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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 18.06.1996
Aktenzeichen: C-303/94
Rechtsgebiete: Richtlinie 94/43/EG vom 27. Juli 1994, Richtlinie 91/414/EWG, Richtlinie 80/778, EG-Vertrag


Vorschriften:

Richtlinie 94/43/EG vom 27. Juli 1994
Richtlinie 91/414/EWG
Richtlinie 80/778
EG-Vertrag Artikel 190
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Das Parlament kann beim Gerichtshof eine Klage auf Nichtigerklärung einer Handlung eines anderen Organs erheben, sofern diese Klage auf die Wahrung seiner Rechte abzielt. Diese Voraussetzung ist erfuellt, wenn das Parlament den Gegenstand seines zu schützenden Rechts und die behauptete Verletzung dieses Rechts schlüssig darlegt.

In Anwendung dieser Kriterien ist eine Klage unzulässig, soweit sie auf einen Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages gestützt wird, wenn das Parlament im Rahmen seines Vorbringens, die streitigen Bestimmungen seien im Hinblick auf die Anforderungen dieses Artikels unzureichend oder falsch begründet, nicht schlüssig darlegt, inwiefern ein solcher Verstoß seine Rechte verletzen könnte. Da demgegenüber das Recht, gemäß einer Bestimmung des Vertrages angehört zu werden, ein Recht des Parlaments im Sinne des Artikels 173 Absatz 3 des Vertrages darstellt, ist das Parlament befugt, gegen eine Richtlinie Klage zu erheben, wenn die Rüge, die es vorträgt, dahin geht, daß durch diese Richtlinie, zu der es nicht angehört worden ist, die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus anderen Richtlinien, die auf Vertragsbestimmungen gestützt seien, wonach eine Verpflichtung zur Anhörung des Parlaments bestehe, geändert würden.

2. Es kann nicht verlangt werden, daß der Rat alle Einzelheiten von Verordnungen oder Richtlinien über die gemeinsame Agrarpolitik nach dem Verfahren des Artikels 43 des Vertrages regelt. Dieser Vorschrift ist Genüge getan, wenn die wesentlichen Elemente der zu regelnden Materie nach dem in ihr vorgesehenen Verfahren festgelegt worden sind; die Durchführungsbestimmungen zu den Grundverordnungen und -richtlinien können nach einem abweichenden Verfahren erlassen werden, das in diesen Verordnungen oder Richtlinien festgelegt ist. Jedoch muß eine Durchführungsrichtlinie, die ohne Anhörung des Parlaments erlassen worden ist, die in der Grundrichtlinie nach einer solchen Anhörung erlassenen Bestimmungen beachten.

Das ist bei der Richtlinie 94/43 des Rates zur Festlegung des Anhangs VI der Grundrichtlinie 91/414 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln nicht der Fall.

Die Grundrichtlinie 91/414, die die Verbesserung der Produktion der Landwirtschaft durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln bezweckt, zielt nämlich wegen der Risiken, die die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln für den Menschen, die Tiere und die Umwelt mit sich bringen kann, ausserdem darauf ab, einheitliche Vorschriften über die Voraussetzungen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und über die Zulassungsverfahren einzuführen. Artikel 4 Absatz 1 dieser Richtlinie verpflichtet somit die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, daß ein Pflanzenschutzmittel nur zugelassen wird, wenn bestimmte Voraussetzungen erfuellt sind, indem er insoweit auf die "einheitlichen Grundsätze" gemäß Anhang VI verweist, dessen Inhalt vom Rat festzulegen ist. Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b sieht vor, daß die Mitgliedstaaten ein Pflanzenschutzmittel nur zulassen, wenn in Anwendung der oben genannten einheitlichen Grundsätze sichergestellt ist, daß das Pflanzenschutzmittel keine unmittelbaren oder mittelbaren schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf das Grundwasser und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere in bezug auf die Kontamination von Wasser im allgemeinen, hat, ohne insoweit Trinkwasser von anderem Wasser zu unterscheiden.

Indem die Richtlinie 94/43 jedoch zum einen nur auf den Schutz des zur Trinkwassergewinnung bestimmten Wassers abzielt und es somit versäumt, die Auswirkungen, die die Pflanzenschutzmittel auf das Grundwasser insgesamt haben können, zu berücksichtigen, und zum anderen die Erteilung einer bedingten Zulassung für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren für ein Pflanzenschutzmittel erlaubt, dessen zu erwartende Konzentration die in einer in Bezug genommenen Regelung festgelegte Hoechstkonzentration übersteigt, was die Tragweite der in der Grundrichtlinie festgelegten Grundsätze einschränkt, verändert die Richtlinie 94/43 ohne Anwendung des nach dem Vertrag vorgeschriebenen Rechtsetzungsverfahrens, das die Anhörung des Parlaments umfasst, den Umfang der den Mitgliedstaaten durch die Grundrichtlinie auferlegten Verpflichtungen.

Da der Umstand, daß sie lediglich in einem der Punkte, die die in der Grundrichtlinie festgelegten Grundsätze betreffen, unvollständig ist, ohne jedoch den Rahmen für die Durchführung dieser Grundsätze zu überschreiten, nicht ausreicht, um die Rüge, daß sie im Hinblick auf die Grundrichtlinie rechtswidrig sei, zu widerlegen, ist sie somit für nichtig zu erklären.


Urteil des Gerichtshofes vom 18. Juni 1996. - Europäisches Parlament gegen Rat der Europäischen Union. - Richtlinie über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln - Rechte des Parlaments. - Rechtssache C-303/94.

Entscheidungsgründe:

1 Das Europäische Parlament hat mit Klageschrift, die am 14. November 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 EG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Richtlinie 94/43/EG des Rates vom 27. Juli 1994 zur Festlegung des Anhangs VI der Richtlinie 91/414/EWG über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 227, S. 31; im folgenden: streitige Richtlinie).

2 Die Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 230, S. 1; im folgenden: Grundrichtlinie), die auf der Grundlage von Artikel 43 des Vertrages erlassen wurde, soll die Vorschriften festlegen, die in den Mitgliedstaaten für die Zulassung, das Inverkehrbringen, die Anwendung und die Kontrolle von Pflanzenschutzmitteln gelten.

3 Artikel 4 Absatz 1 der Grundrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, daß ein Pflanzenschutzmittel nur zugelassen wird, wenn bestimmte Voraussetzungen erfuellt sind. Dazu zählt insbesondere jene, daß unter Anwendung der einheitlichen Grundsätze gemäß Anhang VI sichergestellt sein muß, daß das Pflanzenschutzmittel keine unmittelbaren oder mittelbaren schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf das Grundwasser und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere in bezug auf die Kontamination von Wasser einschließlich Trinkwasser und Grundwasser, hat. Artikel 10 Absatz 1 dieser Richtlinie legt die Vorschriften fest, die sich aus dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten erteilten Zulassungen ergeben. Artikel 18 Absatz 1 schließlich bestimmt: "Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit die 'einheitlichen Grundsätze' nach Anhang VI fest."

4 Die auf der Grundlage dieser Bestimmung erlassene streitige Richtlinie legt den Inhalt des Anhangs VI der Grundrichtlinie fest, durch den "Einheitliche Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln" aufgestellt werden.

5 Nach der fünften Begründungserwägung der streitigen Richtlinie berühren deren den Gewässerschutz betreffende Bestimmungen "nicht die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus den einschlägigen Richtlinien 75/440/EWG, 80/68/EWG und 80/778/EWG". Die folgenden Begründungserwägungen sehen vor, daß diese Richtlinien überprüft werden sollten und daß die Bestimmungen der streitigen Richtlinie bis zu dieser Überprüfung als Übergangsbestimmungen anzusehen sind. Insbesondere muß danach Teil C Ziffer 2.5.1.2 Buchstabe b des Anhangs VI überprüft werden, sobald auf Gemeinschaftsebene anerkannte Modelle eine genaue Einschätzung der nach der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auftretenden voraussichtlichen Konzentration im Grundwasser ermöglichen.

6 Der Anhang VI, dessen Inhalt durch die streitige Richtlinie festgelegt wurde, umfasst eine Einleitung (A), einen Teil betreffend die Bewertung der zur Stützung der Zulassungsanträge gemachten Angaben (B) und schließlich einen Teil, der dem Entscheidungsverfahren gewidmet ist (C).

7 In Teil B Ziffer 2.5.1.2 heisst es: "Die Mitgliedstaaten bewerten, ob das Pflanzenschutzmittel unter den vorgeschlagenen Anwendungsbedingungen in das zur Trinkwassergewinnung bestimmte Grundwasser gelangen kann." Besteht diese Möglichkeit, so müssen die Mitgliedstaaten entweder mit Hilfe eines auf Gemeinschaftsebene anerkannten geeigneten Berechnungsmodells oder, in Ermangelung eines solchen Modells, indem sie ihre Bewertung auf die Ergebnisse der Untersuchungen über die Mobilität und die Persistenz im Boden im Sinne der Anhänge II und III stützen, unter Berücksichtigung bestimmter Informationen bewerten, welche Auswirkungen dies voraussichtlich hat.

8 Teil C Ziffer 2.5.1.2 umfasst vier Abschnitte betreffend die Zulassungsvoraussetzungen (a), die Möglichkeit, eine auf höchstens fünf Jahre befristete bedingte Zulassung zu erteilen (b), die Möglichkeit, eine neue bedingte Zulassung zu erteilen (c), und schließlich die Möglichkeit, unter Berücksichtigung der örtlichen Bedingungen jederzeit angemessene Bedingungen oder Einschränkungen einzuführen (d).

9 Nach Buchstabe a dieser Ziffer kann eine Zulassung nur erteilt werden, wenn sich ergibt, daß die zu erwartende Konzentration des Wirkstoffs oder seiner Metaboliten, Abbau- oder Reaktionsprodukte in dem zur Trinkwassergewinnung bestimmten Grundwasser nach Anwendung des Pflanzenschutzmittels nicht die niedrigste der folgenden Konzentrationen übersteigt: zum einen die in der Richtlinie 80/778/EWG des Rates vom 15. Juli 1980 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (ABl. L 229, S. 11) festgelegte Hoechstkonzentration; zum anderen die von der Kommission bei der Aufnahme des Wirkstoffs in Anhang I festgelegte Hoechstkonzentration (oder, wenn eine solche Festlegung fehlt, die Konzentration, die einem Zehntel des bei dieser Aufnahme festgelegten Zahlenwerts der zulässigen täglichen Aufnahme entspricht).

10 Buchstabe b sieht indessen vor, daß in dem Fall, in dem die letztgenannte Konzentration höher ist als die in der Richtlinie 80/778 festgelegte Hoechstkonzentration, eine auf höchstens fünf Jahre befristete bedingte Zulassung ° die keine Zulassung im Sinne des Artikels 10 Absatz 1 der Grundrichtlinie ist ° erteilt werden kann, sofern bestimmte Bedingungen erfuellt werden. Diese Bedingungen sind unterschiedlich, je nachdem, ob Kontrollangaben nicht verfügbar oder aber verfügbar sind.

11 Im ersten Fall muß sich aus der Bewertung ergeben, daß die zu erwartende Konzentration die von der Kommission bei der Aufnahme des Wirkstoffs in Anhang I festgelegte Hoechstkonzentration (oder die Konzentration, die einem Zehntel des bei dieser Aufnahme festgelegten Zahlenwerts der zulässigen täglichen Aufnahme entspricht) nicht übersteigt, und es muß gewährleistet sein, daß in dem Mitgliedstaat ein angemessenes Überwachungsprogramm eingerichtet oder verlängert wird, das zu beurteilen ermöglicht, ob die in der Richtlinie 80/778 festgelegte Hoechstkonzentration überschritten wird. Gegebenenfalls werden Einschränkungen in bezug auf die Anwendung des Pflanzenschutzmittels angeordnet, wobei den in der betreffenden Region herrschenden Bedingungen in bezug auf Pflanzenschutz, Landwirtschaft und Umwelt ° einschließlich der Witterungsverhältnisse ° Rechnung zu tragen ist. Erforderlichenfalls wird die bedingte Zulassung geändert oder zurückgenommen, wenn die Ergebnisse der Überwachung zeigen, daß trotz dieser Einschränkungen die Konzentration die in der Richtlinie 80/778 festgelegte Hoechstkonzentration übersteigt.

12 Im zweiten Fall, wenn Kontrollangaben verfügbar sind, die den Schluß zulassen, daß nicht die Gefahr besteht, daß die Konzentration die von der Kommission bei der Aufnahme des Wirkstoffs in Anhang I festgelegte Hoechstkonzentration übersteigt, muß das Ausmaß der Gefahr einer Überschreitung der in der Richtlinie 80/778 festgelegten Hoechstkonzentration vorab untersucht werden, und es muß gewährleistet sein, daß ein angemessenes Programm in dem Mitgliedstaat eingerichtet oder verlängert wird, um sicherzustellen, daß die genannte Hoechstkonzentration nicht überschritten wird.

13 Buchstabe c sieht vor, daß eine neue bedingte Zulassung für einen einmaligen Zeitraum von höchstens fünf Jahren erteilt werden kann, wenn die Ergebnisse der Überwachung belegen, daß die Konzentration auf einen Wert gesunken ist, der nahe bei der in der Richtlinie 80/778 festgelegten Hoechstkonzentration liegt, und wenn erwartet wird, daß andere Änderungen gegebenenfalls sicherstellen, daß die zu erwartende Konzentration auf einen unterhalb dieser Hoechstkonzentration liegenden Wert sinkt.

14 Nach Buchstabe d können die Mitgliedstaaten schließlich unter Berücksichtigung der örtlichen Bedingungen in bezug auf Pflanzenschutz, Landwirtschaft und Umwelt ° einschließlich der Witterungsverhältnisse ° jederzeit angemessene Bedingungen oder Einschränkungen in bezug auf die Anwendung des Pflanzenschutzmittels einführen, damit die in der Richtlinie 80/778 festgelegte Hoechstkonzentration eingehalten wird.

15 Das Parlament macht eine Verletzung seiner Rechte geltend und bringt folgende drei Klagegründe vor: Durch die streitige Richtlinie seien unzulässigerweise bestimmte Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der Grundrichtlinie geändert worden; ferner seien durch sie unzulässigerweise weitere Verpflichtungen aus der Richtlinie 80/778 geändert worden; schließlich sei sie unzureichend oder falsch begründet.

16 Der Rat, der Zweifel an der Zulässigkeit der Klage äussert, vertritt die Ansicht, daß das Vorbringen des Parlaments zurückzuweisen sei.

Zur Zulässigkeit der Klage

17 Gemäß Artikel 173 Absatz 3 EG-Vertrag kann das Parlament beim Gerichtshof eine Klage auf Nichtigerklärung einer Handlung eines anderen Organs erheben, sofern diese Klage auf die Wahrung seiner Rechte abzielt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist diese Voraussetzung erfuellt, wenn das Parlament den Gegenstand seines zu schützenden Rechts und die behauptete Verletzung dieses Rechts schlüssig darlegt (Urteil vom 2. März 1994 in der Rechtssache C-316/91, Parlament/Rat, Slg. 1994, I-625, Randnr. 13).

18 In Anwendung dieser Kriterien ist die Klage für unzulässig zu erklären, soweit sie auf einen Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag gestützt wird. Das Parlament legt nämlich im Rahmen seines Vorbringens, die streitigen Bestimmungen seien im Hinblick auf die Anforderungen des Artikels 190 unzureichend oder falsch begründet, nicht schlüssig dar, inwiefern ein solcher Verstoß seine Rechte verletzen könnte (Urteil vom 13. Juli 1995 in der Rechtssache C-156/93, Parlament/Kommission, Slg. 1995, I-2019, Randnr. 11).

19 Dagegen stellt das Recht, gemäß einer Bestimmung des Vertrages angehört zu werden, ein Recht des Parlaments im Sinne des Artikels 173 Absatz 3 EG-Vertrag dar (vgl. Urteil Parlament/Rat, a. a. O., Randnr. 16). Das Parlament trägt vor, durch bestimmte Vorschriften der streitigen Richtlinie seien die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der Grundrichtlinie und aus der Richtlinie 80/778 geändert worden; diese Richtlinien seien auf Artikel 43 und auf die Artikel 100 und 235 des Vertrages gestützt, wonach eine Verpflichtung zur Anhörung des Parlaments bestehe.

20 Somit ist die Klage, soweit mit ihr gerügt wird, daß der Rat die genannten Vorschriften unter Missachtung dieser Verpflichtung erlassen habe, auf die Darlegung einer Verletzung der Rechte des Parlaments gerichtet und daher zulässig.

Zur Begründetheit

21 Das Parlament trägt insbesondere vor, der durch die streitige Richtlinie festgelegte Anhang VI habe den durch die Grundrichtlinie festgelegten Umfang des Grundwasserschutzes verändert, indem er in Teil B Ziffer 2.5.1.2 und in Teil C Ziffer 2.5.1.2 nur das "zur Trinkwassergewinnung bestimmte Grundwasser" erfasse und darüber hinaus erlaube, eine bedingte Zulassung für Pflanzenschutzmittel zu erteilen, deren zu erwartende Konzentration die zulässige Hoechstkonzentration übersteige. Eine solche Änderung habe ohne Einhaltung des Verfahrens des Artikels 43 EG-Vertrag, auf dessen Grundlage diese Richtlinie erlassen worden sei und der die Anhörung des Parlaments zwingend vorschreibe, nicht rechtmässig vorgenommen werden können.

22 Der Rat macht geltend, daß er es zwar für erforderlich gehalten habe, sehr detaillierte Kriterien für das zur Trinkwassergewinnung bestimmte Grundwasser festzulegen, eine Vereinheitlichung der für die Auswirkungen auf das übrige Grundwasser geltenden Kriterien jedoch nicht als unverzichtbar angesehen habe. Nach seiner Meinung kann der Umstand allein, daß eine Durchführungsrichtlinie nicht erschöpfend ist, nicht dazu führen, daß sie rechtswidrig ist. Die streitige Richtlinie wäre nur dann rechtswidrig, wenn sie den von der Grundrichtlinie für die Durchführung abgesteckten Rahmen überschritte oder in Widerspruch zu dieser Richtlinie stuende.

23 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat (siehe insbesondere Urteile vom 16. Juni 1987 in der Rechtssache 46/86, Romkes, Slg. 1987, 2671, Randnr. 16, und vom 13. Juli 1995, Parlament/Kommission, a. a. O., Randnr. 18), kann nicht verlangt werden, daß der Rat alle Einzelheiten von Verordnungen oder Richtlinien über die gemeinsame Agrarpolitik nach dem Verfahren des Artikels 43 EG-Vertrag regelt. Dieser Vorschrift ist Genüge getan, wenn die wesentlichen Elemente der zu regelnden Materie nach dem in ihr vorgesehenen Verfahren festgelegt worden sind; die Durchführungsbestimmungen zu den Grundverordnungen und -richtlinien können nach einem abweichenden Verfahren erlassen werden, das in diesen Verordnungen oder Richtlinien festgelegt ist. Jedoch muß eine Durchführungsrichtlinie wie die streitige Richtlinie, die ohne Anhörung des Parlaments erlassen worden ist, die in der Grundrichtlinie nach Anhörung des Parlaments erlassenen Bestimmungen beachten.

24 Zwar bringt die Grundrichtlinie im vorliegenden Fall in ihrer dritten Begründungserwägung zum Ausdruck, daß die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln eines der wichtigsten Mittel zum Schutz der Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse und zur Verbesserung der Produktion der Landwirtschaft sei; sie legt in ihrer vierten Begründungserwägung aber auch dar, daß diese Anwendung Risiken für den Menschen, die Tiere und die Umwelt mit sich bringen könne, und sie zielt, wie aus den folgenden Begründungserwägungen hervorgeht, darauf ab, wegen dieser Gefahren einheitliche Vorschriften über die Voraussetzungen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und über die Zulassungsverfahren einzuführen.

25 Nach der neunten Begründungserwägung der Grundrichtlinie "müssen [diese Verfahren] ein hohes Schutzniveau gewährleisten, damit insbesondere die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln verhindert wird, die nicht ausreichend auf ihre Gesundheits-, Grundwasser- und Umweltgefährdung untersucht worden sind"; ausserdem ist "[d]er Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt... gegenüber dem Ziel der Produktionsverbesserung bei der Pflanzenerzeugung vorrangig". Die zehnte Begründungserwägung fügt dem hinzu, daß es notwendig sei, sicherzustellen, daß die betreffenden Pflanzenschutzmittel "keine unannehmbaren Auswirkungen... auf die Umwelt im allgemeinen und insbesondere keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder das Grundwasser haben".

26 Die Zulassungsvorschriften sind insbesondere in Artikel 4 Absatz 1 der Grundrichtlinie enthalten, der, wie in Randnummer 3 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß ein Pflanzenschutzmittel nur zugelassen wird, wenn bestimmte Voraussetzungen erfuellt sind, und der insoweit auf die "einheitlichen Grundsätze" gemäß Anhang VI verweist, dessen Inhalt vom Rat nach dem in Artikel 18 vorgesehenen Verfahren festzulegen ist.

27 Was speziell den Schutz der Gesundheit, des Grundwassers und der Umwelt betrifft, so sieht Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Grundrichtlinie vor, daß die Mitgliedstaaten ein Pflanzenschutzmittel nur zulassen, wenn in Anwendung der oben genannten einheitlichen Grundsätze sichergestellt ist, daß das Pflanzenschutzmittel keine unmittelbaren oder mittelbaren schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf das Grundwasser und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere in bezug auf die Kontamination von Wasser, hat. Wie sich aus dem Wortlaut dieses Buchstabens b Ziffern iv und v klar ergibt, gilt diese Verpflichtung gleichermassen für Trinkwasser und für Grundwasser ohne Einschränkung des Inhalts, daß letzteres zum menschlichen Genuß bestimmt sein muß.

28 Aus diesen Bestimmungen insgesamt geht hervor, daß die Grundrichtlinie zwar auf die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln abzielt, daß sie aber auch die pflegliche Behandlung der Umwelt im allgemeinen und des Grundwassers im besonderen als eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln festlegt.

29 In der dritten Begründungserwägung der streitigen Richtlinie wird dargelegt, daß die einheitlichen Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln "für alle in Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben b), c), d) und e) der [Grundrichtlinie] genannten Anforderungen festgelegt werden [müssen]". Im Anhang VI, der diese einheitlichen Grundsätze festlegt, gelten die Bestimmungen von Teil B Ziffer 2.5.1.2 und von Teil C Ziffer 2.5.1.2 über das Grundwasser jedoch nur für das zur Trinkwassergewinnung bestimmte Wasser. Ausserdem berühren diese Bestimmungen, wie in Randnummer 5 des vorliegenden Urteils ausgeführt, zwar nicht die Verpflichtungen, die sich insbesondere aus der Richtlinie 80/778 ergeben, und verweisen im übrigen ausdrücklich auf die in dieser Richtlinie festgelegte Hoechstkonzentration, sie erlauben aber unter den in Teil C Ziffer 2.5.1.2 Buchstaben b und c vorgesehenen Bedingungen die Erteilung einer bedingten Zulassung für Pflanzenschutzmittel, deren zu erwartende Konzentration diese Hoechstkonzentration übersteigt.

30 Entgegen dem Vorbringen des Rates reicht der Umstand, daß die streitige Richtlinie lediglich in einem der Punkte, die die in der Grundrichtlinie festgelegten Grundsätze betreffen, unvollständig ist, ohne jedoch den Rahmen für die Durchführung dieser Grundsätze zu überschreiten, nicht aus, um die Rüge, daß sie im Hinblick auf die Grundrichtlinie rechtswidrig sei, zu widerlegen. Hierzu wäre es, wie in Randnummer 23 des vorliegenden Urteils dargelegt, darüber hinaus erforderlich, daß die Durchführungsrichtlinie mit den in der Grundrichtlinie nach Anhörung des Europäischen Parlaments erlassenen Bestimmungen in Einklang steht und den Umfang der in ihr festgelegten Verpflichtungen nicht verändert.

31 Durch die fehlende Berücksichtigung der Auswirkungen, die die Pflanzenschutzmittel auf das Grundwasser insgesamt haben können, wurde in der streitigen Richtlinie jedoch gerade einer der in der Grundrichtlinie ausdrücklich festgelegten wesentlichen Gesichtspunkte der Materie nicht beachtet. Insoweit genügt es darauf hinzuweisen, daß die Grundrichtlinie, wie in Randnummer 25 des vorliegenden Urteils ausgeführt, insbesondere ein hohes Schutzniveau gewährleisten soll, damit jede unannehmbare Auswirkung von Pflanzenschutzmitteln auf die Umwelt im allgemeinen und jede schädliche Auswirkung auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder das Grundwasser im besonderen verhindert wird.

32 Ausserdem erlaubt das in Teil C Ziffer 2.5.1.2 Buchstaben b und c des Anhangs der streitigen Richtlinie vorgesehene Verfahren die Erteilung einer bedingten Zulassung für einen Zeitraum von insgesamt bis zu zehn Jahren für die Pflanzenschutzmittel, deren zu erwartende Konzentration in dem zur Trinkwassergewinnung bestimmten Grundwasser die in einer in Bezug genommenen Regelung festgelegte Hoechstkonzentration übersteigt. Auch wenn diese Bestimmungen als Übergangsbestimmungen bezeichnet werden, so schränken sie doch offensichtlich, wie der Generalanwalt in Nummer 20 seiner Schlussanträge dargelegt hat, die Tragweite der in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b Ziffern iv und v der Grundrichtlinie festgelegten Grundsätze ein, wonach ein Pflanzenschutzmittel nur zugelassen werden darf, wenn sichergestellt ist, daß es keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf das Grundwasser und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere in bezug auf die Kontamination von Wasser, hat.

33 Unter diesen Umständen ist das Vorbringen des Parlaments begründet, daß durch die streitige Richtlinie der Umfang der den Mitgliedstaaten durch die Grundrichtlinie auferlegten Verpflichtungen ohne Anwendung des nach dem Vertrag vorgeschriebenen Rechtsetzungsverfahrens, das die Anhörung des Parlaments umfasst, verändert worden ist. Daher ist der angefochtene Rechtsakt für nichtig zu erklären.

Kostenentscheidung:

Kosten

34 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Richtlinie 94/43/EG des Rates vom 27. Juli 1994 zur Festlegung des Anhangs VI der Richtlinie 91/414/EWG über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln wird für nichtig erklärt.

2. Der Rat trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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