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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 29.06.1993
Aktenzeichen: C-280/93 R
Rechtsgebiete: Verordnung 404/93/EWG, EWGV


Vorschriften:

Verordnung 404/93/EWG Art. 15 Abs. 2 Nr. 3
Verordnung 404/93/EWG Art. 18 Abs. 1
Verordnung 404/93/EWG Art. 19 Abs. 1
Verordnung 404/93/EWG Art. 21 Abs. 2
EWGV Art. 173 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Dringlichkeit einer einstweiligen Anordnung ist danach zu beurteilen, ob eine einstweilige Entscheidung notwendig ist, um zu verhindern, daß durch die sofortige Anwendung der Maßnahme, die Gegenstand der Klage ist, ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entsteht. Zu der Frage, welche Art von Schaden geltend gemacht werden kann, ist darauf hinzuweisen, daß die Mitgliedstaaten die ° namentlich wirtschaftlichen und sozialen ° Interessen zu vertreten haben, die auf nationaler Ebene als allgemeine Interessen gelten, und daß sie daher zur Verteidigung dieser Interessen klagebefugt sind. Folglich können sie Schäden geltend machen, die einen ganzen Sektor ihrer Volkswirtschaft betreffen, zumal wenn die beanstandete Gemeinschaftsmaßnahme nachteilige Auswirkungen auf das Beschäftigungsniveau und die Lebenshaltungskosten haben kann.

2. Der Antrag eines Mitgliedstaats auf einstweilige Anordnung, der in der Sache darauf abzielt, allein für diesen Mitgliedstaat eine Aussetzung der Anwendung eines bedeutenden Teils einer neuen gemeinsamen Marktorganisation zu erreichen, ist zurückzuweisen, wenn zum einen der Eintritt des Schadens, der dem Antragsteller zufolge einem ganzen Sektor der Volkswirtschaft droht, vom Eintritt einer Reihe von Faktoren abhängt, die nicht als mit einem hinreichenden Grad von Wahrscheinlichkeit vorhersehbar erscheinen, wenn zum anderen diese Marktorganisation Mechanismen enthält, die es den Gemeinschaftsbehörden erlauben, zu reagieren, falls sich diese Gefahr konkretisieren sollte, und wenn schließlich die ernsthafte Gefahr eines Schadens für andere Mitgliedstaaten besteht, falls nicht alle von der gemeinsamen Marktorganisation vorgesehenen Mechanismen zu den vorgesehenen Bedingungen eingeführt werden.


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES VOM 29. JUNI 1993. - BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND GEGEN RAT DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BANANEN - GEMEINSAME MARKTORGANISATION - HANDEL MIT DRITTLAENDERN - NICHTIGKEITSKLAGE - EINSTWEILIGE ANORDNUNGEN. - RECHTSSACHE C-280/93 R.

Entscheidungsgründe:

1 Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Klageschrift, die am 14. Mai 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingereicht worden ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag beantragt, Titel IV und Artikel 21 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen (ABl. L 47, S. 1; im folgenden: Verordnung) für nichtig zu erklären.

2 Mit besonderem Schriftsatz, der am 19. Mai 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingereicht worden ist, hat die Bundesrepublik Deutschland gemäß den Artikeln 185 und 186 EWG-Vertrag und Artikel 83 der Verfahrensordnung beantragt, ihr zu gestatten, bis zur Entscheidung des Gerichtshofes zur Hauptsache die Einfuhr von Bananen mit Ursprung in Drittländern im Sinne von Artikel 15 Absatz 2 Nr. 3 der Verordnung jährlich in der gleichen Menge wie 1992 zollfrei zuzulassen.

3 Mit Beschluß vom 9. Juni 1993 hat der Präsident des Gerichtshofes gemäß Artikel 85 Absatz 1 der Verfahrensordnung die Entscheidung über diesen Antrag dem Gerichtshof übertragen.

4 Mit Beschlüssen vom 10. Juni 1993 sind die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Griechische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Portugiesische Republik und das Vereinigte Königreich als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen worden.

5 Die Verordnung legt in Titel IV die Regelung für den Handel mit Drittländern fest. Hierzu sieht sie vor, daß die traditionellen Einfuhren aus den AKP-Staaten, deren Mengen im Anhang festgelegt sind, weiter zollfrei in die Gemeinschaft erfolgen können.

6 In Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung heisst es:

"Jährlich wird ein Zollkontingent in Höhe von 2 Millionen Tonnen Eigengewicht für Einfuhren von Drittlandsbananen und nicht herkömmliche Einfuhren von AKP-Bananen eröffnet.

Im Rahmen dieses Zollkontingents wird auf Einfuhren von Drittlandsbananen eine Abgabe von 100 ECU/Tonne erhoben; nicht herkömmliche Einfuhren von AKP-Bananen unterliegen einem Zollsatz von Null..."

Artikel 18 Absatz 2 lautet:

"Ausserhalb des Kontingents gemäß Absatz 1

° unterliegen die nicht herkömmlichen Einfuhren von AKP-Bananen einer Abgabe von 750 ECU/Tonnen;

° unterliegen die Einfuhren von Drittlandsbananen einer Abgabe von 850 ECU/Tonnen."

Artikel 19 Absatz 1 bestimmt:

"Das Zollkontingent wird ab 1. Juli 1993 anteilig wie folgt eröffnet:

a) 66,5 v. H. für die Gruppe der Marktbeteiligten, die Drittlandsbananen und/oder nichttraditionelle AKP-Bananen vermarktet haben;

b) 30 v. H. für die Gruppe der Marktbeteiligten, die Gemeinschaftsbananen und/oder traditionelle AKP-Bananen vermarktet haben;

c) 3,5 v. H. für in der Gemeinschaft niedergelassene Marktbeteiligte, die ab 1992 mit der Vermarktung von anderen als Gemeinschafts- und/oder traditionellen AKP-Bananen beginnen."

7 Durch Artikel 21 Absatz 2 der Verordnung wird das Zollkontingent aufgehoben, das in dem Protokoll über das Zollkontingent für die Einfuhr von Bananen zu dem in Artikel 136 EWG-Vertrag vorgesehenen Durchführungsabkommen über die Assoziierung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete mit der Gemeinschaft genannt ist.

8 Nach dem Protokoll zu diesem Durchführungsabkommen, das seit dem 31. Dezember 1962 nicht mehr gilt, stand der Bundesrepublik Deutschland ein Jahreskontingent für die zollfreie Einfuhr von Bananen zu. Die Berechnungsgrundlage für dieses Kontingent war gemäß Absatz 5 des Protokolls die 1956 eingeführte Menge von 290 000 Tonnen. Diese Menge war für jedes weitere Geltungsjahr nach den Berechnungsregeln der Absätze 3 und 4 des Protokolls zu erhöhen. Für den Fall, daß in einem bestimmten Jahr die so berechnete Menge zur Deckung der Nachfrage in der Bundesrepublik Deutschland nicht ausreichte, sah Absatz 6 vor, daß die beteiligten Mitgliedstaaten sich bereit erklärten, einer entsprechenden Erhöhung des Kontingents zuzustimmen, wenn es den überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten unmöglich sein sollte, die verlangten zusätzlichen Mengen vollständig zu liefern. Gemäß Absatz 4 Unterabsatz 3 des Protokolls konnte der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission über die Aufhebung oder Änderung dieses Kontingents entscheiden.

9 In Anwendung des Protokolls führte die Bundesrepublik Deutschland 1992 1 371 000 Tonnen Bananen zollfrei ein, wovon eine Menge von 721 000 Tonnen nach dem Protokoll errechnet und eine zusätzliche Menge von 650 000 Tonnen gemäß Absatz 6 des Protokolls verlangt worden waren.

10 Die Bundesrepublik Deutschland, Antragstellerin, und der Rat, Antragsgegner, sowie die Streithelfer haben in der Sitzung des Gerichtshofes vom 18. Juni 1993 mündliche Ausführungen gemacht.

11 Im Verlauf der Sitzung hat die Bundesrepublik Deutschland ihren Antrag in dem Sinne geändert, daß sie hilfsweise bereit sei, die Bananenmengen, deren Einfuhr ihr im Wege der einstweiligen Anordnung gestattet würden, einem Zoll von 100 ECU/Tonne zu unterwerfen.

12 Der Rat ist der Berücksichtigung dieser Änderung des Antrags nicht entgegengetreten, hat jedoch erklärt, daß sie nicht geeignet sei, ihn zu einer Änderung seiner Haltung zu veranlassen.

13 Am Ende der Sitzung hat die Bundesrepublik Deutschland den Gegenstand ihres Antrags selbst geändert, indem sie höchst hilfsweise in erster Linie eine Erhöhung des Zollkontingents um jährlich 900 000 Tonnen und in zweiter Linie eine Aufteilung des Kontingents zu 90 % auf die traditionellen Vermarkter nach Maßgabe der in den vorangegangenen Jahren eingeführten Bananenmengen und zu 10 % auf die "Newcomer" beantragt hat.

14 Der Rat hat diese letzte Änderung als einen neuen Antrag bezeichnet, zu dem er sich nicht äussern könne, da er dessen Auswirkungen nicht habe prüfen können.

15 Es ist festzustellen, daß sich die im Verlauf der Sitzung hilfsweise formulierte Änderung des Antrags im Rahmen der in der Antragsschrift beantragten Maßnahme bewegt; in Wahrheit handelt es sich um eine Beschränkung der Tragweite dieser Maßnahme, da mit dem geänderten Antrag die Wirkungen dieser Maßnahme zumindest auf der Ebene der Finanzmittel der Gemeinschaft abgemildert werden sollen. Daher steht der Berücksichtigung dieser Änderung nichts entgegen.

16 Anders verhält es sich jedoch mit der am Ende der Sitzung höchst hilfsweise vorgetragenen Änderung des Antrags. Diese Änderung stellt eine wesentliche Abweichung von dem von der Bundesrepublik Deutschland gestellten Antrag dar und ändert dessen Gegenstand grundlegend. Da hierin somit ein neuer Antrag zu sehen ist, zu dem die übrigen Beteiligten nicht Stellung nehmen konnten, muß der Gerichtshof diesen in der Sitzung gestellten Antrag als unzulässig zurückweisen.

17 Nach Artikel 185 EWG-Vertrag haben Klagen beim Gerichtshof keine aufschiebende Wirkung. Nach den Artikeln 185 und 186 EWG-Vertrag kann der Gerichtshof jedoch, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

18 Gemäß Artikel 83 § 2 der Verfahrensordnung setzt die Aussetzung des Vollzugs einer Maßnahme oder der Erlaß einer einstweiligen Anordnung das Vorliegen von Umständen voraus, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen.

19 Zur Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht führt die Bundesrepublik Deutschland aus, Titel IV und Artikel 21 Absatz 2 der Verordnung seien rechtswidrig.

20 Hierzu trägt die Bundesrepublik Deutschland eine Reihe von Rügen vor, mit denen sie im wesentlichen folgendes beanstandet: Unterlassen einer erneuten Anhörung des Europäischen Parlaments zu der endgültigen Fassung der Verordnung, Verletzung der Begründungspflicht, Verletzung der Vertragsbestimmungen über die gemeinsame Agrarpolitik, die Wettbewerbsregeln und die gemeinsame Handelspolitik, Verletzung des Diskriminierungsverbots und des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit sowie bestimmter Grundrechte und Verstoß gegen die Bestimmungen des Vierten Lomé-Abkommens und der GATT-Regeln.

21 Insoweit genügt die Feststellung, daß die Klage komplexe Rechtsfragen aufwirft, die eine eingehende Prüfung nach streitiger Erörterung verdienen, und daß dem Antrag nicht dem ersten Anschein nach jede Rechtfertigung fehlt. Er kann daher nicht aus diesem Grund zurückgewiesen werden.

22 Zur Voraussetzung der Dringlichkeit ist darauf hinzuweisen, daß die in Artikel 83 § 2 der Verfahrensordnung erwähnte Dringlichkeit einer einstweiligen Anordnung danach zu beurteilen ist, ob eine einstweilige Entscheidung notwendig ist, um zu verhindern, daß durch die sofortige Anwendung der Maßnahme, die Gegenstand der Klage ist, ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entsteht.

23 Hierzu macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, daß ihr durch die sofortige Anwendung der Vorschriften der Verordnung, die Gegenstand der Klage seien, ein nicht wiedergutzumachender Schaden zu entstehen drohe. Nach ihrem Vorbringen würden die Einführung des Zollkontingents und die Regeln für dessen Verteilung zu einer Verringerung der den deutschen Wirtschaftsteilnehmern zustehenden Menge von Drittlandsbananen führen. Daraus würden sich ein erheblicher Anstieg des Bananenpreises auf dem deutschen Markt zum Nachteil insbesondere einkommensschwacher Haushalte, schwere Arbeitsplatzverluste in den Einfuhrhäfen für Bananen, ein spürbarer Rückgang der von der Bundesbahn beförderten Fracht und für die betroffenen deutschen Wirtschaftsteilnehmer eine Verringerung ihrer Marktanteile um mindestens ein Drittel ergeben, die zu Konkursen führen könne.

24 Selbst wenn die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Klage obsiegen würde, ließe sich ihrer Ansicht nach die Änderung der Marktbedingungen, die durch eine künstliche Verknappung des Angebots und die Verlagerung von Marktanteilen hervorgerufen würde, nicht rückgängig machen.

25 Der Rat macht als Antragsgegner zunächst geltend, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht die Verletzung rein privater Interessen, die von dem von der Regierung vertretenen allgemeinen Interesse verschieden seien, rügen könne.

26 Ferner bestreitet der Rat, unterstützt von den Streithelfern, daß der Bundesrepublik Deutschland ein unmittelbar bevorstehender, gewisser und nicht wiedergutzumachender Schaden drohe. Das einzige angeführte allgemeine Interesse, nämlich die Gefahr des Anstiegs des Bananenpreises zum Nachteil des deutschen Verbrauchers, sei nicht nachgewiesen, da die Auswirkung der neuen Maßnahmen auf das Einkommen des Durchschnittsverbrauchers unerheblich sei. Die Einführung eines Zollkontingents wie auch die Regeln für dessen Aufteilung seien unerläßlich, um den Absatz der Gemeinschaftsbananen zu sichern und die Bedingungen für einen echten Binnenmarkt zu schaffen, der an die Stelle der einzelnen, unterschiedlichen Regelungen unterliegenden nationalen Märkte trete.

27 Zu der Frage, welche Art von Schäden die Bundesrepublik Deutschland geltend machen kann, ist darauf hinzuweisen, daß die Mitgliedstaaten die ° namentlich wirtschaftlichen und sozialen ° Interessen zu vertreten haben, die auf nationaler Ebene als allgemeine Interessen gelten, und daß sie daher zur Verteidigung dieser Interessen klagebefugt sind. Folglich können sie Schäden geltend machen, die einen ganzen Sektor ihrer Volkswirtschaft betreffen, zumal wenn die beanstandete Gemeinschaftsmaßnahme nachteilige Auswirkungen auf das Beschäftigungsniveau und die Lebenshaltungskosten haben kann.

28 Da die von der Bundesrepublik Deutschland geltend gemachten Schäden in diese Kategorie fallen, ist ihr die Klagebefugnis insoweit nicht abzusprechen.

29 Zur Beurteilung der Frage, ob die Antragstellerin die Notwendigkeit des Erlasses der beantragten einstweiligen Anordnung nachgewiesen hat, ist der geltend gemachte Schaden im Lichte sämtlicher betroffener Interessen zu prüfen.

30 Hierzu ist festzustellen, daß der Antrag der Bundesrepublik Deutschland in der Sache darauf abzielt, einem einzigen Mitgliedstaat in der Form einer einstweiligen Anordnung eine Aussetzung der Anwendung eines bedeutenden Teils einer neuen gemeinsamen Marktorganisation zu gewähren.

31 Zweck der Verordnung über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen ist es nämlich, den Erzeugern der Gemeinschaft zufriedenstellende Einkommen zu gewährleisten, den Absatz der Gemeinschaftserzeugung zu erleichtern, den freien Verkehr von Bananen auf dem Gemeinsamen Markt sicherzustellen und eine Präferenzregelung für die traditionelle Einfuhr von Bananen mit Ursprung in den AKP-Staaten beizubehalten; zur Erreichung dieser Ziele wird zum einen eine Beihilferegelung eingeführt, durch die die Schwächen der Gemeinschaftserzeugung ausgeglichen werden sollen, und zum anderen eine gemeinsame Regelung für den Handel mit Drittländern. Diese neue Marktorganisation soll an die Stelle der einzelnen nationalen, mehr oder weniger abgeschotteten Märkte treten und so eine mit den Zielen des Vertrages unvereinbare Situation beenden.

32 Was die von der Antragstellerin behauptete Gefahr eines Anstiegs der Verbraucherpreise und dessen Auswirkung auf die Lebenshaltungskosten der deutschen Bevölkerung angeht, so hängt dies vom Eintritt einer Reihe von Faktoren ab, zu denen namentlich das von der Bundesrepublik Deutschland vorausgesetzte Zurückbleiben der Bananeneinfuhren gegenüber der Verbrauchernachfrage gehört.

33 Ebenso verhält es sich mit den Behauptungen der Bundesrepublik Deutschland, daß es zu Verlusten im Bereich der Auslastung von Infrastruktureinrichtungen und im Bereich der Beschäftigung kommen werde.

34 Daher ist zu prüfen, ob eine Verknappung des Angebots auf dem deutschen Markt in diesem Stadium als mit einem hinreichenden Grad von Wahrscheinlichkeit vorhersehbar bezeichnet werden muß.

35 Hierzu ist festzustellen, daß die Referenzzahlen für den Bananenverbrauch im Jahre 1992 umstritten sind. Zum einen scheinen die Angaben einiger Mitgliedstaaten überhöht gewesen zu sein, so daß die von Eurostat berücksichtigten Zahlen nach unten berichtigt werden müssen. Zum anderen ist nicht nachgewiesen, daß sämtliche eingeführten Bananen tatsächlich innerhalb der Gemeinschaft verbraucht worden sind; ein mehr oder weniger grosser Teil kann vielmehr in andere Staaten wieder ausgeführt worden sein. Ausserdem hat der Rat vorgetragen, daß die Einführer von Drittlandsbananen ihr Einfuhrvolumen künstlich aufgebläht hätten, um bei der für 1992 vorhersehbaren Einführung der gemeinsamen Marktorganisation über günstige Referenzmengen verfügen zu können.

36 Zum Niveau der Einfuhren im zweiten Halbjahr 1993 macht der Rat zudem geltend, daß eine ausreichende Versorgung auch für den Fall gesichert sei, daß dem Zollkontingent eine zu niedrige Schätzung des künftigen Verbrauchs zugrunde liege. Insoweit weist er darauf hin, daß zum einen mit der am 1. Juli vorrätigen Menge der gesamte Verbrauch im Monat Juli gedeckt werden könne, so daß das Kontingent für das Jahr 1993 in Wirklichkeit nur für fünf Monate gelte, und daß zum anderen vor dem 23. Juni verladene Bananen nicht auf das Kontingent angerechnet und nur dem günstigen Zollsatz von 100 ECU/Tonne unterworfen würden.

37 Da sich der tatsächliche Bedarf des Marktes in den kommenden Monaten derzeit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von einem vorhersehbaren Versorgungsdefizit ausgegangen werden.

38 Sollten sich die Vorausschätzungen, auf die sich der Rat gestützt hat, in der Zukunft als unrichtig erweisen, so lässt sich einer eventuellen Angebotslücke, wie im weiteren ausgeführt werden wird, mit dem Verfahren des Artikels 16 Absatz 3 der Verordnung begegnen.

39 Gegenüber der Aufteilung des Zollkontingents macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, sie führe dazu, daß den deutschen Wirtschaftsteilnehmern, die bisher Drittlandsbananen eingeführt hätten, ein erheblicher Teil ihrer Marktanteile entzogen werde.

40 Der Rat macht, unterstützt von der Kommission, geltend, diese Aufteilung sei unerläßlich, um einen echten Binnenmarkt und eine gemeinsame Marktorganisation herzustellen, die namentlich einen gleichberechtigten Marktzugang und einen wirksamen Wettbewerb sicherstellen müsse, so daß wohlerworbene Rechte der Marktteilnehmer, die sich aus der für einen nationalen Markt geltenden besonderen rechtlichen Regelung ergäben, unter dem Blickwinkel der Ziele einer gemeinsamen Politik keinen Vorrang gegenüber diesen Erfordernissen haben könnten.

41 Ohne daß in diesem Stadium über diese Frage zu entscheiden ist, ist festzustellen, daß es beim gegenwärtigen Stand nicht hinreichend sicher ist, daß die beanstandete Aufteilungsregelung den deutschen Importeuren einen erheblichen Teil ihrer Marktanteile entziehen wird; insbesondere ist nicht ersichtlich, weshalb es diesen Importeuren nicht gelingen sollte, sich mit Gemeinschafts- und AKP-Bananen einzudecken, deren Vermarktung durch die gemeinsame Marktorganisation gefördert werden soll. Sollte sich dies in der Folgezeit als unmöglich herausstellen, so könnte die Bundesrepublik Deutschland jederzeit das Verfahren des Artikels 16 Absatz 3 oder das des Artikels 30 der Verordnung in Gang setzen.

42 Zur ersten dieser Bestimmungen führt die Kommission nämlich aus, falls sich die Vorausschätzungen des Rates namentlich hinsichtlich des Bedarfs und der Aufteilung des Kontingents später als unrichtig herausstellen sollten, lasse sich einer eventuellen Versorgungslücke mit Artikel 16 Absatz 3 begegnen.

43 Der Rat räumt ein, daß sich die Vorausschätzungen, auf die er sich gestützt habe, als unrichtig herausstellen könnten, da er auf diesem Gebiet nicht über hinreichende Erfahrung verfüge. Wie die Bundesrepublik Deutschland geltend macht, zieht der Rat die Möglichkeit einer Änderung der in Artikel 18 festgelegten Kontingente zwar nur für den Fall einer erheblichen Änderung der konjunkturellen Entwicklung in Betracht. Er räumt jedoch ein, daß die Gemeinschaftsorgane zum Handeln verpflichtet seien, falls es zu einer Knappheit in dem von der Bundesrepublik Deutschland behaupteten Ausmaß kommen sollte.

44 Hierzu ist festzustellen, daß Artikel 16 Absatz 3 der Verordnung die Gemeinschaftsorgane zur Anpassung des Zollkontingents verpflichtet, wenn sich dies im Verlauf des Wirtschaftsjahres als notwendig erweist, um das Auftreten ungewöhnlicher Umstände zu berücksichtigen, die sich insbesondere auf die Einfuhrbedingungen auswirken. In diesem Fall erfolgt die Anpassung nach dem Verfahren des Artikels 27, d. h., es ist Sache der Kommission, nach Stellungnahme des Verwaltungsausschusses Maßnahmen zu erlassen. Stimmen die erlassenen Maßnahmen nicht mit der Stellungnahme des Verwaltungsausschusses überein, so kann der Rat binnen eines Monats statt dessen selbst beschließen.

45 Falls die Kommission also auf der Grundlage zuverlässiger objektiver Daten zu der Feststellung gelangen sollte, daß das Kontingent nicht ausreicht, um die Nachfrage angemessen zu befriedigen, und falls sich die früheren Vorausschätzungen des Rates als unrichtig erweisen sollten, verpflichtet die Verordnung die Kommission und gegebenenfalls den Rat, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen, mit der Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, vor dem Gerichtshof Klage zu erheben, wenn diese Organe ihren Verpflichtungen nicht nachkommen sollten.

46 Hinzu kommt, daß, wie sich aus der zweiundzwanzigsten Begründungserwägung der Verordnung ergibt, auch mit Artikel 30 Störungen des Binnenmarktes begegnet werden soll, die sich dadurch ergeben können, daß die gemeinsame Marktorganisation an die Stelle der verschiedenen nationalen Regelungen tritt.

47 Hierzu verpflichtet Artikel 30 die Kommission zum Erlaß aller für erforderlich erachteten Übergangsmaßnahmen, falls "sich besondere Maßnahmen ab Juli 1993 als notwendig [erweisen], um den Übergang von den vor Inkrafttreten dieser Verordnung gültigen Regelungen zu der durch diese Verordnung eingeführten Regelung zu erleichtern und insbesondere ernsthafte Schwierigkeiten zu überwinden".

48 Unter diesen Umständen ist anzuerkennen, daß sich mit der Anwendung des Verfahrens des Artikels 16 Absatz 3 oder des Artikels 30 sachgerecht reagieren lässt, falls die von der Bundesrepublik Deutschland befürchtete Lage eintreten sollte.

49 Was schließlich die Abwägung der betroffenen Interessen angeht, haben der Rat sowie namentlich die Französische Republik, das Königreich Spanien, die Portugiesische Republik und das Vereinigte Königreich ausgeführt, daß die Nichteinbeziehung der Bundesrepublik Deutschland in die Regelung für den Handel mit Drittländern und die Präferenzregelung sofort den Absatz der Gemeinschaftsbananen in nicht wiedergutzumachender Weise beeinträchtigen und unerträgliche Folgen für die Wirtschaft der Erzeugerregionen haben würde, die zu sozialen Unruhen führen könnten.

50 Die Bundesrepublik Deutschland stellt die Art und die Schwere der von anderen Mitgliedstaaten angeführten Schäden nicht in Abrede, macht jedoch geltend, daß der Erlaß der beantragten Anordnung keine derartigen Folgen haben werde, da die Gemeinschaftserzeuger durch die Beihilferegelung hinreichend geschützt würden, die es ihnen ermögliche, einen Ausgleich für alle bei der Vermarktung ihrer Erzeugnisse erlittenen Einnahmeausfälle zu erhalten. Nach Ansicht der Antragstellerin müsste diese Regelung auch ohne Einführung eines Zollkontingents normal funktionieren können.

51 Hierzu macht der Rat geltend, daß zwischen der internen Beihilferegelung und der externen Zollkontingentregelung ein innerer Zusammenhang bestehe, da letztere nicht nur zur Finanzierung der ersteren, sondern vor allem dazu bestimmt sei, günstige Bedingungen für die Vermarktung der Gemeinschaftserzeugung zu schaffen.

52 Ferner führt der Rat aus, die Beihilferegelung könne nur eingreifen, wenn die in der Gemeinschaft erzeugten Bananen tatsächlich verkauft würden, da sie den Ausgleich des Unterschieds zwischen dem tatsächlich bei der Vermarktung erzielten Preis und einem Referenzpreis sicherstellen solle, der für den der Einführung der gemeinsamen Marktorganisation vorausgehenden Zeitraum festgelegt worden sei. Der Ausschluß der Bundesrepublik Deutschland von der Zollkontingentregelung hätte jedoch die Beeinträchtigung der Vermarktungsmöglichkeiten für die Gemeinschaftsbananen zur Folge.

53 Angesichts dieser Argumente lässt sich somit nicht ausschließen, daß eine ernsthafte Gefahr besteht, daß die Beihilferegelung ohne die für die gesamte Gemeinschaft geltende Regelung für den Handel mit Drittländern nicht ordnungsgemäß funktionieren kann und mit ihrer Hilfe daher die von den betroffenen Mitgliedstaaten befürchteten Schäden nicht abgewendet werden können.

54 Unter Berücksichtigung dessen, daß es sich hierbei um eine ernsthafte Gefahr handelt, daß die Antragstellerin den Eintritt des von ihr behaupteten Schadens nicht als hinreichend wahrscheinlich nachgewiesen hat und daß die Gemeinschaftsorgane verpflichtet sind, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den durch die Einführung der gemeinsamen Marktorganisation eventuell hervorgerufenen Schwierigkeiten zu begegnen, ist die von der Antragstellerin beantragte einstweilige Anordnung auch in der in der Sitzung geänderten Form nicht zu erlassen.

55 Der Antrag ist daher zurückzuweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

beschlossen:

1) Der Antrag wird zurückgewiesen.

2) Die Entscheidung über die Kosten einschließlich der Kosten der Streithelfer bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 29. Juni 1993.

Ende der Entscheidung

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