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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 15.01.1998
Aktenzeichen: C-292/96
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 2913/92/EWG, Verordnung Nr. 2454/93/EWG


Vorschriften:

Verordnung Nr. 2913/92/EWG
Verordnung Nr. 2454/93/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

3 Gemäß Artikel 76 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften können die Zollbehörden die Bewilligung als zugelassener Versender nur auf der Grundlage der Artikel 398 bis 405 der Verordnung Nr. 2454/93 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 erteilen.

4 Artikel 398 der Verordnung Nr. 2454/93 gestattet es den Zollbehörden, die Bewilligung als zugelassener Versender auch dann zu erteilen, wenn es infolge schon vorgenommener Gestellung nicht mehr möglich ist, den betreffenden Wirtschaftsteilnehmer von der Verpflichtung zur Gestellung der Waren bei der Abgangsstelle zu befreien.


Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 15. Januar 1998. - Göritz Intransco International GmbH gegen Hauptzollamt Düsseldorf. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht Düsseldorf - Deutschland. - Zollkodex der Gemeinschaften - Gemeinschaftliches Versandverfahren - Vereinfachte Verfahren - Zugelassener Versender - Voraussetzungen der Bewilligung. - Rechtssache C-292/96.

Entscheidungsgründe:

1 Das Finanzgericht Düsseldorf hat mit Beschluß vom 14. August 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 4. September 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 76 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1; im folgenden: Zollkodex) und des Artikels 398 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 (ABl. L 253, S. 1; im folgenden: Durchführungsverordnung) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Göritz Intransco International GmbH (im folgenden: Klägerin) und dem Hauptzollamt Düsseldorf wegen dessen Weigerung, der Klägerin die Bewilligung als zugelassener Versender zu gewähren.

3 Die sechste Begründungserwägung des Zollkodex lautet:

"Angesichts der grossen Bedeutung des Aussenhandels der Gemeinschaft sollten Zollförmlichkeiten und Kontrollmaßnahmen möglichst vermieden, zumindest aber in geringstmöglichem Umfang gehalten werden."

4 Die achte Begründungserwägung lautet:

"Beim Erlaß von Durchführungsmaßnahmen zum Zollkodex ist im Rahmen des Möglichen darauf zu achten, daß Betrugsfälle oder Unregelmässigkeiten, die sich nachteilig auf den Gesamthaushalt der Europäischen Gemeinschaften auswirken können, verhütet werden."

5 Artikel 76 Absätze 1 und 4 des Zollkodex bestimmt:

"(1) Um die Förmlichkeiten und Verfahren möglichst weitgehend zu vereinfachen, ohne daß die Ordnungsmässigkeit der Vorgänge dadurch beeinträchtigt wird, lassen die Zollbehörden unter den nach dem Ausschußverfahren festgelegten Voraussetzungen zu, daß

a) die Anmeldung nach Artikel 62 einige der Angaben nach Absatz 1 des genannten Artikels nicht enthält oder einige der Unterlagen nach Absatz 2 des genannten Artikels nicht beigefügt sind;

b) anstelle der Anmeldung nach Artikel 62 ein Handels- oder Verwaltungspapier zusammen mit einem Antrag auf Überführung der Waren in das betreffende Zollverfahren abgegeben wird;

c) die Anmeldung der Waren zu dem betreffenden Zollverfahren durch Anschreibung der Waren in der Buchführung vorgenommen wird. In diesem Fall können die Zollbehörden den Anmelder von der Gestellungspflicht befreien.

Die vereinfachte Anmeldung, das Handels- oder Verwaltungspapier oder die Anschreibung in der Buchführung muß mindestens die zur Erfassung der Waren erforderlichen Angaben enthalten. Bei Anschreibung in der Buchführung ist das Anschreibungsdatum anzugeben.

...

(4) Nach dem Ausschußverfahren werden besondere Vereinfachungen für das gemeinschaftliche Versandverfahren festgelegt."

6 In der Durchführungsverordnung wurden nach dem Ausschußverfahren detaillierte Durchführungsvorschriften zum Zollkodex festgelegt. Artikel 398 dieser Verordnung lautet:

"Die Zollbehörden jedes Mitgliedstaats können einer Person, die die Voraussetzungen nach Artikel 399 erfuellt und Waren im gemeinschaftlichen Versandverfahren befördern will - nachstehend "zugelassener Versender" genannt -, die Bewilligung erteilen, der Abgangsstelle weder die Waren zu gestellen noch die Anmeldung zum gemeinschaftlichen Versandverfahren für diese Waren vorzulegen."

7 Artikel 399 der Durchführungsverordnung lautet:

"(1) Die Bewilligung nach Artikel 398 wird nur Personen erteilt,

a) die laufend Waren versenden;

b) deren Anschreibungen es den zuständigen Behörden ermöglichen, die Vorgänge zu kontrollieren;

c) die, wenn nach den Vorschriften über das gemeinschaftliche Versandverfahren eine Sicherheit erforderlich ist, eine Gesamtbürgschaft geleistet haben;

d) die keine schweren oder wiederholten Zuwiderhandlungen gegen die Zoll- oder Steuervorschriften begangen haben.

(2) Die Zollbehörden können die Bewilligung widerrufen, wenn der zugelassene Versender die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht mehr erfuellt oder die Vorschriften dieses Unterabschnitts oder der Bewilligung nicht einhält."

8 Die Klägerin betreibt eine Spedition im Flughafen Düsseldorf, Amtsplatz des Zollamts Flughafen.

9 Am 4. April 1995 beantragte sie beim Hauptzollamt Düsseldorf für eingehende Luftfrachtsendungen die Bewilligung als "zugelassener Versender". Diese Bewilligung würde es ihr ermöglichen, vom Hauptzollamt Düsseldorf als Abgangsstelle vorabgestempelte gemeinschaftliche Versandanmeldungsformulare zu benutzen. Sie wäre dadurch von der normalen Zollbehandlung der Anmeldungen freigestellt, die nur während der Öffnungszeiten der Abgangsstelle erfolgen kann.

10 Das Hauptzollamt Düsseldorf lehnte diesen Antrag mit Verfügung vom 23. Juni 1995 insbesondere mit der Begründung ab, für die begehrte Vorabstempelung bestehe keine Rechtsgrundlage. Artikel 398 der Durchführungsverordnung sehe nämlich vor, daß ein zugelassener Versender sowohl von der Verpflichtung, die Waren der Abgangsstelle zu gestellen, als auch von der Verpflichtung, dieser die Anmeldung zum gemeinschaftlichen Versandverfahren vorzulegen, befreit werden könne. Seien die Waren jedoch bereits - wie im Ausgangsverfahren - der Abgangsstelle gestellt worden, so könne der zugelassene Versender nicht mehr von der ersten Verpflichtung befreit werden. Nach Auffassung des Hauptzollamts Düsseldorf gelten beide Verpflichtungen kumulativ.

11 Am 12. Dezember 1995 wies die Oberfinanzdirektion Düsseldorf die Beschwerde der Klägerin gegen diese ablehnende Verfügung zurück.

12 Daraufhin hat die Klägerin Klage beim Finanzgericht Düsseldorf erhoben, das das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat:

1. Ist Artikel 76 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in Verbindung mit den Artikeln 398 ff. der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften Rechtsgrundlage für die Bewilligung als "zugelassener Versender", oder richtet sich diese Bewilligung gemäß Artikel 76 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ausschließlich nach den Artikeln 398 ff.?

2. Schließt Artikel 398 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften die Bewilligung als "zugelassener Versender" aus, wenn infolge schon vorgenommener Gestellung die in dieser Vorschrift vorgesehene Befreiung von der Gestellungspflicht nicht mehr möglich ist?

Zur ersten Frage

13 Die erste Frage betrifft die Rechtsgrundlage für die Bewilligung als zugelassener Versender durch die Zollbehörden.

14 Das Hauptzollamt Düsseldorf und die Kommission sind der Auffassung, daß nach dem Wortlaut des Artikels 76 Absatz 4 des Zollkodex Rechtsgrundlage für die Bewilligung als zugelassener Versender die Artikel 398 ff. der Durchführungsverordnung seien.

15 Artikel 76 Absatz 1 des Zollkodex sieht zwar vereinfachte Zollverfahren vor, doch bestimmt Absatz 4, daß für das gemeinschaftliche Versandverfahren besondere Vereinfachungen nach dem Ausschußverfahren festgelegt werden.

16 Artikel 76 Absatz 4 nimmt somit das gemeinschaftliche Versandverfahren von den in Artikel 76 Absatz 1 des Zollkodex vorgesehenen vereinfachten Verfahren aus, die nur für die anderen Zollverfahren gelten.

17 Für das gemeinschaftliche Versandverfahren sind dagegen, was die für die Abgangsstelle geltenden Verfahren betrifft, besondere Vereinfachungen in den Artikeln 398 bis 405 der Durchführungsverordnung vorgesehen.

18 Auf die erste Frage ist deshalb zu antworten, daß gemäß Artikel 76 Absatz 4 des Zollkodex die Zollbehörden die Bewilligung als zugelassener Versender nur auf der Grundlage der Artikel 398 bis 405 der Durchführungsverordnung erteilen können.

Zur zweiten Frage

19 Die zweite Frage geht dahin, ob Artikel 398 der Durchführungsverordnung es den Zollbehörden gestattet, die Bewilligung als zugelassener Versender auch dann zu erteilen, wenn es infolge schon vorgenommener Gestellung nicht mehr möglich ist, den betroffenen Wirtschaftsteilnehmer von der Verpflichtung zur Gestellung der Waren bei der Abgangsstelle zu befreien.

20 Artikel 398 der Durchführungsverordnung ermöglicht es den Zollbehörden jedes Mitgliedstaats, einem zugelassenen Versender die Bewilligung zu erteilen, der Abgangsstelle weder die Waren zu gestellen noch die Anmeldung zum gemeinschaftlichen Versandverfahren für diese Waren vorzulegen.

21 Den verschiedenen Sprachfassungen des Artikels 398 der Durchführungsverordnung lässt sich zwar nicht entnehmen, ob ein zugelassener Versender von der Verpflichtung, der Abgangsstelle die Anmeldung zum gemeinschaftlichen Versandverfahren vorzulegen, befreit werden kann, ohne auch von der Verpflichtung zur Gestellung der Waren bei dieser entbunden zu werden; keine Sprachfassung schließt jedoch die Möglichkeit aus, den Versender nur von einer dieser beiden Verpflichtungen zu befreien.

22 Ausserdem ergibt sich aus der sechsten und der achten Begründungserwägung des Zollkodex, daß die Vereinfachung der Zollverfahren die Zollförmlichkeiten und Kontrollmaßnahmen möglichst erleichtern soll, wobei allerdings sicherzustellen ist, daß die vorgesehenen Erleichterungen die Zollinteressen der Gemeinschaft nicht beeinträchtigen können.

23 Unbestreitbar dient schon die Befreiung von der Verpflichtung, der Abgangsstelle die Anmeldung zum gemeinschaftlichen Versandverfahren vorzulegen, der Erleichterung der Zollverfahren, die der Wirtschaftsteilnehmer normalerweise einzuhalten hat. Ausserdem dient eine solche Erleichterung dazu, die Zollbehörden in gewissem Umfang von ihren Verwaltungsaufgaben zu entlasten.

24 Hinsichtlich der eventuellen Beeinträchtigung der Zollinteressen der Gemeinschaft ergibt sich zunächst aus Artikel 399 Absatz 1 der Durchführungsverordnung, daß die Zollbehörden es ablehnen können, die in Artikel 398 dieser Verordnung genannte Bewilligung zu erteilen, wenn sie gute Gründe für die Annahme haben, daß der Antragsteller die Zollvorschriften nicht beachten wird. Auch können sie nach Artikel 399 Absatz 2 die erteilte Bewilligung jederzeit widerrufen, wenn sich herausstellt, daß der zugelassene Versender diese Vorschriften nicht einhält.

25 Ausserdem unterliegen die im gemeinschaftlichen Versandverfahren beförderten Waren den Zollvorschriften bis zur letzten Gemeinschaftskontrolle an der Bestimmungsstelle. Der Umstand, daß die Waren den vereinfachten Verfahren an der Abgangsstelle unterliegen, ist somit nicht geeignet, die Zollinteressen der Gemeinschaft zu beeinträchtigen.

26 Jedenfalls enthalten die Akten keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Zollinteressen der Gemeinschaft stärker gefährdet werden, wenn die in Artikel 398 der Durchführungsverordnung genannte Bewilligung den zugelassenen Versender nur von der Verpflichtung befreit, der Abgangsstelle die Anmeldung zum gemeinschaftlichen Versandverfahren vorzulegen, und nicht auch zugleich von der Verpflichtung, dieser die Waren zu gestellen. Denn da der Gemeinschaftsgesetzgeber die Möglichkeit einer Befreiung von beiden Verpflichtungen vorgesehen hat, kann sich diese Befreiung auch auf eine dieser beiden Verpflichtungen beschränken.

27 Auf die zweite Frage ist somit zu antworten, daß Artikel 398 der Durchführungsverordnung es den Zollbehörden gestattet, die Bewilligung als zugelassener Versender auch dann zu erteilen, wenn es infolge schon vorgenommerner Gestellung nicht mehr möglich ist, den betreffenden Wirtschaftsteilnehmer von der Verpflichtung zur Gestellung der Waren bei der Abgangsstelle zu befreien.

Kostenentscheidung:

Kosten

28 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Erste Kammer)

auf die ihm vom Finanzgericht Düsseldorf mit Beschluß vom 14. August 1996 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Gemäß Artikel 76 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften können die Zollbehörden die Bewilligung als zugelassener Versender nur auf der Grundlage der Artikel 398 bis 405 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 erteilen.

2. Artikel 398 der Verordnung Nr. 2454/93 gestattet es den Zollbehörden, die Bewilligung als zugelassener Versender auch dann zu erteilen, wenn es infolge schon vorgenommener Gestellung nicht mehr möglich ist, den betreffenden Wirtschaftsteilnehmer von der Verpflichtung zur Gestellung der Waren bei der Abgangsstelle zu befreien.

Ende der Entscheidung

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