum Luxemburg somit das Recht vorbehalten habe, Verkehrsunternehmern aus Drittstaaten außerhalb des Gemeinschaftsrahmens einseitig Zugangsrechte einzuräumen, habe es die ausschließliche Außenkompetenz der Gemeinschaft verletzt.

28. Die Verordnung Nr. 3921/91 erfasse nicht nur die Verkehrsunternehmer aus der Gemeinschaft, sondern auch die Verkehrsunternehmer aus Drittstaaten, weil ihr Artikel 6 den Zugang schweizerischer Verkehrsunternehmer zur Kabotage nach der Mannheimer Akte anerkenne.

29. Die luxemburgische Regierung führt hierzu aus, dass der Abschluss der streitigen Abkommen aus zwei Gründen erforderlich gewesen sei. Zum einen sei jegliche Diskriminierung zwischen nationalen Verkehrsunternehmern und Verkehrsunternehmern aus anderen Mitgliedstaaten zu vermeiden, und zum anderen müsse der rechtsfreie Raum ausgefüllt werden, der in den Beziehungen zu den mittel- und osteuropäischen Staaten durch das Fehlen eines Übereinkommens über die Binnenschifffahrt auf Gemeinschaftsebene entstanden sei. Solange der Abschluss eines solchen Übereinkommens noch ausstehe, dürfe die Gemeinschaft ihren Mitgliedstaaten nicht verbieten, sich vorübergehend mit bilateralen Instrumenten zu behelfen.

30. Zudem betreffe die Verordnung Nr. 3921/91 nur die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und ziele nicht auf Drittstaaten ab.

31. Ferner setze die Zulassung nichtansässiger Verkehrsunternehmen zur Kabotage in Luxemburg die Erlaubnis des luxemburgischen Verkehrsministers voraus, die noch nie erteilt worden sei.

32. Außerdem hätten die streitigen Abkommen am 1. Mai 2004, dem Tag des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Polen und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union, jede rechtliche Bedeutung verloren.

33. Schließlich sei das Großherzogtum Luxemburg zum Zeitpunkt der Klageerhebung der einzige Mitgliedstaat gewesen, gegen den die Kommission eine Vertragsverletzungsklage erhoben habe, obwohl auch andere Mitgliedstaaten mit Drittstaaten Abkommen auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt geschlossen und ratifiziert hätten.

Würdigung durch den Gerichtshof

34. Zunächst ist das Argument der luxemburgischen Regierung zurückzuweisen, dass die Kommission nur eine einzige Klage erhoben habe, obwohl auch andere Mitgliedstaaten Abkommen mit Drittstaaten auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt geschlossen hätten.

35. Zum einen steht es nämlich nach dem System des Artikels 226 EG im Ermessen der Kommission, eine Vertragsverletzungsklage zu erheben, und es ist nicht Sache des Gerichtshofes, die Zweckmäßigkeit der Ausübung dieses Ermessens zu beurteilen (Urteil vom 10. Mai 2001 in der Rechtssache C152/98, Kommission/Niederlande, Slg. 2001, I3463, Randnr. 20); zum anderen kann ein Mitgliedstaat nicht die Nichtbeachtung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit geltend machen oder sich auf eine mögliche Missachtung des EG-Vertrags durch einen anderen Mitgliedstaat berufen, um eine eigene Vertragsverletzung zu rechtfertigen (Urteile vom 14. Februar 1984 in der Rechtssache 325/82, Kommission/Deutschland, Slg. 1984, 777, Randnr. 11, und vom 13. Februar 2003 in der Rechtssache C131/01, Kommission/Italien, Slg. 2003, I1659, Randnr. 46).

36. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Situation zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, und dass der Gerichtshof spätere Veränderungen nicht berücksichtigen kann (vgl. u. a. Urteil vom 11. Oktober 2001 in der Rechtssache C110/00, Kommission/Österreich, Slg. 2001, I7545, Randnr. 13).

37. Hier ist die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzte Frist am 28. April 2000 abgelaufen, so dass der Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Polen und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union sich nicht auf den vorliegenden Rechtsstreit auswirkt.

38. Folglich ist auf die geltend gemachte ausschließliche Außenkompetenz der Gemeinschaft im Sinne des Urteils AETR einzugehen.

39. Zwar überträgt der Vertrag der Gemeinschaft nicht ausdrücklich eine Außenkompetenz auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt, aber die Artikel 71 Absatz 1 EG und 80 Absatz 1 EG sehen eine Handlungsbefugnis der Gemeinschaft auf diesem Gebiet vor.

40. In den Randnummern 16 bis 18 und 22 des Urteils AETR hat der Gerichtshof entschieden, dass sich die Zuständigkeit der Gemeinschaft für den Abschluss völkerrechtlicher Übereinkommen nicht nur aus einer ausdrücklichen Erteilung durch den Vertrag ergibt, sondern auch aus anderen Vertragsbestimmungen und aus in ihrem Rahmen ergangenen Rechtsakten der Gemeinschaftsorgane fließen kann. Insbesondere sind in den Bereichen, in denen die Gemeinschaft zur Verwirklichung einer vom Vertrag vorgesehenen gemeinsamen Politik Vorschriften erlassen hat, die in irgendeiner Form gemeinsame Rechtsnormen vorsehen, die Mitgliedstaaten weder einzeln noch gemeinsam handelnd berechtigt, mit Drittstaaten Verpflichtungen einzugehen, die diese Normen beeinträchtigen. In dem Maß, wie die Schaffung dieser gemeinsamen Normen fortschreitet, kann nur die Gemeinschaft mit Wirkung für den gesamten Geltungsbereich der Gemeinschaftsrechtsordnung vertragliche Verpflichtungen gegenüber Drittstaaten übernehmen und erfüllen. Die Mitgliedstaaten können außerhalb des Rahmens der Gemeinschaftsorgane keine Verpflichtungen eingehen, die die Gemeinschaftsrechtsnormen, die zur Verwirklichung der Vertragsziele ergangen sind, beeinträchtigen oder in ihrer Tragweite ändern können.

41. Stünde es den Mitgliedstaaten weiterhin frei, völkerrechtliche Verpflichtungen einzugehen, die die gemeinsamen Rechtsnormen beeinträchtigen, so würde die Verwirklichung des mit diesen Rechtsnormen verfolgten Zweckes sowie der Aufgabe der Gemeinschaft und der Ziele des Vertrages unterlaufen.

42. Die Bedingungen, unter denen völkerrechtliche Verpflichtungen die Tragweite gemeinsamer Rechtsnormen beeinträchtigen oder ändern können und unter denen die Gemeinschaft daher aufgrund der Ausübung ihrer internen Zuständigkeit eine Außenkompetenz erwirbt, hat der Gerichtshof u. a. in seinem Urteil vom 5. November 2002 in der Rechtssache C472/98 (Kommission/Luxemburg, Slg. 2002, I9741) wiederholt.

43. Dies ist der Fall, wenn die völkerrechtlichen Verpflichtungen in den Anwendungsbereich der gemeinsamen Rechtsnormen fallen oder jedenfalls ein Gebiet erfassen, das bereits weitgehend von solchen Rechtsnormen erfasst ist, auch wenn kein Widerspruch zwischen diesen Verpflichtungen und den Gemeinschaftsvorschriften besteht (Urteil Kommission/Luxemburg, Randnr. 88).

44. Hat die Gemeinschaft in ihre internen Rechtsetzungsakte Klauseln über die Behandlung der Angehörigen von Drittstaaten aufgenommen oder hat sie ihren Organen ausdrücklich eine Zuständigkeit für Verhandlungen mit Drittstaaten übertragen, so erwirbt sie somit eine ausschließliche Außenkompetenz nach Maßgabe des von diesen Rechtsakten erfassten Bereiches (Urteil Kommission/Luxemburg, Randnr. 89).

45. Dies gilt - selbst in Ermangelung einer ausdrücklichen Klausel, mit der die Organe zu Verhandlungen mit Drittstaaten ermächtigt werden - auch dann, wenn die Gemeinschaft eine vollständige Harmonisierung auf einem bestimmten Gebiet verwirklicht hat, denn die insoweit erlassenen gemeinsamen Rechtsnormen könnten im Sinne des Urteils AETR beeinträchtigt werden, wenn die Mitgliedstaaten die Freiheit zu Verhandlungen mit Drittstaaten behielten (Urteil Kommission/Luxemburg, Randnr. 90).

46. Wie aus der Überschrift und den Artikeln 1 und 2 der Verordnung Nr. 3921/91 hervorgeht, legt sie die Bedingungen für die Zulassung zum Binnenschiffsgüter- und personenverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats nur für die Verkehrsunternehmer der Gemeinschaft fest. Diese Vorschriften erfassen nämlich nur die Güter- und Personenverkehrsunternehmer, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind und Schiffe verwenden, deren Eigentümer natürliche Personen sind, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben und Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind, oder juristische Personen, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat haben und mehrheitlich Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten gehören.

47. Die Bezugnahme in Artikel 6 der Verordnung Nr. 3921/91 auf die nach der Mannheimer Akte bestehenden Rechte kann nicht zu einem anderen Ergebnis führen, weil - wie der Generalanwalt in Nummer 58 seiner Schlussanträge ausführt - die Gemeinschaft darin lediglich die Rechte zur Kenntnis nimmt, die sich für die Schweiz aus der Mannheimer Akte ergeben.

48. Folglich regelt die Verordnung Nr. 3921/91 nicht die Bedingungen für die Zulassung von nicht aus der Gemeinschaft stammenden Verkehrsunternehmern zum innerstaatlichen Binnenschiffsgüter- und personenverkehr in einem Mitgliedstaat.

49. Da die Abkommen nicht in einen bereits von der Verordnung Nr. 3921/91 erfassten Bereich fallen, können sie diese Verordnung nicht aus dem von der Kommission genannten Grund beeinträchtigen.

50. Außerdem ergibt sich gerade aus der Tatsache, dass die Verordnung Nr. 3921/91 keine Regelungen für in Drittstaaten niedergelassene Verkehrsunternehmer enthält, die innerhalb der Gemeinschaft tätig werden, dass mit dieser Verordnung keine umfassende Harmonisierung erfolgt ist.

51. Daher ist das Vorbringen der Kommission, dass die Gemeinschaft auf dem durch die streitigen Abkommen geregelten Gebiet eine ausschließliche Außenkompetenz im Sinne des Urteils AETR erworben habe, unbegründet.

52. Unter diesen Umständen ist die erste Rüge zurückzuweisen.

Zur zweiten Rüge: Verletzung von Artikel 10 EG

Vorbringen der Parteien

53. Mit ihrer zweiten Rüge macht die Kommission geltend, dass das Großherzogtum Luxemburg seine Verpflichtungen aus Artikel 10 EG verletzt habe, indem es nach dem Beschluss des Rates vom 7. Dezember 1992, die Kommission zu ermächtigen, im Namen der Gemeinschaft ein Übereinkommen auszuhandeln, die streitigen Abkommen ausgehandelt, geschlossen, ratifiziert und in Kraft gesetzt und dadurch die Verwirklichung dieses Beschlusses gefährdet habe. Die Aushandlung eines Abkommens im Namen der Gemeinschaft seitens der Kommission sowie der spätere Abschluss eines solchen Abkommens seitens des Rates würden durch interferierende Einzelinitiativen eines Mitgliedstaats zwangsläufig erschwert. Außerdem werde die Position der Gemeinschaft bei Verhandlungen mit Drittstaaten geschwächt, wenn sie und ihre Mitgliedstaaten unkoordiniert aufträten.

54. Die luxemburgische Regierung macht neben ihren bereits in Randnummer 30 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Argumenten geltend, dass die streitigen Abkommen vor dem 7. Dezember 1992 ausgehandelt worden seien, also vor dem Tag, an dem der Rat die Kommission ermächtigt habe, im Namen der Gemeinschaft ein Übereinkommen auszuhandeln.

55. Der Beschluss des Rates vom 8. April 1994 stelle in Wirklichkeit ein neues Verhandlungsmandat dar, das das Mandat vom 7. Dezember 1992 ersetze.

56. Schließlich habe sich die luxemburgische Regierung bereit erklärt, die streitigen Abkommen mit Inkrafttreten eines Übereinkommens auf Gemeinschaftsebene zu kündigen.

Würdigung durch den Gerichtshof

57. Artikel 10 EG verpflichtet die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, ihr die Erfüllung ihrer Aufgabe zu erleichtern und alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Verwirklichung der Ziele des Vertrages gefährden könnten.

58. Diese Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit ist allgemein anwendbar und unabhängig davon, ob es sich bei der betreffenden Zuständigkeit der Gemeinschaft um eine ausschließliche Zuständigkeit handelt und ob die Mitgliedstaaten möglicherweise berechtigt sind, gegenüber Drittländern vertragliche Verpflichtungen einzugehen.

59. Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass für die Mitgliedstaaten besondere Handlungs- und Unterlassungspflichten bestehen, wenn die Kommission dem Rat Vorschläge unterbreitet hat, die, obgleich sie vom Rat nicht angenommen worden sind, den Ausgangspunkt eines abgestimmten gemeinschaftlichen Vorgehens darstellen (vgl. Urteil vom 5. Mai 1981 in der Rechtssache 804/79, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1981, 1045, Randnr. 28).

60. Der Erlass eines Beschlusses, mit dem die Kommission ermächtigt wird, im Namen der Gemeinschaft ein Übereinkommen auszuhandeln, stellt den Beginn eines abgestimmten gemeinschaftlichen Vorgehens auf internationaler Ebene dar und begründet deshalb zumindest eine Verpflichtung zu enger Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen, wenn nicht gar eine Unterlassungspflicht der Mitgliedstaaten, damit der Gemeinschaft die Erfüllung ihrer Aufgabe erleichtert wird und die Harmonie und Kohärenz des völkerrechtlichen Gemeinschaftshandelns und der völkerrechtlichen Vertretung der Gemeinschaft gewährleistet sind.

61. Hier ist unstreitig, dass das Großherzogtum Luxemburg nach dem Beschluss des Rates vom 7. Dezember 1992, mit dem die Kommission ermächtigt wurde, im Namen der Gemeinschaft ein Übereinkommen auszuhandeln, die streitigen Abkommen ausgehandelt, geschlossen, ratifiziert und in Kraft gesetzt hat, ohne mit der Kommission zusammenzuarbeiten oder mit ihr Rücksprache zu halten. Dadurch hat es die Erfüllung der Aufgabe der Gemeinschaft sowie die Verwirklichung der Ziele des Vertrages beeinträchtigt.

62. Die Rücksprache mit der Kommission war umso mehr geboten, als der Rat und die Kommission sich darauf verständigt hatten, im Verfahren zur Aushandlung dieses Übereinkommens die in einem dem Verhandlungsmandat vom 7. Dezember 1992 als Anhang beigefügten Gentleman's Agreement aufgestellten Verhaltensregeln anzuwenden, die eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten vorsehen. Insofern bestimmt Titel II Nummer 3 Buchstabe d des Gentleman's Agreement: Bei den Verhandlungen spricht die Kommission im Namen der Gemeinschaft; die Vertreter der Mitgliedstaaten ergreifen nur auf Bitte der Kommission das Wort. Darüber hinaus unterlassen die Vertreter der Mitgliedstaaten jegliche Handlung, die die Kommission bei der ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufgaben beeinträchtigen könnte.

63. Zwar ist es möglich, dass - wie die luxemburgische Regierung ausführt - die Verhandlungen über das Abkommen mit der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik vor dem Beschluss des Rates vom 7. Dezember 1992 aufgenommen wurden, doch wurden alle streitigen Abkommen nach diesem Datum unterzeichnet und ratifiziert.

64. Außerdem geht aus den Akten nicht hervor, dass der Beschluss des Rates vom 8. April 1994 ein neues Verhandlungsmandat darstellt, das jenes vom 7. Dezember 1992 ersetzt. Ihnen ist nur zu entnehmen, dass mit diesem Beschluss das der Kommission 1992 erteilte Mandat präzisiert und ergänzt wurde.

65. Wie schließlich der Generalanwalt in Nummer 76 seiner Schlussanträge ausführt, ist der Umstand, dass die luxemburgische Regierung sich bereit erklärt hat, die streitigen Abkommen mit Inkrafttreten eines die Gemeinschaft bindenden Übereinkommens zu kündigen, kein Beweis dafür, dass die Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit nach Artikel 10 EG eingehalten wurde.

66. Nach alledem hat das Großherzogtum Luxemburg dadurch seine Verpflichtungen aus Artikel 10 EG verletzt, dass es die streitigen Abkommen ausgehandelt, geschlossen, ratifiziert und in Kraft gesetzt hat, ohne mit der Kommission zusammenzuarbeiten oder mit ihr Rücksprache zu halten.

67. Folglich ist die zweite Rüge in dem in der vorstehenden Randnummer angegebenen Umfang begründet.

Zur dritten Rüge: Unvereinbarkeit der streitigen Abkommen mit der Verordnung Nr. 1356/96

Vorbringen der Parteien

68. Mit ihrer dritten Rüge macht die Kommission geltend, es sei mit den Artikeln 1 und 2 und den allgemeinen Zielen der Verordnung Nr. 1356/96 unvereinbar, dass nach deren Erlass Bestimmungen in den streitigen Abkommen beibehalten worden seien, die für die in den betreffenden Drittstaaten registrierten Schiffe die Möglichkeit vorsähen, Dienstleistungen des Binnenschiffsverkehrs zwischen dem Großherzogtum Luxemburg und anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zu erbringen, sofern sie über eine spezielle Erlaubnis der zuständigen Behörde verfügten.

69. Durch die einseitige Gewährung von Zugangsrechten durch das Großherzogtum Luxemburg oder jedenfalls dadurch, dass sich dieser Mitgliedstaat das Recht vorbehalten habe, Verkehrsunternehmern, die nicht die Voraussetzungen der Verordnung Nr. 1356/96 erfüllten, für Verbindungen innerhalb der Gemeinschaft einseitig Zugangsrechte einzuräumen, änderten die streitigen Abkommen einseitig und außerhalb der Kontrolle der Gemeinschaft die Natur und die Reichweite der durch das Gemeinschaftsrecht festgelegten Regeln über die innergemeinschaftliche Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt. Es sei unstreitig, dass die polnischen, rumänischen, tschechischen und slowakischen Verkehrs und Schifffahrtsunternehmer, die nach den streitigen Abkommen eine Erlaubnis für die Erbringung von Beförderungsdienstleistungen zwischen dem Großherzogtum Luxemburg und den anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft erhalten könnten, keine dieser Voraussetzungen erfüllten.

70. Die luxemburgische Regierung macht geltend, dass die Verordnung Nr. 1356/96 den Binnenschiffsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten regele und nur innergemeinschaftliche Beförderungen betreffe, so dass in Drittstaaten niedergelassene Verkehrsunternehmer ausgenommen seien oder von anderen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften erfasst würden.

Würdigung durch den Gerichtshof

71. Der Hauptzweck der Verordnung Nr. 1356/96 besteht in der Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des Binnenschiffsgüter- und personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten durch die Aufhebung aller Beschränkungen oder Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Niederlassungsorts des Dienstleistungserbringers.

72. Gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 1356/96 kommt dieses System der Dienstleistungsfreiheit im Binnenschiffsgüter- und personenverkehr allen Verkehrsunternehmern zugute, die

- in einem Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit dessen Rechtsvorschriften niedergelassen sind,

- dort zur Durchführung von grenzüberschreitenden Güter- und Personenbeförderungen in der Binnenschifffahrt befugt sind,

- für diese Beförderungen Binnenschiffe einsetzen, die in einem Mitgliedstaat eingetragen sind oder für die in dem Fall, dass keine Eintragung erfolgt ist, eine Bescheinigung über die Zugehörigkeit zur Flotte eines Mitgliedstaats vorliegt, und

- die Bedingungen gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 3921/91 erfüllen, d. h. Schiffe verwenden, deren Eigentümer natürliche Personen sind, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben und Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind, oder juristische Personen, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat haben und mehrheitlich Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten gehören.

73. Wie der Generalanwalt in den Nummern 85 und 86 seiner Schlussanträge ausführt, ist, wenn die Verordnung Nr. 1356/96 ein System der Dienstleistungsfreiheit im Binnenschiffsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zugunsten der in diesen Mitgliedstaaten niedergelassenen Verkehrsunternehmer regelt, festzustellen, dass das damit durch die Verordnung Nr. 1356/96 eingeführte System nicht bezweckt, die in Drittstaaten niedergelassenen Verkehrsunternehmer oder dort eingetragene Schiffe daran zu hindern, solche Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zu erbringen.

74. Wie der Generalanwalt außerdem in den Nummern 87 bis 89 seiner Schlussanträge betont, führen die streitigen Abkommen kein System der Dienstleistungsfreiheit im Binnenschiffsgüter- und personenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zugunsten der tschechischen, polnischen, slowakischen und rumänischen Verkehrsunternehmer ein, sondern beschränken sich darauf, in genau definierten Fällen durch eine Erlaubnis der zuständigen Behörden der Parteien für die in den betreffenden Drittstaaten eingetragenen Schiffe die Möglichkeit vorzusehen, solche Dienstleistungen zwischen dem Großherzogtum Luxemburg und anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zu erbringen.

75. Folglich wurde durch die Bestimmungen der streitigen Abkommen entgegen dem Vorbringen der Kommission weder die Natur noch die Reichweite der Vorschriften der Verordnung Nr. 1356/96 geändert.

76. Unter diesen Umständen ist die dritte Rüge zurückzuweisen.

77. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass das Großherzogtum Luxemburg dadurch seine Verpflichtungen aus Artikel 10 EG verletzt hat, dass es die streitigen Abkommen ausgehandelt, geschlossen, ratifiziert und in Kraft gesetzt hat, ohne mit der Kommission zusammenzuarbeiten oder mit ihr Rücksprache zu halten; im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

Kosten

78. Nach Artikel 69 § 3 Absatz 1 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da der Klage der Kommission nur teilweise stattgegeben wird, hat jede Partei ihre eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Großherzogtum Luxemburg hat dadurch seine Verpflichtungen aus Artikel 10 EG verletzt, dass es

- das am 30. Dezember 1992 in Luxemburg unterzeichnete Abkommen zwischen der Regierung des Großherzogtums Luxemburg und der Regierung der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über die Binnenschifffahrt,

- das am 10. November 1993 in Bukarest unterzeichnete Abkommen zwischen der Regierung des Großherzogtums Luxemburg und der Regierung Rumäniens über die Binnenschifffahrt und

- das am 9. März 1994 in Luxemburg unterzeichnete Abkommen zwischen der Regierung des Großherzogtums Luxemburg und der Regierung der Republik Polen über die Binnenschifffahrt

ausgehandelt, geschlossen, ratifiziert und in Kraft gesetzt hat, ohne mit der Kommission zusammenzuarbeiten oder mit ihr Rücksprache zu halten.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und das Großherzogtum Luxemburg tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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