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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 02.07.2009
Aktenzeichen: C-302/08
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 1383/2003,


Vorschriften:

Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 Art. 5 Abs. 4
Verordnung (EG) Nr. 40/94 Art. 146
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

2. Juli 2009

"Marken - Internationale Registrierung - Protokoll zum Madrider Abkommen - Verordnung (EG) Nr. 40/94 - Art. 146 - Gleiche Wirkungen einer internationalen Registrierung und einer Gemeinschaftsmarke in der Gemeinschaft - Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 - Art. 5 Abs. 4 - Waren, die im Verdacht stehen, eine Marke zu verletzen - Tätigwerden der Zollbehörden - Inhaber einer Gemeinschaftsmarke - Anspruch auf Tätigwerden auch in anderen Mitgliedstaaten als dem der Antragstellung - Ausweitung auf den Inhaber einer internationalen Registrierung"

Parteien:

In der Rechtssache C-302/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Finanzgericht München (Deutschland) mit Beschluss vom 19. Juni 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Juli 2008, in dem Verfahren

Zino Davidoff SA

gegen

Bundesfinanzdirektion Südost

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot sowie der Richter J. Makarczyk und L. Bay Larsen (Berichterstatter),

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Zino Davidoff SA, vertreten durch Rechtsanwalt U. Hildebrandt,

- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,

- der italienischen Regierung, vertreten durch I. Bruni als Bevollmächtigte im Beistand von G. Albenzio, avvocato dello Stato,

- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und R. Solnado Cruz als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Krämer und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen (ABl. L 196, S. 7), und Art. 146 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2003 des Rates vom 27. Oktober 2003 (ABl. L 296, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 40/94).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Zino Davidoff SA (im Folgenden: Davidoff) und der Bundesfinanzdirektion Südost, der einen Antrag von Davidoff auf Grenzbeschlagnahme von Waren betrifft, die im Verdacht stehen, international registrierte Marken von Davidoff zu verletzen.

Rechtlicher Rahmen

3 Art. 1 der Verordnung Nr. 1383/2003 bestimmt:

"(1) In dieser Verordnung sind die Voraussetzungen festgelegt, unter denen die Zollbehörden tätig werden können, wenn Waren in folgenden Situationen im Verdacht stehen, ein Recht geistigen Eigentums zu verletzen:

a) wenn sie ... zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, zur Ausfuhr oder zur Wiederausfuhr angemeldet werden;

b) wenn sie im Rahmen einer zollamtlichen Prüfung von Waren entdeckt werden, die ... in das Zollgebiet oder aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, die in ein Nichterhebungsverfahren ... überführt werden, deren ... mitteilungspflichtige Wiederausfuhr im Gange ist oder die in eine Freizone oder ein Freilager ... verbracht werden.

(2) In dieser Verordnung sind ferner die Maßnahmen festgelegt, die von den zuständigen Behörden zu treffen sind, wenn die in Absatz 1 genannten Waren erkanntermaßen ein Recht geistigen Eigentums verletzen."

4 Art. 2 der Verordnung Nr. 1383/2003 sieht vor:

"(1) Für die Zwecke dieser Verordnung sind 'Waren, die ein Recht geistigen Eigentums verletzen':

a) 'nachgeahmte Waren', das heißt:

i) Waren einschließlich ihrer Verpackungen, auf denen ohne Genehmigung Marken oder Zeichen angebracht sind, die mit der Marke oder dem Zeichen identisch sind, die für derartige Waren rechtsgültig eingetragen sind, oder die in ihren wesentlichen Merkmalen nicht von einer solchen Marke oder dem Zeichen zu unterscheiden sind und damit die Rechte des Inhabers der betreffenden Marke im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke oder nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Antrag auf Tätigwerden der Zollbehörden gestellt wird, verletzen;

...

...

(2) Für die Zwecke dieser Verordnung ist 'Rechtsinhaber'

a) der Inhaber einer Marke ...

..."

5 Art. 5 sieht vor:

"(1) Der Rechtsinhaber kann in jedem Mitgliedstaat bei der zuständigen Zolldienststelle einen schriftlichen Antrag auf Tätigwerden der Zollbehörden stellen, wenn sich Waren in einer der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Situationen befinden (Antrag auf Tätigwerden).

...

(4) Ist der Antragsteller Rechtsinhaber einer Gemeinschaftsmarke, ... so kann außer dem Tätigwerden der Zollbehörden des Mitgliedstaats, in dem der Antrag gestellt wird, auch das Tätigwerden der Zollbehörden eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten beantragt werden.

..."

6 Die Gemeinschaft ist durch den Beschluss 2003/793/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 (ABl. L 296, S. 20) mit Wirkung ab 1. Oktober 2004 dem am 27. Juni 1989 in Madrid angenommenen Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken (im Folgenden: Protokoll) beigetreten.

7 Art. 4 des Protokolls bestimmt:

"Wirkungen der internationalen Registrierung

(1) a) Von dem Datum der Registrierung oder der Eintragung ... an ist die Marke in jeder der beteiligten Vertragsparteien ebenso geschützt, wie wenn sie unmittelbar bei der Behörde dieser Vertragspartei hinterlegt worden wäre. Wurde dem Internationalen Büro keine Schutzverweigerung ... mitgeteilt oder wurde eine ... mitgeteilte Schutzverweigerung später zurückgenommen, so ist die Marke in der beteiligten Vertragspartei von dem genannten Datum an ebenso geschützt, wie wenn sie von der Behörde dieser Vertragspartei eingetragen worden wäre.

..."

8 In Art. 146 ("Wirkung internationaler Registrierungen, in denen die Europäische Gemeinschaft benannt ist") der Verordnung Nr. 40/94 heißt es:

"(1) Eine internationale Registrierung, in der die Europäische Gemeinschaft benannt ist, hat ... dieselbe Wirkung wie die Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke.

(2) Wurde keine Schutzverweigerung ... mitgeteilt oder wurde eine solche Verweigerung widerrufen, so hat die internationale Registrierung einer Marke, in denen die Europäische Gemeinschaft benannt wird, ... dieselbe Wirkung wie die Eintragung einer Marke als Gemeinschaftsmarke.

..."

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

9 Am 10. Mai 2007 beantragte Davidoff gemäß Art. 5 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1383/2003 bei der Oberfinanzdirektion Nürnberg, jetzt Bundesfinanzdirektion Südost, eine Grenzbeschlagnahme von Waren, die im Verdacht standen, zwölf international registrierte Marken von Davidoff zu verletzen.

10 Der Antrag wurde am 22. August 2007 mit der Begründung zurückgewiesen, dass Art. 5 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1383/2003 sich nur auf den "Rechtsinhaber einer Gemeinschaftsmarke" beziehe und dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Verordnung trotz des Beitritts der Gemeinschaft zu dem Protokoll nicht geändert habe.

11 Gegen diesen ablehnenden Bescheid erhob Davidoff Klage beim Finanzgericht München.

12 Das Finanzgericht München ist der Ansicht, dass die Auslegung der fraglichen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften Probleme aufwirft.

13 Es meint, dass Art. 5 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1383/2003 über seinen bloßen Wortlaut hinaus auch für den Inhaber einer international registrierten Marke gelte, da eine solche hinsichtlich ihrer Wirkungen in der Gemeinschaft einer Gemeinschaftsmarke gleichgestellt sei.

14 Vor diesem Hintergrund hat das Finanzgericht München das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 im Hinblick auf den Beitritt der Europäischen Gemeinschaft zu dem Protokoll dahin auszulegen, dass trotz der Verwendung des Begriffs "Gemeinschaftsmarke" auch internationale Registrierungen von Marken im Sinne der Art. 146 ff. der Verordnung Nr. 40/94 erfasst werden?

Zur Vorlagefrage

15 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1383/2003 im Licht von Art. 146 der Verordnung Nr. 40/94 es dem Inhaber einer international registrierten Marke ermöglicht, ebenso wie der Inhaber einer Gemeinschaftsmarke ein Tätigwerden der Zollbehörden eines anderen Mitgliedstaats oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten als des Mitgliedstaats, in dem er den Antrag stellt, herbeizuführen.

16 Insoweit ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 1383/2003 erlassen wurde, bevor die Gemeinschaft durch den Beschluss Nr. 2003/793 dem Protokoll beigetreten ist.

17 Nach Art. 4 Abs. 1 des Protokolls ist eine international registrierte Marke in jeder der vom Markeninhaber benannten Vertragsparteien ebenso geschützt, wie wenn sie unmittelbar bei der Behörde dieser Vertragspartei hinterlegt worden wäre.

18 Die Verordnung Nr. 1992/2003 enthält laut ihrem achten Erwägungsgrund die notwendigen Maßnahmen, damit der Beitritt der Gemeinschaft zu dem Protokoll wirksam werden kann.

19 Im sechsten Erwägungsgrund dieser Verordnung wird u. a. betont, dass Inhaber einer internationalen Registrierung die Möglichkeit haben müssen, aufgrund des Protokolls den Schutz für ihre Marken im Rahmen des gemeinschaftlichen Markensystems zu beantragen.

20 Im ersten Erwägungsgrund wird daran erinnert, dass im gemeinschaftlichen Markensystem die Gemeinschaftsmarke einen einheitlichen Schutz genießt und im gesamten Gebiet der Gemeinschaft wirksam ist.

21 Im Licht dieser Erwägungsgründe sieht der durch die Verordnung Nr. 1992/2003 eingefügte Art. 146 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 vor, dass die internationale Registrierung einer Marke, in der die Gemeinschaft benannt wird, dieselbe Wirkung wie die Eintragung einer Marke als Gemeinschaftsmarke hat.

22 Daraus ergibt sich, wie es auch der Auffassung des vorlegenden Gerichts, der Klägerin des Ausgangsverfahrens, aller Mitgliedstaaten, die Erklärungen abgegeben haben, und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften entspricht, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber auf diese Weise international registrierte Marken und Gemeinschaftsmarken hinsichtlich ihrer Wirkungen gleichstellen wollte.

23 Art. 5 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1383/2003 betrifft gerade ein Verfahren, das den Schutz der Gemeinschaftsmarke in der Gemeinschaft als eine ihrer Wirkungen herbeiführen soll.

24 Ihrem Wortlaut nach ermöglicht es diese Vorschrift nur dem "Rechtsinhaber einer Gemeinschaftsmarke", im Rahmen eines Antrags auf Tätigwerden außer dem Tätigwerden der Zollbehörden des Mitgliedstaats, in dem der Antrag gestellt wird, auch das Tätigwerden der Zollbehörden eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten herbeizuführen.

25 Jedoch ist wegen der Gleichstellung international registrierter Marken mit Gemeinschaftsmarken der Schluss zwingend, dass gemäß der Intention des Gemeinschaftsgesetzgebers, der die Verordnung Nr. 1992/2003 erließ, die Anwendung des Art. 5 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1383/2003 auch vom Inhaber einer international registrierten Marke beansprucht werden kann.

26 Auf die Vorlagefrage ist daher zu antworten, dass Art. 5 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1383/2003 im Licht von Art. 146 der Verordnung Nr. 40/94 dahin auszulegen ist, dass er es dem Inhaber einer international registrierten Marke ermöglicht, ebenso wie der Inhaber einer Gemeinschaftsmarke ein Tätigwerden der Zollbehörden eines anderen Mitgliedstaats oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten als des Mitgliedstaats, in dem er den Antrag stellt, herbeizuführen.

Kostenentscheidung:

Kosten

27 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen, ist im Licht von Art. 146 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2003 des Rates vom 27. Oktober 2003 geänderten Fassung dahin auszulegen, dass er es dem Inhaber einer international registrierten Marke ermöglicht, ebenso wie der Inhaber einer Gemeinschaftsmarke ein Tätigwerden der Zollbehörden eines anderen Mitgliedstaats oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten als des Mitgliedstaats, in dem er den Antrag stellt, herbeizuführen.



Ende der Entscheidung

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