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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 18.01.2001
Aktenzeichen: C-297/99
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 3821/85/EWG


Vorschriften:

Verordnung Nr. 3821/85/EWG Art. 15
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 15 der Verordnung Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr ist dahin auszulegen, dass die Verpflichtung eines Fahrers, alle sonstigen Arbeitszeiten in das Fahrtenschreiberschaublatt einzutragen, auch für die Zeiten gilt, die er auf dem Weg zur Übernahme eines Fahrzeugs verbringt, bei dem ein Kontrollgerät eingebaut und benutzt werden muss und das sich an einem anderen Ort als dem Wohnsitz des Fahrers oder der Hauptbetriebsstätte des Arbeitgebers befindet, und zwar unabhängig davon, ob dieser Weisungen hierzu erteilt hat oder ob der Fahrer wählen konnte, wann und wie er diesen Weg zurücklegt. Während solcher Zeiten, erfuellt dieser Fahrer nämlich eine Verpflichtung gegenüber seinem Arbeitgeber verfügt daher nicht frei über seine Zeit.

Ebenso ist dieser Artikel 15 dahin auszulegen, dass die genannte Verpflichtung auch für die Zeiten gilt, während deren der Fahrer vor der Übernahme eines Fahrzeugs, für das diese Verordnung gilt, im Rahmen eines nicht in deren Geltungsbereich fallenden Beförderungsdienstes ein Fahrzeug gelenkt hat.

( Randnrn. 23, 35, 39 und Tenor )


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 18. Januar 2001. - Strafverfahren gegen Skills Motor Coaches Ltd, B.J. Farmer, C.J. Burley und B. Denman. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Nottingham Magistrates' Court - Vereinigtes Königreich. - Sozialvorschriften im Straßenverkehr - Schaublätter des Kontrollgeräts - Verpflichtung zur Eintragung der Arbeitszeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten. - Rechtssache C-297/99.

Parteien:

In der Rechtssache C-297/99

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Nottingham Magistrates' Court (Vereinigtes Königreich) in dem bei diesem anhängigen Strafverfahren gegen

Skills Motor Coaches Ltd

B. J. Farmer,

C. J. Burley

und

B. Denman

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 15 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr (ABl. L 370, S. 8)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. La Pergola sowie der Richter M. Wathelet, D. A. O. Edward, P. Jann (Berichterstatter) und L. Sevón,

Generalanwalt: A. Saggio

Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Abteilungsleiterin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Skills Motor Coaches Ltd sowie der Herren Farmer, Burley und Denman, vertreten durch Barrister M. Laprell, beauftragt durch die Solicitors Pellys,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Ewing als Bevollmächtigte im Beistand von Barrister S. Masters,

- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Wolfcarius und F. Benyon als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Skills Motor Coaches Ltd sowie der Herren Farmer, Burley und Denman, vertreten durch M. Laprell, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch G. Amodeo als Bevollmächtigte im Beistand von S. Masters, der niederländischen Regierung, vertreten durch J. van Bakel als Bevollmächtigte, der schwedischen Regierung, vertreten durch B. Hernqvist als Bevollmächtigten, und der Kommission, vertreten durch M. Shotter als Bevollmächtigten in der Sitzung vom 21. Juni 2000,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. September 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Der Nottingham Magistrates' Court hat mit Beschluss vom 30. Juni 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 6. August 1999, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung von Artikel 15 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr (ABl. L 370, S. 8) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Strafverfahren gegen das Unternehmen Skills Motor Coaches Ltd (im Folgenden: Skills) und seine Fahrer Farmer, Burley und Denman, denen Verstöße gegen die Vorschriften über die Verwendung des Kontrollgeräts im Straßenverkehr zur Last gelegt werden.

Rechtlicher Rahmen

Die Gemeinschaftsregelung

3 Artikel 1 Nr. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (ABl. L 370, S. 1) bestimmt:

Im Sinne dieser Verordnung bedeutet:

...

5. ,Ruhezeit: jeder ununterbrochene Zeitraum von mindestens 1 Stunde, in dem der Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann".

4 Artikel 4 Nr. 3 dieser Verordnung sieht vor:

Diese Verordnung gilt nicht für Beförderungen mit

...

3. Fahrzeugen, die zur Personenbeförderung im Linienverkehr dienen, wenn die Linienstrecke nicht mehr als 50 km beträgt".

5 In Artikel 15 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 3821/85 ist geregelt:

(2) Die Fahrer benutzen für jeden Tag, an dem sie lenken, ab dem Zeitpunkt, an dem sie das Fahrzeug übernehmen, Schaublätter. Das Schaublatt wird erst nach der täglichen Arbeitszeit entnommen, es sei denn, eine Entnahme ist auf andere Weise zulässig. Kein Schaublatt darf über den Zeitraum, für den es bestimmt ist, hinaus verwendet werden.

Wenn die Fahrer sich nicht im Fahrzeug aufhalten und daher nicht in der Lage sind, das in das Fahrzeug eingebaute Gerät zu betätigen, müssen die in Absatz 3 zweiter Gedankenstrich Buchstaben b), c) und d) genannten Zeiträume von Hand, durch automatische Aufzeichnung oder auf andere Weise lesbar und ohne Beschmutzung des Schaublatts eingetragen werden.

Wenn sich mehr als ein Fahrer im Fahrzeug befindet, nehmen die Fahrer [die] auf den Schaublättern erforderlichen Änderungen so vor, dass die in Anhang I Ziffer II Nummern 1 bis 3 genannten Angaben auf dem Schaublatt des Fahrers, der tatsächlich lenkt, aufgezeichnet werden.

(3) Die Fahrer

- achten darauf, dass die Zeitmarkierung auf dem Schaublatt mit der gesetzlichen Zeit des Landes übereinstimmt, in dem das Fahrzeug zugelassen ist;

- betätigen die Schaltvorrichtung des Kontrollgeräts so, dass folgende Zeiten getrennt und unterscheidbar aufgezeichnet werden:

a) unter dem Zeichen [Symbol nicht wiedergegeben]: die Lenkzeiten;

b) unter dem Zeichen [Symbol nicht wiedergegeben]: alle sonstigen Arbeitszeiten;

c) unter dem Zeichen [Symbol nicht wiedergegeben]: die Bereitschaftszeit, also

- die Wartezeit, d. h. die Zeit, in der die Fahrer nur an ihrem Arbeitsplatz verbleiben müssen, um der etwaigen Aufforderung nachzukommen, die Fahrtätigkeit aufzunehmen bzw. wieder aufzunehmen oder andere Arbeiten zu verrichten;

- die während der Fahrt neben dem Fahrer verbrachte Zeit;

- die während der Fahrt in einer Schlafkabine verbrachte Zeit;

d) unter dem Zeichen [Symbol nicht wiedergegeben]: die Arbeitsunterbrechungen und die Tagesruhezeiten."

Die innerstaatliche Regelung

6 Section 97 des Transport Act 1968 (Transportgesetz von 1968) sieht Sanktionen für den Fall der Nichtbeachtung u. a. der Bedingungen gemäß den Artikeln 13 bis 15 der Verordnung Nr. 3821/85 vor.

Sachverhalt und Verfahren des Ausgangsfalls

7 Skills ist ein Unternehmen mit Sitz in Nottingham, das Personenbeförderung mit Bussen betreibt. Es beschäftigte die Herren Farmer, Burley und Denman als Busfahrer. Im Rahmen ihrer Arbeit kann von den bei Skills beschäftigten Fahrern verlangt werden, einen Bus an einem anderen Ort als der Niederlassung oder dem eigenen Wohnsitz abzuholen. Jeder Fahrer kann frei entscheiden, wie er zu dem vom Unternehmen bestimmten Ort gelangt.

8 Das Vehicle Inspectorate (Verkehrsaufsichtsbehörde), eine zum Verkehrsministerium gehörende Dienststelle, führte eine Prüfung von Fahrtenschreiberschaublättern in Bezug auf Fahrer durch, die von Skills im Monat Dezember 1997 eingesetzt wurden. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der von Skills erstellte Dienstplan geprüft, in dem verzeichnet sein soll, welche Aufträge die Fahrer ausführen, wo sie zum Arbeitsbeginn für eine bestimmte Fahrt oder eine bestimmte Aufgabe erwartet werden und wann ihr Dienst beginnt. Die vergleichende Prüfung der Schaublätter und des Dienstplans ergab eine Reihe von Widersprüchen im Hinblick auf die Zeiten des Dienstbeginns der Herren Farmer, Burley und Denman.

9 Die erste Kategorie von Anklagepunkten (Kategorie A) betrifft Herrn Farmer und Herrn Burley. Diese hätten mehrfach von ihrem Wohnsitz oder der Hauptniederlassung von Skills aus ein Kraftfahrzeug geführt, um sich zu dem Ort zu begeben, an dem sie Fahrzeuge übernommen hätten, bei denen ein Fahrtenschreiber eingebaut und benutzt werden müsse. Die für das Zurücklegen dieses Weges aufgewandte Zeit habe laut Dienstplan zur Arbeitszeit gezählt, sei auf den Schaublättern aber nicht von Hand gemäß Artikel 15 der Verordnung Nr. 3821/85 verzeichnet gewesen.

10 Die zweite Kategorie von Anklagepunkten (Kategorie B) betrifft Herrn Denman, der seine Arbeit am 18. Dezember 1997 mit einem Dienst begonnen habe, der als nationaler Linienverkehr anzusehen und gemäß Artikel 4 Nummer 3 der Verordnung Nr. 3820/85 und gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3821/85 vom Geltungsbereich dieser Verordnungen befreit gewesen sei. Anschließend habe Herr Denman in Nottingham ein fahrtenschreiberpflichtiges Fahrzeug übernommen, doch sei auf den erstellten Schaublättern nicht der Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt, zu dem er ausweislich des Dienstplans mit der Fahrt im Linienverkehr begonnen habe, und dem Zeitpunkt der Übernahme des mit einem Fahrtenschreiber ausgerüsteten Fahrzeugs verzeichnet gewesen.

11 Demnach wird Skills sowie den Herren Farmer, Burley und Denman (im Folgenden gemeinsam: Angeklagte des Ausgangsverfahrens) zur Last gelegt, von Section 97 des Transport Act 1968 erfasste Fahrzeuge benutzt zu haben, deren Aufzeichnungseinrichtung nicht gemäß den Erfordernissen der Artikel 13 bis 15 der Verordnung Nr. 3821/85 eingesetzt worden sei.

12 Das vorlegende Gericht verweist zunächst auf das Urteil vom 2. Juni 1994 in der Rechtssache C-313/92 (Van Swieten, Slg. 1994, I-2177) wonach der Ausdruck innerhalb jedes Zeitraums von 24 Stunden" in Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3820/85 so zu verstehen sei, dass er sich auf jede Zeitspanne dieser Dauer beziehe, die in dem Moment beginne, in dem der Fahrer nach einer wöchentlichen oder täglichen Ruhezeit den Fahrtenschreiber in Gang setze. Wenn die tägliche Ruhezeit in zwei oder drei Zeitabschnitten genommen werde, müsse die Berechnung am Ende des Abschnitts beginnen, dessen Dauer acht Stunden nicht unterschreite.

13 Das vorlegende Gericht nimmt ferner auf das Urteil vom 9. Juni 1994 in der Rechtssache C-394/92 (Michielsen und GTS, Slg. 1994, I-2497) Bezug, in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass die tägliche Arbeitszeit" im Sinne des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3821/85 die Lenkzeit, alle sonstigen Arbeitszeiten, die Bereitschaftszeit, die Arbeitsunterbrechungen sowie die tägliche Ruhezeit umfasse, sofern diese eine Stunde nicht überschreite, falls der Fahrer sie in zwei oder drei Abschnitten nehme. Der Gerichtshof habe weiter ausgeführt, dass die tägliche Arbeitszeit in dem Moment beginne, in dem der Fahrer nach einer wöchentlichen oder täglichen Ruhezeit den Fahrtenschreiber in Gang setze, oder, wenn die tägliche Ruhezeit in Abschnitten genommen werde, am Ende der Ruhezeit, deren Dauer acht Stunden nicht unterschreite.

14 Unter Berufung auf diese Rechtsprechung sind die Angeklagten des Ausgangsverfahrens der Meinung, dass die vor der Übernahme eines mit einem Fahrtenschreiber ausgerüsteten Fahrzeugs liegenden Zeiträume auf den Schaublättern nicht verzeichnet sein müssten.

15 Da der Nottingham Magistrates' Court Zweifel hinsichtlich der Auslegung der maßgebenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen hat, hat er beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist die Verpflichtung eines Fahrers nach Artikel 15 Absätze 2 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates, alle sonstigen Arbeitszeiten" sowie die Arbeitsunterbrechungen und die Tagesruhezeiten" in das Fahrtenschreiberschaublatt einzutragen, dahin auszulegen, dass unter diese Begriffe auch fällt:

a) die Zeit, die er unter den oben in Kategorie A dargelegten Umständen für das Zurücklegen des Weges zur Übernahme eines Fahrzeugs aufwendet, bei dem das Kontrollgerät eingebaut und benutzt werden muss, d. h.

(i) die Zeit, die er für das Zurücklegen des Weges nach den Weisungen des Arbeitgebers aufwendet, oder

(ii) die Zeit (als Teil der täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit im Anschluss an die letzte Arbeitszeit), während deren sich der Arbeitnehmer zu einem von ihm gewählten Zeitpunkt und in der von ihm gewählten Weise auf dem Weg befindet;

b) die Zeit, in der er unter den oben in Kategorie B genannten Umständen Lenk- oder anderen Verpflichtungen nachkommt, die vom Erfordernis zum Einbau und zur Benutzung des Kontrollgeräts ausgenommen sind?

Zur Vorlagefrage

16 Gemäß ihrer dritten Begründungserwägung soll mit der Verordnung Nr. 3821/85 die Einhaltung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 3820/85 wirksam überwacht werden.

17 Ziel der letztgenannten Verordnung ist laut ihrer ersten Begründungserwägung die Harmonisierung der Bedingungen des Wettbewerbs sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Sicherheit im Straßenverkehr.

18 Die Artikel 6 bis 9 der Verordnung Nr. 3820/85 enthalten Vorschriften zu den Lenkzeiten sowie den Unterbrechungen und der Ruhezeit, die, wie aus der vierzehnten Begründungserwägung dieser Verordnung hervorgeht, der Sicherheit im Straßenverkehr dienen.

19 Durch diese Vorschriften soll nämlich für den Fahrer ein Wechsel zwischen Lenk- und Ruhezeiten sichergestellt werden, der gewährleistet, dass er sich nicht während eines so langen Zeitraums am Steuer des Fahrzeugs befindet, dass eine Übermüdung eintritt und die Sicherheit im Straßenverkehr gefährdet wird (Urteil Van Swieten, Randnr. 23).

20 Im Hinblick auf diese Erwägungen sind die beiden dem Gerichtshof vorgelegten Fallvarianten getrennt zu prüfen.

Zum ersten Teil der Frage

21 Mit dem ersten Teil seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 15 der Verordnung Nr. 3821/85 dahin auszulegen ist, dass die Verpflichtung eines Fahrers, alle sonstigen Arbeitszeiten in das Fahrtenschreiberschaublatt einzutragen, auch für die Zeiten gilt, die er auf dem Weg zur Übernahme eines Fahrzeugs verbringt, bei dem ein Kontrollgerät eingebaut und benutzt werden muss und das sich an einem anderen Ort als dem Wohnsitz des Fahrers oder der Hauptbetriebsstätte des Arbeitgebers befindet. Es möchte ferner wissen, ob es für die Antwort auf diese Frage eine Rolle spielt, ob der Arbeitgeber Weisungen dazu erteilt hat, wann und wie dieser Weg zurückzulegen ist.

22 Die Angeklagten des Ausgangsverfahrens tragen hierzu vor, dass ein Fahrer, der sich von seinem Wohnsitz in der von ihm frei gewählten Weise zum Ort der Übernahme eines Fahrzeugs begebe, frei über seine Zeit verfügen könne, so dass diese Zeit als Teil der Ruhezeit im Sinne der Definition gemäß Artikel 1 Nummer 5 der Verordnung Nr. 3820/85 anzusehen sei.

23 Dieser Auslegung ist nicht zu folgen. Denn ein Fahrer, der sich zu einem bestimmten, ihm vom Arbeitgeber vorgegebenen Ort außerhalb der Hauptbetriebsstätte des Unternehmens begibt, um ein Fahrzeug zu übernehmen und zu lenken, erfuellt eine Verpflichtung gegenüber seinem Arbeitgeber. Während dieses Weges verfügt er daher nicht frei über seine Zeit.

24 Außerdem hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der Begriff der Arbeitszeit im Sinne von Artikel 15 der Verordnung Nr. 3821/85 die Zeiten der tatsächlichen Tätigkeit des Fahrers abdeckt, die sich auf das Lenken auswirken können, einschließlich der Lenkzeit (Urteil Michielsen und GTS, Randnr. 14).

25 Die Zeit, die ein Fahrer damit verbringt, sich zum Ort der Übernahme eines mit einem Fahrtenschreiber ausgerüsteten Fahrzeugs zu begeben, kann sich insoweit auf die Lenkzeit auswirken, als sie zur Ermüdung des Fahrers beiträgt.

26 Im Hinblick auf das Ziel der Verordnung Nr. 3820/85, die Sicherheit im Straßenverkehr zu verbessern, ist diese Zeit daher als Teil aller sonstigen Arbeitszeiten im Sinne von Artikel 15 der Verordnung Nr. 3821/85 anzusehen.

27 Diese Auslegung steht auch im Einklang mit dem Ziel der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer, denn sie schließt aus, dass Zeiten, während deren diese eine dem Arbeitgeber zugute kommende Tätigkeit ausüben, als Ruhezeiten angesehen werden.

28 Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Fahrer genaue Weisungen erhalten hat, wie dieser Weg zurückzulegen ist. Denn indem er sich zu einem bestimmten, von der Hauptbetriebsstätte seines Arbeitgebers mehr oder weniger weit entfernten Ort begibt, kommt der Fahrer einer Verpflichtung nach, die ihm aufgrund der Bindung an seinen Arbeitgeber obliegt. Während dieses Zeitraums verfügt er daher nicht frei über seine Zeit.

29 Zum Vorbringen der Angeklagten des Ausgangsverfahrens, man könne den Urteilen Van Swieten sowie Michielsen und GTS entnehmen, dass keinerlei Zeiten in die Schaublätter einzutragen seien, solange das mit einem Fahrtenschreiber ausgerüstete Fahrzeug nicht übernommen worden sei, ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof in diesen Urteilen die Ausdrücke innerhalb jedes Zeitraums von 24 Stunden" im Sinne des Artikels 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3820/85 und tägliche Arbeitszeit" im Sinne des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3821/85 auszulegen hatte. Unter Berücksichtigung der Zielsetzungen dieser Verordnungen hat der Gerichtshof den Beginn dieser Zeiträume auf den Moment festgesetzt, in dem der Fahrer nach einer wöchentlichen oder täglichen Ruhezeit den Fahrtenschreiber in Gang setzt. Mit dieser Definition hat sich der Gerichtshof zu einem Fall geäußert, in dem die Lenkzeit in einem mit einem Fahrtenschreiber ausgerüsteten Fahrzeug unmittelbar nach einer Ruhezeit begann. Diesen Urteilen lässt sich nicht entnehmen, dass der Gerichtshof damit nach einer Ruhezeit, aber vor der Übernahme eines mit einem Fahrtenschreiber ausgerüsteten Fahrzeugs liegende Zeiträume tatsächlicher Beschäftigung von der Arbeitszeit ausnehmen wollte.

30 Die Verpflichtung, vor der Übernahme des Fahrzeugs liegende Zeiten in die Schaublätter einzutragen, steht im Übrigen voll im Einklang mit Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3821/85.

31 Nach dieser Vorschrift müssen die Fahrer zwar für jeden Tag, an dem sie lenken, ab dem Zeitpunkt, an dem sie das Fahrzeug übernehmen, Schaublätter benutzen, jedoch kann dies tatsächlich bedeuten, dass sie auch vor diesem Moment liegende Zeiten einzutragen haben, wie es speziell für den Fall verlangt wird, dass der Fahrer sich nicht in seinem Fahrzeug aufhält.

32 Aus dieser Vorschrift geht außerdem hervor, dass solche Zeiten nicht als Teil der Lenkzeit angesehen werden können, selbst wenn sie mit dem Führen eines Fahrzeugs verbracht werden, bei dem selbst keine Pflicht zur Beachtung der in der Verordnung Nr. 3820/85 vorgesehenen Lenk- und Ruhezeiten besteht.

33 Für außerhalb des mit einem Fahrtenschreiber ausgerüsteten Fahrzeugs verbrachte Zeiten, zu denen u. a. definitionsgemäß die mit dem Führen eines anderen Fahrzeugs verbrachten Zeiten gehören, regelt Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3821/85 nämlich lediglich deren Aufzeichnung in einer der in Artikel 15 Absatz 3 zweiter Gedankenstrich Buchstaben b, c und d vorgesehenen Rubriken mit Ausnahme der Aufzeichnung in der in Artikel 15 Absatz 3 zweiter Gedankenstrich Buchstabe a genannten Rubrik, die nur die Lenkzeit des in Rede stehenden Fahrzeugs betrifft.

34 Soweit dieser Aspekt der geltenden Regelung nachteilige Auswirkungen auf die Sicherheit im Straßenverkehr haben kann, ist es Sache des Gemeinschaftsgesetzgebers, eine mögliche Änderung zu beschließen.

35 Folglich ist auf den ersten Teil der Frage zu antworten, dass Artikel 15 der Verordnung Nr. 3821/85 dahin auszulegen ist, dass die Verpflichtung eines Fahrers, alle sonstigen Arbeitszeiten in das Fahrtenschreiberschaublatt einzutragen, auch für die Zeit gilt, die er auf dem Weg zur Übernahme eines Fahrzeugs verbringt, bei dem ein Kontrollgerät eingebaut und benutzt werden muss und das sich an einem anderen Ort als dem Wohnsitz des Fahrers oder der Hauptbetriebsstätte des Arbeitgebers befindet, und zwar unabhängig davon, ob dieser Weisungen hierzu erteilt hat oder ob der Fahrer wählen konnte, wann und wie er diesen Weg zurücklegt.

Zum zweiten Teil der Frage

36 Mit dem zweiten Teil seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 15 der Verordnung Nr. 3821/85 dahin auszulegen ist, dass die Verpflichtung eines Fahrers, alle sonstigen Arbeitszeiten in das Fahrtenschreiberschaublatt einzutragen, auch für die Zeiten gilt, während deren er vor der Übernahme eines Fahrzeugs, für das diese Verordnung gilt, im Rahmen eines nicht in deren Geltungsbereich fallenden Beförderungsdienstes ein Fahrzeug gelenkt hat.

37 Bei einem solchen Zeitraum handelt es sich zweifelsfrei um eine Zeit tatsächlicher Beschäftigung des Fahrers, die sich auf das Lenken auswirkt und während deren er nicht frei über seine Zeit verfügt.

38 Aus den in den Randnummern 29 bis 31 des vorliegenden Urteils genannten Gründen gilt die Verpflichtung zur Eintragung eines solchen Zeitraums - entgegen dem in Randnummer 14 des vorliegenden Urteils dargelegten Vorbringen der Angeklagten des Ausgangsverfahrens - unabhängig davon, dass dieser Zeitraum vor der Übernahme eines mit einem Fahrtenschreiber ausgerüsteten Fahrzeugs liegt.

39 Folglich ist auf den zweiten Teil der Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 15 der Verordnung Nr. 3821/85 dahin auszulegen ist, dass die Verpflichtung eines Fahrers, alle sonstigen Arbeitszeiten in das Fahrtenschreiberschaublatt einzutragen, auch für die Zeiten gilt, während deren er vor der Übernahme eines Fahrzeugs, für das diese Verordnung gilt, im Rahmen eines nicht in deren Geltungsbereich fallenden Beförderungsdienstes ein Fahrzeug gelenkt hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

40 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs, der niederländischen und der schwedischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Nottingham Magistrates' Court mit Beschluß vom 30. Juni 1999 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Artikel 15 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr ist dahin auszulegen, dass die Verpflichtung eines Fahrers, alle sonstigen Arbeitszeiten in das Fahrtenschreiberschaublatt einzutragen, auch gilt für

- die Zeiten, die er auf dem Weg zur Übernahme eines Fahrzeugs verbringt, bei dem ein Kontrollgerät eingebaut und benutzt werden muss und das sich an einem anderen Ort als dem Wohnsitz des Fahrers oder der Hauptbetriebsstätte des Arbeitgebers befindet, und zwar unabhängig davon, ob dieser Weisungen hierzu erteilt hat oder ob der Fahrer wählen konnte, wann und wie er diesen Weg zurücklegt;

- die Zeiten, während deren er vor der Übernahme eines Fahrzeugs, für das diese Verordnung gilt, im Rahmen eines nicht in deren Geltungsbereich fallenden Beförderungsdienstes ein Fahrzeug gelenkt hat.

Ende der Entscheidung

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