Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 04.05.2006
Aktenzeichen: C-290/03
Rechtsgebiete: Richtlinie 85/337/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 85/337/EWG Art. 1 Abs. 2
Richtlinie 85/337/EWG Art. 2 Abs. 1
Richtlinie 85/337/EWG Art. 4 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Erste Kammer)

4. Mai 2006 (*)

"Richtlinie 85/337/EWG - Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten Projekten - Projekt 'Crystal Palace' - Projekte des Anhangs II der Richtlinie 85/337 - Mehrstufige Genehmigung"

Parteien:

In der Rechtssache C-290/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom House of Lords (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 30. Juni 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Juli 2003, in dem Verfahren

The Queen, auf Antrag von

Diane Barker,

gegen

London Borough of Bromley,

Beteiligter:

First Secretary of State,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter), des Richters K. Schiemann, der Richterin N. Colneric sowie der Richter E. Juhász und E. Levits,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Diane Barker, vertreten durch R. McCracken, QC, sowie G. Jones und J. Pereira, Barristers, beauftragt durch R. M. Buxton, Solicitor,

- des London Borough of Bromley, vertreten durch T. Straker, QC, und J. Strachan, Barrister, beauftragt durch Sharpe Pritchard, Solicitors,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch K. Manji als Bevollmächtigten im Beistand von D. Elvin, QC, und J. Maurici, Barrister,

- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und D. Petrausch als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Simonetti und X. Lewis als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 1 Absatz 2, 2 Absatz 1 und 4 Absatz 2 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175, S. 40).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Diane Barker und dem London Borough of Bromley (im Folgenden: Bromley LBC), der zuständigen Planungsbehörde, über die Erteilung einer Baugenehmigung für ein Freizeitzentrum im Crystal Palace Park in London ohne vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsregelung

3 Mit der Richtlinie 85/337 sollen nach ihrer fünften Begründungserwägung zur Ergänzung und Koordinierung der Genehmigungsverfahren für öffentliche und private Projekte, die möglicherweise Auswirkungen auf die Umwelt haben, allgemeine Grundsätze für Umweltverträglichkeitsprüfungen aufgestellt werden.

4 Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie definiert den Begriff "Genehmigung" als "Entscheidung der zuständigen Behörde oder der zuständigen Behörden, aufgrund deren der Projektträger das Recht zur Durchführung des Projekts erhält".

5 Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie lautet:

"Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor der Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden.

Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert."

6 Artikel 4 der Richtlinie bestimmt:

"(1) Projekte der in Anhang I aufgeführten Klassen werden vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 3 einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen.

(2) Projekte der in Anhang II aufgezählten Klassen werden einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen, wenn ihre Merkmale nach Auffassung der Mitgliedstaaten dies erfordern.

Zu diesem Zweck können die Mitgliedstaaten insbesondere bestimmte Arten von Projekten, die einer Prüfung zu unterziehen sind, bestimmen oder Kriterien und/oder Schwellenwerte aufstellen, anhand deren bestimmt werden kann, welche von den Projekten der in Anhang II aufgezählten Klassen einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen werden sollen."

7 In Punkt 10 Buchstabe b des Anhangs II dieser Richtlinie sind "Städtebauprojekte" erwähnt.

8 Die Richtlinie 85/337, insbesondere die Vorschriften über die Projekte, die unter ihren Anhang II fallen, sind durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 (ABl. L 73, S. 5), die im Vereinigten Königreich bis zum 14. März 1999 umgesetzt werden musste, wesentlich geändert worden. Da aber der Antrag auf Genehmigung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Projekts vor diesem Zeitpunkt bei der zuständigen Behörde eingereicht wurde, sind diese Änderungen gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 97/11 für den Antrag nicht einschlägig.

Nationale Regelung

9 In England ist das wichtigste Rechtsinstrument im Bereich der Raumplanung das Raumplanungsgesetz (Town and Country Planning Act) von 1990 (im Folgenden: Town and Country Planning Act), das allgemeine Bestimmungen sowohl für die Erteilung von Genehmigungen im Bereich des Städtebaus als auch für die Änderung oder die Rücknahme solcher Genehmigungen enthält. Dieses Gesetz wird konkretisiert durch die Raumplanungsverordnung (Allgemeines Bauverfahren) (Town and Country Planning [General Development Procedure] Order) von 1995 (im Folgenden: General Development Procedure Order) und die Raumplanungsvorschriften (Umweltverträglichkeitsprüfung) (Town and Country Planning [Assessment of Environmental Effects] Regulations von 1988 (im Folgenden: Assessment of Environmental Effects Regulations).

10 An die Stelle der Assessment of Environmental Effects Regulations sind die Raumplanungsvorschriften (Umweltverträglichkeitsprüfung) (Town and Country Planning [Environmental Impact Assessment] [England and Wales] Regulations) von 1999 getreten. Da diese neuen Regulations aber nur für Projekte gelten, die vom 14. März 1999 an beantragt werden, sind sie in Bezug auf das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Projekt nicht einschlägig.

- Der Town and Country Planning Act und die General Development Procedure Order

11 Section 57(1) des Town and Country Planning Act verlangt eine Baugenehmigung ("planning permission") für jedes "Bauvorhaben" im Sinne von Section 55, worunter u. a. "Baumaßnahmen ... oder andere Unternehmungen in, auf, über und unter dem Erdboden" fallen.

12 Baugenehmigungen können in verschiedenen Formen erteilt werden, u. a. in Form eines Bauvorbescheids ("outline planning permission") mit späterer Genehmigung der vorbehaltenen Punkte.

13 Nach Section 92(1) des Town and Country Planning Act ist der Bauvorbescheid eine Genehmigung, die "gemäß den Bestimmungen einer Bauverordnung unter dem Vorbehalt erteilt wird, dass später durch die örtliche Planungsbehörde oder den Secretary of State die im Antrag nicht spezifizierten Punkte ('reserved matters' [vorbehaltene Punkte]) genehmigt werden".

14 In Article 1(2) der General Development Procedure Order sind diese "vorbehaltenen Punkte" definiert als "jeder der folgenden Punkte, zu denen im Antrag keine detaillierten Angaben gemacht worden sind, nämlich a) Standort, b) Art, c) Erscheinungsbild, d) Zuwegung, e) Gestaltung des Baugeländes".

15 Section 92(2) des Town and Country Planning Act sieht implizit vor, dass ein vorbehaltener Punkt mit der späteren Genehmigungsentscheidung als endgültig genehmigt gilt.

16 Aus Section 73 des Town and Country Planning Act ergibt sich, dass ein Antrag auf Änderung einer bestehenden Genehmigung einen Antrag auf Erteilung einer neuen Baugenehmigung darstellt.

- Die Assessment of Environmental Effects Regulations

17 Nach den Assessment of Environmental Effects Regulations müssen bestimmte Projekte vor Erteilung der Genehmigung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden.

18 In Schedule 2 dieser Regulations sind die in Anhang II der Richtlinie 85/337 aufgeführten Klassen von Projekten einschließlich der "Erschließungsprojekte" aufgenommen.

19 Als "Antrag nach Schedule 2" gilt nach Regulation 2(1) der Assessment of Environmental Effects Regulations "ein Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung ... zur Durchführung eines in Schedule 2 beschriebenen Bauvorhabens, das kein von den Genehmigungsvorschriften ausgenommenes Vorhaben darstellt und bei dem aufgrund von Faktoren wie seiner Art, seiner Größe oder seines Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist", was die zuständige Behörde von Fall zu Fall zu beurteilen hat. 20 Nach Regulation 4(1) und (2) dieser Regulations kann die zuständige Behörde keine Genehmigung u. a. in Bezug auf einen Antrag nach Schedule 2 erteilen, sofern sie nicht zuvor die Umweltinformationen berücksichtigt hat und dies in ihrer Entscheidung angibt.

21 Bei einem Antrag auf Baugenehmigung für ein in Schedule 2 dieser Regulations genanntes Bauprojekt muss die zuständige Behörde daher im Einzelfall vor jeder Erteilung einer Baugenehmigung feststellen, ob die Merkmale des Projekts eine Umweltverträglichkeitsprüfung verlangen, d. h., ob bei dem fraglichen Projekt mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, und die Genehmigung versagen, wenn sie nicht über ausreichende Angaben verfügt, um diese Frage entscheiden zu können.

22 Nach nationalem Recht stellt der Bauvorbescheid eine "Baugenehmigung" im Sinne von Regulation 4 der Assessment of Environmental Effects Regulations dar, während die Entscheidung über die Genehmigung der vorbehaltenen Punkte keine solche Baugenehmigung darstellt. Aus diesem Grund kann die Umweltverträglichkeit eines Projekts nach englischem Recht nur zu Beginn in der Bauvorbescheidsphase geprüft werden und nicht mehr in der späteren Phase der Genehmigung der vorbehaltenen Punkte.

Durchführungsmaßnahmen

23 Das Rundschreiben 15/88 des Umweltministeriums enthält unverbindliche Leitlinien, die den zuständigen Behörden helfen sollen, jene Projekte im Sinne von Schedule 2 der Assessment of Environmental Effects Regulations zu bestimmen, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen.

24 In Punkt 18 dieses Rundschreibens heißt es zunächst, dass die in diesem Zusammenhang grundlegende Frage dahin gehe, ob bei einem Projekt mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen sei; sodann wird in Punkt 20 näher erläutert, dass eine Prüfung im Allgemeinen erforderlich sei i) bei Projekten von nicht nur örtlicher Bedeutung, ii) bei Projekten an sensiblen Standorten und iii) bei Projekten mit außergewöhnlich komplexen, potenziell ungünstigen Auswirkungen.

25 In den Punkten 30 und 31 des Rundschreibens 15/88 wird ausgeführt, dass für bestimmte Gruppen von Projekten in Anhang A des Rundschreibens Kriterien und Schwellenwerte aufgeführt seien, die einen allgemeinen Hinweis auf die Art von Fällen geben sollten, in denen nach Ansicht des Secretary of State eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach den Assessment of Environmental Effects Regulations erforderlich sein könne bzw. eher nicht erforderlich sei, da diese Kriterien und Schwellenwerte nur Hinweischarakter hätten, und dass von größter Wichtigkeit sei, dass in jedem Einzelfall geprüft werde, ob bei dem Projekt mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen sei.

26 Speziell zu den Städtebauprojekten sieht Punkt 15 des Anhangs A dieses Rundschreibens vor, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Neugestaltung eines bebauten Geländes eine Prüfung erfordere, es sei denn, dass das Bauvorhaben zu einem bestimmten Typ von Vorhaben gehöre oder einen viel größeren Umfang habe als die vorherige Bebauung.

27 Zu Projekten für vorher nicht intensiv bebaute Gelände heißt es in Punkt 16 des Anhangs A des Rundschreibens, dass "die Erforderlichkeit einer Prüfung im Licht der Sensibilität des betreffenden Standortes zu betrachten [ist]". Demgemäß "können solche Projekte ... eine Prüfung erfordern, wenn

- das Gelände des Projekts mehr als 5 ha in einem urbanisierten Gebiet umfasst,

- sich eine erhebliche Zahl von Wohnungen in unmittelbarer Nachbarschaft des vorgeschlagenen Baugeländes befindet, z. B. wenn sich im Umkreis von bis zu 200 m von den Geländegrenzen mehr als 700 Wohnungen befinden, oder

- das Bauvorhaben insgesamt mehr als 10 000 m2 (brutto) an Läden, Büros oder für andere kommerzielle Nutzungen bieten würde".

28 Außerdem heißt es in Punkt 42 des Rundschreibens 15/88, dass der Projektträger zur Vorbereitung einer Stellungnahme zu den Umweltaspekten seine Vorschläge detailliert ausarbeiten müsse. Andernfalls sei eine sorgfältige Beurteilung der voraussichtlichen Auswirkungen unmöglich. Die Planungsbehörde habe zu entscheiden, wie viele Angaben im Einzelfall erforderlich seien. Die in der genannten Stellungnahme angeführten Angaben hätten große Bedeutung für die Frage, ob in einem Bauvorbescheid Punkte vorbehalten werden könnten. Ergebe sich aus den Angaben ausdrücklich oder stillschweigend eine spezielle Behandlung eines Punktes, so sei es nicht angebracht, diesen Punkt im Bauvorbescheid vorzubehalten.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

29 Diane Barker wohnt in der Nähe des Crystal Palace Park.

30 Am 4. April 1997 beantragte die London & Regional Properties Ltd (im Folgenden: L&R) beim Bromley LBC einen Bauvorbescheid für den Bau eines Freizeitzentrums im Crystal Palace Park (im Folgenden: Crystal-Palace-Projekt), ein Projekt im Sinne von Anhang II der Richtlinie 85/337.

31 Nach einer Prüfung, bei der eine Reihe von Berichten und zusätzlichen Angaben berücksichtigt wurden, gelangte der Bromley LBC zu dem Schluss, dass für das Projekt keine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich sei.

32 Am 24. März 1998 erteilte der Bromley LBC einen Bauvorbescheid, in dem bestimmte Punkte einer späteren Genehmigung vorbehalten wurden, die vor Beginn jeglicher Baumaßnahme einzuholen war.

33 Am 25. Januar 1999 beantragte L&R beim Bromley LBC die endgültige Entscheidung bestimmter vorbehaltener Punkte. Für das Crystal-Palace-Projekt waren zu diesem Zeitpunkt folgende Einzelheiten vorgesehen: im Erdgeschoss 18 Kinos, ein Freizeit- und ein Ausstellungsbereich, im ersten Stock Restaurants und Cafés, zwei Freizeitbereiche und öffentliche Toiletten, im Dachgeschoss ein Dachparkplatz mit bis zu 950 Stellplätzen, vier Aussichtspunkte und Räume für Gerätschaften, ein zusätzliches Zwischengeschoss von 800 m2 und bauliche Änderungen bei den Außenwänden.

34 In der Sitzung, in der über die Genehmigung der vorbehaltenen Punkte entschieden werden sollte, äußerten einige Mitglieder des Bromley LBC den Wunsch, dass die Umweltverträglichkeit des Projekts geprüft werde. Auf ein Rechtsauskunftsersuchen hin wurde dem Bromley LBC jedoch mitgeteilt, dass nach nationalem Recht eine solche Prüfung nur in der ersten Bauvorbescheidsphase durchgeführt werden könne.

35 Am 10. Mai 1999 erteilte der Bromley LBC die Genehmigung.

36 Die Klage von Frau Barker gegen die Genehmigungsentscheidung und die Rechtsauskunft, auf die sie gestützt war, wurde im ersten Rechtszug und vom Court of Appeal abgewiesen.

37 Da das von Frau Barker daraufhin angerufene House of Lords Zweifel hat, ob die nationale Regelung, wonach eine Umweltverträglichkeitsprüfung nur in der Bauvorbescheidsphase, nicht aber im Rahmen der späteren Genehmigung der vorbehaltenen Punkte durchgeführt werden kann (im Folgenden: im Ausgangsverfahren fragliche Regelung), mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist es ausschließlich Sache der nationalen Gerichte, die nationales Recht anwenden, darüber zu entscheiden, worin die "Entscheidung der zuständigen Behörde oder der zuständigen Behörden, aufgrund deren der Projektträger das Recht zur Durchführung des Projekts erhält" (Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 ...) besteht?

2. Muss nach der Richtlinie [85/337] eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden, wenn sich nach Erteilung eines Bauvorbescheids, der unter der Bedingung steht, dass für vorbehaltene Punkte später eine Genehmigung erteilt wird, und der ohne Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erteilt worden ist, bei Ersuchen um Genehmigung für die vorbehaltenen Punkte herausstellt, dass das Projekt u. a. aufgrund seiner Art, seiner Größe oder seines Standortes erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben kann (Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie [85/337])?

3. Kann das nationale Recht unter Umständen, unter denen

a) das nationale Planungsrecht die Möglichkeit der Erteilung eines Bauvorbescheids in einer frühen Phase des Planungsverfahrens vorsieht und von der zuständigen Behörde verlangt, in dieser Phase zu prüfen, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne der Richtlinie [85/337] erforderlich ist, und

b) die zuständige Behörde dann entscheidet, dass es nicht notwendig ist, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, und einen Bauvorbescheid unter der Bedingung erteilt, dass für vorbehaltene Punkte später eine Genehmigung erteilt wird, und

c) diese Entscheidung sodann bei den nationalen Gerichten angefochten werden kann,

es einer zuständigen Behörde im Einklang mit der Richtlinie [85/337] verwehren, zu verlangen, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung in einer späteren Phase des Planungsverfahrens durchgeführt wird?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

38 Die erste Frage des vorlegenden Gerichts geht im Wesentlichen dahin, ob sich die Qualifizierung einer Entscheidung als "Genehmigung" im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 ausschließlich nach dem nationalen Recht bestimmt.

39 Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 definiert den Begriff "Genehmigung" im Sinne dieser Richtlinie als Entscheidung der zuständigen Behörde oder der zuständigen Behörden, aufgrund deren der Projektträger das Recht zur Durchführung des Projekts erhält.

40 Auch wenn sich dieser Begriff damit auf bestimmte Elemente des nationalen Rechts stützt, bleibt er doch ein gemeinschaftsrechtlicher Begriff, der entgegen dem Vorbringen des Bromley LBC und der Regierung des Vereinigten Königreichs ausschließlich unter das Gemeinschaftsrecht fällt. Denn nach ständiger Rechtsprechung sind die Begriffe einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Gemeinschaft autonom und einheitlich auszulegen, wobei diese Auslegung unter Berücksichtigung des Kontexts der Vorschrift und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Zweckes zu ermitteln ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Januar 1984 in der Rechtssache 327/82, Ekro, Slg. 1984, 107, Randnr. 11, vom 19. September 2000, in der Rechtssache C-287/98, Linster, Slg. 2000, I-6917, Randnr. 43, und vom 7. Januar 2004 in der Rechtssache C-201/02, Wells, Slg. 2004, I-723, Randnr. 37)

41 Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Qualifizierung einer Entscheidung als "Genehmigung" im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 nach dem nationalen Recht im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht zu erfolgen hat.

Zur zweiten und zur dritten Frage

42 Mit der zweiten und der dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Artikel 2 Absatz 1 und 4 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 dahin auszulegen sind, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss, wenn sich nach Erteilung eines Bauvorbescheids bei der Genehmigung der vorbehaltenen Punkte herausstellt, dass das Projekt u. a. aufgrund seiner Art, seiner Größe oder seines Standortes erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben kann.

43 Dazu ergibt sich zunächst aus Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 85/337, dass die Projekte im Sinne von Artikel 4 in Verbindung mit Anhang I oder II der Richtlinie, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, vor Erteilung der Genehmigung einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden müssen (vgl. Urteil Wells, Randnr. 42).

44 Wie in Randnummer 39 des vorliegenden Urteils ausgeführt, definiert Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 den Begriff "Genehmigung" im Sinne der Richtlinie als Entscheidung der zuständigen Behörde oder der zuständigen Behörden, aufgrund deren der Projektträger das Recht zur Durchführung des Projekts erhält.

45 Aus der Systematik und den Zielen der Richtlinie 85/337 geht hervor, dass sich diese Vorschrift auf jene (eine oder mehrere Stufen umfassende) Entscheidung bezieht, die es dem Projektträger erlaubt, mit den Arbeiten zur Durchführung seines Projekts zu beginnen.

46 In Anbetracht dieser Klarstellungen hat daher das vorlegende Gericht zu prüfen, ob der Bauvorbescheid und die Entscheidung über die Genehmigung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden vorbehaltenen Punkte insgesamt gesehen eine "Genehmigung" im Sinne der Richtlinie 85/337 darstellen (vgl. insoweit das Urteil vom heutigen Tage in der Rechtssache C-508/03, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 2006, I-0000, Randnrn. 101 f).

47 Sodann ist darauf hinzuweisen, dass nach den Ausführungen des Gerichtshofes in Randnummer 52 des Urteils Wells dann, wenn das nationale Recht ein mehrstufiges Genehmigungsverfahren vorsieht, in dem zunächst eine Grundsatzentscheidung ergeht und dann eine Durchführungsentscheidung getroffen wird, die nicht über die in der Grundsatzentscheidung festgelegten Vorgaben hinausgehen darf, die Auswirkungen, die ein Projekt möglicherweise auf die Umwelt hat, im Verfahren des Erlasses der Grundsatzentscheidung zu ermitteln und zu prüfen sind. Nur wenn diese Auswirkungen erst im Verfahren des Erlasses der Durchführungsentscheidung ermittelt werden können, muss die Prüfung im Rahmen dieses Verfahrens vorgenommen werden.

48 Gelangt das vorlegende Gericht also zu der Schlussfolgerung, dass das Verfahren, das in der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung vorgesehen ist, ein mehrstufiges Genehmigungsverfahren ist, in dem zunächst eine Grundsatzentscheidung ergeht und sodann eine Durchführungsentscheidung getroffen wird, die nicht über die in der Grundsatzentscheidung festgelegten Parameter hinausgehen darf, so folgt daraus, dass die zuständige Behörde gegebenenfalls dazu verpflichtet ist, die Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt auch nach Erteilung des Bauvorbescheids bei der späteren Genehmigung der vorbehaltenen Punkte zu prüfen (vgl. insoweit Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnrn. 103 bis 106). Diese Prüfung muss umfassenden Charakter haben, damit sie all jene Aspekte des Projekts einbezieht, die noch nicht geprüft worden sind bzw. die eine erneute Prüfung erfordern.

49 Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass die Artikel 2 Absatz 1 und 4 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 dahin auszulegen sind, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss, wenn sich bei einem mehrstufigen Genehmigungsverfahren während der zweiten Stufe herausstellt, dass das Projekt u. a. aufgrund seiner Art, seiner Größe oder seines Standortes erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben kann.

Kostenentscheidung:

Kosten

50 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1. Die Qualifizierung einer Entscheidung als "Genehmigung" im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten hat nach dem nationalen Recht im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht zu erfolgen.

2. Die Artikel 2 Absatz 1 und 4 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 sind dahin auszulegen, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss, wenn sich bei einem mehrstufigen Genehmigungsverfahren während der zweiten Stufe herausstellt, dass das Projekt u. a. aufgrund seiner Art, seiner Größe oder seines Standortes erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben kann.



Ende der Entscheidung

Zurück