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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.07.2006
Aktenzeichen: C-313/04
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 2535/2001


Vorschriften:

Verordnung (EG) Nr. 2535/2001 Art. 25 Abs. 1 Unterabs. 1
Verordnung (EG) Nr. 2535/2001 Art. 35 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Große Kammer)

11. Juli 2006

"Milch und Milcherzeugnisse - Verordnung (EG) Nr. 2535/2001 - Neuseeländische Butter - Einfuhrlizenzverfahren - Bescheinigung Inward Monitoring Arrangement (IMA 1)"

Parteien:

In der Rechtssache C-313/04

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (Deutschland) mit Entscheidung vom 24. Juni 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Juli 2004, in dem Verfahren

Franz Egenberger GmbH Molkerei und Trockenwerk

gegen

Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung,

Beteiligte:

Fonterra (Logistics) Ltd,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas und J. Malenovský, der Richter J.-P. Puissochet und R. Schintgen, der Richterin N. Colneric sowie der Richter J. Klucka, U. Lõhmus und E. Levits (Berichterstatter),

Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Franz Egenberger GmbH Molkerei und Trockenwerk, vertreten durch die Rechtsanwälte C. Bittner und J. Gündisch,

- der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, vertreten durch den Verwaltungsangestellten K.-D. Lutz,

- der Fonterra (Logistics) Ltd, vertreten durch E. Gibson-Bolton, Solicitor, Rechtsanwalt A. Rinne, C. Firth und C. Humpe, Solicitors,

- der deutschen Regierung, vertreten durch C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,

- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, S. Ramet und A. Colomb als Bevollmächtigte,

- der polnischen Regierung, vertreten durch T. Nowakowski als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Cattabriga, F. Erlbacher und F. Hoffmeister als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Dezember 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit der Artikel 25 Absatz 1 Unterabsatz 1 und 35 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 2535/2001 der Kommission vom 14. Dezember 2001 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1255/1999 des Rates zur Einfuhrregelung für Milch und Milcherzeugnisse und zur Eröffnung der betreffenden Zollkontingente (ABl. L 341, S. 29).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Franz Egenberger GmbH Molkerei und Trockenwerk, einer Gesellschaft deutschen Rechts (im Folgenden: Klägerin), und der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (im Folgenden: BLE) über die Erteilung einer Lizenz für die Einfuhr neuseeländischer Butter zum ermäßigten Zollsatz.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Die Verordnung Nr. 1255/1999

3 Nach Artikel 26 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1255/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 160, S. 48) ist für alle Einfuhren der in Artikel 1 der Verordnung genannten Erzeugnisse - darunter auch Butter - in die Gemeinschaft die Vorlage einer Einfuhrlizenz erforderlich.

4 Artikel 26 Absatz 2 der Verordnung bestimmt:

"Die Lizenz wird ... von den Mitgliedstaaten jedem Antragsteller unabhängig vom Ort seiner Niederlassung in der Gemeinschaft erteilt.

Die Einfuhr- oder Ausfuhrlizenz gilt in der gesamten Gemeinschaft. Die Erteilung der Lizenzen ist an die Stellung einer Sicherheit gebunden, die die Erfüllung der Verpflichtung gewährleisten soll, die Einfuhr oder Ausfuhr während der Geltungsdauer der Lizenz durchzuführen; außer in Fällen höherer Gewalt verfällt die Sicherheit ganz oder teilweise, wenn die Ein- bzw. Ausfuhr innerhalb dieser Frist nicht oder nur teilweise erfolgt ist."

5 Nach Artikel 26 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung legt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die sonstigen Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel fest.

6 Artikel 29 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1255/1999 führt die Methoden auf, die zur Verwaltung der Zollkontingente angewandt werden können, und bestimmt, dass diese jegliche Diskriminierung zwischen den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern verhindern.

Die Verordnung Nr. 2535/2001

7 Artikel 25 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 2535/2001 sieht vor:

"Eine Lizenz für die Einfuhr der in Anhang III aufgeführten Erzeugnisse zu dem dort angegebenen Zollsatz wird nur auf Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung IMA 1 [Inward Monitoring Arrangement] für die darin angegebene Nettogesamtmenge erteilt."

8 In diesem Anhang III sind die kontingentierte Menge und der Einfuhrzollsatz für Butter mit Ursprung in Neuseeland festgelegt. Darüber hinaus ergibt sich aus der neunten Begründungserwägung der Verordnung, dass mit der Bescheinigung IMA 1, die von den zuständigen Behörden des jeweiligen Ausfuhrstaats ausgestellt wird, bescheinigt wird, dass die in die Europäischen Gemeinschaften eingeführten Waren die Voraussetzungen für die Zollsatzermäßigung erfüllen.

9 Nach Artikel 32 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2535/2001 ist eine Bescheinigung IMA 1 nur gültig, wenn sie von der in Anhang XII der Verordnung genannten Stelle des Ausfuhrlandes erteilt wurde. Für Neuseeland wird in diesem Anhang die Food Assurance Authority (Lebensmittelüberwachungsamt) im Ministerium für Land- und Forstwirtschaft als erteilende Stelle benannt. In Anhang IV der Verordnung ist festgelegt, wie das Gewicht und der Fettgehalt der neuseeländischen Butter zu kontrollieren und die Bescheinigung IMA 1 für diese Ware auszufüllen und zu überprüfen sind.

10 Nach Artikel 34 der Verordnung Nr. 2535/2001 gelten die Artikel 34 bis 42 der Verordnung für neuseeländische Butter. Artikel 35 Absatz 2 der Verordnung lautet:

"Einfuhrlizenzen können nur im Vereinigten Königreich beantragt werden.

Das Vereinigte Königreich überwacht sämtliche Bescheinigungen IMA 1, die ausgestellt, annulliert, geändert oder berichtigt beziehungsweise für die Kopien ausgestellt werden. Es stellt sicher, dass die Gesamtmenge, für die Einfuhrlizenzen erteilt werden, das Kontingent für das betreffende Einfuhrjahr nicht überschreitet."

Recht der Welthandelsorganisation

11 Artikel XVII Absatz 1 Buchstabe a des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens vom 30. Oktober 1947 in seiner ab 1. März 1969 geltenden Fassung (im Folgenden: GATT) bestimmt:

"Jede Vertragspartei, die an irgendeinem Ort ein staatliches Unternehmen errichtet oder betreibt oder einem Unternehmen rechtlich oder tatsächlich ausschließliche oder besondere Vorrechte gewährt, verpflichtet sich, sicherzustellen, dass dieses Unternehmen bei seinen Käufen oder Verkäufen, die Einfuhren oder Ausfuhren zur Folge haben, die allgemeinen Grundsätze der Nichtdiskriminierung beachtet, die nach diesem Abkommen für staatliche Unternehmen in Bezug auf die Ein- oder Ausfuhr durch Privatunternehmen vorgeschrieben sind."

12 Nach Artikel 1 Absatz 3 des im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) geschlossenen Übereinkommens über Einfuhrlizenzverfahren (ABl. 1994, L 336, S. 151) im Anhang des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation von 1994 (im Folgenden: WTO) müssen die Regeln für Einfuhrlizenzen in ihrer Anwendung neutral sein und in angemessener und gerechter Weise gehandhabt werden.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

13 Der neuseeländische Gesetzgeber erteilte mit dem Gesetz zur Umstrukturierung der Milchwirtschaft (Dairy Industry Restructuring Act 2001, im Folgenden: Gesetz von 2001), das am 27. September 2001 in Kraft trat, dem New Zealand Dairy Board (im Folgenden: NZDB), der vor kurzem mit anderen Milcherzeugern zur Fonterra Cooperative Group Ltd (im Folgenden: Fonterra), einer genossenschaftlichen Vermarktungsgesellschaft neuseeländischen Rechts, fusionierte, eine ausschließliche Lizenz für die zollermäßigte Ausfuhr neuseeländischer Butter in die Europäische Union. Das Gesetz von 2001 verbietet jede Übertragung dieser Ausfuhrlizenz auf Dritte. Fonterra exportiert die neuseeländische Butter in die Europäische Union ausschließlich über die NZMP Logistics (im Folgenden: NZMP), eine andere Tochtergesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich. Die NZMP ist demnach der ausschließliche Importeur neuseeländischer Butter in die Europäische Union.

14 Das Einfuhrverfahren lässt sich wie folgt beschreiben: Die Food Assurance Authority erteilt dem NZDB die Bescheinigung IMA 1, der sie an die NZMP weitergibt, nachdem er ihr die Butter verkauft hat. Die NZMP reicht den Antrag auf Erteilung der Einfuhrlizenz gemäß der Verordnung Nr. 2535/2001 zusammen mit der Bescheinigung IMA 1 im Vereinigten Königreich ein, führt die neuseeländische Butter in die Europäische Union ein, verkauft sie verzollt und versteuert weiter und erzielt damit die Differenz zwischen dem Einfuhrpreis und dem höheren Gemeinschaftspreis.

15 Die Klägerin beantragte am 25. August 2003 bei der BLE die Erteilung einer Lizenz für die zollermäßigte Einfuhr neuseeländischer Butter. Mit Bescheid vom 2. Oktober 2003 lehnte die BLE diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die Klägerin keine Bescheinigung IMA 1 vorgelegt habe und dass ein Antrag auf Erteilung einer Lizenz für die zollermäßigte Einfuhr neuseeländischer Butter nur im Vereinigten Königreich gestellt werden könne.

16 Die Klägerin hat dagegen beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main geklagt und geltend gemacht, dass Bestimmungen der Verordnung Nr. 2535/2001 gegen die Artikel 28 EG, 34 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG und 82 EG verstießen. Die Klägerin habe der Fonterra bereits im April 2001 ein Angebot für den Ankauf neuseeländischer Butter vorgelegt. Die Fonterrra habe dieses Angebot jedoch abgelehnt, weil sie zollermäßigte neuseeländische Butter ausschließlich über die NZMP in die Europäische Union exportiere. Die Klägerin sei deshalb nicht in der Lage, die Bescheinigung IMA 1 zu erhalten oder Butter für die Einfuhr zu kaufen.

17 Das vorlegende Gericht hält die Artikel 35 Absatz 2 und 25 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 2535/2001 wie die Klägerin für nichtig. Es stützt sich dabei auf vier Gesichtspunkte.

18 Erstens verstoße Artikel 35 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2535/2001 gegen Artikel 34 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG, da potenzielle Einführer von neuseeländischer Butter mit Sitz im Vereinigten Königreich Einfuhrlizenzen bei der Marktordnungsbehörde ihres eigenen Staates beantragen könnten, alle anderen Einführer ihren Antrag aber in einem anderen Mitgliedstaat, nämlich dem Vereinigten Königreich, stellen müssten. Für diese Einführer ergäben sich daraus höhere Kosten und - insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen - eine abschreckende Wirkung. Darüber hinaus verstoße diese Vorschrift gegen Artikel 26 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1255/1999, nach der Einfuhrbescheinigungen von allen Mitgliedstaaten ausgestellt würden.

19 Auch Artikel 25 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 2535/2001 verstoße gegen das Diskriminierungsverbot der Artikel 34 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG und 29 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1255/1999, weil er in der Praxis dazu führe, dass mit Ausnahme der NZMP, die als einziges Unternehmen in den Besitz einer Bescheinigung IMA 1 gelangen könne, alle potenziellen Einführer von neuseeländischer Butter im Rahmen des zollermäßigten Ausfuhrkontingents ausgeschlossen seien.

20 Zweitens verstießen die streitigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 2535/2001 gegen Artikel 28 EG.

21 Zum einen erschwere Artikel 35 Absatz 2 der Verordnung für nicht im Vereinigten Königreich ansässige Unternehmen den Zugang zum zollermäßigten Importkontingent für neuseeländische Butter und beschränke damit den freien Handel in der Gemeinschaft.

22 Zum anderen beschränke Artikel 25 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung wegen des wettbewerbswidrigen Verhaltens der Fonterra, die sich weigere, die zollermäßigte neuseeländische Butter an andere Einführer als die NZMP zu verkaufen, den Handel mit dieser Ware in der Gemeinschaft.

23 Drittens übernehme Artikel 25 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 2535/2001 die neuseeländische Regelung, die der Fonterra bezüglich der zollermäßigten Ausfuhr von neuseeländischer Butter eine Monopolstellung einräume, in die Gemeinschaftsrechtsordnung. Damit verstoße diese Vorschrift auch gegen Artikel 82 Absatz 1 EG.

24 Viertens schließlich verstießen die streitigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 2535/2001 gegen Artikel XVII:1 Buchstabe a GATT und Artikel 1 Absatz 3 des Übereinkommens über Einfuhrlizenzverfahren. Der Gemeinschaftsgesetzgeber habe mit dem Erlass der Verordnung Nr. 2535/2001 im Rahmen der WTO übernommene Verpflichtungen umsetzen wollen. Nach dem Urteil vom 7. Mai 1991 in der Rechtssache C-69/89 (Nakajima/Rat, Slg. 1991, I-2069) könne die Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts am Maßstab des einschlägigen WTO-Rechts überprüft werden.

25 Zum einen verstoße Artikel 25 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2535/2001 durch die Übernahme der gegen die Vorschriften des GATT verstoßenden neuseeländischen Regelung in das Sekundärrecht der Gemeinschaft gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, wie er in Artikel XVII:1 Buchstabe a GATT verankert sei.

26 Zum anderen seien die in den Artikeln 35 Absatz 2 und 25 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2535/2001 festgelegten Regeln weder neutral noch angemessen und verstießen daher gegen Artikel 1 Absatz 3 des Übereinkommens über Einfuhrlizenzverfahren.

27 Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Verstößt Artikel 35 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2535/2001 gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht, insbesondere das Verbot der mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung des Artikels 28 EG, das Diskriminierungsverbot des Artikels 34 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG und gegen Artikel 26 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1255/1999, und ist er deshalb ungültig?

2. Verstößt Artikel 25 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2535/2001 gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht, insbesondere das Diskriminierungsverbot des Artikels 34 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG und das Diskriminierungsverbot des Artikels 29 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1255/1999, gegen Artikel 28 EG und gegen Artikel 82 Absatz 1 EG, und ist er deshalb ungültig?

3. Verstoßen Artikel 25 Absatz 1 und Artikel 35 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2535/2001 gegen Artikel XVII:1 Buchstabe a GATT und gegen Artikel 1 Absatz 3 des Übereinkommens über das Einfuhrlizenzverfahren, und sind sie deshalb ungültig?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

28 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 35 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2535/2001 wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung des Artikels 34 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG und des Artikels 26 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1255/1999 sowie gegen das Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung des Artikels 28 EG ungültig ist, soweit er vorsieht, dass ein Antrag auf Erteilung einer Einfuhrlizenz für neuseeländische Butter zwingend im Vereinigten Königreich zu stellen ist.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

29 Die Klägerin, die BLE sowie die deutsche, die französische und die polnische Regierung machen geltend, die in Rede stehende Diskriminierung betreffe die Methode der Verwaltung des Einfuhrkontingents, nämlich den Ort (Vereinigtes Königreich), an dem die Anträge auf Erteilung von Einfuhrlizenzen für neuseeländische Butter gestellt werden müssten. Für andere unter die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse fallende Produkte könnten Einfuhrlizenzen nämlich bei den jeweiligen staatlichen Stellen beantragt werden.

30 Dass die Einfuhrlizenzen im Vereinigten Königreich beantragt werden müssten, benachteilige die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Wirtschaftsteilnehmer, da es für sie mit zusätzlichen Kosten verbunden sei. Diese Ungleichbehandlung sei durch nichts gerechtfertigt.

31 Die Fonterra und die Kommission machen geltend, dass die Kommission im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik über ein weites Ermessen verfüge. Dass ein und dieselbe Maßnahme für bestimmte Importeure unterschiedliche Auswirkungen habe, stelle keine Diskriminierung dar, wenn sie auf objektiven, den Erfordernissen des gesamten Funktionierens der gemeinsamen Marktorganisation angepassten Kriterien beruhe. Die streitige Bestimmung solle die ordnungsgemäße Abwicklung des Kontingents sicherstellen und deren Überprüfbarkeit erleichtern.

32 Die sich durch dieses Verfahren für potenzielle Importeure neuseeländischer Butter aus anderen Mitgliedstaaten ergebenden Nachteile seien verschwindend gering, da sie den Antrag nach der Verordnung Nr. 2535/2001 in der Sprache ihrer Wahl stellen könnten und die damit verbundenen Kosten die im Rahmen normaler Geschäftsbeziehungen entstehenden Kosten nicht überstiegen. Die unterschiedliche Behandlung sei somit objektiv gerechtfertigt und auf das zur Erreichung des verfolgten Zieles Erforderliche beschränkt.

Würdigung durch den Gerichtshof

33 Vorab ist daran zu erinnern, dass Artikel 34 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG, der im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik das Verbot der Diskriminierung aufstellt, nach ständiger Rechtsprechung lediglich ein besonderer Ausdruck des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes ist, der besagt, dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt wäre (vgl. u. a. Urteile vom 17. April 1997 in der Rechtssache C-15/95, EARL de Kerlast, Slg. 1997, I-1961, Randnr. 35, vom 13. April 2000 in der Rechtssache C-292/97, Karlsson u. a., Slg. 2000, I-2737, Randnr. 39, vom 6. März 2003 in der Rechtssache C-14/01, Niemann, Slg. 2003, I-2279, Randnr. 49, und vom 30. März 2006 in den Rechtssachen C-87/03 und C-100/03, Spanien/Rat, Slg. 2006, I-0000, Randnr. 48).

34 Im vorliegenden Fall befinden sich die im Vereinigten Königreich ansässigen Importeure neuseeländischer Butter und die in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Importeure unbestreitbar in einer vergleichbaren Lage.

35 Die Vorgabe in Artikel 35 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2535/2001, wonach Letztere die Einfuhrlizenzen in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres Sitzes beantragen müssen, führt jedoch zu einer Ungleichbehandlung zwischen diesen potenziellen Importeuren und den im Vereinigten Königreich ansässigen. Dass die Ersteren den Antrag in einem anderen Mitgliedstaat stellen müssen, kann für sie Schwierigkeiten zur Folge haben, denen im Vereinigten Königreich ansässige Importeure nicht ausgesetzt sind. Dabei sind es weniger die vorgesehene Sprachenregelung - die Antragsformulare sind in allen Amtssprachen erhältlich - als vielmehr die Erschwernisse durch ein ausländisches Verwaltungs- und gegebenenfalls Gerichtsverfahren, die die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Importeure benachteiligen und sie von der Beantragung einer Einfuhrlizenz abhalten können.

36 Was das Vorbringen der Kommission und der Fonterra betrifft, die gerichtliche Überprüfung einer von der Kommission im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik erlassenen Vorschrift durch den Gerichtshof sei auf die Prüfung beschränkt, ob ein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder ein Ermessensmissbrauch vorliege, so ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 2535/2001 auf die Artikel 26 Absatz 3 und 29 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1255/1999 gestützt ist und dass der Rat in Artikel 29 Absatz 2 ausdrücklich bestimmt hat, dass die Methoden der Verwaltung der festgelegten Kontingente "jegliche Diskriminierung zwischen den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern verhindern" müssen.

37 Es ist daher zu prüfen, ob die streitige Bestimmung, wie die Kommission vorträgt, durch das Bestreben, die ordnungsgemäße Abwicklung des Kontingents sicherzustellen und deren Überprüfbarkeit zu erleichtern, objektiv gerechtfertigt wird.

38 Die Kommission macht geltend, würde den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten gestattet, Lizenzen für die zollermäßigte Einfuhr neuseeländischer Butter zu erteilen, so könnten die Ziele, die die Begrenzung der Zuständigkeit für die Erteilung dieser Lizenzen auf einen einzigen Mitgliedstaat rechtfertigten, nicht erreicht werden, da diese Ziele nur mit der in Artikel 35 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2535/2001 getroffenen Regelung erreicht werden könnten.

39 Jedoch liegt die Zuständigkeit für die Erteilung von Einfuhrlizenzen für andere landwirtschaftliche Erzeugnisse bei den zuständigen Behörden des jeweiligen Mitgliedstaats (vgl. insbesondere, was sonstige Milcherzeugnisse angeht, für die eine Bescheinigung IMA 1 erforderlich ist, Abschnitt 1 des Kapitels III des Titels 2 der Verordnung Nr. 2535/2001 sowie die Artikel 11 bis 16 der Verordnung in Bezug auf Milcherzeugnisse, für die keine Bescheinigung IMA 1 erforderlich ist). Daher ist die Auffassung nicht vertretbar, dass die Begrenzung der Zuständigkeit für die Erteilung von Einfuhrlizenzen für neuseeländische Butter auf einen Mitgliedstaat erforderlich sei, um das Ziel der ordnungsgemäßen Abwicklung des Kontingents und der Erleichterung von Kontrollen zu erreichen.

40 Demnach kann das von der Kommission angeführte Ziel die Erschwernisse, die sich für die nicht im Vereinigten Königreich ansässigen Wirtschaftsteilnehmer daraus ergeben, dass sie die Einfuhrlizenz in diesem Mitgliedstaat beantragen müssen, und infolgedessen auch die Ungleichbehandlung zwischen den Einführern nach Artikel 35 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2535/2001 nicht rechtfertigen.

41 Diese Bestimmung ist folglich diskriminierend und verstößt somit gegen Artikel 34 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG.

42 Ohne dass die anderen Teile der ersten Frage beantwortet werden müssten, ist daher festzustellen, dass Artikel 35 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2535/2001 ungültig ist, soweit er bestimmt, dass Lizenzen für die Einfuhr neuseeländischer Butter zum ermäßigten Zollsatz nur bei den zuständigen Behörden des Vereinigten Königreichs beantragt werden können.

Zur zweiten Frage

43 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Bestimmungen der Verordnung Nr. 2535/2001, in denen die Einzelheiten der zollermäßigten Einfuhr neuseeländischer Butter festgelegt sind, nämlich die Artikel 25 und 32, in Verbindung mit den Anhängen III, IV und XII dieser Verordnung ungültig sind, weil sie insoweit gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, wie er in den Artikeln 34 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG und 29 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1255/1999 verankert ist, sowie gegen die Artikel 28 EG und 82 EG verstoßen, als sie in der Praxis auf ein System der Verwaltung der Zollkontingente für dieses Erzeugnis hinauslaufen, das es, wie hier, nur einem einzigen Unternehmen ermöglicht, eine Einfuhrlizenz zu erhalten.

44 Die Klägerin sowie die deutsche und die polnische Regierung machen geltend, dass Artikel 25 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 2535/2001 gegen das Diskriminierungsverbot des Artikels 34 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG verstoße. In diesem Zusammenhang weist die Klägerin darauf hin, dass diese Bestimmung das wettbewerbswidrige Verhalten der Fonterra fördere und deren beherrschende Stellung stärke, so dass potenzielle, in der Gemeinschaft ansässige Importeure neuseeländischer Butter gegenüber der europäischen Tochtergesellschaft der Fonterra, der NZMP, benachteiligt würden.

45 Die Kommission und die Fonterra tragen vor, dass das angeblich wettbewerbswidrige Verhalten der Fonterra nicht einmal mittelbar zum Regelungsgehalt des Artikels 25 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2535/2001 gehöre, da diese Bestimmung keine Diskriminierung potenzieller, in der Gemeinschaft ansässiger Importeure von zollermäßigter neuseeländischer Butter beinhalte.

46 Vorab ist daran zu erinnern, dass in den Artikeln 34 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG und 29 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1255/1999 ein und derselbe Grundsatz der Nichtdiskriminierung zum Ausdruck kommt.

47 Aus den Artikeln 26 Absatz 3 und 29 der Verordnung Nr. 1255/1999 geht hervor, dass der Rat die Kommission beauftragt hat, unter Beachtung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Einzelheiten der Verwaltung des Zollkontingents für zollermäßigte neuseeländische Butter festzulegen.

48 Hierfür wählte die Kommission die Regelung, nach der Einfuhrlizenzen nach Vorlage einer Bescheinigung IMA 1 erteilt werden. Nach der neunten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2535/2001 wird das Einfuhrverfahren durch diese Regelung, bei der das Ausfuhrland garantiert, dass die ausgeführten Erzeugnisse der Warenbeschreibung entsprechen, erheblich vereinfacht.

49 Was neuseeländische Butter angeht, so ist nach Anhang XII der Verordnung Nr. 2535/2001 die Food Assurance Authority mit der Aufgabe betraut worden, die Bescheinigung IMA 1 für zollermäßigt in die Gemeinschaft eingeführte Butter auszustellen. Nach Artikel 25 Absatz 1 der Verordnung wird eine Lizenz für die zollermäßigte Einfuhr neuseeländischer Butter nur erteilt, wenn den zuständigen Behörden eine Bescheinigung IMA 1 vorgelegt wird.

50 Die Kommission verfügt bei der Wahl der Verwaltungsmittel, deren sie sich bedient, um die ihr vom Rat nach den Artikeln 26 und 29 der Verordnung Nr. 1255/1999 übertragene Aufgabe zu erfüllen, über einen gewissen Ermessensspielraum.

51 Dabei muss sie, wie in Artikel 29 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1255/1999 festgehalten wird, den Grundsatz der Nichtdiskriminierung beachten.

52 Auf der Grundlage dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Regelung über die Erteilung der Lizenzen für die zollermäßigte Einfuhr neuseeländischer Butter in den einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 2535/2001 mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung vereinbar ist.

53 In Section 24 (1) des Gesetzes von 2001 wird dem NZDB die ausschließliche Lizenz für die zollermäßigte Ausfuhr neuseeländischer Butter in die Europäische Gemeinschaft erteilt. Der NZDB ist also das einzige Unternehmen, das über - der Menge der ausgeführten Butter entsprechende - Ausfuhrbescheinigungen und Bescheinigungen IMA 1 verfügen kann.

54 Der NZDB verkauft die Butter mit den entsprechenden Bescheinigungen IMA 1 für die Einfuhr in die Gemeinschaft ausschließlich an seine europäische Tochtergesellschaft NZMP. Folglich ist die NZMP das einzige Unternehmen, das neuseeländische Butter zum ermäßigten Zollsatz einführen kann.

55 Zwar entspricht die Wahl des Verfahrens der Bescheinigung IMA 1, wie es in der Verordnung Nr. 2535/2001 geregelt ist, den Zielen, das Einfuhrverfahren zu vereinfachen und die Einhaltung der Zollkontingente besser sicherzustellen, doch darf diese Art der Kontingentverwaltung nicht dazu führen, dass von dem Verfahren der Einfuhr von Butter in die Europäische Gemeinschaft alle potenziellen Einführer dieses Erzeugnisses mit Ausnahme eines Unternehmens ausgeschlossen werden und es zu einer Diskriminierung zwischen diesen Wirtschaftsteilnehmern kommt.

56 Die Regelung der zollermäßigten Einfuhr neuseeländischer Butter in den Artikeln 25 und 32 in Verbindung mit den Anhängen III, IV und XII der Verordnung Nr. 2535/2001 lässt diese Diskriminierung jedoch zu.

57 Die Kommission hat nämlich dadurch, dass sie die Aufgabe, die Bescheinigungen IMA 1 zu erteilen, trotz der Geltung des Gesetzes von 2001, das ein Ausfuhrmonopol des NZDB vorsieht, den neuseeländischen Behörden übertragen hat, nicht die zur Verhinderung einer Diskriminierung bei der Erteilung der Einfuhrlizenzen notwendigen Maßnahmen ergriffen, obwohl sie dazu nach Artikel 29 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1255/1999 verpflichtet war.

58 Ohne dass die anderen Teile der zweiten Frage zu beantworten wären, ist daher festzustellen, dass die Artikel 25 und 32 in Verbindung mit den Anhängen III, IV und XII der Verordnung Nr. 2535/2001 insoweit ungültig sind, als sie bei der Erteilung von Lizenzen für die Einfuhr neuseeländischer Butter zum ermäßigten Zollsatz eine Diskriminierung zulassen.

Zur dritten Frage

59 In Anbetracht der Antworten auf die ersten beiden Fragen braucht die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

60 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1. Artikel 35 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 2535/2001 der Kommission vom 14. Dezember 2001 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1255/1999 des Rates zur Einfuhrregelung für Milch und Milcherzeugnisse und zur Eröffnung der betreffenden Zollkontingente ist ungültig, soweit er bestimmt, dass Lizenzen für die Einfuhr neuseeländischer Butter zum ermäßigten Zollsatz nur bei den zuständigen Behörden des Vereinigten Königreichs beantragt werden können.

2. Die Artikel 25 und 32 in Verbindung mit den Anhängen III, IV und XII der Verordnung Nr. 2535/2001 sind insoweit ungültig, als sie bei der Erteilung von Lizenzen für die Einfuhr neuseeländischer Butter zum ermäßigten Zollsatz eine Diskriminierung zulassen.



Ende der Entscheidung

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