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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.04.2005
Aktenzeichen: C-267/03
Rechtsgebiete: Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften in der durch die Richtlinie 94/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. März 1994 geändert, lotterilagen, SFS 1994 - 1000 (Schweden)


Vorschriften:

Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften in der durch die Richtlinie 94/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. März 1994 geändert Art. 1 Nr. 3
Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften in der durch die Richtlinie 94/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. März 1994 geändert Art. 1 Nr. 9
lotterilagen, SFS 1994 - 1000 (Schweden)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 21. April 2005. - Strafverfahren gegen Lars Erik Staffan Lindberg. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Högsta domstolen - Schweden. - Richtlinie 83/189/EWG - Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften - Verpflichtung zur Mitteilung der Entwürfe von technischen Vorschriften - Nationale Regelung für Glücksspiele und Lotterien - Automatenspiele - Verbot der Veranstaltung von Spielen an Spielautomaten, die die Gewinne nicht unmittelbar ausgeben - Spielautomaten vom Typ 'Glücksrad' - Begriff der technischen Vorschrift. - Rechtssache C-267/03.

Parteien:

In der Rechtssache C-267/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Högsta domstol (Schweden) mit Entscheidung vom 10. April 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Juni 2003, in dem Strafverfahren gegen

Lars Erik Staffan Lindberg

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans (Berichterstatter) sowie der Richter C. Gulmann, R. Schintgen, G. Arestis und J. Kluka,

Generalanwalt: F. G. Jacobs,

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Oktober 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- des Herrn Lindberg, vertreten durch C.G. Tauson, advokat,

- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse als Bevollmächtigten,

- der französischen Regierung, vertreten durch R. LoosliSurrans als Bevollmächtigte,

- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und A. P. Barros als Bevollmächtigte im Beistand von J. da Cruz Vilaça, advogado,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch K. Manji als Bevollmächtigten im Beistand von M. Demetriou, Barrister,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Ström van Lier als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Dezember 2004

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 1 der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 109, S. 8) in der durch die Richtlinie 94/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. März 1994 (ABl. L 100, S. 30) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 83/189).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Herrn Lindberg, der beschuldigt wird, dadurch gegen die schwedische Regelung für Lotterien verstoßen zu haben, dass er öffentlich ohne Erlaubnis Glücksspiele an verbotenen Spielautomaten veranstaltet hat.

Rechtlicher Rahmen

Die Gemeinschaftsregelung

3. Artikel 1 der Richtlinie 83/189 bestimmt:

Für diese Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1. Erzeugnis: Erzeugnisse, die gewerblich hergestellt werden, sowie alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse.

...

2. Technische Spezifikation: Spezifikation, die in einem Schriftstück enthalten ist, das Merkmale für ein Erzeugnis vorschreibt, wie Qualitätsstufen, Gebrauchstauglichkeit, Sicherheit oder Abmessungen, einschließlich der Vorschriften über Verkaufsbezeichnung, Terminologie, Symbole, Prüfungen und Prüfverfahren, Verpackung, Kennzeichnung und Beschriftung des Erzeugnisses sowie über Konformitätsbewertungsverfahren.

...

3. Sonstige Vorschrift: eine Vorschrift für ein Erzeugnis, die keine technische Spezifikation ist und insbesondere zum Schutz der Verbraucher oder der Umwelt erlassen wird und die seinen Lebenszyklus nach dem Inverkehrbringen betrifft, wie Vorschriften für Gebrauch, Wiederverwertung, Wiederverwendung oder Beseitigung, sofern diese Vorschriften die Zusammensetzung oder die Art des Erzeugnisses bzw. seine Vermarktung wesentlich beeinflussen können.

...

9. Technische Vorschrift: technische Spezifikationen sowie sonstige Vorschriften einschließlich der einschlägigen Verwaltungsvorschriften, deren Beachtung de jure oder de facto für das Inverkehrbringen oder die Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, sowie - vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 10 - der Rechts und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, mit denen Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses verboten wird.

...

10. Entwurf einer technischen Vorschrift: Text einer technischen Spezifikation oder einer sonstigen Vorschrift, einschließlich Verwaltungsvorschriften, der ausgearbeitet worden ist, um diese Spezifikation als technische Vorschrift festzuschreiben oder letztlich festschreiben zu lassen, und der sich im Stadium der Ausarbeitung befindet, in dem noch wesentliche Änderungen möglich sind.

4. Die Artikel 8 und 9 der Richtlinie 83/189 verpflichten die Mitgliedstaaten, der Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Entwürfe technischer Vorschriften, die vom Geltungsbereich dieser Richtlinie erfasst werden, zu übermitteln, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt - in diesem Fall reicht eine bloße Mitteilung aus, um welche Norm es sich handelt -, und zum anderen, die Inkraftsetzung dieser Projekte um mehrere Monate zu verschieben, um der Kommission die Möglichkeit der Prüfung zu geben, ob sie mit dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere dem freien Warenverkehr, vereinbar sind, oder um im betreffenden Bereich eine Richtlinie, eine Verordnung oder eine Entscheidung vorzuschlagen.

Die schwedische Regelung

Das Strafgesetzbuch

5. Kapitel 16 des Strafgesetzbuchs (brottsbalken, im Folgenden: schwedisches Strafgesetzbuch) enthält einen § 14, wonach wegen Veranstaltung rechtswidriger Glücksspiele mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft wird, wer ohne Erlaubnis öffentlich ein Spiel oder etwas Ähnliches veranstaltet, dessen Ausgang ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt, wenn dieses seiner Art, dem wirtschaftlichen Wert des Einsatzes und den übrigen Umständen nach für den Spieler risikobehaftet ist oder geeignet ist, dem Veranstalter einen erheblichen wirtschaftlichen Gewinn zu verschaffen.

Die Regelung für Lotterien

6. Vor dem Erlass des Lotteriegesetzes (lotterilagen, SFS 1994:1000), das am 1. Januar 1995 in Kraft trat (im Folgenden: Lotteriegesetz), untersagten die Lotterieverordnung (lotteriförordningen, SFS 1979:207), die ab dem 1. Januar 1979 galt, und dann das Lotteriegesetz (lotterilagen, SFS 1982:1011), das am 1. Januar 1984 in Kraft trat, die Veranstaltung von Automatenspielen außer an Bord von Schiffen, die internationale Linien befahren.

7. § 3 des Lotteriegesetzes bestimmt:

Im Sinne dieses Gesetzes ist Lotterie eine Tätigkeit, bei der ein oder mehrere Teilnehmer mit oder ohne Einsatz einen Gewinn von höherem Wert als derjenige der anderen Teilnehmer am Spiel mittels folgender Vorgänge erzielen können:

1. Verlosung, Raten, Wetten oder ähnliche Verfahren;

2. Vergnügungen auf Jahrmärkten oder in Freizeitparks;

3. Bingospiele, Automatenspiele, Roulettespiele, Würfelspiele, Kartenspiele, Kettenbriefspiele und ähnliche Spiele.

...

8. § 6 des Lotteriegesetzes bestimmt:

Automatenspiele im Sinne dieses Gesetzes sind Spiele an folgenden mechanischen oder elektronischen Spielautomaten:

1. Varuspelsautomat: ein Spielautomat, der den Gewinn in Form von Waren ausgibt und bei dem die Gewinnmöglichkeiten ganz oder teilweise vom Zufall abhängen,

2. Penningautomat: ein Spielautomat, der den Gewinn in Form von Geld ausgibt und bei dem die Gewinnmöglichkeiten hauptsächlich vom Zufall abhängen,

3. Värdeautomat: ein Spielautomat, der den Gewinn nur in Form von Gutscheinen, Jetons o. Ä. ausgibt und bei dem die Gewinnmöglichkeiten hauptsächlich vom Zufall abhängen,

4. Skicklighetsautomat: ein Spielautomat, der den Gewinn in Form von Geld ausgibt und bei dem die Gewinnmöglichkeiten ganz oder teilweise auf der Geschicklichkeit des Spielers beruhen.

9. § 9 des Lotteriegesetzes bestimmt:

Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, dürfen Lotterien nur mit Genehmigung veranstaltet werden.

10. Gemäß § 54 Absatz 1 Nummer 1 des Lotteriegesetzes wird mit Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten bestraft, wer vorsätzlich oder grob fahrlässig ohne Erlaubnis eine Lotterie veranstaltet.

11. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die schwedischen Gerichte nach dem Inkrafttreten des Lotteriegesetzes beinahe sogleich vor Probleme der Abgrenzung des Geltungsbereichs dieses Gesetzes gestellt wurden.

12. Insbesondere stellte sich die Frage, ob die Kategorie der als lyckohjulsspel (Glücksradspiel) bezeichneten Automatenspiele vom Geltungsbereich des Lotteriegesetzes erfasst wird. Diese Spiele vom Typ fruktspel (Obstspiel) oder Glücksrad, darunter Pokerspiele, sind dadurch gekennzeichnet, dass die Gewinne nicht unmittelbar vom Automaten ausgegeben werden, sondern auf Verlangen des Spielers ausgehändigt werden.

13. Hierzu haben mehrere schwedische Gerichte, darunter Rechtsmittelgerichte, entschieden, dass ein lyckohjulsspel wegen dieses Merkmals nicht unter eine der Kategorien von Automatenspielen im Sinne von § 6 des Lotteriegesetzes falle und dass es auch nicht als ähnliche Spiele im Sinne von § 3 Absatz 3 dieses Gesetzes eingestuft werden könne. Daher fielen diese Spiele nicht unter das Lotteriegesetz.

14. In Anbetracht dieser Rechtsprechung schlug die schwedische Regierung der Vorlageentscheidung zufolge vor, das Lotteriegesetz dahin zu ändern, dass ein lyckohjulsspel vom Begriff des Automatenspiels im Sinne von §§ 3 Absatz 3 und 6 des Gesetzes erfasst werde.

15. Mit dem Gesetz zur Änderung des Lotteriegesetzes (lag om ändring i lotterilagen, SFS 1996:1168, im Folgenden: Gesetz von 1996), das am 1. Januar 1997 in Kraft trat, wurde dieser Regierungsvorschlag vom Riksdag (schwedisches Parlament) angenommen.

16. Durch das Gesetz von 1996 wurde in § 6 des Lotteriegesetzes folgender Einleitungssatz eingefügt:

Automatenspiele im Sinne dieses Gesetzes sind Spiele an mechanischen und elektronischen Spielautomaten.

...

17. Durch das Gesetz von 1996 wurde ferner in das Lotteriegesetz ein § 24a eingefügt, der Folgendes vorsieht:

Genehmigungen für Automatenspiele werden nur erteilt im Zusammenhang mit Varuspelsautomat, Penningautomat, Värdeautomat und Skicklighetsautomat.

18. Aus § 24a des Lotteriegesetzes ergibt sich, dass das Veranstalten von lyckohjulsspel in Schweden nach dem Gesetz verboten ist, da diese Spiele nicht genehmigungsfähig sind.

19. 1999 wurden durch das Gesetz zur Änderung des Lotteriegesetzes (lag om ändring i lotterilagen, SFS 1999:358, im Folgenden: Gesetz von 1999) weitere Änderungen des Lotteriegesetzes insbesondere in Bezug auf die Regelung für den Varuspelsautomat eingeführt.

Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen

20. Mit Urteil des Ljungby tingsrätt vom 16. Juni 1999, in der Rechtsmittelinstanz bestätigt durch ein Urteil des Göta Hovrätt vom 31. Oktober 2000, wurde Herr Lindberg einer Straftat der Veranstaltung unerlaubter Glücksspiele für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 150 SEK verurteilt.

21. Ihm wird vorgeworfen, ohne Genehmigung vom 1. Januar 1997 bis zum 20. April 1998 im Sinne von Kapitel 16 § 14 des schwedischen Strafgesetzbuchs öffentliche Lotterien risikobehafteter Art veranstaltet zu haben. Es handelte sich um Glücksspiele der Kategorie lyckohjulsspel, die im Kiosk Ingvars in Älmhult veranstaltet wurden.

22. Herr Lindberg legte gegen das Rechtsmittelurteil des Göta Hovrätt Rechtsmittel beim Högsta domstol ein.

23. Mit diesem Rechtsmittel beantragte er erstens die Zurückweisung der gegen ihn erhobenen Anklage und zweitens die Einstufung der ihm zur Last gelegten Straftat als bloßen Verstoß gegen das Lotteriegesetz und die Herabsetzung der Zahl der Tagessätze der Geldstrafe.

24. Er machte insbesondere geltend, dass die Bestimmungen des Gesetzes von 1996, soweit sie das ab dem 1. Januar 1997 geltende Verbot der Veranstaltung von lyckohjulsspel enthielten, technische Vorschriften im Sinne der Richtlinie 83/189 darstellten, die ihm nicht entgegengehalten werden könnten, da sie nicht vor ihrem Inkrafttreten von den schwedischen Behörden der Kommission mitgeteilt worden seien.

25. Der Högsta domstol verweist in seiner Vorlageentscheidung auf die Erwiderungsschrift, die der Reichsanwalt bei ihm eingereicht hat. Diese Erwiderungsschrift lässt sich wie folgt zusammenfassen.

26. Die Frage, ob die Veranstaltung von Glücksspielen durch Herrn Lindberg unerlaubt gewesen sei, könne nur aufgrund der Regelung für Lotterien beurteilt werden, denn die Tätigkeiten, die nach dieser Regelung genehmigungsbedürftig oder vom Genehmigungserfordernis befreit seien, könnten nicht nach Kapitel 6 § 14 des schwedischen Strafgesetzbuchs strafbar sein.

27. Der Reichsanwalt beschreibt die Umstände, unter denen das Gesetz von 1996 erlassen wurde und die in den Randnummern 11 bis 15 dieses Urteils dargestellt sind, und macht sodann geltend, dass das Königreich Schweden beim Erlass des Lotteriegesetzes noch nicht Mitglied der Europäischen Union gewesen sei; in diesem Zusammenhang führt er aus, dass die Richtlinie 83/189 keine rückwirkende Verpflichtung zur Mitteilung bereits erlassener Bestimmungen enthalte.

28. Allerdings sei das Königreich Schweden beim Erlass des Gesetzes von 1996 Mitglied der Europäischen Union gewesen.

29. Das Gesetzesvorhaben der schwedischen Regierung, das als Gesetz von 1996 verabschiedet worden sei, sei der Kommission nicht gemäß der Richtlinie 83/189 mitgeteilt worden, doch sei im Folgenden eine gewisse Unsicherheit in Bezug auf die Verpflichtung zu einer solchen Mitteilung entstanden.

30. Die schwedische Regierung habe die Ansicht vertreten, dass eine solche Mitteilung nicht notwendig sei, da das Lotteriegesetz bereits das lyckohjulsspel erfasst habe, denn diese Spiele fielen unter den Begriff ähnliche Spiele im Sinne von § 3 Absatz 3 des Lotteriegesetzes. Daher sei durch das Gesetz von 1996 nur der Wille des Gesetzgebers verdeutlicht und nicht der sachliche Geltungsbereich des Lotteriegesetzes geändert worden.

31. Das zu diesem Zweck von der schwedischen Regierung konsultierte Kommerskollegium (Zentralamt für Außenhandel und Wirtschaftsrecht) sei jedoch in einem Gutachten vom 29. Januar 2001 zum gegenteiligen Ergebnis gelangt.

32. Angesichts dieser Unsicherheit habe die schwedische Regierung doch vorgeschlagen, die Gesetze von 1996 und 1999 aufzuheben und die mit diesen vorgenommenen Änderungen am Lotteriegesetz in einen neuen Gesetzentwurf aufzunehmen, der der Kommission nach der Richtlinie 83/189 mitgeteilt worden sei.

33. Dieser Gesetzentwurf sei später vom schwedischen Gesetzgeber als Gesetz zur Änderung des Lotteriegesetzes (lag om ändring i lotterilagen, SFS 2001:1045) verabschiedet worden, das am 1. Januar 2002 in Kraft getreten sei.

34. Die Auffassung der schwedischen Regierung, dass die durch das Gesetz von 1996 vorgenommenen Änderungen des Lotteriegesetzes nicht gemäß der Richtlinie 83/189 der Kommission hätten mitgeteilt werden müssen, da sie keine sachliche Änderung der Regelung für Lotterien enthalten hätten, sei allerdings vertretbar. Denn es bestünden Gründe für die Annahme, dass das lyckohjulsspel zur Kategorie der ähnlichen Spiele im Sinne von § 3 Absatz 3 des Lotteriegesetzes gehörten. Der Wortlaut dieser Bestimmung deute sogar klar darauf hin, dass dies der Fall sein müsse.

35. Allerdings spreche eine Prüfung sämtlicher vorgetragener Argumente eher für die Annahme einer Mitteilungspflicht im Sinne der Richtlinie 83/189. Die vorbereitenden Arbeiten zum Lotteriegesetz deuteten nämlich darauf hin, dass sich die Kategorie der ähnlichen Spiele nur auf die Kettenbriefspiele im Sinne derselben Bestimmung beziehe. Ferner sei zu berücksichtigen, dass das schwedische Parlament die durch das Gesetz von 1996 vorgenommenen Änderungen des Lotteriegesetzes aufgehoben habe, die dann, wie in Randnummer 32 dieses Urteils ausgeführt, wieder in Kraft gesetzt worden seien, nachdem sie zuvor der Kommission mitgeteilt worden seien.

36. Dies bedeute, dass das lyckohjulsspel aufgrund dieser Änderungen als Automatenspiel eingestuft worden sei, das vom Lotteriegesetz erfasst werde, und dass ein neues ausdrückliches Verbot in dieses Gesetz aufgenommen worden sei, das andere als die in dessen § 6 aufgeführten Automatenspiele betreffe.

37. Eine Unterlassung der Mitteilung eines solchen Verbotes würde jedoch bedeuten, dass es Einzelpersonen nicht entgegengehalten werden könne. Die Normen und technischen Regelungen für Automatenspiele fielen unter die Richtlinie 89/189, und diese sehe keine ausdrückliche Ausnahme von der Mitteilungspflicht für geringfügige Änderungen oder Klarstellungen solcher Normen vor.

38. Nach allem erklärt der Reichsanwalt, dass er sich der Einstellung des Strafverfahrens gegen Herrn Lindberg wegen Veranstaltung unerlaubter Glücksspiele nicht widersetze.

39. Daher hat der Högsta domstol das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Kann die Einführung eines Verbotes der Verwendung eines Erzeugnisses in einem nationalen Gesetz eine technische Vorschrift in dem Sinn darstellen, dass sie nach der Richtlinie mitgeteilt werden muss?

2. Kann die Einführung eines Verbotes einer Dienstleistung, die sich auf die Verwendung des Erzeugnisses auswirkt, in einem nationalen Gesetz eine technische Vorschrift in dem Sinn darstellen, dass sie nach der Richtlinie mitgeteilt werden muss?

3. Kann die Neudefinition einer Dienstleistung, die im Zusammenhang mit der Konstruktion eines Erzeugnisses steht, in einem nationalen Gesetz eine technische Vorschrift in dem Sinn darstellen, dass sie nach der Richtlinie mitgeteilt werden muss, wenn sie sich auf die Verwendung des Erzeugnisses auswirkt?

4. Welche Bedeutung für die Mitteilungspflicht nach der Richtlinie 83/189/EWG haben folgende Umstände:

- der in einem nationalen Gesetz erfolgte Übergang von einer Erlaubnispflicht zu einem Verbot,

- der größere oder geringere Wert des Erzeugnisses/der Dienstleistung,

- die Größe des Marktes für das Erzeugnis/die Dienstleistung oder

- die Auswirkungen einer neuen nationalen Vorschrift auf die Verwendung, nämlich ein völliges Verbot der Verwendung bzw. ein Verbot oder eine Beschränkung der Verwendung auf einem oder mehreren Anwendungsgebieten?

Vorbemerkungen

40. Vorab ist erstens festzustellen, dass es sich, wie aus den Gründen der Vorlageentscheidung hervorgeht, bei den nationalen Bestimmungen, von denen das vorlegende Gericht sich fragt, ob sie unter die Richtlinie 83/189 fallen, um die am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Bestimmungen des Lotteriegesetzes in der durch das Gesetz von 1996 geänderten Fassung (im Folgenden: Lotteriegesetz in der geänderten Fassung) handelt, soweit sie ein Verbot enthalten, ein Glücksspiel durch das Betreiben eines elektronischen Spielautomaten zu veranstalten, nämlich das im Ausgangsverfahren in Rede stehende lyckohjulsspel, wobei wesentliches Merkmal eines solchen Spielautomaten ist, dass die Gewinne nicht unmittelbar von der Maschine ausgegeben, sondern dem Spieler auf Anfrage ausgehändigt werden.

41. Die schwedische Regierung macht jedoch geltend, dass das Lotteriegesetz bereits in seiner ursprünglichen Fassung ein solches Verbot enthalten habe und dass das Gesetz von 1996 dieses Verbot nur klargestellt habe. Diese Auslegung der nationalen Regelung, der, wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, anscheinend mehrere schwedische Gerichte, darunter Rechtsmittelgerichte, nicht gefolgt sind, bezieht sich auf eine streitige Frage der Auslegung des nationalen Rechts, die nicht in die Zuständigkeit des im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens angerufenen Gerichtshofes fällt.

42. Zur Beantwortung der vorgelegten Fragen ist daher auf die Angaben des vorlegenden Gerichts abzustellen, wonach das in Rede stehende Verbot durch das Gesetz von 1996 in das Lotteriegesetz eingefügt worden ist.

43. Zweitens wäre der betreffende Mitgliedstaat, unterstellt, dass die einschlägigen Bestimmungen des Lotteriegesetzes in der geänderten Fassung technische Vorschriften sind, nach der Richtlinie 83/189 in der Fassung der Richtlinie 94/10 zu ihrer Mitteilung in Form des Gesetzesvorhabens verpflichtet gewesen (vgl. insbesondere in diesem Sinne Urteil vom 3. Juni 1999 in der Rechtssache C33/97, Colim, Slg. 1999, I3175, Randnrn. 25 und 26).

44. Es sei bemerkt, dass die Richtlinie 83/189 in ihrer auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung nur eine Verpflichtung zur Mitteilung von Entwürfen technischer Vorschriften für Erzeugnisse vorsieht.

45. Mit der Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 zur Änderung der Richtlinie 98/34/EG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 217, S. 18) wurde die Pflicht zur Mitteilung der Vorhaben technischer Vorschriften auf diejenigen betreffend bestimmte Dienstleistungen erweitert, um die es im Ausgangsverfahren nicht geht, nämlich diejenigen der Informationsgesellschaft im Sinne der Definition in Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 204, S. 37). Diese Richtlinie kann jedoch im Ausgangsverfahren keine Berücksichtigung finden.

46. Drittens macht die portugiesische Regierung geltend, dass der Gerichtshof bereits entschieden habe, dass das Betreiben von Glücksspielautomaten unabhängig davon, ob es sich von den die Herstellung, die Einfuhr und den Vertrieb derartiger Geräte betreffenden Tätigkeiten trennen lasse, als Dienstleistung im Sinne des EG-Vertrags anzusehen sei und dass es daher nicht unter die Artikel 30 und 34 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 28 EG und 29 EG) über den freien Warenverkehr fallen könne (Urteil vom 11. September 2003 in der Rechtssache C6/01, Anomar u. a., Slg. 2003, I8621, Randnr. 56).

47. Daraus folge, so die portugiesische Regierung, dass die Richtlinie 83/189, die den gleichen Geltungsbereich wie die Bestimmungen des Vertrages über den freien Warenverkehr habe, im Ausgangsverfahren nur dann anwendbar sei, wenn sie unter die erwähnten Bestimmungen des Vertrages und nicht unter diejenigen über den Dienstleistungsverkehr falle. Da der Rechtsprechung jedoch zu entnehmen sei, dass die Veranstaltung von Spielen wie denjenigen, um die es im Ausgangsverfahren gehe, als Dienstleistung einzustufen sei, sei die Richtlinie 83/189 auf dieses Verfahren nicht anwendbar.

48. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 83/189 durch eine vorbeugende Kontrolle den freien Warenverkehr schützen soll, der zu den Grundlagen der Gemeinschaft gehört (vgl. insbesondere Urteil vom 16. Juni 1998 in der Rechtssache C226/97, Lemmens, Slg. 1998, I3711, Randnr. 32).

49. Allerdings wird der Geltungsbereich der Richtlinie 83/189, da er sich im Wesentlichen auf den Begriff der technischen Vorschrift gründet, grundsätzlich autonom festgelegt und hängt nicht in allen Fällen davon ab, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr erfüllt sind.

50. Dies ist damit zu erklären, dass die Richtlinie 83/189 ein Verfahren der verbeugenden Kontrolle vorsieht, das es erlaubt, zu prüfen, ob eine nationale Norm, die eine technische Vorschrift enthält, unter die Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr fällt, und, wenn dies der Fall ist, zu prüfen, ob eine solche Norm mit diesen Bestimmungen vereinbar ist.

51. Die möglichen Auswirkungen der technischen Vorschrift auf den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr stellen kein Kriterium dar, das die Richtlinie 83/189 für die Festlegung ihres Geltungsbereichs verwendet.

52. Ebenso können zwar Hemmnisse für den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten gerechtfertigt sein, wenn sie notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses zu genügen, doch stellen solche Rechtfertigungen, auf die sich insbesondere die portugiesische Regierung in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen beruft, ebenfalls kein Kriterium dar, das in der Richtlinie 83/189 für die Abgrenzung ihres Geltungsbereichs vorgesehen wäre, zumal solche Erwägungen nichts mit dem Begriff der technischen Vorschrift zu tun haben.

Zu den Vorlagefragen

Zu den ersten beiden Fragen

53. Mit seinen ersten beiden Fragen, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das nationale Gericht wissen, ob nationale Bestimmungen wie diejenigen des Lotteriegesetzes in der geänderten Fassung eine technische Vorschrift im Sinne von Artikel 1 Nummer 9 der Richtlinie 83/189 sind, soweit sie ein Verbot der Veranstaltung von Glücksspielen durch das Betreiben bestimmter Spielautomaten enthalten.

54. Nach Artikel 1 Nummer 9 der Richtlinie 83/189 bezeichnet der Begriff der technischen Vorschrift dreierlei, nämlich erstens die technische Spezifikation im Sinne von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie, zweitens die sonstige Vorschrift im Sinne von Artikel 1 Nummer 3 der Richtlinie und drittens das Verbot von Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses im Sinne von Artikel 1 Nummer 9 Unterabsatz 1 der Richtlinie.

55. Was erstens die mögliche Einstufung von nationalen Bestimmungen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art als technische Vorschrift wegen ihrer Zugehörigkeit zur Kategorie der technischen Spezifikationen im Sinne von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 83/189 angeht, so enthält zwar § 24a des Lotteriegesetzes in der geänderten Fassung ein Verbot der Verwendung einer bestimmten Kategorie von Spielautomaten, die anhand einiger besonderer Merkmale dieser Geräte definiert wird.

56. Im vorliegenden Fall können jedoch solche Bestimmungen nicht als technische Spezifikationen im Sinne von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 83/189 eingestuft werden.

57. Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, setzt der Begriff der technischen Spezifikation voraus, dass sich die nationale Maßnahme auf das Erzeugnis und seine Verpackung als solche bezieht und daher eines der vorgeschriebenen Merkmale für ein Erzeugnis vorschreibt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. März 2001 in der Rechtssache C278/99, Van der Burg, Slg. 2001, I2015, Randnr. 20, vom 22. Januar 2002 in der Rechtssache C390/99, Canal Satélite Digital, Slg. 2002, I607, Randnr. 45, und vom 6. Juni 2002 in der Rechtssache C159/00, Sapod Audic, Slg. 2002, I5031, Randnr. 30).

58. Eine nationale Maßnahme der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art enthält im Wesentlichen ein Verbot, das an die Betreiber gerichtet ist, die, wie Herr Lindberg, den Spielern und damit den Verbrauchern bestimmte Typen von Spielautomaten zur Verfügung stellen möchten.

59. Eine solche Maßnahme dient daher der Reglementierung der Tätigkeit von Unternehmen, die sich im Bereich der mit Spielautomaten zusammenhängenden Dienstleistungen betätigen. Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, stellen, wenn eine nationale Maßnahme Voraussetzungen für die Gründung von Unternehmen wie Bestimmungen, die die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit von einer vorherigen Genehmigung abhängig machen, vorsieht, diese Voraussetzungen keine technischen Spezifikationen dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 1996 in der Rechtssache C194/94, CIA Security International, Slg. 1996, I2201, Randnr. 25).

60. Denn eine solche Maßnahme bezieht sich nicht notwendigerweise auf das Erzeugnis oder seine Verpackung als solche und schreibt daher nicht im Sinne von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 83/189 in der Auslegung, die der Gerichtshof in seiner in Randnummer 57 dieses Urteils angeführten Rechtsprechung vorgenommen hat, eines der Merkmale für ein Erzeugnis vor.

61. Diese Auslegung wird durch die Begründung bestätigt, die dem Vorschlag einer Richtlinie des Rates für eine zweite Änderung der Richtlinie 83/189/EWG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. 1992, C 340, S. 7) beigefügt war, der nach seiner Annahme durch den Rat der Europäischen Union zur Richtlinie 94/10 wurde.

62. Durch diese Richtlinie, die zeitlich auf den Ausgangsfall anwendbar ist, wurde eine zweite Kategorie technischer Vorschriften, die so genannten sonstigen Vorschriften, in die Richtlinie 83/189 eingeführt.

63. Somit stellt sich die Frage, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Maßnahme als sonstige Vorschrift im Sinne von Artikel 1 Nummer 3 der Richtlinie 83/189 eingestuft werden kann, die nach Artikel 1 Nummer 9 auch eine technische Vorschrift darstellt.

64. Hierzu heißt es in Nummer 18 jener Begründung insbesondere, dass die Richtlinie 83/189 in ihrer ursprünglichen Fassung nur solche technische Vorschriften berücksichtigt habe, die für ein Erzeugnis im Hinblick auf sein Inverkehrbringen hauptsächlich zu Sicherheitszwecken aufgestellt worden seien, und dass sich später eine Erweiterung dieser Konzeption als notwendig erwiesen habe.

65. Die Kommission erklärt in dieser Darstellung, dass durch die Einführung insbesondere des Begriffes sonstige Vorschrift beabsichtigt sei, den ursprünglichen Geltungsbereich der Richtlinie 83/189 dahin zu erweitern, dass er auch nationale Regelungen insbesondere im Hinblick auf den Verbraucherschutz erfasse, die Anforderungen aufgrund der Berücksichtigung des Erzeugnisses nach seinem Inverkehrbringen, insbesondere im Hinblick auf die mögliche Verwendung dieses Erzeugnisses, enthielten.

66. In derselben Nummer jener Begründung heißt es, dass die Richtlinie 83/189 durch diese Erweiterung ihres Geltungsbereichs Regelungen abdecken könne, die eine Auswirkung auf das Erzeugnis haben und auf dem Markt Verzerrungen hervorrufen können.

67. Die Definition des Begriffes sonstige Vorschrift, wie sie in diesem Richtlinienvorschlag, den die Kommission dem Rat vorgelegt hat, enthalten war, wurde vom Rat angenommen und erscheint als solche im endgültigen Wortlaut der Richtlinie 94/10.

68. Nach allem ist festzustellen, dass eine nationale Maßnahme von der Art des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verbotes vom Begriff sonstige Vorschrift, wie er durch die Richtlinie 94/10 in die Richtlinie 83/189 eingefügt worden ist, um deren Geltungsbereich zu erweitern, speziell erfasst wird und daher nicht der Kategorie der technischen Spezifikationen angehört.

69. Es handelt sich nämlich um ein Erfordernis, das im Hinblick auf ein Erzeugnis, nämlich Spielautomaten, im Wesentlichen aus Gründen des Schutzes der Verbraucher, im vorliegenden Fall der betreffenden Spieler, aufgestellt worden ist.

70. Somit bezieht sich ein Verbot, wie es in den einschlägigen Bestimmungen des Lotteriegesetzes in der geänderten Fassung vorgesehen ist, auf die Verwendung eines Erzeugnisses im Sinne von Artikel 1 Nummer 9 der Richtlinie 83/189.

71. Ferner wurde das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erfordernis für Spielautomaten nicht im Hinblick auf deren Inverkehrbringen eingeführt, sondern es betrifft im Sinne der Definition des Begriffes Sonstige Vorschrift in Artikel 1 Nummer 3 der Richtlinie 83/189 deren Lebenszyklus nach dem Inverkehrbringen.

72. Ein Erfordernis wie das Verbot der Verwendung von Spielautomaten, um das es im Ausgangsverfahren geht, kann nur dann als sonstige Vorschrift im Sinne von Artikel 1 Nummer 3 der Richtlinie 83/189 eingestuft werden, wenn es eine Vorschrift, im vorliegenden Fall für den Gebrauch des betreffenden Erzeugnisses, darstellt, die die Zusammensetzung, die Art oder die Vermarktung des Erzeugnisses wesentlich beeinflussen kann.

73. Allerdings stellt sich dann die Frage, ob dieses Verbot als Vorschrift für den Gebrauch des betreffenden Erzeugnisses einzustufen ist oder ob es sich vielmehr um eine nationale Maßnahme handelt, die zur dritten in Artikel 1 Nummer 9 der Richtlinie 83/189 aufgeführten Kategorie technischer Vorschriften gehört, die in diese Richtlinie ebenfalls durch die Richtlinie 94/10 eingeführt worden ist, nämlich Rechts...vorschriften der Mitgliedstaaten, mit denen... Verwendung eines Erzeugnisses verboten wird.

74. Welcher der beiden Kategorien technischer Vorschriften eine nationale Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende angehört, hängt von der Tragweite des Verbotes ab, das durch diese Maßnahme ausgesprochen wird.

75. Hierbei ist es von Bedeutung, dass die in Artikel 1 Nummer 9 der Richtlinie 83/189 definierte dritte Kategorie technischer Vorschriften im Unterschied zur zweiten Kategorie, die durch die sonstigen Vorschriften im Sinne von Artikel 9 Nummer 3 gebildet wird, nicht die Voraussetzung enthält, dass das betreffende Verbot die Zusammensetzung, die Art oder die Vermarktung des Erzeugnisses wesentlich beeinflussen können muss.

76. Da diese dritte Kategorie technischer Vorschriften ein Verbot insbesondere der Verwendung eines Erzeugnisses betrifft, muss es sich um Maßnahmen handeln, deren Tragweite klar über eine Begrenzung bestimmter möglicher Verwendungen des in Rede stehenden Erzeugnisses hinausgeht und sich damit nicht auf ein bloßes Verbot von dessen Verwendung beschränkt.

77. Wie der Generalanwalt in Nummer 70 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, betrifft diese Kategorie technischer Vorschriften speziell solche nationalen Maßnahmen, die keinen Raum für eine andere als bloß marginale Verwendung lassen, wie man sie für das betreffende Erzeugnis vernünftigerweise erwarten kann. Es obliegt dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob dies bei dem Verbot, das die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Bestimmung enthält, der Fall ist.

78. Sollte sich aufgrund dieser Prüfung erweisen, dass dies im Ausgangsverfahren nicht gegeben ist, so könnte die nationale Bestimmung als sonstige Vorschrift eingestuft werden, wenn feststeht, dass die Beachtung einer solchen Vorschrift für die Verwendung des Erzeugnisses im betreffenden Mitgliedstaat im Sinne von Artikel 1 Nummer 9 der Richtlinie 83/189 rechtlich zwingend vorgeschrieben (de jure verbindlich) ist. In diesem Fall obliegt es dem vorlegenden Gericht jedoch außerdem, zu prüfen, ob das in Rede stehende Verbot die Zusammensetzung, die Art oder die Vermarktung des Erzeugnisses im Sinne von Artikel 9 Nummer 3 wesentlich beeinflussen kann.

79. Bei den Prüfungen, die das vorlegende Gericht somit vornehmen muss, ist dieses berechtigt, insbesondere den möglichen Einfluss des von der portugiesischen Regierung vorgetragenen Arguments zu prüfen, dass die betreffenden elektronischen Spielautomaten programmiert und nötigenfalls umprogrammiert werden können, damit sie verschiedene Funktionen erfüllen können.

80. Nach allem ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, dass nationale Bestimmungen wie diejenigen des Lotteriegesetzes in der geänderten Fassung eine technische Vorschrift im Sinne von Artikel 1 Nummer 9 der Richtlinie 83/189 sein können, soweit sie ein Verbot der Veranstaltung von Glücksspielen durch das Betreiben bestimmter Spielautomaten enthalten und wenn feststeht, dass die Tragweite des in Rede stehenden Verbotes von der Art ist, dass sie keinen Raum für eine andere als bloß marginale Verwendung lässt, wie man sie für das betreffende Erzeugnis vernünftigerweise erwarten kann, oder, sofern dies nicht der Fall ist, wenn feststeht, dass dieses Verbot die Zusammensetzung, die Art oder die Vermarktung des Erzeugnisses wesentlich beeinflussen kann.

Zur dritten Frage

81. Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Neudefinition einer mit der Konstruktion eines Erzeugnisses zusammenhängenden Dienstleistung, insbesondere der im Betreiben bestimmter Glücksspielautomaten bestehenden, in einer nationalen Regelung, wie sie durch das Gesetz von 1996 vorgenommen worden ist, eine technische Vorschrift darstellen kann, die nach der Richtlinie 83/189 mitgeteilt werden muss, wenn sich die Neudefinition auf die Verwendung des Erzeugnisses auswirkt.

82. In diesem Zusammenhang ist zunächst daran zu erinnern, dass eine nationale Maßnahme, die bestehende technische Vorschriften, die, wenn sie nach Inkrafttreten der Richtlinie 83/189 erlassen worden sind, der Kommission ordnungsgemäß mitgeteilt worden sind, wiederholt oder ersetzt, ohne technische Spezifikationen oder sonstige neue oder ergänzende Vorschriften hinzuzufügen, nicht als Entwurf einer technischen Vorschrift im Sinne des Artikels 1 Nummer 9 der Richtlinie 83/189 angesehen werden und folglich nicht mitteilungspflichtig sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Colim, Randnr. 22). Im vorliegenden Fall ist der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie 83/189 für das Königreich Schweden zu berücksichtigen.

83. Ferner handelt es sich, wie bereits in Randnummer 41 dieses Urteils ausgeführt worden ist, bei der Frage, ob das Verbot der Veranstaltung von Glücksspielen durch das Betreiben bestimmter Spielautomaten, insbesondere für das im Ausgangsverfahren in Rede stehende lyckohjulsspel, bereits in der ursprünglichen Fassung des Lotteriegesetzes vorgesehen war, so dass das Gesetz von 1996 diesen Punkt nur klargestellt hat, oder ob dieses Verbot vielmehr erst durch das letztgenannte Gesetz in das Lotteriegesetz eingefügt wurde, um eine Frage des nationalen Rechts, für die das vorlegende Gericht zuständig ist.

84. Schließlich ergibt sich aus der Antwort auf die ersten beiden Fragen, dass eine nationale Maßnahme, die Beschränkungen für eine Dienstleistung wie den Betrieb bestimmter Spielautomaten vorschreibt, unter bestimmten Voraussetzungen eine technische Vorschrift darstellen kann, die gemäß der Richtlinie 83/189 mitzuteilen ist.

85. Nach allem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass die Neudefinition einer mit der Konstruktion eines Erzeugnisses zusammenhängenden Dienstleistung, insbesondere der im Betreiben bestimmter Glücksspielautomaten bestehenden, in einer nationalen Regelung, wie sie durch das Gesetz von 1996 vorgenommen worden ist, eine technische Vorschrift darstellen kann, die nach der Richtlinie 83/189 mitgeteilt werden muss, wenn diese neue Regelung nicht bloß technische Vorschriften, die, wenn sie nach dem Inkrafttreten der Richtlinie 83/189 im betreffenden Mitgliedstaat erlassen worden sind, der Kommission ordnungsgemäß mitgeteilt worden sind, wiederholt oder ersetzt, ohne technische Spezifikationen oder sonstige neue oder ergänzende Vorschriften hinzuzufügen.

Zur vierten Frage

86. Mit seiner vierten Frage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Auskunft über die Bedeutung, die für die Mitteilungspflicht nach der Richtlinie 83/189 folgenden Umständen beizumessen ist:

- dem in einem nationalen Gesetz erfolgten Übergang von einer Erlaubnispflicht zu einem Verbot;

- dem größeren oder geringeren Wert des Erzeugnisses/der Dienstleistung;

- der Größe des Marktes für das Erzeugnis/die Dienstleistung oder

- den Auswirkungen einer neuen nationalen Vorschrift für die Verwendung, nämlich einem völligen Verbot der Verwendung bzw. einem Verbot oder einer Beschränkung der Verwendung auf einem oder mehreren Anwendungsgebieten.

87. In Bezug auf den ersten vom nationalen Gericht erwähnten Umstand, nämlich den in einem nationalen Gesetz erfolgten Übergang von einer Erlaubnispflicht zu einem Verbot, ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass nationale Vorschriften, die lediglich Voraussetzungen für die Errichtung von Unternehmen vorsehen, wie z. B. Vorschriften, die die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit von einer vorherigen Erlaubnis abhängig machen, keine technischen Vorschriften im Sinne des Artikels 1 Nummer 9 der Richtlinie 83/189 darstellen. Technische Vorschriften im Sinne dieser Bestimmung sind nämlich Spezifikationen, die Merkmale von Erzeugnissen vorschreiben, und nicht Spezifikationen, die die Wirtschaftsteilnehmer betreffen (Urteil Canal Satélite Digital, Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

88. Somit ist eine nationale Regelung, die eine Erlaubnispflicht für Dienstleistungen wie das Betreiben bestimmter Spielautomaten vorsieht, keine technische Vorschrift im Sinne von Artikel 1 Nummer 9 der Richtlinie 83/189.

89. Was die Frage angeht, ob ein Verbot einer Dienstleistung wie derjenigen, die im Betreiben bestimmter Spielautomaten besteht, im Hinblick auf die Mitteilungspflicht nach der Richtlinie 83/189 in Betracht kommt, ist festzustellen, dass diese Frage mit derjenigen zusammenfällt, die den vierten in der vierten Vorlagefrage genannten Umstand betrifft.

90. Wie bereits in Beantwortung der ersten beiden Fragen entschieden worden ist, kann eine nationale Maßnahme, die das Verbot einer solchen Dienstleistung enthält, unter bestimmten Voraussetzungen eine technische Vorschrift im Sinne von Artikel 1 Nummer 9 der Richtlinie 83/189 sein.

91. In Bezug auf den zweiten und den dritten in der vierten Vorlagefrage genannten Umstand ist daran zu erinnern, dass die Richtlinie 83/189, wie in Randnummer 50 dieses Urteils ausgeführt worden ist, ein Verfahren der vorbeugenden Kontrolle vorsieht, das es erlaubt, zu prüfen, ob eine nationale Norm, die eine technische Vorschrift enthält, unter die Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr fällt, und, wenn dies zutrifft, zu prüfen, ob eine solche Norm mit diesen Bestimmungen vereinbar ist.

92. Wie bereits in Randnummer 51 dieses Urteils entschieden worden ist, stellen die möglichen Auswirkungen einer technischen Vorschrift auf den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr kein Kriterium dar, das die Richtlinie 83/189 für die Festlegung ihres Geltungsbereichs, insbesondere, was die von ihr vorgesehene Mitteilungspflicht betrifft, gewählt hat.

93. Fällt eine nationale Maßnahme in diesen Geltungsbereich, so erlaubt das Verfahren der vorbeugenden Kontrolle, das die Richtlinie 83/189 enthält, gegebenenfalls die Beurteilung solcher Wirkungen.

94. Im Übrigen sehen, wie der Generalanwalt in Nummer 86 seiner Schlussanträge ausführt, die durch die Richtlinie 83/189 aufgestellten Regeln für die Abgrenzung des Geltungsbereichs der Mitteilungspflicht keine Ausnahme wegen Geringfügigkeit vor, nach der nationale Maßnahmen, die nur verhältnismäßig geringfügige Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr hätten, von dieser Pflicht ausgenommen wären.

95. Nach allem ist auf die vierte Frage zu antworten:

- Der in einem nationalen Gesetz erfolgte Übergang von einer Erlaubnispflicht zu einem Verbot kann ein Umstand sein, der für die in der Richtlinie 83/189 vorgesehene Mitteilungspflicht erheblich ist;

- der größere oder geringere Wert des Erzeugnisses/der Dienstleistung oder die Größe des Marktes für das Erzeugnis/die Dienstleistung ist für die in dieser Richtlinie vorgesehene Mitteilungspflicht unerheblich.

Kosten

96. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem innerstaatlichen Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1. Nationale Bestimmungen wie das Lotteriegesetz (lotterilagen, 1994:1000) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Lotteriegesetzes (lag om ändring i lotterilagen, 1996:1168) können eine technische Vorschrift im Sinne von Artikel 1 Nummer 9 der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften in der durch die Richtlinie 94/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. März 1994 geänderten Fassung sein, soweit sie ein Verbot der Veranstaltung von Glücksspielen durch das Betreiben bestimmter Spielautomaten enthalten und feststeht, dass die Tragweite des in Rede stehenden Verbotes von der Art ist, dass sie keinen Raum für eine andere als bloß marginale Verwendung lässt, wie man sie für das betreffende Erzeugnis vernünftigerweise erwarten kann, oder, sofern dies nicht der Fall ist, wenn feststeht, dass dieses Verbot die Zusammensetzung, die Art oder die Vermarktung des Erzeugnisses wesentlich beeinflussen kann.

2. Die Neudefinition einer mit der Konstruktion eines Erzeugnisses zusammenhängenden Dienstleistung, insbesondere der im Betreiben bestimmter Glücksspielautomaten bestehenden, in einer nationalen Regelung, wie sie durch das Gesetz (1996:1168) zur Änderung des Lotteriegesetzes vorgenommen worden ist, kann eine technische Vorschrift darstellen, die nach der Richtlinie 83/189 in der durch die Richtlinie 94/10 geänderten Fassung mitgeteilt werden muss, wenn diese neue Regelung nicht bloß technische Vorschriften, die, wenn sie nach dem Inkrafttreten der Richtlinie 83/189 im betreffenden Mitgliedstaat erlassen worden sind, der Kommission ordnungsgemäß mitgeteilt worden sind, wiederholt oder ersetzt, ohne technische Spezifikationen oder sonstige neue oder ergänzende Vorschriften hinzuzufügen.

3. Der in einem nationalen Gesetz erfolgte Übergang von einer Erlaubnispflicht zu einem Verbot kann ein Umstand sein, der für die in der Richtlinie 83/189 in der durch die Richtlinie 94/10 geänderten Fassung vorgesehenen Mitteilungspflicht erheblich ist.

Der größere oder geringere Wert des Erzeugnisses/der Dienstleistung oder die Größe des Marktes für das Erzeugnis/die Dienstleistung ist für die in dieser Richtlinie vorgesehene Mitteilungspflicht unerheblich.

Ende der Entscheidung

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