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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 06.04.2000
Aktenzeichen: C-287/95 P
Rechtsgebiete: EG-Satzung, Entscheidung 91/298/EWG, Entscheidung 91/299/EWG, EGV, Geschäftsordnung 63/41/EWG


Vorschriften:

EG-Satzung Art. 49
Entscheidung 91/298/EWG
Entscheidung 91/299/EWG
EGV Art. 86 (jetzt EGV Art. 82)
Geschäftsordnung 63/41/EWG Art. 12 Abs. 1 d
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Die in Artikel 12 Absatz 1 der Geschäftsordnung der Kommission vorgesehene Feststellung der Rechtsakte soll die Rechtssicherheit gewährleisten, indem sie den vom Kollegium angenommenen Wortlaut in allen verbindlichen Sprachen feststellt. Denn nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit muß jede Handlung der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfaltet, insbesondere in bezug auf ihren Urheber und ihren Inhalt bestimmt sein.

Folglich stellt die Feststellung eine wesentliche Formvorschrift im Sinne von Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) dar, wegen deren Verletzung die Nichtigkeitsklage gegeben ist. Der Tatbestand der Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift wird allein durch die fehlende Feststellung eines Rechtsakts erfuellt, ohne daß darüber hinaus nachgewiesen werden muß, daß der Rechtsakt mit einem weiteren Fehler behaftet ist oder daß derjenige, der die fehlende Feststellung geltend macht, durch sie einen Schaden erlitten hat.

Wenn der Gemeinschaftsrichter bei der Untersuchung des ihm vorgelegten Rechtsakts zu dem Ergebnis kommt, daß dieser nicht ordnungsgemäß festgestellt worden ist, hat er das Angriffsmittel der Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift wegen fehlender ordnungsgemäßer Feststellung von Amts wegen zu berücksichtigen und folglich den mit einem solchen Fehler behafteten Rechtsakt für nichtig zu erklären. (vgl. Randnrn. 44-49, 55)

2 Es ist Sache des Gemeinschaftsrichters, nach den Umständen des Rechtsstreits und gemäß den Bestimmungen der Verfahrensordnung über die Beweisaufnahme darüber zu befinden, ob die Vorlegung eines festgestellten Rechtsakts erforderlich ist. Es ist nicht erforderlich, zusätzlich zu der fehlenden ordnungsgemäßen Feststellung anhand verschiedener Anhaltspunkte einen Beweis des ersten Anscheins für einen weiteren Fehler des Rechtsakts zu erbringen. (vgl. Randnrn. 52-53)

3 Aus einer wörtlichen und systematischen Auslegung des Artikels 12 der Geschäftsordnung der Kommission ergibt sich, daß die Feststellung eines von der Kommission erlassenen Rechtsakts zwangsläufig seiner Zustellung vorausgehen muß. Die Zielsetzung dieser Vorschrift über die Feststellung eines Rechtsakts bestätigt das.

Die Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift im Sinne von Artikel 173 EG-Vertrag (jetzt Artikel 230 EG) liegt vor, wenn die Feststellung einer Entscheidung zu einem unbestimmten Zeitpunkt nach der Zustellung des Rechtsakts erfolgt. (vgl. Randnrn. 65, 68)


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 6. April 2000. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Solvay SA. - Rechtsmittel - Nichtigkeitsklagen - Rechtsmittelgründe - Verletzung wesentlicher Formvorschriften - Fehlende Feststellung vom Kollegium der Kommissionsmitglieder angenommener Entscheidungen - Von Amts wegen zu berücksichtigendes Angriffs- oder Verteidigungsmittel. - Verbundene Rechtssachen C-287/95 P und C-288/95 P.

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen C-287/95 P und C-288/95 P

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Currall und B. J. Drijber, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Rechtsmittelführerin,

" betreffend zwei Rechtsmittel gegen die Urteile des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Erste erweiterte Kammer) vom 29. Juni 1995 in den verbundenen Rechtssachen T-31/91 und T-32/91 (Solvay/Kommission, Slg. 1995, II-1821 und II-1825) wegen Aufhebung dieser Urteile, anderer Verfahrensbeteiligter: Solvay SA, Brüssel (Belgien), vertreten durch die Rechtsanwälte L. Simont, zugelassen bei der belgischen Cour de cassation, sowie P. A. Foriers und G. Block, Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts J. Loesch, 11, rue Goethe, Luxemburg,

erläßt

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Ersten Kammer L. Sevón (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter P. J. G. Kapteyn, P. Jann, H. Ragnemalm und M. Wathelet,

Generalanwalt: N. Fennelly

Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 7. Oktober 1999,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. November 1999,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit zwei Rechtsmittelschriften, die am 30. August 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes zwei Rechtsmittel gegen die Urteile des Gerichts erster Instanz vom 29. Juni 1995 in den verbundenen Rechtssachen T-31/91 und T-32/91 (Solvay/Kommission, Slg. 1995, II-1821 und II-1825; nachfolgend: Solvay I [T-31/91] und Solvay II [T-32/91]) eingelegt, mit denen dieses die Entscheidung 91/298/EWG der Kommission vom 19. Dezember 1990 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/33.133-B: Soda - Solvay, CFK; ABl. 1991, L 152, S. 16) und die Entscheidung 91/299/EWG der Kommission vom 19. Dezember 1990 in einem Verfahren nach Artikel 86 EWG-Vertrag (IV/33.133-C: Soda - Solvay; ABl. 1991, L 152, S. 21; beide zusammen nachfolgend: streitige Entscheidungen) für nichtig erklärt hat.

2 Mit Beschluß des Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichtshofes vom 18. Dezember 1997 sind die Rechtssachen C-287/95 P und C-288/85 P zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

3 Zum Sachverhalt, der den vorliegenden Rechtsmitteln zugrunde liegt, ist den angefochtenen Urteilen zu entnehmen, daß das Kollegium der Kommissionsmitglieder die streitigen Entscheidungen auf seiner 1 040. Sitzung vom 17. und 19. Dezember 1990 erließ. Aus der Entscheidung 91/298 geht im wesentlichen hervor, daß sich Solvay und eine andere Gesellschaft, die Chemische Fabrik Kalk, seit etwa 1987 an einer Vereinbarung zur Aufteilung des deutschen Sodamarktes beteiligt hätten, weswegen die Kommission ihnen die Zahlung von 3 Millionen ECU bzw. 20 Millionen ECU auferlegte. In der Entscheidung 91/299 stellte die Kommission fest, daß Solvay auf dem Sodamarkt des kontinentalen Westeuropas eine beherrschende Stellung innehabe und diese von etwa 1983 an mißbräuchlich im Sinne von Artikel 86 EWG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) ausgenutzt habe. Infolgedessen setzte sie eine Geldbuße von 20 Millionen ECU gegen Solvay fest. Die streitigen Entscheidungen wurden Solvay mit Einschreiben vom 1. März 1991 zugestellt.

4 Nach den Feststellungen des Gerichts wurde der Text der zugestellten Entscheidungen nicht gemäß dem seinerzeit geltenden Artikel 12 Absatz 1 der Geschäftsordnung 63/41/EWG der Kommission vom 9. Januar 1963 (ABl. 1963, Nr. 17, S. 181), die nach Artikel 1 des Beschlusses 67/426/EWG der Kommission vom 6. Juli 1967 (ABl. 1967, Nr. 147, S. 1) vorläufig weiterhin gilt und zuletzt durch Beschluß 86/61/EWG, Euratom, EGKS der Kommission vom 8. Januar 1986 (ABl. L 72, S. 34) geändert worden ist (nachfolgend: Geschäftsordnung), durch die Unterschriften des Präsidenten und des Exekutivsekretärs festgestellt.

5 Zum Verfahren vor dem Gericht ist den Randnummern 9 bis 14 des Urteils Solvay I und 10 bis 17 des Urteils Solvay II insbesondere folgendes zu entnehmen:

6 Am 2. Mai 1991 erhob Solvay beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidungen und Verurteilung der Kommission zur Tragung der Kosten.

7 Nach Beendigung des schriftlichen Verfahrens reichte Solvay am 10. April 1992 einen "Schriftsatz zur Erweiterung der Klage" ein, mit dem sie ein neues Angriffsmittel geltend machte und beantragte, die streitigen Entscheidungen für inexistent zu erklären. Unter Bezugnahme auf zwei Zeitungsartikel, die im Wall Street Journal vom 28. Februar 1992 und in der Financial Times vom 2. März 1992 erschienen waren, machte sie u. a. geltend, die Kommission habe öffentlich erklärt, es sei jahrelange Praxis, daß vom Kommissionskollegium angenommene Rechtsakte nicht festgestellt würden, und seit 25 Jahren sei keine Entscheidung mehr Gegenstand einer Feststellung gewesen. Diese Erklärungen der Kommission hätten sich auf damals beim Gericht anhängige Klagen bezogen, die sich gegen eine Entscheidung der Kommission gerichtet hätten, mit der ein Kartell im Bereich Polyvinylchlorid festgestellt worden sei (nachfolgend: PVC-Entscheidung), und über die das Gericht mit Urteil vom 27. Februar 1992 entschieden habe (Rechtssachen T-79/89, T-84/89 bis T-86/89, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-96/89, T-98/89, T-102/89 und T-104/89, BASF u. a./Kommission, Slg. 1992, II-315).

8 Die Kommission nahm zur Klageerweiterung schriftlich Stellung.

9 Nachdem der Gerichtshof mit Urteil vom 15. Juni 1994 in der Rechtssache C-137/92 P (Kommission/BASF u. a., Slg. 1994, I-2555) über das Rechtsmittel gegen das PVC-Urteil des Gerichts entschieden hatte, hat das Gericht eine Reihe prozeßleitender Maßnahmen erlassen. Insbesondere hat es die Kommission aufgefordert, u. a. die streitigen Entscheidungen, wie sie seinerzeit durch die Unterschriften des Präsidenten und des Generalsekretärs in den verbindlichen Sprachen festgestellt und dem Protokoll beigefügt worden waren, vorzulegen.

10 Die Kommission erklärte in ihrer Antwort, daß sie es für angezeigt halte, nicht auf die Begründetheit des Angriffsmittels der fehlenden Feststellung der streitigen Entscheidungen einzugehen, solange das Gericht nicht über die Zulässigkeit dieses Angriffsmittels entschieden habe.

11 Mit Beschluß vom 25. Oktober 1994 hat das Gericht der Kommission gemäß Artikel 65 seiner Verfahrensordnung aufgegeben, den oben genannten Text vorzulegen.

12 Die Kommission legte aufgrund dieses Beschlusses am 11. November 1994 die streitigen Entscheidungen in französischer Sprache vor. Auf dem Deckblatt der Entscheidungen ist ein nicht datierter Feststellungsvermerk angebracht, der vom Präsidenten und dem Exekutivsekretär der Kommission unterzeichnet ist.

13 In der Rechtssache Solvay I machte Solvay allein die fehlerhafte Feststellung als neues Angriffsmittel geltend. In der Rechtssache Solvay II dagegen fügte sie dem Angriffsmittel einen zweiten Teil hinzu, mit dem sie die nachträgliche Änderung rügte, die der Text der Entscheidung nach Erhebung der Klage durch Einfügung einer Nummer 63 in die Entscheidung 91/299 erfahren habe.

14 Das Gericht hat in seinen Urteilen das neue Angriffsmittel für zulässig erklärt. In den Randnummern 31 des Urteils Solvay I und 37 des Urteils Solvay II führt es aus, die Erklärungen der Vertreter der Kommission stellten eine Tatsache dar, die von Solvay geltend gemacht werden könne. Obwohl diese Erklärungen nur im Rahmen der Rechtssache BASF u. a./Kommission abgegeben worden seien, gelte die Aussage doch für alle bis Ende 1991 durchgeführten Verfahren nach den Artikeln 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) und 86 EG-Vertrag, einschließlich der Verfahren, die Gegenstand der beim Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten seien.

15 In den Randnummern 34 des Urteils Solvay I und 40 des Urteils Solvay II weist das Gericht darauf hin, daß Artikel 48 § 2 seiner Verfahrensordnung weder eine Frist noch eine besondere Form für das Vorbringen eines neuen Angriffsmittels vorsehe.

16 Nach den Ausführungen des Gericht in den Randnummern 35 des Urteils Solvay I und 41 des Urteils Solvay II hat die Klägerin selbst dann, wenn diese Bestimmung so auszulegen wäre, daß ein neues Angriffsmittel nur zulässig sei, wenn es unverzüglich vorgebracht werde, diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfuellt, da sie den Schriftsatz zur Erweiterung der Klage in angemessener Frist nach Erscheinen der als neue Tatsache vorgetragenen Artikel eingereicht habe.

17 Zum zweiten Teil des Angriffsmittels in der Rechtssache Solvay II, der eine nachträgliche Änderung des Textes der Entscheidung durch Einfügung einer Nummer 63 in die Entscheidung 91/299 betrifft, stellt das Gericht fest, die Klägerin habe durch eine Mitteilung vom 11. Juni 1999 erkennen können, daß der zugestellte Text unvollständig gewesen sei. Wie es in Randnummer 45 des Urteils Solvay II ausführt, sei der zweite Teil des Angriffsmittels, auch wenn er erst in dem Schriftsatz zur Erweiterung der Klage geltend gemacht worden sei, jedoch ebenfalls für zulässig zu erklären, da Artikel 48 § 2 seiner Verfahrensordnung insoweit keine Frist vorsehe.

18 Im Hinblick auf die Begründetheit verweist das Gericht zunächst auf den Wortlaut des Artikels 12 der Geschäftsordnung der Kommission in seiner im entscheidungserheblichen Zeitraum geltenden Fassung:

"Die von der Kommission... gefaßten formellen Beschlüsse werden in der Sprache oder in den Sprachen, in denen sie verbindlich sind, durch die Unterschriften des Präsidenten und des Exekutivsekretärs festgestellt.

Der Wortlaut dieser Beschlüsse wird dem Protokoll der Kommission beigefügt, in dem ihre Annahme vermerkt ist.

Der Präsident gibt die von der Kommission gefaßten Beschlüsse, soweit dies erforderlich ist, denjenigen bekannt, an die sie gerichtet sind."

19 In den Randnummern 38 des Urteils Solvay I und 49 des Urteils Solvay II führt das Gericht aus, bereits aus der Systematik dieser Regelung ergebe sich eine Gliederung des Verfahrens, nach der die Beschlüsse zunächst vom Kollegium der Kommissionsmitglieder angenommen und anschließend festgestellt würden, bevor sie, falls erforderlich, zugestellt und gegebenenfalls veröffentlicht würden. Infolgedessen müsse die Feststellung eines Rechtsakts zwangsläufig seiner Zustellung vorausgehen.

20 In den Randnummern 39 des Urteils Solvay I und 50 des Urteils Solvay II heißt es dazu, diese Gliederung, die sich aus einer wörtlichen und systematischen Auslegung der fraglichen Bestimmung ergebe, werde durch die Zielsetzung der Bestimmung bestätigt. Wie der Gerichtshof in Randnummer 73 seines Urteils Kommission/BASF u. a. festgestellt habe, sei diese Bestimmung nämlich die Folge der Verpflichtung der Kommission, geeignete Maßnahmen zu treffen, damit der vollständige Wortlaut der vom Kollegium angenommenen Rechtsakte eindeutig bestimmt werden könne. Weiter habe der Gerichtshof in Randnummer 75 ausgeführt, die Feststellung eines Rechtsakts solle somit die Rechtssicherheit gewährleisten, indem sie den vom Kollegium angenommenen Wortlaut in allen verbindlichen Sprachen feststelle, damit im Streitfall die vollkommene Übereinstimmung der zugestellten oder veröffentlichten Texte mit dem angenommenen Text und damit zugleich mit dem Willen der sie erlassenden Stelle geprüft werden könne.

21 Das Gericht kommt in den Randnummern 40 des Urteils Solvay I und 51 des Urteils Solvay II zu dem Ergebnis, daß eine Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift im Sinne von Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) vorliege, weil die Feststellung der streitigen Entscheidungen nach ihrer Zustellung erfolgt sei.

22 Nach den Ausführungen des Gerichts in den Randnummern 41 des Urteils Solvay I und 52 des Urteils Solvay II ist der Tatbestand dieser Verletzung allein durch die Nichteinhaltung der betreffenden wesentlichen Formvorschrift erfuellt. Für die Verletzung spiele es daher keine Rolle, ob der angenommene, der zugestellte und der veröffentlichte Text voneinander abwichen und ob, wenn dies zutreffe, diese Abweichungen wesentlich seien.

23 In den Randnummern 42 des Urteils Solvay I und 53 des Urteils Solvay II fügt es hinzu, nach Eingang des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes könne ein Organ einen wesentlichen Formfehler der angefochtenen Entscheidung nicht durch eine einfache rückwirkende Berichtigung heilen.

24 Zum zweiten Teil des Angriffsmittels in der Rechtssache Solvay II, der das Fehlen der Nummer 63 in der zugestellten Fassung der Entscheidung 91/299 betrifft, führt das Gericht in den Randnummern 47 und 48 aus, das Kollegium der Kommissionsmitglieder habe diese Nummer auf seiner 1 040. Sitzung tatsächlich angenommen. Ihre Auslassung in der zugestellten Fassung habe jedoch nicht zur Nichtigkeit der Entscheidung führen können, sondern nur dazu, daß die nicht zugestellte Nummer 63 nicht berücksichtigt werden dürfe.

25 Das Gericht hat mit den angefochtenen Urteilen die streitigen Entscheidungen, soweit sie Solvay betrafen, für nichtig erklärt und der Kommission die Kosten auferlegt.

26 Mit ihren Rechtsmitteln beantragt die Kommission, die angefochtenen Urteile aufzuheben, das Angriffsmittel, das auf das Fehlen einer ordnungsgemäßen Feststellung gestützt werde und auf die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidungen gerichtet sei, zurückzuweisen, die Sachen an das Gericht zurückzuverweisen, damit dieses über die anderen Nichtigkeitsgründe entscheide, und Solvay die Kosten aufzuerlegen.

27 Solvay beantragt, die Rechtsmittel zurückzuweisen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

28 Die Kommission stützt ihre Rechtsmittel auf zwei Gründe.

29 Mit dem ersten Rechtsmittelgrund rügt sie Rechtsfehler und Begründungsmängel, die die Zulässigkeit des neuen Angriffsmittels, den Verfahrensablauf und die Beibringung von Beweismitteln betreffen.

30 Mit dem ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht die Kommission geltend, das Gericht habe mit seiner Feststellung in den Randnummern 31 des Urteils Solvay I und 37 des Urteils Solvay II, daß die angeführten Erklärungen der Kommission als solche eine Tatsache im Sinne von Artikel 48 § 2 seiner Verfahrensordnung darstellen könnten, einen Rechtsfehler begangen.

31 Mit dem zweiten Teil des Rechtsmittelgrundes rügt sie, das Gericht habe einen weiteren Rechtsfehler begangen, indem es in den Randnummern 34 und 35 des Urteils Solvay I sowie 40, 41 und 45 des Urteils Solvay II eine zeitliche Grenze für das Vorbringen eines neuen Angriffsmittels gemäß Artikel 48 § 2 seiner Verfahrensordnung verneint habe.

32 Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes beanstandet sie, das Gericht habe auch dadurch einen Rechtsfehler begangen, daß es ihr aufgegeben habe, die Entscheidungen, wie sie seinerzeit festgestellt worden seien, vorzulegen. Der Fehler beruhe auf einem falschen Verständnis des Verfahrens vor dem Gericht und der Regeln über die Beibringung von Beweismitteln. Außerdem sei auch die Begründung unzureichend, da das Gericht weder im Beschluß vom 25. Oktober 1994 noch im angefochtenen Urteil angegeben habe, warum es die Anordnung gegenüber der Kommission, die erwähnten Entscheidungen vorzulegen, für erforderlich gehalten habe.

33 Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund rügt die Kommission Rechtsfehler und Begründungsmängel, die die Bedeutung und die Folgen der fehlenden Feststellung der streitigen Entscheidungen zum Zeitpunkt ihres Erlasses betreffen.

34 Mit dem ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht die Kommission geltend, das Gericht habe namentlich in den Randnummern 41 des Urteils Solvay I und 52 des Urteils Solvay II die rechtsfehlerhafte Auffassung vertreten, die Feststellung sei eine Formvoraussetzung, die unabhängig davon beachtet werden müsse, ob es Anhaltspunkte für Zweifel an der Authentizität des zugestellten Textes gebe.

35 Mit dem zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes rügt sie, das Gericht habe einen weiteren Rechtsfehler begangen, indem es in den Randnummern 38 bis 40 und 42 des Urteils Solvay I sowie 49 bis 51 und 53 des Urteils Solvay II die Meinung vertreten habe, daß die Feststellung, um nicht unwirksam zu sein, vor der Zustellung des Rechtsakts an den Adressaten erfolgen müsse und daß sie in den vorliegenden Fällen nicht ordnungsgemäß gewesen sei.

36 Mit dem dritten Teil des Rechtsmittelgrundes macht sie geltend, das Gericht habe auch dadurch, daß es sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob der angebliche Fehler den Interessen des Entscheidungsadressaten habe schaden können, einen Rechtsfehler begangen und außerdem gegen seine Verpflichtung zur Begründung seiner Urteile verstoßen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

37 Zunächst ist der zweite Rechtsmittelgrund zu untersuchen, wobei dessen erster und dritter Teil zusammen zu behandeln sind.

38 Nach Ansicht der Kommission sind die angefochtenen Urteile rechtsfehlerhaft, weil das Gericht die Auffassung vertreten habe, der Tatbestand der Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift sei allein durch deren Nichteinhaltung erfuellt, und es spiele dabei keine Rolle, ob der zugestellte Text andere Fehler aufweise oder ob die Interessen der Partei, die die Nichtigerklärung des Rechtsakts verlange, beeinträchtigt würden.

39 Dem Urteil Kommission/BASF u. a. sei zu entnehmen, daß die fehlende Feststellung nur in Verbindung mit einem oder mehreren Fehlern des zugestellten Textes einen Verfahrensfehler darstelle. Die Voraussetzung der Feststellung lasse sich nämlich nicht von dem Erfordernis trennen, den vollständigen Wortlaut der vom Kollegium angenommenen Rechtsakte eindeutig bestimmen zu können. Da es in den vorliegenden Fällen keine Anhaltspunkte für irgendwelche Unklarheiten bezüglich des genauen Inhalts der erlassenen Entscheidungen gebe, sei die Frage, ob die streitigen Entscheidungen festgestellt worden seien, nicht von Interesse.

40 Im übrigen habe das Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen, daß es die Frage außer acht gelassen habe, ob die Interessen von Solvay durch die fehlende Feststellung seinerzeit hätten beeinträchtigt werden können. Sie führt als Beispiel das Urteil Kommission/BASF u. a. an, in dem der Gerichtshof untersucht habe, ob die Verfahrensfehler im Beschlußfassungsverfahren sich auf den Inhalt der PVC-Entscheidung - und damit auf die Rechte ihrer Adressaten - hätten auswirken können.

41 Solvay erwidert darauf, nach dem Urteil Kommission/BASF u. a. stelle die Feststellung der Rechtsakte eine wesentliche Formvorschrift im Sinne von Artikel 173 EG-Vertrag dar, wegen deren Verletzung die Nichtigkeitsklage gegeben sei. Sie beruft sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes in bezug auf wesentliche Formvorschriften. Danach sei eine solche Vorschrift so wichtig, daß der Gemeinschaftsrichter von Amts wegen untersuchen könne, ja sogar müsse, ob sie eingehalten worden sei, ihre Verletzung könne nicht geheilt werden und ihre Nichteinhaltung führe unabhängig von den konkreten Folgen der Verletzung zur Nichtigkeit des Rechtsakts.

42 Dazu ist festzustellen, daß die schriftliche Ausformung des Rechtsakts als Ausdruck des Willens der ihn erlassenden Stelle notwendig ist, da das intellektuelle und das formelle Element ein untrennbares Ganzes darstellen (Urteil Kommission/BASF u. a., Randnr. 70).

43 In Artikel 12 Absatz 1 der Geschäftsordnung der Kommission in seiner im entscheidungserheblichen Zeitraum geltenden Fassung hat die Kommission die Maßnahmen festgelegt, mit denen der vollständige Wortlaut der vom Kollegium angenommenen Rechtsakte eindeutig bestimmt werden kann.

44 Der Gerichtshof hat bereits entschieden, daß die in Artikel 12 Absatz 1 vorgesehene Feststellung der Rechtsakte die Rechtssicherheit gewährleisten soll, indem sie den vom Kollegium angenommenen Wortlaut in allen verbindlichen Sprachen feststellt (Urteil Kommission/BASF u. a., Randnr. 75).

45 Er hat daraus abgeleitet, daß die Feststellung eine wesentliche Formvorschrift im Sinne von Artikel 173 EG-Vertrag darstellt, wegen deren Verletzung die Nichtigkeitsklage gegeben ist (Urteil Kommission/BASF u. a., Randnr. 76).

46 Entgegen der Auffassung der Kommission wird der Tatbestand der Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift allein durch die fehlende Feststellung eines Rechtsakts erfuellt, ohne daß darüber hinaus nachgewiesen werden muß, daß der Rechtsakt mit einem weiteren Fehler behaftet ist oder daß derjenige, der die fehlende Feststellung geltend macht, durch sie einen Schaden erlitten hat.

47 Insoweit kann das Urteil Kommission/BASF u. a. nicht in dem von der Kommission vorgeschlagenen Sinn ausgelegt werden.

48 In Randnummer 75 dieses Urteils hat der Gerichtshof ausgeführt, daß die Feststellung der Rechtsakte die Rechtssicherheit gewährleisten soll.

49 Nach dem zur Gemeinschaftsrechtsordnung gehörenden Grundsatz der Rechtssicherheit muß jede Handlung der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfaltet, insbesondere in bezug auf ihren Urheber und ihren Inhalt bestimmt sein.

50 Die Prüfung, ob die Formvorschrift der Feststellung und damit der Bestimmtheit des Rechtsakts eingehalten worden ist, muß jeder anderen Prüfung - wie der der Zuständigkeit des Urhebers des Rechtsakts, der Beachtung des Kollegialprinzips oder der Erfuellung der Pflicht zur Begründung der Rechtsakte - vorausgehen.

51 Es kann auch erst nach einer eventuellen Prüfung der Bestimmtheit des Rechtsakts, den sein Urheber angenommen hat, geprüft werden, ob der zugestellte oder veröffentlichte Text vollkommen mit dem vom Urheber angenommenen Rechtsakt übereinstimmt.

52 Zwar handelte es sich bei den meisten Fällen, in denen die Vorlegung eines festgestellten Rechtsakts angeordnet wurde, um einen Rechtsstreit, in dem eine der Parteien auch noch eine andere Rüge gegen den Rechtsakt erhoben hatte. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß eine weitere Rüge notwendige Voraussetzung für die Anordnung ist, einen festgestellten Rechtsakt vorzulegen. Erst recht ist es nicht erforderlich, anhand verschiedener Anhaltspunkte einen Beweis des ersten Anscheins für einen weiteren Fehler des Rechtsakts zu erbringen.

53 Es ist nämlich Sache der Gemeinschaftsrichters, nach den Umständen des Rechtsstreits und gemäß den Bestimmungen der Verfahrensordnung über die Beweisaufnahme darüber zu befinden, ob die Vorlegung eines solchen Rechtsakts erforderlich ist.

54 Für das Gericht ergibt sich aus Artikel 49 in Verbindung mit Artikel 65 Buchstabe b seiner Verfahrensordnung, daß die Aufforderung zur Vorlegung von Urkunden zu den Maßnahmen der Beweisaufnahme gehört, die das Gericht in jedem Verfahrensstadium anordnen kann.

55 Wenn der Gemeinschaftsrichter bei der Untersuchung des ihm vorgelegten Rechtsakts zu dem Ergebnis kommt, daß dieser nicht ordnungsgemäß festgestellt worden ist, hat er das Angriffsmittel der Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift wegen fehlender ordnungsgemäßer Feststellung von Amts wegen zu berücksichtigen und folglich den mit einem solchen Fehler behafteten Rechtsakt für nichtig zu erklären.

56 Ohne Bedeutung ist insoweit, daß keine Partei des Rechtsstreits aufgrund der fehlenden Feststellung einen Schaden erlitten hat. Denn die Feststellung der Rechtsakte ist eine wesentliche Formvorschrift im Sinne von Artikel 173 EG-Vertrag, die grundlegend für die Rechtssicherheit ist und deren Verletzung zur Nichtigerklärung des fehlerhaften Rechtsakts führt, ohne daß ein solcher Schaden nachgewiesen werden müßte.

57 Infolgedessen hat das Gericht dadurch, daß es die streitigen Entscheidungen wegen Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift im Sinne von Artikel 173 EG-Vertrag aufgrund nicht ordnungsgemäßer Feststellung der von der Kommission erlassenen Rechtsakte für nichtig erklärt hat, keinen Rechtsfehler begangen und seine Urteile auch begründet.

58 Demzufolge sind der erste und der dritte Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

59 Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes rügt die Kommission, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es in den Randnummern 38 bis 40 und 42 des Urteils Solvay I sowie 49 bis 51 und 53 des Urteils Solvay II die Meinung vertreten habe, die Feststellung müsse, um nicht unwirksam zu sein, vor der Zustellung des Rechtsakts an den Adressaten erfolgen.

60 Der Erlaß einer Entscheidung sei mit der Annahme eines Entscheidungsentwurfs durch das Kollegium der Kommissionsmitglieder vollständig abgeschlossen. Die Auffassung des Gerichts verkenne die Rechtsprechung des Gerichtshofes, nach der sich eventuelle Rechtsverstöße nach Erlaß einer Entscheidung nicht auf deren Gültigkeit auswirken könnten.

61 Außerdem müsse eine Reihe von Rechtsakten aufgrund ihrer Dringlichkeit und zur Sicherstellung ihrer Wirksamkeit sofort zugestellt werden, ohne daß man abwarten könne, bis das Protokoll der Kommissionssitzung genehmigt und festgestellt sei.

62 Darüber hinaus sei es nicht schlüssig, einer nach Klageerhebung erfolgten Feststellung jede Bedeutung abzusprechen, die nachträgliche Feststellung aber dennoch als Beweis dafür anzusehen, daß die Nummer 63 der Entscheidung 91/299 vom Kollegium der Kommissionsmitglieder angenommen worden sei.

63 Nach Ansicht von Solvay muß nach dem in Artikel 12 der Geschäftsordnung beschriebenen Verfahren die Feststellung des Rechtsakts dessen Zustellung und Veröffentlichung vorausgehen. Ein solcher Grundsatz könne auch aus Randnummer 75 des Urteils Kommission/BASF u. a. abgeleitet werden, wonach die Feststellung es ermögliche, die Übereinstimmung der zugestellten und veröffentlichten Texte mit dem festgestellten Text zu prüfen.

64 Insoweit genügt die Feststellung, daß nach Artikel 12 der Geschäftsordnung die von der Kommission gefaßten formellen Beschlüsse durch die Unterschriften des Präsidenten und des Exekutivsekretärs festgestellt und, soweit dies erforderlich ist, vom Präsidenten bekanntgegeben werden.

65 Das Gericht hat daher in den Randnummern 38 und 39 des Urteils Solvay I sowie 49 und 50 des Urteils Solvay II zu Recht die Ansicht vertreten, aus einer wörtlichen und systematischen Auslegung dieser Vorschrift ergebe sich, daß die Feststellung eines Rechtsakts zwangsläufig seiner Zustellung vorausgehen müsse. Die Zielsetzung der Vorschrift über die Feststellung eines Rechtsakts bestätigt das.

66 Zur Gewährleistung der Rechtssicherheit ist nämlich darauf zu achten, daß die von der Kommission angenommenen Texte binnen kurzer Frist festgestellt werden, nachdem der Präsident und der Exekutivsekretär als die für die Feststellung Verantwortlichen sich vergewissert haben, daß der festzustellende Text mit dem angenommenen übereinstimmt.

67 Es ist jedenfalls unerläßlich, daß die Feststellung der Zustellung vorausgeht, da andernfalls stets die Gefahr bestände, daß der zugestellte Text nicht dem von der Kommission angenommenen entspricht.

68 Das Gericht hat demnach zu Recht entschieden, daß die Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift im Sinne von Artikel 173 EG-Vertrag vorliegt, wenn die Feststellung einer Entscheidung zu einem unbestimmten Zeitpunkt nach der Zustellung des Rechtsakts und sogar nach der Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen diesen Rechtsakt erfolgt.

69 Im Hinblick auf Nummer 63 der Entscheidung 91/299 ist festzustellen, daß das Gericht in Randnummer 47 des Urteils Solvay II die nachträgliche Feststellung als Beweis dafür gelten läßt, daß das Kollegium die betreffende Nummer auf ihrer 1 040. Sitzung sehr wohl angenommen hat.

70 Die Anerkennung der Erfuellung einer Formvorschrift als Beweis für eine Tatsache bedeutet jedoch nicht notwendigerweise eine Entscheidung darüber, ob die Formvorschrift ordnungsgemäß erfuellt wurde. Aus Randnummer 47 geht im Gegenteil hervor, daß das Gericht in bezug auf die Ordnungsgemäßheit Vorbehalte geäußert hat: "Selbst wenn diese Feststellung nicht in Übereinstimmung mit der Geschäftsordnung der Kommission (siehe nachstehend Randnrn. 50 bis 53)..."

71 Das Gericht konnte daher, ohne sich zu widersprechen, in Randnummer 47 des Urteils Solvay II die nachträgliche Feststellung als Beweis für die Annahme der Nummer 63 der Entscheidung 91/299 gelten lassen, und dennoch in den Randnummern 51 ff. des Urteils zu dem Ergebnis kommen, die Feststellung sei fehlerhaft, so daß eine Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift im Sinne des Artikels 173 EG-Vertrag vorliege.

72 Folglich ist der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes unbegründet und muß zurückgewiesen werden.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

73 Mit diesem Rechtsmittelgrund werden Rechtsfehler und Begründungsmängel gerügt, die die Zulässigkeit des neuen Angriffsmittels von Solvay, den Verfahrensablauf sowie die Beibringung von Beweismitteln betreffen.

74 Im Hinblick auf die vorangegangenen Ausführungen zum Recht des Gerichts nach den Artikeln 49 und 65 Buchstabe b seiner Verfahrensordnung, in jedem Verfahrensstadium die Vorlegung von Urkunden anzuordnen, und zu seiner Pflicht, ein Angriffsmittel bezüglich der Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift - wie die fehlende ordnungsgemäße Feststellung eines Rechtsakts - von Amts wegen zu berücksichtigen, erübrigt sich eine weitergehende Stellungnahme zum ersten von der Kommission geltend gemachten Rechtsmittelgrund. Er ist als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

75 Nach alledem sind die von der Kommission geltend gemachten Rechtsmittelgründe unbegründet, so daß die Rechtsmittel zurückzuweisen sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

76 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten der Verfahren.

Ende der Entscheidung

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