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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 29.04.1999
Aktenzeichen: C-293/97
Rechtsgebiete: Richtlinie 91/676/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 91/676/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

3 Die Artikel 2 Buchstabe j und 3 Absatz 1 sowie Anhang I der Richtlinie 91/676 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verpflichten dazu, Binnengewässer als "Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind", zu bestimmen und dementsprechend alle bekannten Flächen, die in solche Gewässer entwässern und zur Verunreinigung beitragen, als "gefährdete Gebiete" gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie auszuweisen, wenn diese Gewässer eine höhere Nitratkonzentration als 50 mg/l enthalten und der betroffene Mitgliedstaat der Auffassung ist, daß die Zuführung von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen einen "erheblichen Beitrag" zu dieser insgesamt bestehenden Nitratkonzentration darstellt.

Das Gemeinschaftsrecht kann allerdings kein eindeutiges Kriterium liefern, um in jedem Einzelfall festzustellen, ob die Ableitung von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen erheblich zur Verunreinigung beiträgt, so daß die Richtlinie von den Mitgliedstaaten unterschiedlich angewandt werden kann. Ein solches Ergebnis widerspricht indessen nicht dem Charakter der Richtlinie, da diese nicht die Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet bezweckt, sondern die erforderlichen Mittel bereitstellen will, um den Schutz der Gewässer vor der Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen auf Gemeinschaftsebene sicherzustellen. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat dieses Ergebnis zwangsläufig akzeptiert, als er in Anhang I der Richtlinie den Mitgliedstaaten einen weiten Ermessensspielraum für die Bestimmung der Gewässer im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 zuerkannte.

4 Die Möglichkeit, daß in den gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 91/676 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen als "Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind", bezeichneten Gewässern die Nitratkonzentration landwirtschaftlichen Ursprungs allein 50 mg/l nicht überschreitet, verstösst weder gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz und das Verursacherprinzip noch verletzt sie das Grundrecht auf Eigentum der betroffenen Landwirte.

Die in Artikel 5 Absätze 3, 6 und 7 sowie Anhang III der Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen betreffend die Aktionsprogramme für die gefährdeten Gebiete, die geeigneten Überwachungsprogramme, damit die Wirksamkeit dieser Programme beurteilt werden kann, und die Regeln der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft sind nämlich so flexibel, daß die Mitgliedstaaten den Verhältnismässigkeitsgrundsatz berücksichtigen können.

Was das Verursacherprinzip angeht, sind die Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe nach der Richtlinie nicht verpflichtet, Belastungen zu tragen, die mit der Beseitigung einer Verunreinigung verbunden sind, zu der sie nicht beigetragen haben, da es den Mitgliedstaaten obliegt, bei der Durchführung der Richtlinie die anderen Verunreinigungsquellen zu berücksichtigen und den Inhabern landwirtschaftlicher Betriebe keine Kosten für die Beseitigung der Verunreinigung aufzuerlegen, die in Anbetracht der Gegebenheiten nicht erforderlich sind. Aus dieser Sicht erscheint das Verursacherprinzip als Ausdruck des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes. Das gleiche gilt für den Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen.

Gewiß unterwerfen die in Artikel 5 vorgesehenen Aktionsprogramme, die die verbindlich vorgeschriebenen Maßnahmen nach Anhang III der Richtlinie enthalten, die Ausbringung von Düngemitteln und von Dung bestimmten Voraussetzungen, so daß sie die Ausübung des Eigentumsrechts durch die betroffenen Landwirte einschränken können; die in Artikel 5 der Richtlinie vorgesehene Regelung entspricht jedoch Erfordernissen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und verfolgt somit ein dem Gemeinwohl dienendes Ziel, ohne das Eigentumsrecht in seinem Wesensgehalt anzutasten. Die Organe und die Mitgliedstaaten sind bei der Verfolgung eines solchen Zieles an den Verhältnismässigkeitsgrundsatz gebunden; jedoch läuft die Richtlinie diesem Grundsatz nicht zuwider.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 29. April 1999. - The Queen gegen Secretary of State for the Environment und Ministry of Agriculture, Fisheries and Food, ex parte H.A. Standley u. a. und D.G.D. Metson u. a.. - Ersuchen um Vorabentscheidung: High Court of Justice (England ans Wales), Queen's Bench Division - Vereinigtes Königreich. - Richtlinie 91/676/EWG - Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen - Bestimmung der Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind - Ausweisung der gefährdeten Gebiete - Kriterien - Gültigkeit im Hinblick auf das Verursacherprinzip, den Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Eigentumsrecht. - Rechtssache C-293/97.

Entscheidungsgründe:

1 Der High Court of Justice of England and Wales, Queen's Bench Division, hat mit Beschluß vom 17. Juni 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 11. August 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung und der Gültigkeit der Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (ABl. L 375, S. 1; nachstehend: die Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen zweier Klagen von H. A. Standley u. a. sowie D. G. D. Metson u. a. (im folgenden: Kläger) auf Aufhebung der Entscheidungen, durch die der Secretary of State for the Environment und der Minister of Agriculture, Fisheries and Food (im folgenden: Beklagte) die Flüsse Waveney, Blackwater und Chelmer sowie ihre Zufluesse als "Gewässer, die von Verunreinigung betroffen werden könnten," im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie bezeichnet und die Flächen, die in diese Gewässer entwässern, als "gefährdete Gebiete" im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie ausgewiesen hatten.

Die Richtlinie

3 Artikel 1 der Richtlinie bestimmt:

"Diese Richtlinie hat zum Ziel,

- die durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verursachte oder ausgelöste Gewässerverunreinigung zu verringern und

- weiterer Gewässerverunreinigung dieser Art vorzubeugen."

4 Artikel 2 Buchstabe j der Richtlinie legt fest:

"Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:

...

j) Verunreinigung: direkte oder indirekte Ableitung von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen in Gewässer, wenn dadurch die menschliche Gesundheit gefährdet, die lebenden Bestände und das Ökosystem der Gewässer geschädigt, Erholungsmöglichkeiten beeinträchtigt oder die sonstige rechtmässige Nutzung der Gewässer behindert werden".

5 Artikel 3 Absätze 1, 2, 4 und 5 der Richtlinie bestimmt:

"(1) Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind, und Gewässer, die von Verunreinigung betroffen werden könnten, falls keine Maßnahmen nach Artikel 5 ergriffen werden, werden von den Mitgliedstaaten nach den Kriterien des Anhangs I bestimmt.

(2) Die Mitgliedstaaten weisen innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntgabe dieser Richtlinie alle in ihrem Gebiet bekannten Flächen, die in nach Absatz 1 bestimmte Gewässer entwässern und die zur Verunreinigung beitragen, als gefährdete Gebiete aus. Sie unterrichten die Kommission hiervon innerhalb von sechs Monaten nach erster Ausweisung.

...

(4) Die Mitgliedstaaten sind gehalten, ihr Verzeichnis der gefährdeten Gebiete wenn notwendig, jedoch mindestens alle vier Jahre zu prüfen und gegebenenfalls zu ändern oder zu ergänzen, um Veränderungen und zum Zeitpunkt der vorherigen Einstufung unvorhergesehene Faktoren zu berücksichtigen. Sie unterrichten die Kommission innerhalb von sechs Monaten von jeder Änderung oder Ergänzung dieses Verzeichnisses.

(5) Die Mitgliedstaaten sind von der Verpflichtung, bestimmte gefährdete Gebiete auszuweisen, befreit, wenn sie die in Artikel 5 genannten Aktionsprogramme nach den Vorgaben dieser Richtlinie in ihrem gesamten Gebiet durchführen."

6 Artikel 4 der Richtlinie sieht vor, daß Regeln der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft aufgestellt werden, die von den Landwirten auf freiwilliger Basis anzuwenden sind und Bestimmungen enthalten, die mindestens die in Anhang II Teil A enthaltenen Punkte umfassen.

7 Artikel 5 Absätze 1, 2, 3, 4 Buchstabe a, 6 und 7 der Richtlinie bestimmt:

"(1) Zur Verwirklichung der in Artikel 1 genannten Ziele legen die Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren nach der ersten Ausweisung der gefährdeten Gebiete nach Artikel 3 Absatz 2 oder innerhalb eines Jahres nach jeder ergänzenden Ausweisung nach Artikel 3 Absatz 4 Aktionsprogramme für die als gefährdet ausgewiesenen Gebiete fest.

(2) Ein Aktionsprogramm kann sich auf alle gefährdeten Gebiete im Gebiet eines Mitgliedstaates erstrecken, oder es können verschiedene Programme für verschiedene gefährdete Gebiete oder Teilgebiete festgelegt werden, wenn der Mitgliedstaat dies für angebracht hält.

(3) In den Aktionsprogrammen werden berücksichtigt:

a) die verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Daten, insbesondere über die jeweiligen Stickstoffeinträge aus landwirtschaftlichen und anderen Quellen;

b) die Umweltbedingungen in den jeweiligen Regionen des Mitgliedstaates.

(4) Die Aktionsprogramme werden innerhalb von vier Jahren nach Aufstellung durchgeführt und enthalten folgende verbindlich vorgeschriebene Maßnahmen:

a) die Maßnahmen nach Anhang III;

...

(6) Die Mitgliedstaaten sorgen für die Aufstellung und Durchführung geeigneter Überwachungsprogramme, damit die Wirksamkeit der in diesem Artikel vorgesehenen Aktionsprogramme beurteilt werden kann.

Die Mitgliedstaaten, die Artikel 5 in ihrem gesamten Gebiet anwenden, überwachen den Nitratgehalt der Gewässer (Oberflächengewässer und Grundwasser) an ausgewählten Meßstellen, an denen der Grad der Nitratverunreinigung der Gewässer aus landwirtschaftlichen Quellen festgestellt werden kann.

(7) Mindestens alle vier Jahre überprüfen die Mitgliedstaaten ihre Aktionsprogramme und schreiben sie, falls erforderlich, einschließlich zusätzlicher Maßnahmen nach Absatz 5 fort. Sie unterrichten die Kommission von allen Änderungen der Aktionsprogramme."

8 Zur Ausweisung gefährdeter Gebiete und zur Fortschreibung der Ausweisung sieht Artikel 6 der Richtlinie ein Verfahren zur Überwachung der Gewässerqualität und die Anwendung von - in Anhang IV der Richtlinie festgelegten - Referenzmethoden zur Messung von Stickstoffverbindungen vor.

9 Anhang I Teil A Nummer 1, betreffend die Kriterien für die Bestimmung der Gewässer nach Artikel 3 Absatz 1, bestimmt:

"A. Gewässer nach Artikel 3 Absatz 1 werden unter anderem nach folgenden Kriterien bestimmt:

1. wenn Binnengewässer, insbesondere solche, die zur Trinkwassergewinnung genutzt werden oder bestimmt sind, eine höhere Nitratkonzentration als die nach der Richtlinie 75/440/EWG festgesetzte Konzentration enthalten oder enthalten können, und keine Maßnahmen im Sinne des Artikels 5 getroffen werden."

10 Die Nitratkonzentration nach der Richtlinie 75/440/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten (ABl. L 194, S. 26) beläuft sich auf 50 mg/l.

Das nationale Recht

11 Wie sich aus dem Vorlagebeschluß ergibt, wurden die Protection of Water against Agricultural Pollution (England und Wales) Regulations vom 21. März 1996 (SI 1996, 888; im folgenden: Regulations) auf der Grundlage des European Communities Act von 1972 erlassen, um den Verpflichtungen nach der Richtlinie nachzukommen.

12 Die Ausweisung des Gebietes des Flusses Waveney sowie des Gebietes der Flüsse Blackwater und Chelmer als nitratgefährdet durch die zuständigen Minister erfolgte durch Anhang I der Regulations. Weitere englische Ausführungsvorschriften, die vom vorlegenden Gericht auszulegen wären, liegen nach dessen Angaben nicht vor.

13 Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich weiter, daß es dem von Paul Bristow, Leiter der Water Quality Division des Umweltministeriums, am 16. September 1996 abgegebenen Affidavit zufolge "der Regierung... bei der Bestimmung gefährdeter Gebiete eher darum [ging], eng umschriebene Einzugsgebiete verunreinigter Gewässer zu bestimmen, statt stets Einzugsgebiete vollständiger Systeme von Oberflächengewässern auszuweisen, die sich an der Stelle für die Entnahme des Oberflächenwassers als verunreinigt erwiesen hatten. In einem ersten Schritt wurden auf dieser Grundlage Gewässer bestimmt, die entweder von Nitraten stark verunreinigt waren oder klar die Möglichkeit einer starken Verunreinigung durch Nitrate erkennen ließen. Sodann wurden die bekannten Flächen, die in diese Gewässer entwässerten (und nicht Flächen, die in die Flüsse oberhalb dieser Gewässer entwässerten), bestimmt. Schließlich wurde unter Berücksichtigung insbesondere der Nutzung und anderer Merkmale der betreffenden Flächen und Gewässer ermittelt, ob landwirtschaftliche Quellen zum Grad der festgestellten Verunreinigung erheblich beitrugen."

Der Ausgangsrechtsstreit

14 Die - von der National Farmer's Union (im folgenden: NFU) unterstützten - Kläger haben Klage auf Aufhebung der Entscheidungen der Beklagten des Ausgangsverfahrens erhoben, durch die die aus den Flüssen Waveney, Blackwater und Chelmer sowie ihren Zufluessen bestehenden Oberflächengewässer als Gewässer, die von Verunreinigung durch Nitrat betroffen sind, bezeichnet und die Flächen, die in diese Gewässer entwässern, als durch Nitrat gefährdete Gebiete im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie ausgewiesen worden waren.

15 Den Klägern zufolge verursacht die durch die Regulations, auf deren Grundlage die durch Nitrat gefährdeten Gebiete bestimmt worden seien, vorgeschriebene Festlegung von den landwirtschaftlichen Gebrauch einschränkenden Aktionsprogrammen für diese Gebiete, in denen sie Flächen besässen oder bewirtschafteten, bei ihnen einen unmittelbaren und langfristigen wirtschaftlichen Schaden im Hinblick auf den Grundstückswert und die aus ihren landwirtschafltichen Betrieben erzielten Einkünfte.

16 Nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie dürften die Mitgliedstaaten nur Binnengewässer, die durch direkte oder indirekte Ableitung von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen den Grenzwert von 50 mg/l überschritten oder überschreiten könnten, wenn die erforderlichen Maßnahmen nicht getroffen würden, als Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind, oder Gewässer, die von Verunreinigung betroffen werden könnten, bezeichnen.

17 Hilfsweise machen die Kläger geltend, wenn die von den Beklagten vertretene Auslegung richtig wäre, verstieße die Richtlinie gegen das Verursacherprinzip, den Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, den Verhältnismässigkeitsgrundsatz sowie das Grundrecht auf Eigentum.

18 Die Beklagten tragen vor, aus Artikel 2 Buchstabe j und Anhang I Buchstabe a Nummer 1 ergebe sich, daß der Ausdruck "Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind", in Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie sich auf Binnengewässer beziehe, die zur Trinkwassergewinnung genutzt würden und einen Nitratgehalt von mehr als 50 mg/l aufwiesen, zu dem Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen erheblich beitrage. Die Mitgliedstaaten würden durch keine Vorschrift der Richtlinie oder ihrer Anhänge, auch nicht implizit, zur Prüfung der ausschließlich auf die landwirtschaftlichen Verunreinigungsquellen zurückzuführenden Nitratkonzentration verpflichtet, um festzustellen, ob der Grenzwert von 50 mg/l überschritten sei. Die Grenze von 50 mg/l stelle die Gesamtnitratkonzentration in den Trinkwasserreserven, unabhängig von ihrem Ursprung, dar, bei deren Überschreiten Gefahren für die menschliche Gesundheit aufträten. Im übrigen sei es unmöglich, genau zu bestimmen, ob der Anteil an Nitrat landwirtschaftlichen Ursprungs im Oberflächenwasser 50 mg/l überschreite.

19 Im Zusammenhang mit der hilfsweise erhobenen Rüge der Kläger weisen die Beklagten darauf hin, daß die im Aktionsprogramm vorgesehenen Ausnahmen die Stickstoffmengen aus landwirtschaftlichen Quellen und diejenigen aus anderen Quellen berücksichtigten.

20 Aufgrund all dessen und in der Erwägung, daß die von den Klägern des Ausgangsverfahrens erhobenen Klagen Fragen von allgemeiner Bedeutung für alle von der Auslegung der Richtlinie und ihrer Durchführung durch die nationalen Behörden betroffenen Landwirte aufwerfen, hat der High Court of Justice of England and Wales, Queen's Bench Division, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Sind die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (Nitratrichtlinie) verpflichtet, gemäß deren Artikel 2 Buchstabe j, Artikel 3 Absatz 1 und Anhang I Binnengewässer als "Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind", zu bestimmen und sodann alle bekannten Flächen, die in solche Gewässer entwässern und zur Verunreinigung beitragen, als gefährdete Gebiete gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie auszuweisen,

i) wenn die fraglichen Gewässer eine höhere Nitratkonzentration als 50 mg/l enthalten (dies ist die Nitratkonzentration, die in Anhang I der Nitratrichtlinie unter Bezugnahme auf die Richtlinie 75/440/EWG festgelegt ist) und der Mitgliedstaat festgestellt hat, daß die Zuführung von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen einen "erheblichen Beitrag" zu dieser insgesamt bestehenden Nitratkonzentration darstellt, und kann, wenn dem so ist, ein Mitgliedstaat die oben genannte Feststellung auch dann treffen, wenn es Gründe für die Annahme gibt, daß der Beitrag von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen zu dieser insgesamt bestehenden Nitratkonzentration mehr als nur geringfügig ist oder ein anderes Maß oder einen anderen Grad übersteigt, und welches Maß oder welcher Grad entspricht in diesem letzteren Fall in diesem Sinne einem "erheblichen Beitrag"; oder

ii) nur wenn die Zuführung von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen schon für sich genommen zu einer Nitratkonzentration in den betreffenden Gewässern von mehr als 50 mg/l führt (d. h. ohne Berücksichtigung anderer Quellen); oder

iii) gibt es eine andere und gegebenenfalls welche Grundlage für die vorgenannte Verpflichtung der Mitgliedstaaten?

2. Ist, sofern Frage 1 nicht im Sinne von Frage 1 Ziffer ii beantwortet wird, die Nitratrichtlinie (soweit sie sich auf Binnengewässer bezieht) ungültig, da sie

i) gegen das Verursacherprinzip und/oder

ii) den Verhältnismässigkeitsgrundsatz verstösst und/oder

iii) die grundlegenden Eigentumsrechte derjenigen verletzt, die landwirtschaftliche Flächen besitzen und/oder bewirtschaften, die in gemäß Artikel 3 Absatz 1 zu bestimmende Binnengewässer entwässern und nach dieser Bestimmung von den Mitgliedstaaten als gefährdete Gebiete gemäß Artikel 3 Absatz 2 auszuweisen sind?

Zur ersten Frage

21 Die erste Frage des vorlegenden Gerichts geht im wesentlichen dahin, ob die Artikel 2 Buchstabe j und 3 Absatz 1 sowie Anhang I der Richtlinie dazu verpflichten, Binnengewässer als "Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind", zu bestimmen und dementsprechend alle bekannten Flächen, die in solche Gewässer entwässern und zur Verunreinigung beitragen, als "gefährdete Gebiete" gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie auszuweisen, wenn diese Gewässer eine höhere Nitratkonzentration als 50 mg/l enthalten und der betroffene Mitgliedstaat der Auffassung ist, daß die Zuführung von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen einen "erheblichen Beitrag" zu dieser insgesamt bestehenden Nitratkonzentration darstellt.

22 Für den Fall der Bejahung dieser Frage fragt das vorlegende Gericht, von welcher Nitratmenge oder von welchem Beitrag zur Verunreinigung an ein "erheblicher Beitrag" vorliegt.

23 Die Kläger, unterstützt durch die NFU, machen geltend, Binnengewässer dürften nur als durch Verunreinigung betroffen bezeichnet werden, wenn in diesen Gewässern allein aus landwirtschaftlichen Quellen eine Überschreitung des durch die Richtlinie 75/440 für die Nitratkonzentration festgesetzten Grenzwertes von 50 mg/l hervorgerufen werde.

24 Für diese Auffassung spreche erstens, daß die Richtlinie den Schutz der Gewässer gegen die Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen bezwecke (zweite, dritte, fünfte, sechste, neunte und zehnte Begründungserwägung sowie Artikel 1 der Richtlinie).

25 Zweitens ergebe sich aus der Definition des Begriffes "Verunreinigung" in Artikel 2 Buchstabe j der Richtlinie, die ausdrücklich auf Ableitungen von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen beschränkt sei, daß bei der Bestimmung der Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind, durch die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie dieser Begriff denselben Inhalt haben müsse, d. h. die Ableitung von Stickstoffverbindungen ausschließlich aus landwirtschaftlichen Quellen.

26 Drittens hätten die Mitgliedstaaten bei der Anwendung des Artikels 3 Absatz 1 der Richtlinie festzustellen, ob die höchstzulässige Nitratkonzentration im Wasser womöglich überschritten werde, wenn die in Artikel 5 vorgesehenen Maßnahmen nicht getroffen würden. Da solche Maßnahmen jedoch ausschließlich die Praxis in der Landwirtschaft beträfen, könne der Grenzwert von 50 mg/l sich nur auf Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen beziehen.

27 Viertens hätten die Mitgliedstaaten zwar nach Artikel 3 Absatz 5 der Richtlinie die Möglichkeit, Aktionsprogramme für ihr gesamtes Gebiet aufzustellen und durchzuführen, ohne bestimmte gefährdete Gebiete auszuweisen, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei, doch befreie sie dies nicht von der Verpflichtung, den Umfang der Wasserverunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen zu bestimmen.

28 Was schließlich die Frage angehe, ob der Beitrag der landwirtschaftlichen Quellen zum Nitratgehalt der betreffenden Gewässer "erheblich" sei, finde sich dieser Begriff, der im übrigen unbestimmt sei, in keiner Vorschrift der Richtlinie. Könnten die Mitgliedstaaten entscheiden, ab welchem Umfang ein solcher Beitrag erheblich sei, verstieße dies gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und wäre nicht dadurch gerechtfertigt, daß es unmöglich sei, die verschiedenen Nitratquellen mit hinreichender Sicherheit zu bestimmen.

29 Hierzu ist festzustellen, daß die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung der von Verunreinigung betroffenen Gewässer nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie die Kriterien des Anhangs I anwenden. Nach Teil A Nummer 1 dieses Anhangs sind Binnengewässer, insbesondere solche, die zur Trinkwassergewinnung genutzt werden oder bestimmt sind, als Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind, zu bestimmen, wenn sie eine höhere Nitratkonzentration als die nach der Richtlinie 75/440 festgesetzte Konzentration enthalten oder enthalten können, sofern keine Maßnahmen im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie getroffen werden.

30 Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich nicht, daß die Mitgliedstaaten zur genauen Bestimmung des Anteils der Nitrate aus landwirtschaftlichen Quellen an der Verunreinigung der Gewässer verpflichtet sind oder daß eine solche Verunreinigung ausschließlich durch die Landwirtschaft verursacht sein muß.

31 Wie sich aus dem Aufbau der Richtlinie ergibt, ist die Bestimmung der Gewässer im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Teil eines Vorgangs, zu dem auch die Ausweisung gefährdeter Gebiete und die Aufstellung von Aktionsprogrammen gehört. Es wäre daher mit der Richtlinie unvereinbar, wenn die Bestimmung der Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind, auf Fälle beschränkt würde, in denen landwirtschaftliche Quellen eine Nitratkonzentration von mehr als 50 mg/l verursachen, obwohl die Richtlinie im Rahmen des genannten Vorgangs ausdrücklich vorsieht, daß bei der Aufstellung der Aktionsprogramme des Artikels 5 die jeweiligen Stickstoffeinträge aus landwirtschaftlichen und anderen Quellen berücksichtigt werden.

32 Ferner hat Artikel 3 Absatz 5 der Richtlinie, der es den Mitgliedstaaten erlaubt, die von Verunreinigung betroffenen Gewässer nicht zu bestimmen und als durch Nitrat gefährdete Gebiete ihr gesamtes Gebiet auszuweisen, zur Folge, daß sie Aktionsprogramme auch dann aufstellen können, wenn die Verunreinigung durch Nitrat ausschließlich landwirtschaftlichen Ursprungs den Grenzwert von 50 mg/l nicht übersteigt.

33 Schließlich würde die von den Klägern vorgeschlagene Auslegung viele Verunreinigungen, zu denen landwirtschaftliche Quellen einen erheblichen Beitrag leisten, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausschließen, was gegen Sinn und Zweck der Richtlinie verstieße.

34 Der Umstand, daß der für die Bestimmung der Gewässer berücksichtigte Grenzwert für die Nitratkonzentration entsprechend demjenigen der Richtlinie 75/440 festgesetzt wurde, zeigt nämlich, daß der zulässige Hoechstwert für die Nitratkonzentration im für den menschlichen Verbrauch bestimmten Wasser unabhängig vom Ursprung des Nitrats von den Erfordernissen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit bestimmt war, da die Schädlichkeit der Verunreinigung durch Nitrat für die menschliche Gesundheit unabhängig davon ist, ob sie durch landwirtschaftliche oder industrielle Quellen verursacht wurde.

35 Die Frage, ob die Richtlinie lediglich für die Fälle gilt, in denen die Ableitung von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen erheblich zur Verunreinigung beiträgt, ist in Anbetracht des vom Gemeinschaftsgesetzgeber verfolgten Zieles, die durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verursachte oder ausgelöste Gewässerverunreinigung zu verringern oder ihr vorzubeugen, sowie des Umfangs der hierzu in Artikel 5 vorgesehenen Maßnahmen zu bejahen.

36 Die Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten jedoch nicht daran, ihre Vorschriften auf Fälle anzuwenden, die nicht von ihr erfasst sind, wenn dies nach nationalem Recht zulässig ist.

37 Bei der Prüfung der Rechtmässigkeit der Rechtsakte, die die von Verunreinigung betroffenen Gewässer gemäß dem in dieser Weise ausgelegten Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie bezeichnen, haben die nationalen Gerichte dem grossen Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, der mit der Komplexität der Prüfungen, die sie in diesem Zusammenhang vorzunehmen haben, verbunden ist.

38 Das Gemeinschaftsrecht kann allerdings kein eindeutiges Kriterium liefern, um in jedem Einzelfall festzustellen, ob die Ableitung von +Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen erheblich zur Verunreinigung beiträgt.

39 Die Richtlinie kann von den Mitgliedstaaten somit unterschiedlich angewandt werden. Ein solches Ergebnis widerspricht indessen nicht dem Charakter der Richtlinie, da diese nicht die Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet bezweckt, sondern die erforderlichen Mittel bereitstellen will, um den Schutz der Gewässer vor der Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen auf Gemeinschaftsebene sicherzustellen. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat dieses Ergebnis zwangsläufig akzeptiert, als er in Anhang I der Richtlinie den Mitgliedstaaten einen weiten Ermessensspielraum für die Bestimmung der Gewässer im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 zuerkannte.

40 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, daß die Artikel 2 Buchstabe j und 3 Absatz 1 sowie Anhang I der Richtlinie dazu verpflichten, Binnengewässer als "Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind", zu bestimmen und dementsprechend alle bekannten Flächen, die in solche Gewässer entwässern und zur Verunreinigung beitragen, als "gefährdete Gebiete" gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie auszuweisen, wenn diese Gewässer eine höhere Nitratkonzentration als 50 mg/l enthalten und der betroffene Mitgliedstaat der Auffassung ist, daß die Zuführung von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen einen "erheblichen Beitrag" zu dieser insgesamt bestehenden Nitratkonzentration darstellt.

Zur zweiten Frage

41 Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob die Möglichkeit, daß in den gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie bestimmten Gewässern die Nitratkonzentration landwirtschaftlichen Ursprungs allein 50 mg/l nicht überschreitet, gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz und das Verursacherprinzip verstösst sowie das Grundrecht auf Eigentum der betroffenen Landwirte verletzt und damit zur Nichtigkeit der Richtlinie führt.

42 Die Kläger vertreten erstens die Auffassung, die Bestimmung der Gewässer, die diesen Grenzwert aufgrund des Vorhandenseins von Nitrat aus anderen als landwirtschaftlichen Quellen überschritten (Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie), die Ausweisung der Agrarflächen, die in diese Gewässer entwässerten, als gefährdete Gebiete, obwohl diese Flächen nur teilweise zur Nitratkonzentration beitrügen (Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie), und die Aufstellung eines Aktionsprogramms, das die Verantwortung dafür, daß der Grenzwert nicht überschritten werde, allein den Landwirten übertrage (Artikel 5 der Richtlinie), erlegten den Betroffenen unverhältnismässige Pflichten auf, so daß die Richtlinie gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz verstosse.

43 Sie machen zweitens geltend, die Richtlinie verstosse gegen das in Artikel 130r Absatz 2 EG-Vertrag niedergelegte Verursacherprinzip, da lediglich die Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe die Kosten für die Verringerung der Nitratkonzentration im Wasser unterhalb eines Wertes von 50 mg/l trügen, selbst wenn feststehe, daß die Landwirtschaft nur eine der Quellen für das in den Gewässern enthaltene Nitrat sei, während die anderen Nitratquellen jeglicher finanziellen Belastung entgingen.

44 Drittens verstosse die Richtlinie gegen den Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, in Verbindung mit dem in Artikel 130r Absatz 2 des Vertrages niedergelegten Verursacherprinzip. Im Widerspruch zum Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, hätte die Auslegung der Richtlinie durch die Beklagten zur Folge, daß nicht die Gewässerverunreinigung durch die hauptsächlich von der Industrie oder vom Verkehr herrührende Ablagerung von Nitrat aus der Luft an der Quelle vermieden oder verringert werde, sondern statt dessen die Landwirte verpflichtet würden, die gesamte Last der Vermeidung oder Verringerung der Nitratverunreinigung der Binnengewässer zu tragen.

45 Schließlich werde das Eigentumsrecht verletzt, indem den Landwirten die gesamte Haftung und die Tragung der Kosten für die Verringerung der Nitratkonzentrationen in den betroffenen Gewässern auferlegt werde, obwohl andere die Haupt- oder wesentliche Quelle seien.

46 Zum Verhältnismässigkeitsgrundsatz ist zunächst festzustellen, daß nach Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie in den Aktionsprogrammen die verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Daten über die jeweiligen Stickstoffeinträge aus landwirtschaftlichen und anderen Quellen sowie die Umweltbedingungen in den jeweiligen Regionen berücksichtigt werden.

47 Sodann ist festzustellen, daß die im Rahmen dieser Programme verbindlich vorgeschriebenen Maßnahmen die besonderen Merkmale des betroffenen gefährdeten Gebietes berücksichtigen müssen (Anhang III Abschnitt 1 Nummer 3) und daß die Mitgliedstaaten für die in den gefährdeten Gebieten ausgebrachte Dungmenge andere als die vorgeschriebenen Mengen festsetzen dürfen, wenn diese anhand objektiver Kriterien zu begründen sind und die Erreichung der Ziele der Richtlinie nicht beeinträchtigen (Anhang III Abschnitt 2 Buchstabe b).

48 Die Mitgliedstaaten sind ferner verpflichtet, für die Aufstellung und Durchführung geeigneter Überwachungsprogramme zu sorgen, damit die Wirksamkeit der Aktionsprogramme beurteilt werden kann (Artikel 5 Absatz 6 der Richtlinie); mindestens alle vier Jahre überprüfen sie ihre Aktionsprogramme und schreiben sie, falls erforderlich, fort (Artikel 5 Absatz 7 der Richtlinie). Damit können sie der Entwicklung der Gegebenheiten, sowohl was die Verunreinigung aus landwirtschaftlichen Quellen als auch was diejenige aus anderen Quellen angeht, Rechnung tragen.

49 Schließlich müssen die von den Mitgliedstaaten aufgrund von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie aufgestellten Regeln der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft die Verhältnisse in den verschiedenen Regionen der Gemeinschaft berücksichtigen (Anhang II Teil A der Richtlinie).

50 Daraus ergibt sich, daß die Richtlinie Vorschriften enthält, die so flexibel sind, daß die Mitgliedstaaten den Verhältnismässigkeitsgrundsatz bei der Anwendung der von ihnen erlassenen Maßnahmen berücksichtigen können. Es ist Sache der nationalen Gerichte, die Einhaltung dieses Grundsatzes sicherzustellen.

51 Zum Verursacherprinzip genügt die Feststellung, daß die Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe nach der Richtlinie nicht verpflichtet sind, Belastungen zu tragen, die mit der Beseitigung einer Verunreinigung verbunden sind, zu der sie nicht beigetragen haben.

52 Wie in den Randnummern 46 und 48 des vorliegenden Urteils festgestellt, obliegt es den Mitgliedstaaten, bei der Durchführung der Richtlinie die anderen Verunreinigungsquellen zu berücksichtigen und den Inhabern landwirtschaftlicher Betriebe keine Kosten für die Beseitigung der Verunreinigung aufzuerlegen, die in Anbetracht der Gegebenheiten nicht erforderlich sind. Aus dieser Sicht erscheint das Verursacherprinzip als Ausdruck des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes, zu dem der Gerichtshof bereits Stellung genommen hat (Randnrn. 46 bis 50 des vorliegenden Urteils).

53 Das gleiche gilt für den Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, da das diesbezuegliche Vorbringen der Kläger in ihrem Vorbringen zum Verstoß gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz aufgeht.

54 Zur Verletzung des Eigentumsrechts ist zu bemerken, daß das Eigentumsrecht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört; es ist jedoch nicht schrankenlos gewährleistet, sondern muß im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen werden. Folglich kann die Ausübung des Eigentumsrechts Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismässigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (vgl. Urteile vom 13. Dezember 1979 in der Rechtssache 44/79, Hauer, Slg. 1979, 3727, Randnr. 23, vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 265/87, Schräder, Slg. 1989, 2237, Randnr. 15, und vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973, Randnr. 78).

55 Gewiß unterwerfen die in Artikel 5 vorgesehenen Aktionsprogramme, die die verbindlich vorgeschriebenen Maßnahmen nach Anhang III der Richtlinie enthalten, die Ausbringung von Düngemitteln und von Dung bestimmten Voraussetzungen, so daß sie die Ausübung des Eigentumsrechts durch die betroffenen Landwirte einschränken können.

56 Die in Artikel 5 der Richtlinie vorgesehene Regelung entspricht jedoch Erfordernissen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und verfolgt somit ein dem Gemeinwohl dienendes Ziel, ohne das Eigentumsrecht in seinem Wesensgehalt anzutasten.

57 Die Organe und die Mitgliedstaaten sind bei der Verfolgung eines solchen Zieles an den Verhältnismässigkeitsgrundsatz gebunden; jedoch läuft die Richtlinie, wie bereits in den Randnummern 46 bis 50 des vorliegenden Urteils festgestellt, diesem Grundsatz nicht zuwider.

58 Dies führt zu dem Ergebnis, daß die Prüfung der vorgelegten Fragen nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Richtlinie beeinträchtigen könnte.

Kostenentscheidung:

Kosten

59 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs, der französischen und der schwedischen Regierung sowie der Kommission und des Rates, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom High Court of Justice of England and Wales, Queen's Bench Division, mit Beschluß vom 17. Juni 1997 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Die Artikel 2 Buchstabe j und 3 Absatz 1 sowie Anhang I der Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verpflichten dazu, Binnengewässer als "Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind", zu bestimmen und dementsprechend alle bekannten Flächen, die in solche Gewässer entwässern und zur Verunreinigung beitragen, als "gefährdete Gebiete" gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie auszuweisen, wenn diese Gewässer eine höhere Nitratkonzentration als 50 mg/l enthalten und der betroffene Mitgliedstaat der Auffassung ist, daß die Zuführung von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen einen "erheblichen Beitrag" zu dieser insgesamt bestehenden Nitratkonzentration darstellt.

2. Die Prüfung der vorgelegten Fragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 91/676 beeinträchtigen könnte.

Ende der Entscheidung

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