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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 02.08.1993
Aktenzeichen: C-266/91
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 12
EWG-Vertrag Art. 30
EWG-Vertrag Art. 92
EWG-Vertrag Art. 93
EWG-Vertrag Art. 95
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Eine unterschiedslos auf inländische und eingeführte Erzeugnisse anwendbare parafiskalische Abgabe stellt dann eine nach Artikel 12 des Vertrages verbotene Abgabe zollgleicher Wirkung dar, wenn die Einnahmen aus dieser Abgabe in vollem Umfang zur Finanzierung von Vorteilen verwendet werden, die ausschließlich inländischen Erzeugnissen zugute kommen und so die auf diesen ruhende Belastung vollständig ausgleichen. Werden jedoch diese Einnahmen nur teilweise für diese Vorteile verwendet, die daher nur einen Teil der auf den inländischen Erzeugnissen ruhenden Belastung ausgleichen, so stellt die in Rede stehende Abgabe eine nach Artikel 95 des Vertrages verbotene diskriminierende Abgabe dar. In diesem Zusammenhang ist das Kriterium des Ausgleichs der auf dem inländischen Erzeugnis ruhenden Belastungen im Sinne einer finanziellen Gleichwertigkeit zu verstehen, die in einem Referenzzeitraum zwischen dem Gesamtbetrag der auf die inländischen Erzeugnisse erhobenen Abgabe und den Vorteilen festzustellen ist, die diesen Erzeugnissen ausschließlich zugute kommen.

Eine solche parafiskalische Abgabe fällt nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 30 des Vertrages, da sie sich entweder nach den Artikeln 12 ff. oder nach Artikel 95 des Vertrages regelt.

2. Die Verwendung des Aufkommens aus einer unterschiedslos auf inländische und eingeführte Erzeugnisse anwendbaren parafiskalischen Abgabe zur Finanzierung von Vorteilen, die ausschließlich inländischen Erzeugnisse zugute kommen und so die auf diesen ruhende Belastung vollständig ausgleichen, kann eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen, wenn die Voraussetzungen des Artikel 92 des Vertrages erfuellt sind, wobei eine solche Beurteilung in die Zuständigkeit der Kommission fällt und erst am Ende des hierfür in Artikel 93 des Vertrages vorgesehenen Verfahrens erfolgen kann.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 2. AUGUST 1993. - CELULOSE BEIRA INDUSTRIAL SA GEGEN FAZENDA PUBLICA. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: SUPREMO TRIBUNAL ADMINISTRATIVO - PORTUGAL. - ABGABE AUF ZELLSTOFF - ARTIKEL 9, 12 FF., 30, 92 UND 95 EWG-VERTRAG. - RECHTSSACHE C-266/91.

Entscheidungsgründe:

1 Das Supremo Tribunal Administrativo, Lissabon, hat mit Beschluß vom 10. Juli 1991, bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen am 16. Oktober 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag fünf Fragen nach der Auslegung der Artikel 9, 12 ff., 30, 92 und 95 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit der Celulose Beira Industrial SA (im folgenden: Celbi) gegen die Fazenda Pública (Ministerium der Finanzen) über die Beitreibung eines Betrages von 6 060 398 ESC an geschuldeter und nicht bezahlter parafiskalischer Abgabe auf chemische Pasten.

3 Die genannte Abgabe wurde durch Decreto-lei Nr. 75-C/86 vom 23. April 1986 eingeführt. Zur Zeit der maßgebenden Ereignisse wurde auf die Verkäufe chemischer Pasten ein Satz von 0,45 % des gesamten Transaktionswertes erhoben, unabhängig davon, ob es sich um inländische oder eingeführte Erzeugnisse handelte.

4 Diese Abgabe war u. a. dazu bestimmt, das Instituto dos Produtos Florestais (Institut für Forsterzeugnisse; im folgenden: IPF), eine wirtschaftliche Koordinationsstelle, die mit Rechtspersönlichkeit und finanzieller Selbständigkeit ausgestattet war, zu finanzieren. Das IPF, das 1972 geschaffen und 1988 aufgelöst wurde, war insbesondere mit der Koordination und Regelung der Tätigkeiten der Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von Holz, Kork und Harzen sowie deren Folge- und Nebenerzeugnissen, der Regelung der Lieferbedingungen sowie der Aus- und Einfuhr, der Förderung des Absatzes im Ausland, der Bescheinigung der Herkunft, der Qualität und des Gewichts sowie der Durchführung technischer und wirtschaftlicher Studien betraut.

5 Zur Erfuellung dieser Aufgaben hatte das IPF insbesondere an der Förderung und der Ausweitung des Handels mit den in Rede stehenden Erzeugnissen auf den auswärtigen Märkten mitzuarbeiten, deren guten Ruf und wirklichen Wert zu verteidigen sowie Kredite und andere Formen finanzieller Beihilfen zu gewähren.

6 Im Mai 1987 tätigte die Celbi Verkäufe chemischer Pasten ohne dabei die entsprechende Abgabe zu entrichten. Das IPF erhob daraufhin Klage auf Beitreibung dieser Abgabe beim Tribunal Tributario de Primeira Instância Coimbra, das der Klage stattgab. Dieses Urteil wurde im zweiten Rechtszug vom Supremo Tribunal Administrativo bestätigt. Die Celbi rief im letzten Rechtszug die Abteilung für abgabenrechtliche Streitigkeiten des Supremo Tribunal Administrativo an, die das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat:

1) Umfasst der Begriff der Abgaben mit gleicher Wirkung wie Einfuhrzölle in den Artikeln 9 und 12 ff. EWG-Vertrag eine Abgabe, die von einem öffentlichen Institut auf den Verkauf von chemischen Pasten ohne Unterscheidung zwischen inländischen und eingeführten Pasten erhoben wird und mit deren Aufkommen die Tätigkeiten des Instituts (konkret des IPF, dessen Zweck sich aus Kapitel I des Decreto-lei Nr. 428 vom 31. Oktober 1972 ergibt) finanziert werden?

2) Inwieweit bedingt die gesetzlich festgelegte Zweckbestimmung der Einnahmen aus einer sowohl auf inländische als auch auf eingeführte Erzeugnisse erhobenen Abgabe die Anwendung des Artikels 95, und kann sie die Qualifizierung dieser Abgabe als Maßnahmen gleicher Wirkung rechtfertigen?

3) Falls die ersten beiden Fragen bejaht werden: Inwieweit bezieht sich das in der Gemeinschaftsrechtsprechung aufgestellte Erfordernis der "völligen Aufhebung der auf das inländische Erzeugnis entfallenden fiskalischen Belastung" auf einen finanziellen Ausgleich zwischen dem Betrag der von den nationalen Wirtschaftsteilnehmern erhobenen Abgaben und den Vorteilen, die sie genießen, oder kann es eher verstanden werden als ein Erfordernis betreffend die Art, die Bedeutung und die Unerläßlichkeit der für die inländische Produktion geleisteten Dienste, die (wie alle Tätigkeiten der betreffenden Stelle) gemäß der genannten Bestimmung durch die Einnahmen aus der Abgabe finanziert werden?

4) Kann die Verwendung der Einnahmen aus einer auf inländische und eingeführte Erzeugnisse erhobenen Abgabe für die Tätigkeiten, denen sich diese Stelle widmet, eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92 darstellen?

5) Kann die Erhebung einer Abgabe, die prozentual auf den Gesamtwert der Verkäufe des inländischen und des eingeführten Erzeugnisses berechnet wird und die dazu bestimmt ist, die Tätigkeit eines öffentlichen Instituts zu finanzieren, das die in dem Decreto-lei genannten Aufgaben wahrnimmt, einen Verstoß gegen Artikel 30 EWG-Vertrag darstellen?

7 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten und zur zweiten Frage

8 Mit der ersten und der zweiten Frage begehrt das nationale Gericht Auskunft über den Begriff der Abgabe mit gleicher Wirkung wie Zölle im Sinne der Artikel 12 ff. EWG-Vertrag und den Begriff der diskriminierenden inländischen Besteuerung im Sinne von Artikel 95 EWG-Vertrag, und zwar in beiden Fällen im Zusammenhang mit einer parafiskalischen Abgabe, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, sowie über die Zusammenhänge zwischen diesen beiden Begriffen.

9 Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteil vom 11. Juni 1992 in den Rechtssachen C-149/91 und C-150/91, Sanders Adour und Guyomarc' h, Slg. 1992, I-3899, Randnr. 14) die Vorschriften über Abgaben gleicher Wirkung und diejenigen über diskriminierende inländische Abgaben nicht kumulativ anwendbar sind, so daß dieselbe Abgabe nach dem System des Vertrages nicht zugleich in beide Kategorien fallen kann.

10 Was die Abgaben gleicher Wirkung angeht, so entspricht es ebenfalls ständiger Rechtsprechung, daß sich ihr Verbot grundsätzlich auf alle anläßlich und wegen der Einfuhr geforderten Abgaben bezieht, die eingeführte Waren, nicht aber gleichartige inländische Waren spezifisch treffen, und daß auch Geldlasten, die zur Finanzierung der Tätigkeit einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bestimmt sind, Abgaben zollgleicher Wirkung darstellen können (vgl. insbesondere Urteil vom 11. März 1992 in den Rechtssachen C-78/90 bis C-83/90, Compagnie commerciale de l' Oüst u. a., Slg. 1992, I-1847, Randnr. 23).

11 Im Fall einer allgemeinen innerstaatlichen Abgabenregelung, die systematisch inländische und eingeführte Erzeugnisse nach den gleichen Kriterien erfasst, findet Artikel 95 EWG-Vertrag Anwendung. Dieser verbietet es den Mitgliedstaaten, auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar höhere inländische Abgaben zu erheben, als gleichartige inländische Waren zu tragen haben, oder Abgaben, die geeignet sind, andere inländische Produktionen zu schützen. Das Kriterium für die Anwendung dieser Vorschrift besteht folglich darin, ob eine inländische Abgabe diskriminierenden oder protektionistischen Charakter hat (vgl. insbesondere Urteil vom 16. Dezember 1992 in der Rechtssache C-17/91, Lornoy, Slg. 1992, I-6523, Randnr. 19).

12 Schließlich ist darauf hinzuweisen (vgl. die zitierten Urteile), daß gegebenenfalls der Bestimmungszweck der auferlegten Geldlasten sowohl im Rahmen der Artikel 12 ff. als auch in dem des Artikels 95 EWG-Vertrag zu berücksichtigen ist.

13 So hat der Gerichtshof ausgeführt, daß eine Abgabe, die Teil einer allgemeinen inländischen Abgabenregelung ist, die systematisch inländische und eingeführte Erzeugnisse erfasst, trotzdem eine Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Einfuhrzoll darstellen kann, wenn das Aufkommen aus dieser Abgabe ausschließlich dazu bestimmt ist, Tätigkeiten zu fördern, die spezifisch den inländischen Erzeugnissen zugute kommen und die auf ihnen ruhende Belastung vollständig ausgleichen. In einem solchen Fall stellt die in Rede stehende Abgabe nämlich für das eingeführte Erzeugnis eine finanzielle Nettobelastung dar, während es sich für das inländische Erzeugnis nur um die Gegenleistung für gewährte Vorteile handelt.

14 Hingegen würde die in Rede stehende Abgabe selbst bei unterschiedsloser Anwendbarkeit einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Artikels 95 EWG-Vertrag darstellen, wenn die Vorteile, die die Verwendung des Aufkommens aus der Abgabe mit sich bringt, besonders den mit ihr belasteten inländischen Erzeugnissen zugute kämen, dabei teilweise deren Belastung ausglichen und so die eingeführten Erzeugnisse benachteiligten.

15 Daher ist auf die erste und die zweite Frage des nationalen Gerichts zu antworten, daß eine unterschiedslos auf inländische und eingeführte Erzeugnisse anwendbare parafiskalische Abgabe dann eine nach Artikel 12 EWG-Vertrag verbotene Abgabe zollgleicher Wirkung darstellt, wenn die Einnahmen aus dieser Abgabe in vollem Umfang zur Finanzierung von Vorteilen verwendet werden, die ausschließlich inländischen Erzeugnissen zugute kommen und so die auf diesen ruhende Belastung vollständig ausgleichen. Werden jedoch diese Einnahmen nur teilweise für diese Vorteile verwendet, die daher nur einen Teil der auf den inländischen Erzeugnissen ruhenden Belastung ausgleichen, so stellt die in Rede stehende Abgabe eine nach Artikel 95 EWG-Vertrag verbotene diskriminierende Abgabe dar.

Zur dritten Frage

16 Mit der dritten Frage wünscht das nationale Gericht eine Auskunft über die Bedeutung des Kriteriums des Ausgleichs der Belastungen. Es möchte insbesondere wissen, ob dieses Kriterium eine finanzielle Gleichwertigkeit zwischen dem Betrag der bei den inländischen Erzeugern erhobenen Abgabe und den Vorteilen, die sie genießen, bedeutet oder ob es eine Beurteilung verlangt, die sich allgemeiner auf die Art, den Umfang und die Unerläßlichkeit der geleisteten Dienste bezieht, ohne daß eine mathematische Beziehung zu den erhobenen Beträgen hergestellt zu werden braucht.

17 Hierzu ist zu bemerken, daß der Grundgedanke der zitierten Rechtsprechung zur Verwendung des Aufkommens aus einer unterschiedslos anwendbaren Abgabe und zum Ausgleich der sich aus der Abgabe ergebenden Belastungen auf der wirtschaftlichen Feststellung beruht, daß die mit den Einnahmen aus einer solchen Abgabe finanzierten Vorteile in bezug auf die inländischen Erzeugnisse die Gegenleistung für die entrichteten Beträge darstellen, deren Belastung damit ganz oder teilweise neutralisiert wird. Für die eingeführten Erzeugnisse, die von diesen Vorteilen ausgeschlossen sind, stellt die Abgabe hingegen eine zusätzliche finanzielle Nettobelastung dar.

18 Unter diesen Umständen setzt die sachdienliche und richtige Anwendung des Kriteriums des Ausgleichs voraus, daß in einem Referenzzeitraum die finanzielle Gleichwertigkeit zwischen den insgesamt auf die inländischen Erzeugnisse an Abgaben erhobenen Beträgen und den Vorteilen festgestellt wird, die diesen Erzeugnissen ausschließlich zugute kommen. Jeder andere Parameter, wie die Art, der Umfang oder die Unerläßlichkeit dieser Vorteile würde keine hinreichend objektive Grundlage für die Beurteilung der Vereinbarkeit einer nationalen fiskalischen Maßnahme mit den Bestimmungen des Vertrages abgeben; zudem wäre er nicht genau genug, um es dem betreffenden Mitgliedstaat zu erlauben, im Fall eines Verstosses gegen Artikel 12 oder gegen Artikel 95 EWG-Vertrag ganz sicher einen rechtmässigen Zustand wiederherzustellen.

19 Somit ist auf die dritte Frage des vorlegenden Gerichts zu antworten, daß das Kriterium des Ausgleichs der auf dem inländischen Erzeugnis ruhenden Belastungen im Sinne einer finanziellen Gleichwertigkeit zu verstehen ist, die in einem Referenzzeitraum zwischen dem Gesamtbetrag der auf die inländischen Erzeugnisse erhobenen Abgabe und den Vorteilen festzustellen ist, die diesen Erzeugnissen ausschließlich zugute kommen.

Zur vierten Frage

20 Mit seiner vierten Frage wirft das nationale Gericht das Problem der Vereinbarkeit einer Abgabe der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art mit den Bestimmungen des EWG-Vertrags über die staatlichen Beihilfen auf.

21 Hierzu ist zu bemerken, daß eine parafiskalische Abgabe zwar in den Anwendungsbereich des Artikels 12 oder des Artikels 95 EWG-Vertrag fallen kann, daß die Verwendung des Aufkommens aus dieser Abgabe jedoch eine gegebenenfalls mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen kann, wenn die Voraussetzungen des Artikels 92 EWG-Vertrag, so wie sie der Gerichtshof ausgelegt hat, erfuellt sind.

22 Es ist allerdings darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung die Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt weder absolut noch unbedingt ist. Artikel 93 EWG-Vertrag regelt die fortlaufende Überprüfung und die Kontrolle der Beihilfen durch die Kommission und geht somit davon aus, daß die Feststellung der Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt in einem geeigneten Verfahren zu erfolgen hat, dessen Durchführung vorbehaltlich der Kontrolle des Gerichtshofes Sache der Kommission ist. Der einzelne kann daher nicht allein unter Berufung auf Artikel 92 die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinschaftsrecht vor den nationalen Gerichten bestreiten oder bei diesen Gerichten beantragen, eine etwaige Unvereinbarkeit unmittelbar oder inzidenter festzustellen (vgl. insbesondere Urteil Lornoy, a. a. O.).

23 Es ist jedoch Sache der nationalen Gerichte, die Rechte des einzelnen gegen eine mögliche Verletzung des in Artikel 93 Absatz 3 letzter Satz EWG-Vertrag ausgesprochenen Verbotes der Durchführung der Beihilfen, das unmittelbare Wirkung hat, durch die staatlichen Stellen zu schützen. Wird eine solche Verletzung von einem einzelnen geltend gemacht und von den nationalen Gerichten festgestellt, so müssen diese entsprechend ihrem nationalen Recht daraus alle Folgerungen sowohl für die Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung der Beihilfemaßnahmen als auch für die Wiedereinziehung der gewährten finanziellen Unterstützung ziehen. Ihre Entscheidungen enthalten aber keine Beurteilung der Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt, für die, wie bereits ausgeführt worden ist, ausschließlich die Kommission ° unter der Kontrolle des Gerichtshofes ° zuständig ist (vgl. Urteil vom 21. November 1991 in der Rechtssache C-354/90, Fédération nationale du commerce extérieur, Slg. 1991, I-5505).

24 Daher ist auf die vierte Vorlagefrage zu antworten, daß die Verwendung des Aufkommens aus einer parafiskalischen Abgabe wie der des Ausgangsverfahrens eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen kann, wenn die Voraussetzungen des Artikels 92 EWG-Vertrag erfuellt sind, wobei eine solche Beurteilung in die Zuständigkeit der Kommission fällt und erst am Ende des hierfür in Artikel 93 EWG-Vertrag vorgesehenen Verfahrens erfolgen kann.

Zur fünften Frage

25 Mit der fünften Frage möchte das nationale Gericht im wesentlichen wissen, ob eine parafiskalische Abgabe der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art anhand von Artikel 30 EWG-Vertrag beurteilt werden kann.

26 Zur Beantwortung dieser Frage genügt die Feststellung , daß nach gefestigter Rechtsprechung zollgleiche Abgaben und Beeinträchtigungen fiskalischer Art im Sinne der Artikel 9 bis 16 und 95 EWG-Vertrag nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 30 fallen ( vgl. insbesondere Urteil vom 22. März 1977 in der Rechtssache 74/76, Iannelli und Volpi, Slg. 1977, 557, und Urteil Lornoy, a. a. O.).

27 Da sich eine parafiskalische Abgabe der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art, wie bereits ausgeführt, entweder nach den Artikeln 12 ff. oder nach Artikel 95 EWG-Vertrag regelt, kann sie nicht unter Artikel 30 EWG-Vertrag fallen.

28 Daher ist auf die fünfte Vorlagefrage zu antworten, daß eine parafiskalische Abgabe der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 30 EWG-Vertrag fällt, da sie sich entweder nach den Artikeln 12 ff. oder nach Artikel 95 EWG-Vertrag regelt.

Kostenentscheidung:

Kosten

29 Die Auslagen der portugiesischen und der französischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom Supremo Tribunal Administrativo, Lissabon, mit Beschluß vom 10. Juli 1991 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Eine unterschiedslos auf inländische und eingeführte Erzeugnisse anwendbare parafiskalische Abgabe stellt dann eine nach Artikel 12 EWG-Vertrag verbotene Abgabe zollgleicher Wirkung dar, wenn die Einnahmen aus dieser Abgabe in vollem Umfang zur Finanzierung von Vorteilen verwendet werden, die ausschließlich inländischen Erzeugnissen zugute kommen und so die auf diesen ruhende Belastung vollständig ausgleichen. Werden jedoch diese Einnahmen nur teilweise für diese Vorteile verwendet, die daher nur einen Teil der auf den inländischen Erzeugnissen ruhenden Belastung ausgleichen, so stellt die in Rede stehende Abgabe eine nach Artikel 95 EWG-Vertrag verbotene diskriminierende Abgabe dar.

2) Das Kriterium des Ausgleichs der auf dem inländischen Erzeugnis ruhenden Belastungen ist im Sinne einer finanziellen Gleichwertigkeit zu verstehen, die in einem Referenzzeitraum zwischen dem Gesamtbetrag der auf die inländischen Erzeugnisse erhobenen Abgabe und den Vorteilen festzustellen ist, die diesen Erzeugnissen ausschließlich zugute kommen.

3) Die Verwendung des Aufkommens aus einer parafiskalischen Abgabe wie der des Ausgangsverfahrens kann eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen, wenn die Voraussetzungen des Artikels 92 EWG-Vertrag erfuellt sind, wobei eine solche Beurteilung in die Zuständigkeit der Kommission fällt und erst am Ende des hierfür in Artikel 93 EWG-Vertrag vorgesehenen Verfahrens erfolgen kann.

4) Eine parafiskalische Abgabe der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art fällt nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 30 EWG-Vertrag, da sie sich entweder nach den Artikeln 12 ff. oder nach Artikel 95 EWG-Vertrag regelt.

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