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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 15.12.2009
Aktenzeichen: C-294/05
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89, Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000


Vorschriften:

Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 Art. 2
Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 Art. 9
Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 Art. 10
Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 Art. 11
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 Art. 2
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 Art. 9
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 Art. 10
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 Art. 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

15. Dezember 2009

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Einfuhr von militärischen Ausrüstungsgütern und Gütern, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dienen"

Parteien:

In der Rechtssache C-294/05

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 20. Juli 2005,

Europäische Kommission, vertreten durch L. Ström van Lier, P. Dejmek und G. Wilms als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich Schweden, vertreten durch A. Kruse und A. Falk als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma als Bevollmächtigten,

Republik Finnland, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,

Streithelferinnen,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts und E. Levits, der Kammerpräsidentin C. Toader sowie der Richter C. W. A. Timmermans, A. Borg Barthet (Berichterstatter), M. Ile¨ic, J. Malenovský und U. Lõhmus,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2008,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Februar 2009

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Königreich Schweden dadurch, dass die im Rahmen der Einfuhr von Kriegsmaterial und Gütern, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dienen, im Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002 nicht erhobenen Eigenmittel nicht festgestellt und nicht gezahlt hat, und dadurch, dass es nicht die Verzugszinsen im Zusammenhang mit der Nichtzahlung dieser Eigenmittel an die Kommission entrichtet hat, bis zum 31. Mai 2000 gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 2 und 9 bis 11 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 des Rates vom 29. Mai 1989 zur Durchführung des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften (ABl. L 155, S. 1) in der durch die Verordnung (Euratom, EG) Nr. 1355/96 des Rates vom 8. Juli 1996 (ABl. L 175, S. 3) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1552/89) und danach gegen seine Verpflichtungen aus den gleichen Artikeln der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 des Rates vom 22. Mai 2000 zur Durchführung des Beschlusses 94/728/EG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften (ABl. L 130, S. 1) verstoßen hat.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

2 Art. 2 Abs. 1 der Beschlüsse 88/376/EWG, Euratom des Rates vom 24. Juni 1988 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 185, S. 24) und 94/728/EG, Euratom des Rates vom 31. Oktober 1994 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 293, S. 9) sieht jeweils vor:

"Folgende Einnahmen stellen in den Haushalt der Gemeinschaften einzusetzende Eigenmittel dar:

...

b) Zölle des Gemeinsamen Zolltarifs und andere Zölle auf den Warenverkehr mit Nichtmitgliedstaaten, die von den Gemeinschaftsorganen eingeführt worden sind oder noch eingeführt werden, sowie Zölle auf die unter den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl fallenden Erzeugnisse;

..."

3 Art. 20 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1, im Folgenden: Zollkodex der Gemeinschaften) bestimmt:

"(1) Die bei Entstehen einer Zollschuld gesetzlich geschuldeten Abgaben stützen sich auf den Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften.

...

(3) Der Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften umfasst:

a) die Kombinierte Nomenklatur;

...

c) die Regelzollsätze und die anderen Abgaben, die für die in der Kombinierten Nomenklatur erfassten Waren gelten, und zwar:

- die Zölle ...

...

d) die Zollpräferenzmaßnahmen aufgrund von Abkommen zwischen der Gemeinschaft und bestimmten Ländern oder Ländergruppen, in denen eine Zollpräferenzbehandlung vorgesehen ist;

e) die Zollpräferenzmaßnahmen, die von der Gemeinschaft einseitig zugunsten bestimmter Länder, Ländergruppen oder Gebiete erlassen worden sind;

f) die autonomen Aussetzungsmaßnahmen, mit denen die bei der Einfuhr bestimmter Waren geltenden Zollsätze herabgesetzt oder ausgesetzt werden;

g) die sonstigen in anderen Gemeinschaftsregelungen vorgesehenen zolltariflichen Maßnahmen.

..."

4 Art. 217 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften bestimmt:

"Jeder einer Zollschuld entsprechende Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrag - nachstehend 'Abgabenbetrag' genannt - muss unmittelbar bei Vorliegen der erforderlichen Angaben von den Zollbehörden berechnet und in die Bücher oder in sonstige statt dessen verwendete Unterlagen eingetragen werden (buchmäßige Erfassung).

..."

5 Im Rahmen der Bereitstellung der Eigenmittel der Gemeinschaften an die Kommission erließ der Rat der Europäischen Union die Verordnung Nr. 1552/89, die in dem in der vorliegenden Rechtssache maßgeblichen Zeitraum bis zum 30. Mai 2000 anwendbar war. Diese Verordnung wurde mit Wirkung vom 31. Mai 2000 durch die Verordnung Nr. 1150/2000 ersetzt, mit der sie ohne inhaltliche Änderung kodifiziert wurde.

6 Art. 2 der Verordnung Nr. 1552/89 sieht vor:

"(1) Für diese Verordnung gilt ein Anspruch der Gemeinschaften auf die Eigenmittel im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a) und b) des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom als festgestellt, sobald die Bedingungen der Zollvorschriften für die buchmäßige Erfassung des Betrags der Abgabe und dessen Mitteilung an den Abgabenschuldner erfüllt sind.

(1a) Der Zeitpunkt der Feststellung im Sinne von Absatz 1 ist der Zeitpunkt der buchmäßigen Erfassung im Sinne der Zollvorschriften.

..."

7 Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1552/89 bestimmt:

"Jeder Mitgliedstaat schreibt die Eigenmittel nach Maßgabe des Artikels 10 dem Konto gut, das zu diesem Zweck für die Kommission bei der Haushaltsverwaltung des Mitgliedstaats oder bei der von ihm bestimmten Einrichtung eingerichtet wurde.

Das Konto wird unentgeltlich geführt."

8 Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung schreibt vor:

"Nach Abzug von 10 v. H. für Erhebungskosten gemäß Artikel 2 Absatz 3 des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom erfolgt die Gutschrift der Eigenmittel im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a) und b) des genannten Beschlusses spätestens am ersten Werktag nach dem 19. des zweiten Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Anspruch nach Artikel 2 festgestellt wurde.

..."

9 Art. 11 der Verordnung Nr. 1552/89 bestimmt:

"Bei verspäteter Gutschrift auf dem in Artikel 9 Absatz 1 genannten Konto hat der betreffende Mitgliedstaat Zinsen zu zahlen, deren Satz dem am Fälligkeitstag auf dem Geldmarkt des betreffenden Mitgliedstaats für kurzfristige Finanzierung geltenden Zinssatz - erhöht um 2 Prozentpunkte - entspricht. Dieser Satz erhöht sich um 0,25 Prozentpunkte für jeden Verzugsmonat. Der erhöhte Satz findet auf die gesamte Dauer des Verzugs Anwendung."

10 Art. 22 der Verordnung Nr. 1150/2000 lautet:

"Die Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 wird aufgehoben.

Bezugnahmen auf die genannte Verordnung gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Verordnung und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle im Anhang Teil A zu lesen."

11 Demgemäß sind die Art. 2 und 9 bis 11 der Verordnungen Nrn. 1552/89 und 1150/2000 abgesehen davon, dass diese beiden Verordnungen namentlich auf den Beschluss 88/376 bzw. den Beschluss 94/728 verweisen, im Wesentlichen gleichlautend.

12 Der in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1150/2000 genannte Satz von 10 v. H. wurde durch den Beschluss 2000/597/EG, Euratom des Rates vom 29. September 2000 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 253, S. 42) auf 25 v. H. heraufgesetzt.

13 Der erste Erwägungsgrund des Beschlusses 2000/597 lautet:

"Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung vom 24. und 25. März 1999 in Berlin unter anderem festgehalten, dass das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften gerecht, transparent, kostenwirksam, einfach und auf Kriterien gestützt sein sollte, die der Beitragskapazität der einzelnen Mitgliedstaaten bestmöglich Rechnung tragen."

14 Der 5. Erwägungsgrund der aufgrund von Art. 26 EG erlassenen Verordnung (EG) Nr. 150/2003 des Rates vom 21. Januar 2003 zur Aussetzung der Einfuhrabgaben für bestimmte Waffen und militärische Ausrüstungsgüter (ABl. L 25, S. 1) lautet:

"Um dem Schutz der militärischen Geheimhaltung in den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, ist es notwendig, besondere Verwaltungsverfahren für die Gewährung der Zollaussetzung festzulegen. Eine - auch als Zollanmeldung im Sinne des Zollkodex verwendbare - Erklärung der zuständigen Stelle des Mitgliedstaats, für dessen Streitkräfte die Waffen und militärischen Ausrüstungsgüter bestimmt sind, wäre eine geeignete Garantie dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Erklärung sollte in Form einer Bescheinigung abgegeben werden. Es ist angezeigt, die Form solcher Bescheinigungen zu regeln und auch den Einsatz von Mitteln der Datenverarbeitung für die Abgabe der Erklärung zu gestatten."

15 Art. 1 dieser Verordnung sieht vor:

"Diese Verordnung regelt die Voraussetzungen, unter denen die Einfuhrabgaben für bestimmte Waffen und militärische Ausrüstungsgüter autonom ausgesetzt werden, die von den für die militärische Verteidigung der Mitgliedstaaten zuständigen Stellen oder in deren Auftrag aus Drittländern eingeführt werden."

16 Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 150/2003 bestimmt:

"Ungeachtet der Bestimmungen des Absatzes 1 können aus Gründen der militärischen Geheimhaltung die Bescheinigung und die eingeführten Waren anderen, vom Einfuhrmitgliedstaat bezeichneten Stellen vorgelegt bzw. vorgeführt werden. In solchen Fällen übermittelt die die Bescheinigung ausstellende zuständige Stelle bis zum 31. Januar und bis zum 31. Juli jeden Jahres den Zollbehörden ihres Mitgliedstaats einen summarischen Bericht über derartige Einfuhren. Der Bericht erfasst die dem Übermittlungsmonat unmittelbar vorausgehenden sechs Monate. Er enthält Angaben über die Anzahl der Bescheinigungen und deren jeweiliges Ausstellungsdatum, das Datum der Einfuhr sowie den Gesamtwert und das Bruttogewicht der mit diesen Bescheinigungen eingeführten Produkte."

17 Nach ihrem Art. 8 gilt die Verordnung Nr. 150/2003 ab 1. Januar 2003.

Vorverfahren

18 Mit Schreiben vom 20. Dezember 2001 teilte die Kommission dem Königreich Schweden mit, dass die seit 1998 angewandte Zollbefreiung der streitigen Einfuhren einen Verlust an Eigenmitteln für die Gemeinschaft verursacht habe. Sie forderte diesen Mitgliedstaat auf, die für die Haushaltsjahre seit 1998 nicht erhobenen Beträge zu berechnen und ihr bis zum 31. März 2002 zur Verfügung zu stellen. Die Kommission wies die schwedischen Stellen außerdem darauf hin, dass gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 1150/2000 ab diesem Tag Verzugszinsen fällig würden.

19 In seiner Antwort vom 11. März 2002 vertrat das Königreich Schweden die Auffassung, es sei nach Art. 296 Abs. 1 Buchst. b EG berechtigt, bei der Einfuhr von militärischen Ausrüstungsgütern und Gütern, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dienten, keine Zölle zu erheben.

20 Mit Schreiben vom 31. März 2003 wiederholte die Kommission ihre ursprüngliche Aufforderung betreffend die vor dem 1. Januar 2003 getätigten Einfuhren der fraglichen Waren; die Zeit danach werde von der Verordnung Nr. 150/2003 erfasst.

21 In seiner Antwort vom 3. September 2003 erhielt das Königreich Schweden seine Position aufrecht und führte aus, es beabsichtige nicht, der erneuten Aufforderung der Kommission Folge zu leisten.

22 Mit Mahnschreiben vom 17. Oktober 2003 forderte die Kommission das Königreich Schweden auf, ihr die ihr nach den Art. 26 EG und 20 des Zollkodex der Gemeinschaften geschuldeten Eigenmittel zur Verfügung zu stellen, da es die Einfuhr von Gütern, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dienten, unter Verstoß gegen diese Artikel einseitig von Zoll befreit habe.

23 In seiner Antwort vom 15. Dezember 2003 erhielt das Königreich Schweden seinen Standpunkt aufrecht.

24 Nach Eingang der Antwort des Königreichs Schweden richtete die Kommission am 9. Juli 2004 an dieses in beiden Vertragsverletzungsverfahren, d. h. demjenigen betreffend die Einfuhr von spezifisch militärischen Ausrüstungsgütern unter Abgabenbefreiung und demjenigen betreffend die Einfuhr von Gütern, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dienen, unter Abgabenbefreiung, eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie das Königreich Schweden aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrem Eingang nachzukommen. Das Königreich Schweden antwortete mit Schreiben vom 3. September 2004, in dem es seinen bis dahin vertretenen Standpunkt wiederholte und präzisierte.

25 In Anbetracht dieser Angaben des Königreichs Schweden hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben, da ihrer Ansicht nach dieser Mitgliedstaat der mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht nachgekommen war.

26 Mit Beschluss vom 13. September 2007 hat der Präsident des Gerichtshofs die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Finnland als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge des Königreichs Schweden zugelassen.

Zur Klage

Vorbringen der Parteien

27 Die Kommission macht geltend, das Königreich Schweden berufe sich zu Unrecht auf Art. 296 EG, um die Abführung der Zölle zu verweigern, da durch deren Erhebung die wesentlichen Sicherheitsinteressen dieses Mitgliedstaats nicht gefährdet würden.

28 Ihrer Ansicht nach sind Regelungen, mit denen Abweichungen oder Ausnahmen eingeführt werden, darunter Art. 296 EG, eng auszulegen. So müsse der betreffende Mitgliedstaat, der sich auf die Anwendung dieses Artikels berufe, nachweisen, dass er alle in diesem aufgestellten Voraussetzungen erfülle, wenn er von Art. 20 des Zollkodex der Gemeinschaften abweichen wolle, der den in Art. 26 EG niedergelegten allgemeinen Grundsatz der Erhebung der Zölle enthalte.

29 Die Bedenken des Königreichs Schweden hinsichtlich einer Offenlegung von in der Zollanmeldung mitgeteilten Informationen und hinsichtlich von Kontrollverfahren, die die Gemeinschaftsorgane zu einer Gefährdung der militärischen Geheimhaltung veranlassen könnten, seien unbegründet.

30 Außerdem sei das Königreich Schweden, z. B. durch Übertragung der Aufgaben einer zuständigen Zollbehörde an eine Militärbehörde, sehr wohl in der Lage gewesen, die Erhebung der streitigen Zölle so zu gestalten, dass die Geheimhaltung der übermittelten Informationen gewahrt werde.

31 Das Königreich Schweden habe nicht nachgewiesen, inwiefern die von ihm aufgrund internationaler Übereinkünfte übernommenen Verpflichtungen und seine Verpflichtungen auf dem Gebiet der Eigenmittel miteinander unvereinbar seien. Gleiches gelte für das Vorbringen, die letztgenannten Verpflichtungen stellten seine Vorhaben im Bereich der internationalen Zusammenarbeit sowie seine wesentlichen sicherheits- und verteidigungspolitischen Interessen ernstlich in Frage.

32 Die Nichterhebung der fraglichen Zölle durch das Königreich Schweden führe zu einer Ungleichbehandlung der Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihre jeweiligen Beiträge zum Gemeinschaftshaushalt. Zudem komme darin, dass ein Mitgliedstaat die Einfuhren von militärischem Gerät und Gütern, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dienten, vom Zoll befreie, um die Kosten für diese Waren zu senken, zum Ausdruck, dass dieser Mitgliedstaat damit seine Verpflichtungen zur solidarischen Mitfinanzierung des Gemeinschaftshaushalts verletze.

33 Es sei Sache des Königreichs Schweden, konkret und substantiiert nachzuweisen, dass die von ihm getroffenen Maßnahmen, durch die dem Gemeinschaftshaushalt Eigenmittel vorenthalten würden, zur Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen unerlässlich gewesen seien. Einen entsprechenden Nachweis habe das Königreich Schweden nicht erbracht. Im Übrigen nehme der Umstand, dass andere Mitgliedstaaten, deren Situation mit der seinen vergleichbar sei, Zölle auf die Einfuhr von militärischem Gerät erhöben und abführten, ohne dass dies ihre Sicherheit gefährde, dem Vorbringen des Königreichs Schweden hierzu die Stichhaltigkeit.

34 Die Kommission führt weiter aus, zwar werde mit der auf Art. 26 EG gestützten Verordnung Nr. 150/2003 durch die Schaffung eines Systems von Bescheinigungen und Zollanmeldungen ein Verfahren zur Aussetzung der Verpflichtung zur Erhebung von Zöllen auf die Einfuhr bestimmter militärischer Ausrüstungsgüter eingeführt, jedoch umfasse dieses Verfahren keine allgemeine Bestimmung, die die Mitgliedstaaten dazu ermächtigen würde, frei die Güter zu bestimmen, die vom Zoll befreit werden könnten.

35 Das Königreich Schweden vertritt die Auffassung, Art. 296 EG erlaube ihm, Maßnahmen zur Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen zu treffen. Es sei daher nach diesem Artikel befugt, die Einfuhren von militärischem Gerät von Zöllen zu befreien. Art. 296 EG bezwecke, die Handlungsfreiheit der Mitgliedstaaten in bestimmten Bereichen zu gewährleisten, die die Landesverteidigung und die nationale Sicherheit berührten. Der Umstand, dass dieser Artikel zu den Allgemeinen und Schlussbestimmungen des EG-Vertrags gehöre, bestätige seine allgemeine Geltung und seine Wirkung für alle mit allgemeiner Geltung ausgestatteten Bestimmungen des EG-Vertrags und des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts.

36 Zur Begründung seiner Berufung auf die Anwendung von Art. 296 Abs. 1 Buchst. b EG trägt das Königreich Schweden vor, die Erhebung von Zöllen bei der Einfuhr militärischer Ausrüstungsgüter verteuere die Beschaffung dieser Güter und mindere das operationelle Potenzial seiner Streitkräfte. Die durch die fraglichen Zölle verursachte unmittelbare zusätzliche Belastung für den Haushalt der Landesverteidigung schränke die Handlungsfreiheit des Königreichs Schweden im Bereich der Beschaffung von Verteidigungsgut ein.

37 Aufgrund seiner militärischen Neutralität erhalte die Landesverteidigung im Rahmen seiner Sicherheitspolitik strategische Bedeutung. Wegen der Größe seines Staatsgebiets sei das Königreich Schweden auf internationale Zusammenarbeit angewiesen, um den nationalen Sicherheits- und Verteidigungszielen gerecht zu werden. Insoweit sei es durch die Geheimhaltungspflicht, der es unterliege, gehindert, der Kommission Informationen über eingeführte Güter zu erteilen, und eine Verletzung dieser Pflicht von seiner Seite könnte die Fortführung der Zusammenarbeit und der Handelsbeziehungen mit bestimmten Drittstaaten im Militärbereich gefährden.

38 Der Erlass der Verordnung Nr. 150/2003 bestätige die Notwendigkeit, die Sicherheitsinteressen der Mitgliedstaaten und ihr Recht zu beachten, sich erforderlichenfalls auf die Geheimhaltung zu berufen.

39 Vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 150/2003 sei einem Mitgliedstaat, wenn bei ihm ein entsprechender Bedarf bestanden habe, durch keine Bestimmung gestattet gewesen, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um seinen wesentlichen Sicherheitsinteressen bei der Einfuhr von militärischem Gerät Rechnung zu tragen. Diese Interessen seien von Art. 296 EG erfasst gewesen, und das Königreich Schweden habe keine andere Wahl gehabt, als auf nationaler Ebene auf der Grundlage des Art. 296 EG eine Zollbefreiung bei der Einfuhr von Militärgerät vorzusehen.

Würdigung durch den Gerichtshof

40 Der Zollkodex der Gemeinschaften sieht die Erhebung von Zöllen auf die Einfuhr von für den militärischen Gebrauch bestimmten Gütern wie den hier fraglichen aus Drittstaaten vor. Keine Bestimmung der gemeinschaftlichen Zollregelung sah für den Zeitraum der fraglichen Einfuhren, d. h. die Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002, eine spezifische Zollbefreiung für die Einfuhr derartiger Güter vor. Infolgedessen lag für diesen Zeitraum auch keine ausdrückliche Befreiung von der Verpflichtung vor, die geschuldeten Zölle, gegebenenfalls zuzüglich Verzugszinsen, an die zuständigen Behörden abzuführen.

41 Des Weiteren lässt sich aus dem Erlass der Verordnung Nr. 150/2003, die mit Wirkung vom 1. Januar 2003 die Aussetzung der Einfuhrabgaben für bestimmte Waffen und militärische Ausrüstungsgüter vorsieht, schließen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber von der Annahme ausging, dass vor diesem Zeitpunkt eine Verpflichtung zur Abführung dieser Zölle bestand.

42 Das Königreich Schweden hat nie bestritten, dass die streitigen Einfuhren in dem in Betracht gezogenen Zeitraum getätigt wurden. Es hat lediglich den Anspruch der Gemeinschaft auf die fraglichen Eigenmittel unter Hinweis darauf in Abrede gestellt, dass die Verpflichtung, Zölle auf aus Drittstaaten eingeführte Rüstungsgüter abzuführen, im Sinne von Art. 296 EG ihre wesentlichen Sicherheitsinteressen in schwerwiegender Weise beeinträchtigen würde.

43 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es zwar Sache der Mitgliedstaaten, die geeigneten Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer inneren und äußeren Sicherheit zu ergreifen, doch bedeutet dies nicht, dass solche Maßnahmen der Anwendung des Gemeinschaftsrechts völlig entzogen wären (vgl. Urteile vom 26. Oktober 1999, Sirdar, C-273/97, Slg. 1999, I-7403, Randnr. 15, und vom 11. Januar 2000, Kreil, C-285/98, Slg. 2000, I-69, Randnr. 15). Der Vertrag sieht nämlich, wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, ausdrückliche Abweichungen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit nur in den Artikeln 30 EG, 39 EG, 46 EG, 58 EG, 64 EG, 296 EG und 297 EG vor, die ganz bestimmte außergewöhnliche Fälle betreffen. Aus ihnen lässt sich kein allgemeiner, dem Vertrag immanenter Vorbehalt ableiten, der jede Maßnahme, die im Interesse der öffentlichen Sicherheit getroffen wird, vom Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts ausnähme. Würde ein solcher Vorbehalt unabhängig von den besonderen Tatbestandsmerkmalen der Bestimmungen des Vertrags anerkannt, so könnte das die Verbindlichkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen (vgl. Urteil vom 11. März 2003, Dory, C-186/01, Slg. 2003, I-2479, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44 Überdies sind die Abweichungen nach den Art. 296 EG und 297 EG, wie es nach ständiger Rechtsprechung bei den Abweichungen von den Grundfreiheiten (vgl. u. a. Urteile vom 31. Januar 2006, Kommission/Spanien, C-503/03, Slg. 2006, I-1097, Randnr. 45, vom 18. Juli 2007, Kommission/Deutschland, C-490/04, Slg. 2007, I-6095, Randnr. 86, und vom 11. September 2008, Kommission/Deutschland, C-141/07, Slg. 2008, I-6935, Randnr. 50) der Fall ist, eng auszulegen.

45 Speziell zu Art. 296 EG ist zu bemerken, dass dieser Artikel zwar von Maßnahmen spricht, die ein Mitgliedstaat als für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich ansieht, und von Auskünften, deren Preisgabe nach Ansicht des Mitgliedstaats diesen Interessen widerspricht, dass er jedoch nicht als eine Ermächtigung der Mitgliedstaaten dazu ausgelegt werden kann, durch bloße Berufung auf diese Interessen von den Bestimmungen des Vertrags abzuweichen.

46 Im Übrigen hat der Gerichtshof auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer im Urteil vom 16. September 1999, Kommission/Spanien (C-414/97, Slg. 1999, I-5585), die dort fragliche Vertragsverletzung deshalb bejaht, weil das Königreich Spanien nicht nachgewiesen hatte, dass die im spanischen Recht vorgesehene Befreiung der Einfuhr und des Erwerbs von Waffen, Munition und ausschließlich für den militärischen Gebrauch bestimmtem Gerät von der Mehrwertsteuer gemäß Art. 296 Abs. 1 Buchst. b EG durch die Notwendigkeit einer Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen gerechtfertigt war.

47 Es ist daher Sache des Mitgliedstaats, der sich auf Art. 296 EG beruft, nachzuweisen, dass eine Inanspruchnahme der in diesem Artikel geregelten Abweichung erforderlich ist, um seine wesentlichen Sicherheitsinteressen zu wahren.

48 In Anbetracht dieser Erwägungen kann nicht hingenommen werden, dass ein Mitgliedstaat die Verteuerung von militärischem Gerät, die sich aus der Erhebung der Zölle auf die Einfuhren solchen Geräts aus Drittstaaten ergebe, anführt, um sich zum Nachteil der übrigen Mitgliedstaaten, die die auf diese Einfuhren entfallenden Zölle tatsächlich erheben und abführen, den Verpflichtungen zu entziehen, die ihm aus der finanziellen Solidarität in Bezug auf den Gemeinschaftshaushalt erwachsen.

49 Was das Vorbringen angeht, die gemeinschaftlichen Zollverfahren seien nicht geeignet, die Sicherheit des Königreichs Schweden in Bezug auf die Geheimhaltungserfordernisse zu gewährleisten, die in den mit den Ausfuhrstaaten geschlossenen Übereinkünften enthalten seien, so ist darauf hinzuweisen, dass zur Anwendung der gemeinschaftlichen Zollregelung, wie die Kommission zutreffend festgestellt hat, Gemeinschafts- und nationale Bedienstete tätig werden, die gegebenenfalls - im Fall der Behandlung sensibler Daten - einer Pflicht zur Geheimhaltung unterliegen, die geeignet ist, die wesentlichen Sicherheitsinteressen der Mitgliedstaaten zu wahren.

50 Im Übrigen ist nicht anzunehmen, dass die Erklärungen, die die Mitgliedstaaten in regelmäßigen Zeitabständen zu vervollständigen und der Kommission zuzuleiten haben, einen solchen Grad an Genauigkeit erreichen werden, dass es zu einer Verletzung sowohl der Sicherheits- als auch der Geheimhaltungsinteressen dieser Mitgliedstaaten kommt.

51 Unter diesen Umständen und nach Art. 10 EG, der die Verpflichtung der Mitgliedstaaten betrifft, der Kommission die Erfüllung ihrer Aufgabe zu erleichtern, für die Beachtung des Vertrags zu sorgen, haben die Mitgliedstaaten der Kommission alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um zu überprüfen, ob die Eigenmittel der Gemeinschaft ordnungsgemäß überwiesen wurden. Eine solche Verpflichtung schließt jedoch, wie der Generalanwalt in Nr. 168 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, nicht aus, dass die Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Art. 296 EG die Übermittlung der Informationen im Einzelfall ausnahmsweise auf bestimmte Teile eines Schriftstücks beschränken oder ganz ablehnen können.

52 Das Königreich Schweden hat somit nicht nachgewiesen, dass die Tatbestandsmerkmale des Art. 296 EG erfüllt sind.

53 Die vorstehenden Ausführungen zur Nichtanwendbarkeit des Art. 296 EG auf die Einfuhr von spezifisch militärischem Gerät gelten erst recht für die Einfuhr von Gerät, das sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dient.

54 Nach alledem hat das Königreich Schweden dadurch, dass es die im Rahmen der Einfuhr von Kriegsmaterial und Gütern, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dienen, im Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002 nicht erhobenen Eigenmittel nicht festgestellt und nicht an die Kommission gezahlt hat, und dadurch, dass es nicht die Verzugszinsen im Zusammenhang mit der Nichtzahlung dieser Eigenmittel an die Kommission entrichtet hat, bis zum 31. Mai 2000 gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 2 und 9 bis 11 der Verordnung Nr. 1552/89 und danach gegen seine Verpflichtungen aus den gleichen Artikeln der Verordnung Nr. 1150/2000 verstoßen.

Kostenentscheidung:

Kosten

55 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Schweden mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

56 Gemäß Art. 69 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Finnland, die dem Rechtsstreit als Streithelferinnen beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Königreich Schweden hat dadurch, dass es die im Rahmen der Einfuhr von Kriegsmaterial und Gütern, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dienen, im Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002 nicht erhobenen Eigenmittel nicht festgestellt und nicht an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften gezahlt hat, und dadurch, dass es nicht die Verzugszinsen im Zusammenhang mit der Nichtzahlung dieser Eigenmittel an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften entrichtet hat, bis zum 31. Mai 2000 gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 2 und 9 bis 11 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 des Rates vom 29. Mai 1989 zur Durchführung des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (Euratom, EG) Nr. 1355/96 des Rates vom 8. Juli 1996 geänderten Fassung und danach gegen seine Verpflichtungen aus den gleichen Artikeln der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 des Rates vom 22. Mai 2000 zur Durchführung des Beschlusses 94/728/EG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften verstoßen.

2. Das Königreich Schweden trägt die Kosten.

3. Die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Finnland tragen ihre eigenen Kosten.



Ende der Entscheidung

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