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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 04.07.1996
Aktenzeichen: C-295/94
Rechtsgebiete: EGV, Verordnung 1796/81/EWG


Vorschriften:

EGV Art. 177
Verordnung 1796/81/EWG Art. 2 Abs. 1
Verordnung 1796/81/EWG Art. 13 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Der Rat hat dadurch gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz verstossen, daß er durch die Verordnung Nr. 1796/81 den Zusatzbetrag bei der Einfuhr von Zuchtpilzkonserven als Marktverwaltungsmaßnahme pauschal in einer Höhe festgesetzt hat, die dem Gestehungspreis der Pilze aus Gemeinschaftserzeugung erster Wahl entspricht. Die Festsetzung dieses Betrages in dieser Höhe ist nämlich übermässig, da sie über das Ziel der Verordnung ° den Schutz des Gemeinschaftsmarktes ° hinausgeht, die Importeure wirtschaftlich bestraft und einem faktischen Einfuhrverbot gleichkommt. Auch kann sie nicht dadurch gerechtfertigt werden, daß dauerhafte Maßnahmen wie Marktverwaltungsmaßnahmen im Vergleich zu zeitlich begrenzten Maßnahmen die langfristige Planung der Geschäftstätigkeit der Importeure erleichtern. Darüber hinaus übersteigt sie, was die niedrigeren Güteklassen der aus Drittländern eingeführten Pilze betrifft, die Kosten der in der Gemeinschaft hergestellten Pilzkonserven niedrigerer Güteklassen ganz erheblich; sie liegt somit offensichtlich ausserhalb des Ermessensspielraums, über den der Rat in diesem Bereich verfügt. Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1796/81 ist deshalb hinsichtlich der Höhe des festgesetzten Zusatzbetrags ungültig.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 4. Juli 1996. - Hüpeden & Co. KG gegen Hauptzollamt Hamburg-Jonas. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht Hamburg - Deutschland. - Zuchtpilzkonserven - Marktverwaltungsmaßnahmen. - Rechtssache C-295/94.

Entscheidungsgründe:

1 Das Finanzgericht Hamburg hat mit Beschluß vom 22. September 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 4. November 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 1796/81 des Rates vom 30. Juni 1981 über Maßnahmen bei der Einfuhr von Zuchtpilzkonserven (ABl. L 183, S. 1, im folgenden: streitige Verordnung) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Hüpeden & Co. KG (Klägerin) und dem Hauptzollamt Hamburg-Jonas wegen der Nachforderung von Zusatzbeträgen, die das Hauptzollamt aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet (ABl. L 197, S. 1), und aufgrund der streitigen Verordnung erhoben hatte.

Die Gemeinschaftsvorschriften

3 Vor Erlaß der streitigen Verordnung hatte die Kommission die Verordnung (EWG) Nr. 3429/80 vom 29. Dezember 1980 zum Erlaß der bei der Einfuhr von Champignonkonserven anwendbaren Schutzmaßnahmen (ABl. L 358, S. 66) erlassen. Mit dieser Verordnung, die auf die Verordnung (EWG) Nr. 516/77 des Rates vom 14. März 1977 über die gemeinsame Marktorganisation für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse (ABl. L 73, S. 1), insbesondere auf Artikel 14, gestützt war, wurde das Einfuhrkontingent für Champignonkonserven aus Drittländern für das Quartal vom 1. Januar bis 31. März 1981 auf 7 196 Tonnen festgesetzt. Ausserdem wurde eine Kontrolle der Einfuhren mittels Einfuhrlizenzen eingeführt; für den Fall, daß die zum freien Verkehr in der Gemeinschaft abgefertigten Mengen von Champignonkonserven aus Drittländern über die in dieser Verordnung festgelegte Menge hinausgingen, wurde die Erhebung eines Zusatzbetrags von 175 ECU je 100 kg netto vorgesehen.

4 Für das folgende Quartal (1. April bis 30. Juni 1981) erließ die Kommission sodann die Verordnung (EWG) Nr. 796/81 vom 27. März 1981 zum Erlaß der bei der Einfuhr von Champignonkonserven anwendbaren Schutzmaßnahmen (ABl. L 82, S. 8), die ebenfalls auf Artikel 14 der Verordnung Nr. 516/77 gestützt wurde. Mit dieser Verordnung wurde das Einfuhrkontingent auf 7 618 Tonnen festgesetzt; für den Fall einer Überschreitung dieser Menge wurde ebenfalls ein Zusatzbetrag von 175 ECU je 100 kg netto vorgesehen.

5 Für das Quartal vom 1. Juli bis 30. September 1981 wurden mit der Verordnung (EWG) Nr. 1755/81 der Kommission vom 30. Juni 1981 über Schutzmaßnahmen bei der Einfuhr von Zuchtpilzkonserven (ABl. L 175, S. 23), die ebenfalls auf Artikel 14 der Verordnung Nr. 516/77 gestützt wurde, das Einfuhrkontingent auf 5 736 Tonnen und der im Fall einer Überschreitung zu zahlende Zusatzbetrag auf 160 ECU je 100 kg netto festgesetzt.

6 Auf diese Verordnung folgte die streitige Verordnung, die im Gegensatz zu den vorhergehenden Verordnungen der Kommission nicht auf Artikel 14, sondern auf Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung Nr. 516/77 gestützt ist und in der die dort getroffenen Maßnahmen nicht als "Schutzmaßnahmen", sondern als "Marktverwaltungsmaßnahmen" bezeichnet werden. Ausserdem wurden mit Artikel 3 der Verordnung das Einfuhrkontingent auf 34 750 Tonnen pro Jahr und in Artikel 2 der im Fall einer Überschreitung dieser Menge zu zahlende Zusatzbetrag auf 160 ECU je 100 kg netto festgesetzt.

7 Der Gerichtshof erklärte durch Urteile vom 16. Oktober 1991 in den Rechtssachen C-24/90 (Werner Faust, Slg. 1991, I-4905), C-25/90 (Wünsche, Slg. 1991, I-4939) und C-26/90 (Wünsche, Slg. 1991, I-4961) den jeweiligen Artikel 1 der Verordnungen Nr. 3429/80, Nr. 796/81 und Nr. 1755/81 hinsichtlich des festgesetzten Zusatzbetrags wegen Verletzung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes für ungültig. Über die Gültigkeit der streitigen Verordnung hat er dagegen nicht entschieden.

8 Um diesen Urteilen nachzukommen, erließ die Kommission die Verordnung (EWG) Nr. 2163/92 vom 30. Juli 1992 betreffend die Erhebung eines in den Verordnungen (EWG) Nr. 3429/80, (EWG) Nr. 796/81 und (EWG) Nr. 1755/81 über Schutzmaßnahmen bei der Einfuhr von Zuchtpilzkonserven vorgesehenen Zusatzbetrags (ABl. L 217, S. 16), mit der sie den Zusatzbetrag, der in den drei Verordnungen über die Schutzmaßnahmen bei zwischen dem 1. Januar und 30. September 1981 getätigten Einfuhren vorgesehen war, rückwirkend auf 105 ECU je 100 kg netto herabsetzte.

9 Die Verordnung Nr. 2163/92 bezog sich nicht auf die streitige Verordnung. Somit blieb der mit dieser Verordnung auf 160 ECU je 100 kg netto festgesetzte Zusatzbetrag unverändert.

Der Ausgangsrechtsstreit

10 Die Klägerin führte im Juli und Dezember 1987 mehrere Partien Champignonkonserven aus China nach Deutschland ein. Nach der Abfertigung zum freien Verkehr stellte sich heraus, daß sie für eine im Juli 1987 eingeführte Warenpartie und zwei im Dezember 1987 eingeführte Warenpartien keine gültige Einfuhrlizenz vorlegen konnte. Das Hauptzollamt forderte deshalb aufgrund der streitigen Verordnung Zusatzbeträge in Höhe von 165 467,13 DM nach.

11 Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage beim Finanzgericht Hamburg. Sie macht geltend, die streitige Verordnung sei ungültig, weil sie gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz verstosse.

12 Da das Finanzgericht Hamburg der Auffassung ist, daß der Ausgang des Rechtsstreits von der Gültigkeit dieser Verordnung abhängt, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage gestellt:

Ist Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1796/81 des Rates vom 30. Juni 1981 gültig?

Zu der gestellten Frage

13 Die Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob die Höhe des in der streitigen Verordnung vorgesehenen Zusatzbetrags mit dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz vereinbar ist.

14 Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich aus diesem Grundsatz, daß Maßnahmen, durch die den Wirtschaftsteilnehmern finanzielle Belastungen auferlegt werden, nur rechtmässig sind, wenn sie zur Erreichung der zulässigerweise mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziele geeignet und erforderlich sind. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die auferlegten Belastungen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (vgl. namentlich Urteil vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 265/87 , Schräder, Slg. 1989, 2237, Randnr. 21).

15 Somit ist zunächst das mit der streitigen Verordnung verfolgte Ziel zu ermitteln und sodann zu prüfen, ob die Maßnahmen angemessen und verhältnismässig sind.

16 Rechtsgrundlage dieser Verordnung ist die Verordnung Nr. 516/77, insbesondere Artikel 13 Absatz 2, wonach vorbehaltlich einer vom Rat beschlossenen Ausnahme im Handel mit Drittländern die Anwendung von mengenmässigen Beschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung untersagt ist.

17 Nach ihrer ersten und ihrer vierten Begründungserwägung hat die streitige Verordnung zum Ziel, Marktverwaltungsmaßnahmen für den Markt für Zuchtpilzkonserven einzuführen, um diesen vor Störungen durch Einfuhren aus Drittländern zu schützen.

18 Nach der dritten Begründungserwägung der Verordnung ist davon auszugehen, daß die zuvor von der Kommission getroffenen Schutzmaßnahmen ihrer Art nach nicht das geeignetste Mittel für eine Abhilfe darstellten.

19 Zur Erreichung dieses Zieles der streitigen Verordnung war die Erhebung eines Zusatzbetrags im Fall der Überschreitung der zulässigen Menge geeignet und erforderlich.

20 Dieser Betrag wurde pauschal auf 160 ECU je 100 kg netto festgesetzt, ohne daß eine Staffelung nach der Qualität der Waren und den Umständen, unter denen sie eingeführt wurden, vorgesehen war. Damit war er praktisch ebenso hoch wie der in den vorhergehenden Verordnungen der Kommission zur Einführung von Schutzmaßnahmen vorgesehene Zusatzbetrag; er entspricht nach den Akten ungefähr 150 % des Wertes der Zuchtpilze dritter Qualität.

21 Deshalb ist zu prüfen, ob ein Zusatzbetrag in dieser Höhe die durch den Verhältnismässigkeitsgrundsatz gezogene Grenze überschreitet.

22 Der Rat und die Kommission machen zunächst für die Gültigkeit der streitigen Verordnung geltend, die Gründe, aus denen der Gerichtshof die drei vorhergehenden Verordnungen der Kommission für ungültig erklärt habe, könnten wegen der Unterschiede zwischen der streitigen Verordnung und den für ungültig erklärten Verordnungen nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Die streitige Verordnung sei nicht auf Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung Nr. 516/77 gestützt, so daß Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 521/77 des Rates vom 14. März 1977 zur Festlegung der Durchführungsbestimmungen für die Schutzmaßnahmen für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse (ABl. L 73, S. 28) nicht anwendbar sei. Nach dieser Vorschrift, die besondere Verhältnismässigkeitsanforderungen stelle, dürften die gemäß Artikel 14 der Verordnung Nr. 516/77 getroffenen Maßnahmen nur in dem Umfang und für die Zeit getroffen werden, die unbedingt notwendig seien. Die streitige Verordnung habe somit nur dem allgemeinen Verhältnismässigkeitsgrundsatz genügen müssen, der weniger strenge Anforderungen stelle als Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 521/77.

23 Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. Der Rat und die Kommission räumen unabhängig von ihren ° zutreffenden ° Erwägungen zur Unanwendbarkeit des Artikels 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 521/77 selbst ein, daß der allgemeine Verhältnismässigkeitsgrundsatz anwendbar ist.

24 Des weiteren vertreten der Rat und die Kommission die Auffassung, der Umstand, daß die streitige Verordnung keine zeitlich begrenzten Schutzmaßnahmen, sondern dauerhafte Marktverwaltungsmaßnahmen eingeführt habe, verbiete es, sie aus den vom Gerichtshof in den Urteilen Werner Faust und Wünsche angeführten Gründen für ungültig zu erklären.

25 Auch dieses Vorbringen geht fehl. Wie sich aus der streitigen Verordnung ergibt, sind die dort vorgesehenen Maßnahmen im wesentlichen mit den zuvor in den Verordnungen der Kommission vorgesehenen Schutzmaßnahmen identisch. Die streitige Verordnung unterscheidet sich sowohl nach ihrem Zweck ° Schutz des Gemeinschaftsmarktes ° als auch nach den von ihr eingesetzten Mitteln ° Festsetzung von Einfuhrmengen, Kontrolle der Einfuhren mittels Einfuhrlizenzen und Festsetzung von Zusatzbeträgen für den Fall der Überschreitung ° nicht grundlegend von den Verordnungen Nrn. 3429/80, 796/81 und 1755/81; die unterschiedliche Bezeichnung der Maßnahmen ist insoweit unerheblich.

26 Eine pauschale Belastung der in der streitigen Verordnung vorgesehenen Art, die so hoch festgesetzt ist, daß sie alle Wirtschaftsteilnehmer empfindlich trifft, die die festgesetzten Mengen überschreiten, unabhängig davon, ob dies im Einzelfall versehentlich oder in Umgehungsabsicht geschieht, ist allerdings übermässig, da sie über das Ziel der Verordnung ° den Schutz des Gemeinschaftsmarktes ° hinausgeht und die Importeure wirtschaftlich bestraft. Unter diesen Umständen muß festgestellt werden, daß der Verhältnismässigkeitsgrundsatz nicht beachtet worden ist.

27 Dem halten der Rat und die Kommission entgegen, daß es für die Beurteilung der Verhältnismässigkeit der Maßnahme nicht genüge, auf die Höhe der Zusatzbeträge abzustellen; die durch die Verordnung eingeführte Regelung müsse auch in ihrer Gesamtheit gesehen werden, und es müsse der Zusammenhang zwischen der Festsetzung dieser Beträge und der Festsetzung der Mengen, die zollfrei eingeführt werden könnten, berücksichtigt werden. Die streitige Verordnung sei für die Wirtschaftsteilnehmer weniger belastend als die vorhergehenden Verordnungen der Kommission, da die von der Erhebung des Zusatzbetrags ausgenommenen Mengen, die nach diesen Verordnungen für 1981 zirka 27 000 Tonnen betragen hätten, in der streitigen Verordnung für die Folgejahre auf knapp 37 000 Tonnen festgesetzt worden seien. Somit sei die Aufrechterhaltung des Zusatzbetrags von 160 ECU je 100 kg netto gerechtfertigt. Der Rat fügt hinzu, der Umstand, daß durch die streitige Verordnung dauerhafte und nicht wie zuvor zeitlich begrenzte Maßnahmen eingeführt würden, ermögliche es den Wirtschaftsteilnehmern, ihre Tätigkeiten zu planen, und rechtfertige deshalb die Festsetzung eines hohen Zusatzbetrags.

28 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, daß die vom Zusatzbetrag ausgenommenen Mengen im Ausgangsverfahren nicht beanstandet worden sind, zeigt ihre Erhöhung im Gegenteil, wie der Generalanwalt in Nummer 27 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, daß die Gefahr einer Marktstörung nicht sehr groß war. Auch kann die Tatsache, daß dauerhafte Maßnahmen wie die fraglichen Marktverwaltungsmaßnahmen im Vergleich zu zeitlich begrenzten Maßnahmen die langfristige Planung der Geschäftstätigkeit der Importeure erleichtern, die Festsetzung einer übermässig hohen Belastung nicht rechtfertigen. Daraus folgt, daß die Aufrechterhaltung des Zusatzbetrags in der Höhe, wie er bereits in den vorhergehenden Verordnungen der Kommission zur Einführung von Schutzmaßnahmen vorgesehen war, nicht gerechtfertigt werden kann.

29 Der Rat und die Kommission machen weiter geltend, daß der Verhältnismässigkeitsgrundsatz beim Erlaß der streitigen Verordnung beachtet worden sei, denn der fragliche Zusatzbetrag sei eine Maßnahme, die den Handelsverkehr weniger beschränke als das völlige Einfuhrverbot, das der Rat aufgrund seines weiten Ermessensspielraums im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik hätte verhängen können.

30 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Die streitige Verordnung soll nämlich nicht die über bestimmte Mengen hinausgehenden Einfuhren völlig ausschließen, sondern, auch über die festgelegten Mengen hinaus, die Möglichkeit der Erteilung von Einfuhrlizenzen gegen Zahlung eines Zusatzbetrags offenlassen (Urteil vom 12. April 1984 in der Rechtssache 345/82, Wünsche, Slg. 1984, 1995, Randnr. 25). Da sich der Rat für diese letztere Lösung entschieden hatte, musste er den Verhältnismässigkeitsgrundsatz beachten.

31 Der Rat trägt weiter vor, der Zusatzbetrag habe auf einem hohen Niveau festgesetzt werden müssen, um die Wirksamkeit der mit der streitigen Verordnung eingeführten Marktverwaltungsmaßnahmen sicherzustellen.

32 Bei der Festsetzung der Höhe des Zusatzbetrags verfügt der Rat zwar über ein gewisses Ermessen, doch darf der Zusatzbetrag nicht so hoch festgesetzt werden, daß er einem Verbot gleichkommt. Die Verordnung bezweckt nämlich nicht, alle über die festgesetzten Mengen hinausgehenden Einfuhren zu verbieten, sondern sie will den Gemeinschaftsmarkt für Zuchtpilze vor den Störungen aufgrund zu hoher Einfuhren aus Drittländern schützen.

33 Die Kommission trägt weiter vor, die Höhe des Zusatzbetrags sei gerechtfertigt gewesen, da sie dem Gestehungspreis für Zuchtpilzkonserven erster Wahl entsprochen habe, damit möglichst diese Art von Pilzen über die festgesetzten Freimengen hinaus eingeführt würden.

34 Auch dieses Vorbringen geht fehl. Wie der Generalanwalt in Nummer 31 seiner Schlussanträge dargelegt hat, entspricht der mit der streitigen Verordnung festgesetzte Zusatzbetrag, der dem Gestehungspreis für in der Gemeinschaft erzeugte Pilze erster Wahl entspricht, mindestens 100 % der Produktionskosten der eingeführten Pilze.

35 Zudem wurde, wie die Kommission einräumt, der Zusatzbetrag mit der streitigen Verordnung auf der Grundlage der Produktionskosten der in der Gemeinschaft erzeugten Pilze erster Wahl festgesetzt. Folglich wirkte sich die Höhe des Zusatzbetrags für die niedrigeren Güteklassen der aus Drittländern eingeführten Pilze viel entscheidender aus; der Zusatzbetrag übersteigt somit die Kosten der in der Gemeinschaft hergestellten Pilzkonserven niedrigerer Güteklassen ganz erheblich. Folglich hat der Rat dadurch, daß er den Zusatzbetrag höher festgesetzt hat, als es zur Erreichung des Ziels der Verordnung erforderlich ist, sein Ermessen offensichtlich überschritten und den Verhältnismässigkeitsgrundsatz verletzt.

36 Die Kommission weist noch darauf hin, daß der in der streitigen Verordnung vorgesehene Zusatzbetrag von den Drittländern im Rahmen der Verhandlungen der Uruguay-Runde nicht beanstandet worden sei.

37 Dieses Vorbringen ist unerheblich, denn der Umstand, daß Drittländer sich nicht zu der Höhe des Zusatzbetrags äussern, kann auf dessen Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, namentlich mit dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz, keinen Einfluß haben.

38 Schließlich bemerkt die Kommission, es sei für sie sehr schwierig, den Zusatzbetrag nach Güteklassen zu staffeln, insbesondere, weil es an einer Reihe von Voraussetzungen für eine solche Differenzierung fehle.

39 Selbst wenn diese Schwierigkeit tatsächlich bestuende, könnte sie die Festsetzung eines Zusatzbetrags in einer Höhe, die das dem Rat zustehende Ermessen übersteigt, nicht rechtfertigen.

40 Aufgrund all dieser Erwägungen ist auf die gestellte Frage zu antworten, daß Artikel 2 Absatz 1 der streitigen Verordnung hinsichtlich der Höhe des festgesetzten Zusatzbetrags ungültig ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

41 Die Auslagen des Rates der Europäischen Union und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom Finanzgericht Hamburg mit Beschluß vom 22. September 1994 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1796/81 des Rates vom 30. Juni 1981 über Maßnahmen bei der Einfuhr von Zuchtpilzkonserven ist hinsichtlich der Höhe des festgesetzten Zusatzbetrags ungültig.

Ende der Entscheidung

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