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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 29.06.2006
Aktenzeichen: C-308/04 P
Rechtsgebiete: EG, Verordnung Nr. 17


Vorschriften:

EG Art. 81 Abs. 1
Verordnung Nr. 17 Art. 15 Abs. 1 Buchst. c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)

29. Juni 2006

"Rechtsmittel - Wettbewerb - Kartell - Graphitelektroden - Artikel 81 Absatz 1 EG - Geldbußen - Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen - Mitteilung über Zusammenarbeit - Grundsatz ne bis in idem"

Parteien:

In der Rechtssache C-308/04 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Artikel 56 der Satzung des Gerichtshofes, eingelegt am 19. Juli 2004,

SGL Carbon AG mit Sitz in Wiesbaden (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Klusmann und K. Beckmann,

Rechtsmittelführerin,

andere Verfahrensbeteiligte:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Bouquet, M. Schneider und H. Gading als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Tokai Carbon Co. Ltd mit Sitz in Tokio (Japan),

Nippon Carbon Co. Ltd mit Sitz in Tokio,

Showa Denko KK mit Sitz in Tokio,

GrafTech International Ltd, vormals UCAR International Inc, mit Sitz in Wilmington (Vereinigte Staaten),

SEC Corp. mit Sitz in Amagasaki (Japan),

The Carbide/Graphite Group Inc. mit Sitz in Pittsburgh (Vereinigte Staaten),

Klägerinnen im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) und der Richter P. Kuris, G. Arestis und J. Klucka,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 2005,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Januar 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die SGL Carbon AG (im Folgenden: Rechtsmittelführerin), das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 29. April 2004 in den Rechtssachen T-236/01, T-239/01, T-244/01 bis T-246/01, T-251/01 und T-252/01 (Tokai Carbon u. a./Kommission, Slg. 2004, II-1181, im Folgenden: angefochtenes Urteil) insoweit teilweise aufzuheben, als darin die Klage gegen die Artikel 3 und 4 der Entscheidung 2002/271/EG der Kommission vom 18. Juli 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen - Sache COMP/E-1/36.490 - Graphitelektroden (ABl. 2002, L 100, S. 1, im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen wurde.

Rechtlicher Rahmen

Die Verordnung Nr. 17

2 Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), sieht vor:

"1. Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von einhundert bis fünftausend Rechnungseinheiten festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig:

...

b) eine nach Artikel 11 Absatz (3) oder (5) ... verlangte Auskunft unrichtig ... erteilen,

...

2. Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million Rechnungseinheiten oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig:

a) gegen Artikel [81] Absatz (1) oder Artikel [82] des Vertrages verstoßen,

...

Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.

..."

Die Leitlinien

3 Die Mitteilung der Kommission mit dem Titel "Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden" (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), bestimmt in ihrer Präambel:

"Die in diesen Leitlinien dargelegten Grundsätze sollen dazu beitragen, die Transparenz und Objektivität der Entscheidungen der Kommission sowohl gegenüber den Unternehmen als auch gegenüber dem Gerichtshof zu erhöhen, sowie den Ermessensspielraum bekräftigen, der vom Gesetzgeber der Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen innerhalb der Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes der Unternehmen eingeräumt wurde. Dieser Ermessensspielraum muss jedoch nach zusammenhängenden, nicht diskriminierenden Leitlinien ausgefüllt werden, die im Einklang mit den bei der Ahndung der Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln verfolgten Zielen stehen.

Das neue Verfahren für die Festsetzung des Betrags der Geldbuße beruht auf folgendem Schema, dem die Errechnung eines Grundbetrags zugrunde liegt, wobei Aufschläge zur Berücksichtigung erschwerender und Abzüge zur Berücksichtigung mildernder Umstände berechnet werden können."

Die Mitteilung über Zusammenarbeit

4 Die Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) enthält die Voraussetzungen, unter denen Geldbußen für Unternehmen, die während der Untersuchung eines Kartellfalls mit ihr zusammenarbeiten, entweder nicht oder niedriger festgesetzt werden können.

5 In Abschnitt A Nummer 5 dieser Mitteilung heißt es:

"Die Zusammenarbeit eines Unternehmens mit der Kommission ist nur einer von mehreren Gesichtspunkten, denen die Kommission bei der Festsetzung einer Geldbuße Rechnung trägt ..."

Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

6 Artikel 4 des Protokolls Nr. 7 zu der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten lautet:

"Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden

Niemand darf wegen einer Straftat, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut verfolgt oder bestraft werden.

Absatz 1 schließt die Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des betreffenden Staates nicht aus, falls neue oder neu bekannt gewordene Tatsachen vorliegen oder das vorausgegangene Verfahren schwere, den Ausgang des Verfahrens berührende Mängel aufweist.

Von diesem Artikel darf nicht nach Artikel 15 der Konvention abgewichen werden."

Sachverhalt des Rechtsstreits und streitige Entscheidung

7 Im angefochtenen Urteil hat das Gericht den Sachverhalt der bei ihm erhobenen Klage wie folgt zusammengefasst:

"1 In der Entscheidung 2002/271/EG ... stellte die Kommission die Beteiligung verschiedener Unternehmen an einer Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG und Artikel 53 Absatz 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum [vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen)] in der Graphitelektrodenbranche fest.

2 Graphitelektroden gelangen hauptsächlich bei der Stahlerzeugung in Elektrolichtbogenöfen zum Einsatz. Die Stahlherstellung mit diesen Öfen ist im Wesentlichen ein Wiederaufbereitungsprozess, bei dem - im Unterschied zur traditionellen Herstellung aus Eisenerz in Hochöfen mittels Sauerstoff - Stahlschrott in neuen Stahl umgewandelt wird. In einem gewöhnlichen Lichtbogenofen werden neun in Dreiergruppen angeordnete Elektroden für das Einschmelzen von Schrott verwendet. Eine Elektrode ist wegen der Intensität des Schmelzvorgangs nach ungefähr acht Stunden aufgebraucht. Die Herstellung einer Elektrode dauert etwa zwei Monate. Graphitelektroden können im Rahmen dieses Produktionsverfahrens durch kein anderes Erzeugnis ersetzt werden.

3 Die Nachfrage nach Graphitelektroden ist direkt an die Erzeugung von Stahl in Elektrolichtbogenöfen gebunden. Hauptabnehmer sind die Stahlproduzenten, auf die rund 85 % der Nachfrage entfallen. 1998 wurden weltweit 800 Millionen Tonnen Rohstahl erzeugt, davon 280 Millionen Tonnen in Lichtbogenöfen. ...

...

5 In den achtziger Jahren hatten technologische Verbesserungen einen erheblichen Rückgang des Elektrodenverbrauchs pro Tonne erzeugten Stahls zur Folge. Die Stahlindustrie machte in dieser Zeit zudem einen größeren Strukturwandel durch. Aufgrund des Rückgangs der Nachfrage nach Elektroden setzte in der Elektrodenindustrie weltweit ein Strukturwandel ein. Mehrere Produktionsstätten wurden stillgelegt.

6 Im Jahr 2001 belieferten neun westliche Hersteller den europäischen Graphitelektrodenmarkt ...

7 Am 5. Juni 1997 führten Bedienstete der Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 ... gleichzeitig unangekündigte Nachprüfungen in den Räumen [bestimmter Hersteller von Graphitelektroden] durch.

8 Am selben Tag nahmen Beamte des Federal Bureau of Investigation (FBI) in den Vereinigten Staaten in den Räumen mehrerer Hersteller Durchsuchungen vor. Im Anschluss daran wurden Strafverfahren gegen SGL ... wegen geheimer Absprachen eingeleitet. Alle Beschuldigten räumten den ihnen zur Last gelegten Sachverhalt ein und akzeptierten Geldbußen, die für SGL auf 135 Millionen USD ... festgesetzt wurden ...

...

10 Im Namen einer Gruppe von Abnehmern wurden in den Vereinigten Staaten Klagen auf dreifachen Schadensersatz (triple damages) gegen SGL ... erhoben.

11 In Kanada ... bekannte sich ... SGL [im Juli 2000 einer] Zuwiderhandlung [gegen das kanadische Wettbewerbsgesetz] schuldig und akzeptierte eine Geldbuße in Höhe von 12,5 Millionen CAD. Kanadische Stahlerzeuger erhoben im Juni 1998 gegen SGL ... Zivilklagen wegen abgestimmten Verhaltens.

12 Am 24. Januar 2000 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die betroffenen Unternehmen. Das Verwaltungsverfahren führte am 18. Juli 2001 zum Erlass der [streitigen] Entscheidung, in der den klagenden Unternehmen ... eine weltweite Festsetzung von Preisen und eine Aufteilung der nationalen und regionalen Märkte für das fragliche Erzeugnis nach dem Grundsatz des Marktführers ('Home producer') vorgeworfen wird: ... SGL [habe diese Rolle] für ... Teile Europas [übernommen]; ...

13 Nach den Angaben in der [streitigen] Entscheidung galten für das Kartell folgende Grundregeln:

- Die Preise für Graphitelektroden sollten weltweit festgesetzt werden.

- Beschlüsse über die Preisgestaltung der einzelnen Unternehmen durften nur vom Chairman oder von General Managers getroffen werden.

- Der jeweilige 'Home producer' sollte den Marktpreis in seinem Heimatmarkt bestimmen, die übrigen Produzenten würden nachziehen.

- Die Preise für andere Märkte - d. h. für Märkte, auf denen es keinen 'Home producer' gab - würden einvernehmlich beschlossen.

- Die 'Non-home producer' sollten keinen aggressiven Wettbewerb betreiben und sich von den Heimatmärkten der anderen Anbieter zurückziehen.

- Die Kapazitäten sollten nicht erhöht werden (von den japanischen Herstellern wurde ein Kapazitätsabbau erwartet).

- Der Transfer von Technologie an Kartellaußenseiter sollte unterbunden werden.

14 Weiter heißt es in der [streitigen] Entscheidung, die genannten Grundregeln seien bei Treffen des Kartells umgesetzt worden, die auf verschiedenen Ebenen stattgefunden hätten: Treffen der obersten Führungskräfte, Treffen auf Arbeitsebene, Gruppentreffen der europäischen Hersteller (ohne die japanischen Unternehmen), bestimmten Märkten gewidmete nationale oder regionale Treffen und bilaterale Kontakte zwischen den Unternehmen.

...

16 Aufgrund der Sachverhaltsfeststellungen und der rechtlichen Würdigung in der [streitigen] Entscheidung setzte die Kommission gegen die beschuldigten Unternehmen Geldbußen fest, die anhand der in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden ..., sowie in der Mitteilung über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen ... geschilderten Methode berechnet wurden.

17 In Artikel 3 der [streitigen] Entscheidung werden folgende Geldbußen festgesetzt:

SGL: 80,2 Millionen Euro;

...

18 In Artikel 4 der [streitigen] Entscheidung wird den betroffenen Unternehmen aufgegeben, die Geldbußen innerhalb von drei Monaten ab Zustellung der Entscheidung zu zahlen; andernfalls fallen Zinsen in Höhe von 8,04 % an."

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

8 Die Rechtsmittelführerin und andere Adressaten der streitigen Entscheidung erhoben vor dem Gericht Klagen auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung.

9 Im angefochtenen Urteil erkannte das Gericht u. a. für Recht und entschied:

"...

2. In der Rechtssache T-239/01, SGL Carbon/Kommission,

- wird die in Artikel 3 der Entscheidung 2002/271 gegen die Klägerin verhängte Geldbuße auf 69 114 000 Euro festgesetzt;

- wird die Klage im Übrigen abgewiesen;

..."

Anträge der Verfahrensbeteiligten vor dem Gerichtshof

10 Die Rechtsmittelführerin beantragt,

- das angefochtene Urteil in der Rechtssache T-239/01 insoweit teilweise aufzuheben, als darin die Klage gegen die Artikel 3 und 4 der streitigen Entscheidung abgewiesen wird;

- hilfsweise, das gegenüber der Rechtsmittelführerin in Artikel 3 der Entscheidung verhängte Bußgeld sowie die in Artikel 4 der Entscheidung in Verbindung mit dem Schreiben der Kommission vom 23. Juli 2001 festgesetzten Rechtshängigkeits- und Verzugszinsen angemessen herabzusetzen;

- weiter hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtshofes an das Gericht zurückzuverweisen;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

11 Die Kommission beantragt,

- das Rechtsmittel zurückzuweisen;

- der Rechtsmittelführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zum Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung

12 Mit Schreiben, das am 24. Februar 2006 beim Gerichtshof eingegangen ist, hat die Rechtsmittelführerin gemäß Artikel 61 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt.

13 Zur Stützung ihres Antrags macht die Rechtsmittelführerin geltend, in den Schlussanträgen des Generalanwalts im vorliegenden Rechtsmittelverfahren würden der Tatsachenvortrag der Verfahrensbeteiligten sowie die Feststellungen des Gerichts nicht durchgehend zutreffend wiedergegeben. Sie enthielten auch Argumente und Annahmen, die weder von den Verfahrensbeteiligten in ihren jeweiligen Schriftsätzen vorgetragen worden noch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen seien. Die Schlussanträge könnten daher die Urteilsfindung nicht ausreichend vorbereiten, sondern bedürften ausnahmsweise der weiteren Stellungnahme vor einer abschließenden Entscheidung des Gerichtshofes.

14 Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Satzung des Gerichtshofes und die Verfahrensordnung nicht die Möglichkeit vorsehen, dass die Verfahrensbeteiligten eine Stellungnahme zu den Schlussanträgen des Generalanwalts abgeben (vgl. u. a. Beschluss vom 4. Februar 2000 in der Rechtssache C-17/98, Emesa Sugar, Slg. 2000, I-665, Randnr. 2).

15 Zur Argumentation der Rechtsmittelführerin ist festzustellen, dass der Gerichtshof nach Artikel 61 seiner Verfahrensordnung die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auch auf Antrag der Verfahrensbeteiligten anordnen kann, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Verfahrensbeteiligten nicht erörtertes Vorbringen als entscheidungserheblich ansieht (vgl. u. a. Urteile vom 13. November 2003 in der Rechtssache C-209/01, Schilling und Fleck-Schilling, Slg. 2003, I-13389, Randnr. 19, und vom 17. Juni 2004 in der Rechtssache C-30/02, Recheio - Cash & Carry, Slg. 2004, I-6051, Randnr. 12).

16 Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof der Auffassung, dass er über sämtliche Angaben verfügt, die er für die Entscheidung über das vorliegende Rechtsmittel benötigt.

17 Es bedarf daher keiner Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Zum Rechtsmittel

18 Die Rechtsmittelführerin stützt ihr Rechtsmittel auf sieben Gründe, und zwar auf die Verkennung der Pflicht zur Anrechnung zuvor verhängter Sanktionen (Grundsatz ne bis in idem), die fehlerhafte Festsetzung des Ausgangsbetrags im Rahmen der Ermittlung ihres Bußgelds, die unzutreffende Bestätigung des Bußgeldaufschlags für telefonische Hinweise vor der Nachprüfung 1997, die rechtsfehlerhafte Verkennung der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 normierten Sanktionsobergrenze von 10 % des weltweiten Konzernumsatzes, die Beschränkung ihrer Verteidigungsrechte aufgrund unzureichender Akteneinsicht, die Rechtswidrigkeit der Nichtberücksichtigung ihrer mangelnden Leistungsfähigkeit sowie die Unrechtmäßigkeit der Zinsfestsetzung.

Erster Rechtsmittelgrund: Verkennung der Pflicht zur Anrechnung der zuvor von den Behörden von Drittstaaten verhängten Sanktionen - Grundsatz ne bis in idem

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

19 Die Rechtsmittelführerin macht geltend, das Gericht habe zu Unrecht die Anwendbarkeit des Grundsatzes ne bis in idem im Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada einerseits und der Gemeinschaft andererseits mit den drei in den Randnummern 134, 136, 137, 140, 142 und 143 des angefochtenen Urteils angeführten irrigen Argumenten in Abrede gestellt.

20 Sie stützt ihre Argumentation insbesondere auf das Urteil des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1972 in der Rechtssache 7/72 (Boehringer Mannheim/Kommission, Slg. 1972, 1281).

21 Sie führt aus, entgegen der vom Gericht vorgenommenen Würdigung sei die Identität des geschützten Rechtsguts im vorliegenden Fall gegeben. Ob es insoweit ein völkerrechtliches Übereinkommen gebe, sei für die Pflicht zur Berücksichtigung bereits verhängter Sanktionen unerheblich.

22 Selbst wenn das Gericht zu Recht die Anwendbarkeit des Grundsatzes ne bis in idem in Fällen mit Drittstaatsbezug abgelehnt hätte, so hätte es nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Billigkeit die zuvor in diesen Staaten verhängten Strafen berücksichtigen müssen.

23 Nach Ansicht der Kommission beruft sich die Rechtsmittelführerin zu Unrecht auf das Verbot der Doppelverfolgung. Der Grundsatz ne bis in idem sei nicht auf Fälle übertragbar, in denen auch Drittstaaten Sanktionen verhängt hätten.

24 Im Bereich des Wettbewerbsrechts verfolgten die Vereinigten Staaten von Amerika und die Gemeinschaft nicht die gleichen Ziele. Außerdem schützten die entsprechenden Rechtsvorschriften nicht den Wettbewerb als weltweite Einrichtung. Die amerikanischen Kartellgesetze beträfen den Wettbewerb auf dem Markt der Vereinigten Staaten, während die in der Gemeinschaft geltenden Regeln die Verfälschung des Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt verhindern sollten.

25 Das Gericht habe folglich zu Recht entschieden, dass der Grundsatz ne bis in idem im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

26 Zunächst ist daran zu erinnern, dass der auch in Artikel 4 des Protokolls Nr. 7 zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankerte Grundsatz ne bis in idem einen fundamentalen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts darstellt, den der Gemeinschaftsrichter zu beachten hat (vgl. u. a. Urteile vom 5. Mai 1966 in den Rechtssachen 18/65 und 35/65, Gutmann/EAG-Kommission, Slg. 1966, 154, 178, und vom 15. Oktober 2002 in den Rechtssachen C-238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Slg. 2002, I-8375, Randnr. 59).

27 Im Rahmen der Prüfung, ob der Rechtsmittelgrund eines Verstoßes gegen diesen Grundsatz begründet ist, ist sodann festzustellen, dass - wie das Gericht in Randnummer 140 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat - der Gerichtshof noch nicht über die Frage entschieden hat, ob die Kommission zur Anrechnung einer von den Behörden eines Drittstaats verhängten Sanktion verpflichtet ist, wenn sich die gegen ein Unternehmen von ihr selbst und von den betreffenden Behörden erhobenen Vorwürfe auf dieselben Handlungen beziehen, sondern die Identität der von der Kommission und den Behörden eines Drittstaats beanstandeten Handlungen zur Voraussetzung für diese Prüfung gemacht hat.

28 Zum Anwendungsbereich des Grundsatzes ne bis in idem in Fällen, in denen die Behörden eines Drittstaats aufgrund ihrer Sanktionsbefugnisse im Bereich des im Gebiet dieses Staates geltenden Wettbewerbsrechts tätig geworden sind, ist darauf hinzuweisen, dass das streitige Kartell in einem internationalen Kontext steht, der insbesondere dadurch gekennzeichnet ist, dass die Rechtsordnungen von Drittstaaten in deren jeweiligem Hoheitsgebiet zur Anwendung gekommen sind.

29 Hierzu ist festzustellen, dass die Ausübung der Befugnisse der mit dem Schutz des freien Wettbewerbs betrauten Behörden dieser Staaten im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit den dort bestehenden Anforderungen genügen muss. Die den Rechtsordnungen anderer Staaten im Bereich des Wettbewerbs zugrunde liegenden Elemente enthalten nämlich nicht nur spezielle Zwecke und Zielsetzungen, sondern führen auch zum Erlass besonderer materieller Vorschriften sowie zu ganz unterschiedlichen Rechtsfolgen im Bereich des Verwaltungs-, Straf- oder Zivilrechts, wenn die Behörden der genannten Staaten das Vorliegen von Zuwiderhandlungen gegen die anwendbaren Wettbewerbsregeln festgestellt haben.

30 Ganz anders ist die Rechtslage dagegen, wenn auf ein Unternehmen im Bereich des Wettbewerbs ausschließlich das Gemeinschaftsrecht und das Recht eines oder mehrerer Mitgliedstaaten zur Anwendung kommt, d. h., wenn sich ein Kartell ausschließlich auf den örtlichen Anwendungsbereich der Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaft beschränkt.

31 Daraus folgt, dass die Kommission, wenn sie das rechtswidrige Verhalten eines Unternehmens ahndet, auch dann, wenn dieses Verhalten seinen Ursprung in einem Kartell mit internationalem Charakter hat, zum Schutz des freien Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes tätig wird, der nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g EG ein grundlegendes Ziel der Gemeinschaft darstellt. Aufgrund des speziellen Charakters des auf Gemeinschaftsebene geschützten Rechtsguts können die Beurteilungen, die die Kommission aufgrund ihrer einschlägigen Befugnisse vornimmt, erheblich von den Beurteilungen durch die Behörden von Drittstaaten abweichen.

32 Daher hat das Gericht in Randnummer 134 des angefochtenen Urteils zu Recht entschieden, dass der Grundsatz ne bis in idem nicht für Sachverhalte gilt, in denen die Rechtsordnungen und die Wettbewerbsbehörden von Drittstaaten im Rahmen ihrer eigenen Zuständigkeiten eine Rolle gespielt haben.

33 Überdies hat das Gericht ebenfalls zu Recht entschieden, dass es keinen anderen Rechtsgrundsatz gab, der die Kommission hätte verpflichten können, zu berücksichtigen, dass die Rechtsmittelführerin in Drittstaaten verfolgt und mit Sanktionen belegt wurde.

34 Hierzu ist festzustellen, dass es, wie das Gericht in Randnummer 136 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat, keinen völkerrechtlichen Grundsatz gibt, der es den Behörden und Gerichten verschiedener Staaten untersagt, eine natürliche oder juristische Person wegen derselben Tat zu verfolgen und zu verurteilen, wegen der bereits in einem anderen Staat gegen sie vorgegangen wurde. Es gibt auch keine Bestimmung des Völkerrechts, nach der die Kommission verpflichtet wäre, bei der Festsetzung einer Geldbuße gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 die Geldbußen zu berücksichtigen, die von den Behörden eines Drittstaats im Rahmen ihrer Zuständigkeiten im Bereich des Wettbewerbsrechts verhängt wurden.

35 Hinzuzufügen ist, dass sich die Abkommen zwischen den Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika vom 23. Dezember 1991 und vom 4. Juni 1998 über die Anwendung der "Positive Comity"-Grundsätze bei der Durchsetzung ihrer Wettbewerbsregeln (ABl. 1995, L 95, S. 47, und ABl. 1998, L 173, S. 28) auf praktische Verfahrensfragen wie den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden beschränken und nicht die Auferlegung oder Berücksichtigung der von einer der Parteien dieser Abkommen verhängten Sanktionen betreffen.

36 Schließlich ist in Bezug auf die von der Rechtsmittelführerin hilfsweise gerügte Verkennung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Billigkeit durch das Gericht darauf hinzuweisen, dass Erwägungen, die auf der Existenz der von den Behörden eines Drittstaats verhängten Geldbußen beruhen, nur im Rahmen des Ermessens berücksichtigt werden können, über das die Kommission bei der Festsetzung von Geldbußen wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft verfügt. Folglich kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass die Kommission Geldbußen berücksichtigt, die zuvor von den Behörden von Drittstaaten verhängt wurden, doch ist sie dazu nicht verpflichtet.

37 Das Abschreckungsziel, das die Kommission bei der Bemessung einer Geldbuße verfolgen darf, besteht nämlich darin, zu gewährleisten, dass die Unternehmen die im EG-Vertrag für ihre Tätigkeiten innerhalb des Gemeinsamen Marktes festgelegten Wettbewerbsregeln beachten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnrn. 173 bis 176). Folglich ist die Kommission bei der Beurteilung der Abschreckungswirkung einer wegen eines Verstoßes gegen diese Regeln zu verhängenden Geldbuße nicht verpflichtet, etwaige Sanktionen zu berücksichtigen, die gegen ein Unternehmen wegen Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln von Drittstaaten verhängt wurden.

38 Das Gericht hat daher keinen Rechtsfehler begangen, als es in den Randnummern 144 bis 148 des angefochtenen Urteils entschied, dass die Geldbuße rechtmäßig festgesetzt worden sei.

39 Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund in vollem Umfang zurückzuweisen.

Zweiter Rechtsmittelgrund: Fehlerhafte Festsetzung des Ausgangsbetrags im Rahmen der Ermittlung des Bußgelds der Rechtsmittelführerin

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

40 Die Rechtsmittelführerin ist der Ansicht, dass das Gericht bei der Bußgeldberechnung die Zumessungskriterien des Ausgangsbetrags falsch angewandt und dadurch entweder gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen oder einen Ermessensfehler begangen habe.

41 Die hierzu angestellten Erwägungen des Gerichts seien in dreifacher Hinsicht fehlerhaft. Erstens sei die von ihm vorgenommene Berechnung innerhalb einer Kategorie von Unternehmen, bei der die Marktanteile und Umsätze verschiedener Wirtschaftsteilnehmer zunächst addiert würden und anschließend ein durchschnittlicher Umsatz- oder Marktanteilswert gebildet werde, nicht zulässig. Zweitens seien die Abweichungen zwischen den vom Gericht festgestellten Marktanteilen so hoch, dass eine einheitliche Betrachtung der Unternehmen derselben Kategorie ausscheide. Drittens habe das Gericht bei allen anderen Adressaten der streitigen Entscheidung wesentlich kleinere Marktanteilsdifferenzen als "zwingenden Grund" für eine abgestuftere und proportionalere Geldbuße qualifiziert, ohne diese Erwägungen auf die Rechtsmittelführerin anzuwenden.

42 Die Rechtsmittelführerin sei somit bei der rechnerischen Umsetzung der Berechnungsgrundsätze für die Geldbußen durch die vom Gericht vorgenommene Würdigung spezifisch benachteiligt worden. Aufgrund dieser Rechenfehler müsse daher das vom Gericht bestätigte Bußgeld je nach Berechnungsweise um weitere 5,1 bis 12,2 Millionen Euro herabgesetzt werden.

43 Die Kommission weist darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Festlegung der Höhe der Geldbuße ein Ermessen bestehe, das der Anwendung einer genauen mathematischen Formel entgegenstehe. Sei eine Zuwiderhandlung, wie hier, von mehreren Unternehmen begangen worden, so sei die relative Schwere der Beteiligung jedes von ihnen am Kartell zu prüfen.

44 Das Gericht habe seine dahin gehende Kontrolle korrekt ausgeübt; dies gelte auch in Bezug auf die Rechtsmittelführerin. Denn das Gericht habe dargelegt, dass die Kommission bei der Einteilung der Mitglieder eines Kartells in Kategorien nicht ausschließlich und mathematisch auf die Umsatzerlöse jedes Unternehmens abstellen müsse. Insbesondere habe es die Einteilung der Kartellmitglieder in mehrere Kategorien, die zu einer Pauschalierung des für die Unternehmen derselben Kategorie festgesetzten Ausgangsbetrags geführt habe, für rechtmäßig erklärt.

45 Schließlich sei auch der Grundsatz der Gleichbehandlung durch die Feststellungen des Gerichts zur Berechnungsmethode der Geldbußen nicht verletzt worden.

Würdigung durch den Gerichtshof

46 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. u. a. Urteil vom 28. Juni 2005 in den Rechtssachen C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02-P und C-213/02 P, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Slg. 2005, I-5425, Randnrn. 240 bis 243 und die dort genannte Rechtsprechung) verfügt die Kommission über ein weites Ermessen in Bezug auf die Berechnungsmethode der Geldbußen und kann in diesem Rahmen - unter Beachtung der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 genannten Obergrenze des Umsatzes - zahlreiche Gesichtspunkte berücksichtigen.

47 Der Gerichtshof hat außerdem hervorgehoben, dass die in den Leitlinien beschriebene Berechnungsmethode verschiedene Spielräume enthält, die es der Kommission ermöglichen, ihr Ermessen im Einklang mit den Vorschriften des Artikels 15 der Verordnung Nr. 17 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof auszuüben (vgl. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnr. 267).

48 Der Gerichtshof hat gleichwohl zu prüfen, ob das Gericht die Ermessensausübung durch die Kommission ordnungsgemäß gewürdigt hat.

49 Hierzu ist festzustellen, dass das Gericht eingehend geprüft hat, ob die quantitativen Schwellenwerte, die bei der Einteilung der Unternehmen in drei Kategorien zur Festsetzung der Ausgangsbeträge der Geldbußen herangezogen wurden, in schlüssiger und objektiver Weise ermittelt worden waren.

50 Wie das Gericht in den Randnummern 217 bis 219 des angefochtenen Urteils erläutert, hat sich die Kommission bei der Einteilung der am Kartell beteiligten Unternehmen in drei Kategorien und der Festlegung der verschiedenen Ausgangsbeträge auf die Umsätze und Marktanteile gestützt, die von den Kartellmitgliedern durch den Verkauf des fraglichen Erzeugnisses in dem von der streitigen Entscheidung erfassten Zeitraum erzielt wurden.

51 Das Gericht ist in den Randnummern 224 bis 226 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wahl der Ausgangsbeträge, die für die Unternehmen der ersten Kategorie, in die die Rechtsmittelführerin eingestuft wurde, zu einem Betrag von 40 Millionen Euro führte, nicht willkürlich gewesen und nicht über das der Kommission insoweit zustehende Ermessen hinausgegangen sei.

52 Die Rechtsmittelführerin wendet sich mit ihrer Argumentation gegen das von der Kommission verwendete und vom Gericht gebilligte Einstufungssystem und vertritt die Ansicht, dass jeder Unterschied zwischen dem Umsatz oder den Marktanteilen der betroffenen Unternehmen für jedes am Kartell beteiligte Unternehmen zu einer eigenen Kategorie und somit zu einem abweichenden Ausgangsbetrag führen müsse.

53 Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

54 Wie aus den oben wiedergegebenen Erwägungen des Gerichts hervorgeht, hat es geprüft, ob die Kommission bei der Anwendung ihrer Methode zur Einstufung der Unternehmen sowie der Festlegung der quantitativen Schwellenwerte jeder Kategorie ordnungsgemäß und schlüssig vorgegangen war. Es hat ferner geprüft, ob die Eingruppierung der Unternehmen in eine bestimmte Kategorie verglichen mit den anderen Kategorien hinreichend schlüssig und objektiv war.

55 Hinzuzufügen ist, dass die Tatsache, dass andere Kartellmitglieder anhand der für sie geltenden Umstände in andere Kategorien eingestuft wurden, die Stichhaltigkeit der Erwägungen des Gerichts in Bezug auf die Einstufung der Rechtsmittelführerin nicht beeinträchtigen kann.

56 Folglich entspricht die von der Kommission vorgenommene und vom Gericht gebilligte Einstufung in Kategorien auch dem Grundsatz der Gleichbehandlung.

57 Unter diesen Umständen ist das angefochtene Urteil in diesem Punkt frei von Rechtsfehlern.

58 Dem zweiten Rechtsmittelgrund kann daher nicht gefolgt werden.

Dritter Rechtsmittelgrund: Erhöhung des Ausgangsbetrags um 25 %

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

59 Die Rechtsmittelführerin ist der Ansicht, dass der vom Gericht bestätigte spezifische Zuschlag auf den Ausgangsbetrag in Höhe von 25 % oder 15,5 Millionen Euro, der darauf beruhe, dass sie andere Unternehmen vor einer bevorstehenden Nachprüfung durch die Kommission gewarnt habe, nicht gerechtfertigt gewesen sei. Die entsprechenden Erwägungen des Gerichts seien fehlerhaft, da ihr einige nicht erwiesene und zuvor weder in der Mitteilung der Beschwerdepunkte noch in der streitigen Entscheidung vorgehaltene Tatsachen unterstellt worden seien.

60 Das Gericht habe die von ihr geführten Telefonate aus drei Gründen falsch beurteilt. Erstens habe es verkannt, dass ihr Verhalten nicht verboten gewesen sei und daher nach dem Grundsatz nulla poena sine lege nicht hätte bestraft werden dürfen. Zweitens habe das Gericht gegen den Grundsatz in dubio pro reo verstoßen, indem es Tatsachen unterstellt habe, die weder durch Feststellungen der Kommission noch durch seine eigenen Feststellungen gedeckt würden. Drittens habe das Gericht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen.

61 Die Kommission trägt vor, das erste und das dritte Argument der Rechtsmittelführerin, mit denen sie Verstöße gegen den Grundsatz nulla poena sine lege und den Grundsatz der Gleichbehandlung rüge, seien unzulässig, da diese Rügen bereits in der ersten Instanz vorgebracht worden seien und die Rechtsmittelführerin im Rahmen des Rechtsmittels nur dieselben Argumente wiederhole. Die Rügen seien jedenfalls unbegründet.

62 Auch das Argument der Rechtsmittelführerin, das Gericht habe ihr nachteilige Motive unterstellt, greife nicht durch. Die Kommission verfüge bei der Festlegung der Höhe von Geldbußen über ein Ermessen und sei nicht verpflichtet, insoweit eine genaue mathematische Formel anzuwenden.

63 Das Gericht habe im Rahmen seiner Kontrolle der Ermessensausübung die Einordnung der Warnungen der Rechtsmittelführerin als schwerwiegende Behinderung der Untersuchung der Kommission zu Recht bestätigt; in diesem Zusammenhang komme es nicht darauf an, besondere Motive des warnenden Kartellmitglieds nachzuweisen.

Würdigung durch den Gerichtshof

64 Das Gericht hat in Randnummer 312 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass es als erschwerender Umstand habe gewertet werden dürfen, dass die Rechtsmittelführerin andere Unternehmen vor den bevorstehenden Nachprüfungen der Kommission gewarnt habe, und dass es sich dabei entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin nicht um eine spezielle und eigenständige Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft gehandelt habe, sondern um ein Verhalten, das die Schwere der ursprünglichen Zuwiderhandlung erhöht habe. In derselben Randnummer des angefochtenen Urteils hat das Gericht zudem festgestellt, dass die Rechtsmittelführerin durch diese an andere Unternehmen gerichteten Warnungen versucht habe, die Existenz des Kartells zu verschleiern und dessen Fortbestand zu sichern, was ihr im Übrigen auch bis März 1998 gelungen sei.

65 In Randnummer 313 des angefochtenen Urteils hat das Gericht hinzugefügt, die Bezugnahme der Rechtsmittelführerin auf Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 17 gehe fehl, da diese Bestimmung Behinderungen betreffe, die als eigenständige und vom Vorliegen eines Kartells unabhängige Zuwiderhandlungen angesehen würden, während die im vorliegenden Fall von der Rechtsmittelführerin ausgesprochenen Warnungen die Fortführung eines Kartells hätten sichern sollen, von dem feststehe, dass es einen eindeutigen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft darstelle.

66 Schließlich hat das Gericht in Randnummer 315 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass diese Warnungen, da sie sich an andere Unternehmen gerichtet hätten, über die rein interne Sphäre der Rechtsmittelführerin hinausgegangen seien und auf das Scheitern der gesamten Untersuchung der Kommission abgezielt hätten, um die Weiterführung des Kartells zu gewährleisten.

67 Mit den genannten Erwägungen hat das Gericht eine Reihe von Tatsachenwürdigungen des Verhaltens der Rechtsmittelführerin vorgenommen.

68 Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung allein das Gericht für die Tatsachenfeststellung zuständig ist, sofern sich nicht aus den Akten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind, und für die Würdigung dieser Tatsachen. Die Würdigung der Tatsachen ist, sofern die dem Gericht vorgelegten Beweismittel nicht verfälscht werden, daher keine Rechtsfrage, die im Rechtsmittelverfahren als solche der Kontrolle des Gerichtshofes unterliegt (vgl. u. a. Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-470/00 P, Parlament/Ripa di Meana u. a., Slg. 2004, I-4167, Randnr. 40 und die dort genannte Rechtsprechung).

69 Zum Argument der Rechtsmittelführerin, mit dem sie einen Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung rügt, ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in den Randnummern 309 und 310 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass die Erhöhung der gegen die Rechtsmittelführerin festgesetzten Geldbuße wegen der Warnung anderer Unternehmen nicht unverhältnismäßig oder diskriminierend erscheine. Es hat die Einstufung dieser Warnungen durch die Kommission als behinderndes Verhalten der Rechtsmittelführerin zur Verschleierung der Existenz des Kartells und als Umstand, der eine Erhöhung der fraglichen Geldbuße rechtfertige, gebilligt.

70 Diese Erwägungen des Gerichts sind nicht rechtsfehlerhaft.

71 Nach der Rechtsprechung (vgl. u. a. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnrn. 240 bis 242) wird der Ausgangsbetrag der Geldbuße anhand der Zuwiderhandlung festgelegt, deren Schwere unter Heranziehung zahlreicher anderer Faktoren zu ermitteln ist, in Bezug auf die die Kommission über ein weites Ermessen verfügt. Die Berücksichtigung erschwerender Umstände bei der Festsetzung der Geldbuße steht im Einklang mit der Aufgabe der Kommission, die Übereinstimmung mit den Wettbewerbsregeln zu gewährleisten.

72 Der dritte Rechtsmittelgrund ist daher in vollem Umfang zurückzuweisen.

Vierter Rechtsmittelgrund: Nichtberücksichtigung der Obergrenze der Sanktion nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

73 Die Rechtsmittelführerin führt aus, das Gericht habe nicht beachtet, dass die von der Kommission festgesetzte Geldbuße den in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Strafrahmen überschreite. Die dazu angestellten Erwägungen des Gerichts seien außerdem unzureichend begründet.

74 Erstens liege ein Beurteilungsfehler des Gerichts hinsichtlich des bei der Berechnung der Geldbußen berücksichtigten Umsatzes vor. Das Gericht habe nämlich offen gelassen, ob die Kommission die Umsätze des Jahres 1999 oder des Jahres 2000 hätte heranziehen müssen.

75 Zweitens habe das Gericht Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 sowie den Grundsatz nulla poena sine lege verletzt. Es habe nicht berücksichtigt, dass Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 als Sanktionsnorm dem Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit unterliege. Dieser gelte sowohl für Zwischenbeträge als auch für den Endbetrag der verhängten Sanktion.

76 Drittens habe das Gericht den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt. Insoweit habe das Gericht selbst festgestellt, dass die Kommission bei der Ermittlung des Endbetrags einer Geldbuße eine Vielzahl von Umständen berücksichtigen könne. Wenn sie sich aber für eine bestimmte Berechnungsmethode entscheide, dann müsse sie diese Methode in schlüssiger Weise und ohne Diskriminierung anwenden.

77 Schließlich sei die Begründungspflicht nach Artikel 253 EG verletzt worden. Das Gericht habe verkannt, dass die Kommission die Gründe hätte darlegen müssen, aus denen sie die Geldbuße der Rechtsmittelführerin nicht herabgesetzt habe, obwohl sie sich in einer vergleichbaren Situation wie ein anderes Unternehmen befunden habe. Entgegen der Würdigung durch das Gericht hätte die Begründung für die Herabsetzung der Geldbuße des anderen Unternehmens in der streitigen Entscheidung enthalten sein müssen.

78 Zur Beantwortung des gesamten Vorbringens im Rahmen dieses Rechtsmittelgrundes trägt die Kommission vor, das Gericht habe die ihm zugrunde liegenden Argumente, die im Übrigen bereits in erster Instanz vorgebracht worden seien, zu Recht zurückgewiesen. Weder der Endbetrag der von der Kommission festgesetzten Geldbuße noch der vom Gericht herabgesetzte Betrag habe mehr als 10 % der Gesamtumsätze der Rechtsmittelführerin betragen.

79 Das Gericht habe zu Recht die Berücksichtigung des Umsatzes, der mit den vom Kartell betroffenen Produkten erzielt worden sei, bestätigt. Dieser Umsatz habe neben anderen sachlichen Gesichtspunkten dazu gedient, zu bestimmen, ob die Rechtsmittelführerin den Markt für Graphitelektroden durch die begangene Zuwiderhandlung habe beeinflussen können.

80 Zum Wesen der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Obergrenze sei festzustellen, dass die heute von international tätigen Großunternehmen erzielten Umsatzerlöse beträchtlich seien, so dass nur eine flexible Obergrenze, die die Unternehmensgröße mit einbeziehe, gewährleisten könne, dass die wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verhängten Geldbußen abschreckend wirkten. Außerdem sei die genannte Vorschrift insoweit hinreichend bestimmt, so dass die Unternehmen, an die sie sich richte, ohne Schwierigkeiten den von ihnen zu erwartenden Bußgeldbetrag ermitteln könnten.

Würdigung durch den Gerichtshof

81 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. u. a. Urteil vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique Diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 117 bis 119, und Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnr. 257) bezieht sich die Obergrenze von 10 % in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 auf den Gesamtumsatz des betroffenen Unternehmens, da nur dieser einen Anhaltspunkt für die Größe und den Einfluss eines Unternehmens auf den Markt liefert.

82 Außerdem geht aus der Rechtsprechung hervor (vgl. u. a. die Urteile Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Randnrn. 592 und 593, und Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnr. 278), dass die genannte Obergrenze nur für den Endbetrag der verhängten Geldbuße gilt. Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verbietet es der Kommission folglich nicht, bei den verschiedenen Berechnungsschritten zu einem Zwischenbetrag zu gelangen, der über dieser Grenze liegt, sofern der Endbetrag der Geldbuße sie nicht übersteigt.

83 In der vorliegenden Rechtssache ist festzustellen, dass die von der Kommission verhängte Geldbuße nicht über die genannte Obergrenze hinausging, wie sich aus Randnummer 367 des angefochtenen Urteils ergibt.

84 Zur Argumentation der Rechtsmittelführerin, dass das Gericht den Grundsatz der Gleichbehandlung und seine Begründungspflicht in Bezug auf die Höhe der Geldbuße verletzt habe, genügt der Hinweis, dass die Kommission, wie das Gericht in den Randnummern 367 bis 370 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat, befugt ist, diesen Betrag anhand zahlreicher Elemente und insbesondere unter Berücksichtigung von Schwere und Dauer der begangenen Zuwiderhandlungen sowie der besonderen Merkmale jedes an einem Kartell beteiligten Unternehmens zu ermitteln.

85 Daraus folgt, dass die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens in Bezug auf die Berechnungsmethode der Geldbußen individuelle Beurteilungen zwecks Anwendung dieser Methode auf die verschiedenen Unternehmen vorzunehmen hat.

86 Aus allen vorstehenden Erwägungen ergibt sich daher, dass das Gericht zutreffend entschieden hat, dass die bei der Festsetzung der fraglichen Geldbuße zu berücksichtigende Lage der Rechtsmittelführerin nicht mit der anderer Unternehmen vergleichbar war und dass die Kommission die Methode zur Berechnung der streitigen Geldbuße somit in schlüssiger Weise und ohne Diskriminierung angewandt hatte.

87 Der vierte Rechtsmittelgrund ist deshalb zurückzuweisen.

Fünfter Rechtsmittelgrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

88 Die Rechtsmittelführerin trägt vor, das Gericht habe rechtsfehlerhaft entschieden, dass die Kommission in hinreichendem Maß Akteneinsicht gewährt habe.

89 Die dahin gehenden Ausführungen des Gerichts seien widersprüchlich, da es einerseits festgestellt habe, dass nach den Angaben der Kommission die Unterlagen über die Zusammenarbeit der Unternehmen nicht in ihren internen Akten geführt würden, sondern zur Ermittlungsakte gehörten, die den Unternehmen zugänglich gemacht worden sei; andererseits habe das Gericht ausgeführt, dass sich in den internen Unterlagen Informationen befunden hätten, die für die Verteidigung der Rechtsmittelführerin relevant gewesen seien, weil sie die Zusammenarbeit der Unternehmen betroffen und tatsächlich Auswirkungen auf die Bußgeldbemessung gehabt hätten.

90 Das Gericht habe auch zu Unrecht entschieden, dass der Anhörungsbeauftragte dem Kollegium der Kommissionsmitglieder nur die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Ablaufs des Verwaltungsverfahrens relevanten, d. h. die begründeten Rügen mitteilen müsse.

91 Die Kommission trägt vor, die Argumentation, dass die Rechtsmittelführerin nicht in hinreichendem Maß Akteneinsicht erhalten habe, sei unzulässig, da sie keine Rechtsfrage betreffe, sondern Tatsachenfeststellungen des Gerichts. Der Gerichtshof sei weder für die Prüfung solcher Feststellungen noch für die Prüfung der Beweise zuständig, auf die das Gericht sie gestützt habe. Der Rechtsmittelgrund sei jedenfalls unbegründet.

92 Die Rechtsmittelführerin habe ihre Teilnahme am Graphitelektroden-Kartell selbst eingestanden, und das Gericht habe festgestellt, dass sie ein geständiges Mitglied dieses Kartells gewesen sei. Die entsprechenden Feststellungen der Kommission in der streitigen Entscheidung habe die Rechtsmittelführerin nicht nur nicht bestritten, sondern sie habe auch von den Vorschriften der Mitteilung über Zusammenarbeit profitiert.

93 Schließlich sei das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zum Bericht des Anhörungsbeauftragten mangels neuer Argumente zu dieser Frage zurückzuweisen.

Würdigung durch den Gerichtshof

94 Die Wahrung der Verteidigungsrechte stellt in allen Verfahren, die zu Sanktionen, namentlich zu Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können, einen fundamentalen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts dar, der auch in einem Verwaltungsverfahren beachtet werden muss (vgl. u. a. Urteil vom 2. Oktober 2003 in der Rechtssache C-194/99 P, Thyssen Stahl/Kommission, Slg. 2003, I-10821, Randnr. 30).

95 Zum Vorbringen der Rechtsmittelführerin in Bezug auf die Akteneinsicht genügt der Hinweis, dass sie keine Rechtsfrage aufwirft, sondern sich auf tatsächliche Feststellungen stützt. Das Gericht hat aber in den Randnummern 39 bis 41 des angefochtenen Urteils dargelegt, dass sich der fragliche Antrag auf Akteneinsicht nicht auf eine Liste oder eine nicht vertrauliche Zusammenfassung von Unterlagen bezog. Die vom Gericht in den genannten Randnummern des angefochtenen Urteils angestellten Erwägungen zur Behandlung einer Reihe von Unterlagen im Verwaltungsverfahren sind auch nicht widersprüchlich.

96 Zum Argument der Rechtsmittelführerin in Bezug auf den Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten genügt der Hinweis, dass dieser im fraglichen Zeitraum nicht zu prüfen brauchte, ob die Einstufung interner Unterlagen zutreffend war und ob die Kommission verpflichtet war, Einsicht in ihre internen Unterlagen zu gewähren oder eine Liste oder Zusammenfassung vertraulicher Unterlagen vorzulegen.

97 Nach ständiger Rechtsprechung stellt die unterbliebene Übermittlung eines Schriftstücks nur dann eine Verletzung der Verteidigungsrechte dar, wenn das betreffende Unternehmen erstens dartun kann, dass sich die Kommission zur Untermauerung ihres Vorwurfs, dass eine Zuwiderhandlung vorliege, auf dieses Schriftstück gestützt hat, und zweitens, dass dieser Vorwurf nur durch Heranziehung des fraglichen Schriftstücks belegt werden konnte (vgl. u. a. Urteile vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82, AEG/Kommission, Slg. 1983, 3151, Randnrn. 24 bis 30, und vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnrn. 7 bis 9).

98 Der Gerichtshof hat hierzu weiter ausgeführt, dass das betroffene Unternehmen dartun muss, dass das Ergebnis, zu dem die Kommission in der streitigen Entscheidung gekommen ist, anders ausgefallen wäre, wenn ein ihm nicht übermitteltes Schriftstück, auf das die Kommission die Feststellung der Zuwiderhandlung gestützt hat, als Beweismittel ausgeschlossen worden wäre (vgl. Urteil vom 7. Januar 2004 in den Rechtssachen C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, Aalborg Portland u. a./Kommission, Slg. 2004, I-123, Randnr. 73).

99 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass auch die Ausführungen des Gerichts zum Bericht des Anhörungsbeauftragten in den Randnummern 50 bis 54 des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler aufweisen.

100 Der fünfte Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

Sechster Rechtsmittelgrund: Nichtberücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Rechtsmittelführerin

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

101 Die Rechtsmittelführerin trägt vor, das Gericht habe in den Randnummern 370 bis 372 des angefochtenen Urteils außer Acht gelassen, dass ihre finanzielle Leistungsfähigkeit durch die hohen Geldbußen anderer Wettbewerbsbehörden sowie durch hohe Schadensersatzzahlungen in Drittstaaten erheblich geschwächt worden sei. Infolgedessen würde die Verhängung einer weiteren erheblichen Geldbuße das Unternehmen an den Rand des Konkurses treiben.

102 Durch die Billigung der entsprechenden Vorgehensweise der Kommission habe das Gericht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie den aus der Unternehmens- und Eigentumsfreiheit resultierenden Bestandsschutz eines Unternehmens verstoßen. Entgegen der Würdigung durch das Gericht wäre die Kommission verpflichtet gewesen, die Leistungsfähigkeit der Rechtsmittelführerin zu prüfen und zu berücksichtigen.

103 Die Kommission ist der Auffassung, dass sie das ihr bei der Festsetzung der Geldbuße zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt habe und dass für eine Herabsetzung der verhängten Geldbuße kein Anlass bestanden habe.

104 Das Gericht habe keinen Rechtsfehler begangen, als es entschieden habe, dass es nicht verpflichtet sei, die finanzielle Lage des betroffenen Unternehmens und seine Leistungsfähigkeit bei der Ermittlung der streitigen Geldbuße zu berücksichtigen.

Würdigung durch den Gerichtshof

105 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Kommission nicht verpflichtet, bei der Bemessung der Geldbuße die schlechte Finanzlage eines Unternehmens zu berücksichtigen, da die Anerkennung einer solchen Verpflichtung darauf hinauslaufen würde, den am wenigsten den Marktbedingungen angepassten Unternehmen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen (vgl. Urteil vom 8. November 1983 in den Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, IAZ International Belgium u. a./Kommission, Slg. 1983, 3369, Randnrn. 54 und 55, und Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnr. 327).

106 Diese Rechtsprechung wird auch nicht durch Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien in Frage gestellt, wonach die tatsächliche Steuerkraft eines Unternehmens zu berücksichtigen ist. Letztere ist nämlich nur im "gegebenen sozialen Umfeld" relevant, d. h. im Licht der Folgen, die die Zahlung der Geldbuße u. a. in Form einer Zunahme der Arbeitslosigkeit oder einer Beeinträchtigung der dem betreffenden Unternehmen vor- und nachgelagerten Wirtschaftssektoren hätte.

107 Die Rechtsmittelführerin hat keinen Anhaltspunkt für die Existenz eines solchen Umfelds vorgetragen.

108 Zu dem aus der Freiheit wirtschaftlicher Tätigkeiten und dem Eigentumsrecht abgeleiteten Argument der Rechtsmittelführerin genügt der Hinweis, dass diese Grundsätze Beschränkungen aufgrund des Allgemeininteresses unterliegen und dass sie im Kontext der Festsetzung einer Geldbuße wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft nicht herangezogen werden können.

109 Unter diesen Umständen hat das Gericht zu Recht die Ansicht vertreten, dass die Kommission keinen Rechtsfehler begangen hatte, als sie das auf die schlechte Finanzlage der Rechtsmittelführerin gestützte Vorbringen zurückwies.

110 Der sechste Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

Siebter Rechtsmittelgrund: Festsetzung von Verzugszinsen

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

111 Die Rechtsmittelführerin ist der Ansicht, dass das Gericht auf ihr Vorbringen zur Festsetzung von Verzugszinsen nicht eingegangen sei. Das angefochtene Urteil sei daher unvollständig und trage nicht die Zurückweisung dieses Vorbringens.

112 Die Kommission trägt vor, das Gericht habe die Entscheidung über die Verzugszinsen zu Recht bestätigt und seine dahin gehende Würdigung ausführlich begründet. Es habe insbesondere auf die ständige Rechtsprechung zur Befugnis der Kommission, solche Zinsen festzusetzen, Bezug genommen.

Würdigung durch den Gerichtshof

113 Das Gericht hat zur Beantwortung des vorgebrachten Klagegrundes in den Randnummern 475 und 478 des angefochtenen Urteils auf die ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach die der Kommission durch Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 eingeräumten Befugnisse das Recht umfassen, den Zahlungstermin für Geldbußen und den Beginn der Laufzeit von Verzugszinsen zu bestimmen sowie deren Satz und die Einzelheiten der Durchführung ihrer Entscheidung festzulegen.

114 Ohne eine solche Befugnis der Kommission könnten die Unternehmen aus verspäteten Zahlungen Vorteile ziehen, was die Wirkung der Sanktionen schwächen würde.

115 Das Gericht hat daher zu Recht die Ansicht vertreten, dass die Kommission berechtigt gewesen sei, eine über dem üblichen durchschnittlichen Marktzins liegende Bezugsgröße zu wählen, soweit dies erforderlich war, um hinhaltenden Verhaltensweisen bei der Zahlung der Geldbuße vorzubeugen.

116 Das Gericht ist schließlich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kommission ihr Ermessen bei der Festlegung des beanstandeten Zinssatzes nicht überschritten habe.

117 Diese Ausführungen des Gerichts sind frei von Rechtsfehlern.

118 Der siebte Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

119 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

120 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Rechtsmittelführerin beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die SGL Carbon AG trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

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