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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 16.12.1992
Aktenzeichen: C-304/90
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 30
EWG-Vertrag Art. 36
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 30 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß das in ihm ausgesprochene Verbot nicht für eine nationale Regelung gilt, die es Einzelhändlern verbietet, ihre Geschäfte am Sonntag zu öffnen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 16. DEZEMBER 1992. - READING BOROUGH COUNCIL GEGEN PAYLESS DIY LTD UND ANDERE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: READING AND SONNING MAGISTRATES'COURT - VEREINIGTES KOENIGREICH. - AUSLEGUNG DER ARTIKEL 30 UND 36 EWG-VERTRAG - VERBOT DES GESCHAEFTLICHEN VERKEHRS AN SONNTAGEN. - RECHTSSACHE C-304/90.

Entscheidungsgründe:

1 Der Reading and Sonning Magistrates' Court hat dem Gerichtshof mit Beschluß vom 9. August 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Oktober 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vier Fragen nach der Auslegung der Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Reading Borough Council und den Unternehmen Payleß DIY Ltd, Wickes Building Supplies Ltd, Great Mills (South) Ltd, Homebase Ltd und B & Q plc, die durch Öffnung ihrer Läden am Sonntag für andere als die im Fünften Anhang dieses Gesetzes genannten Verkaufsgeschäfte gegen Section 47 und Section 59 des Shops Act verstossen haben sollen.

3 Im Fünften Anhang des Shops Act sind die Artikel aufgeführt, die am Sonntag in Einzelhandelsgeschäften verkauft werden dürfen. Es handelt sich u. a. um alkoholische Getränke, bestimmte Lebensmittel, Tabak, Zeitungen und andere Erzeugnisse des täglichen Bedarfs.

4 Vor dem nationalen Gericht stellten die Beklagten des Ausgangsverfahrens die Vereinbarkeit der nationalen Rechtsvorschriften mit Artikel 30 EWG-Vertrag in Frage, wobei sie geltend machten, daß die streitigen Bestimmungen des Shops Act dem in den Randnummern 15 und 16 des Urteils des Gerichtshofes vom 23. November 1989 in der Rechtssache C-145/88 (B & Q, Slg. 1989, 3851) behandelten Erfordernis der Verhältnismässigkeit nicht entsprächen.

5 Angesichts dieses Vorbringens hat der Reading and Sonning Magistrates' Court das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Ist das Ziel, dem die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats dienen, durch die Einzelhandelsgeschäften das Öffnen an Sonntagen für die persönliche Bedienung von Kunden untersagt wird, und das darin besteht, soweit wie möglich sicherzustellen, daß Ladenangestellte an Sonntagen nicht arbeiten müssen, um das zu bewahren, was von vielen als der traditionelle englische Sonntag angesehen wird, im Sinne der Randnummern 12 bis 14 des Urteils vom 23. November 1989 in der Rechtssache C-145/88 (B & Q) nach Gemeinschaftsrecht gerechtfertigt?

2) Wie ist bei der vom Gerichtshof in Randnummer 15 des Urteils B & Q behandelten Prüfung (Prüfung der Verhältnismässigkeit) dieser Rechtsvorschriften vorzugehen:

a) Muß das nationale Gericht die in Artikel 3 der Richtlinie 70/50 aufgestellten Kriterien anwenden?

b) Wenn ja, muß die nationale Maßnahme alle in Artikel 3 Absatz 2 erster und zweiter Gedankenstrich genannten Kriterien erfuellen?

c) Hat das nationale Gericht die Aufgabe, die (bewiesenen) Tatsachen zu prüfen und hinsichtlich der Anwendbarkeit dieser Kriterien zu einem eigenen Ergebnis zu kommen, oder beschränkt sich die Aufgabe des nationalen Gerichts darauf, zu entscheiden, ob ein vernünftig handelnder Gesetzgeber die fragliche gesetzliche Maßnahme unter Berücksichtigung dieser Kriterien erlassen durfte?

d) Muß das nationale Gericht, wenn es die beschränkenden Wirkungen der nationalen Rechtsvorschriften auf den freien Warenverkehr ermittelt sowie die (etwaige) beschränkende Wirkung auf den Handel der verschiedenen anderen Mittel vergleicht, die zur Erreichung des Zieles der Rechtsvorschriften herangezogen werden könnten, nur prüfen, in welchem Umfang die Wirkungen eingeführte Waren stärker betreffen als einheimische Waren, oder kann es alle beschränkenden Wirkungen auf die innergemeinschaftlichen Einfuhren berücksichtigen?

e) Ist die maßgebende beschränkende Wirkung auf den Handel im Hinblick auf die gesamte Wirkung auf den innergemeinschaftlichen Austausch von Waren und/oder Dienstleistungen, die Wirkung auf die Bereiche, in denen das fragliche Unternehmen tätig ist, oder die Wirkung auf dieses Unternehmen zu prüfen?

f) Wie soll ein nationales Gericht die sich aus den nationalen Rechtsvorschriften ergebenden beschränkenden Wirkungen auf den freien Warenverkehr mit dem Ziel dieser Rechtsvorschriften vergleichen?

3) Findet Artikel 36 EWG-Vertrag auf eine nationale Maßnahme der fraglichen Art überhaupt Anwendung und, wenn ja, in wecher Weise?

4) Hat die Existenz von Ausnahmen vom gesetzlichen Verbot der Geschäftstätigkeit an Sonntagen Einfluß auf die Beantwortung einer der obengenannten Fragen?

6 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des rechtlichen Rahmens des Ausgangsrechtsstreits, des Verfahrensablaufs sowie der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

7 Die erste Frage des vorlegenden Gerichts betrifft die Auslegung des Urteils B & Q.

8 Wie der Gerichtshof in den Urteilen vom 28. Februar 1991 in den Rechtssachen C-312/89 (Conforama, Slg. 1991, I-997) und C-332/89 (Marchandise, Slg. 1991, I-1027) entschieden hat, ist Artikel 30 EWG-Vertrag dahin auszulegen, daß das in ihm ausgesprochene Verbot nicht für eine nationale Regelung gilt, die es verbietet, Arbeitnehmer sonntags zu beschäftigen.

9 Ausserdem hat der Gerichtshof mit Urteil vom heutigen Tag in der Rechtssache C-169/91 für Recht erkannt, daß Artikel 30 EWG-Vertrag dahin auszulegen ist, daß das in ihm ausgesprochene Verbot nicht für eine nationale Regelung gilt, die es Einzelhändlern verbietet, ihre Geschäfte am Sonntag zu öffnen.

10 Die gleiche Antwort ist auf die erste Frage in der vorliegenden Rechtssache zu geben.

11 Angesichts der Antwort auf diese Frage braucht über die übrigen Vorlagefragen nicht entschieden zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

12 Die Auslagen des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Reading and Sonning Magistrates' Court mit Beschluß vom 9. August 1990 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Artikel 30 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß das in ihm ausgesprochene Verbot nicht für eine nationale Regelung gilt, die es Einzelhändlern verbietet, ihre Geschäfte am Sonntag zu öffnen.

Ende der Entscheidung

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