Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 06.04.1995
Aktenzeichen: C-315/93
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, EG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 7
EG-Vertrag Art. 6
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Durch den Erlaß der Richtlinien 80/217 und 80/1095 über Maßnahmen zur Bekämpfung der klassischen Schweinepest wollte der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht die finanziellen Aspekte der Durchführung dieser Maßnahmen durch die Eigentümer der betroffenen Tiere regeln und insbesondere keine Maßnahmen zur Entschädigung dieser Eigentümer regeln. Da die Frage der Entschädigung der Eigentümer, deren Schweine auf Anordnung der nationalen Behörden im Rahmen von Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Seuche getötet werden, im Gemeinschaftsrecht nicht geregelt ist, fällt sie in die Zuständigkeit des jeweiligen Mitgliedstaats. Die Gemeinschaftsregelung zur Bekämpfung der klassischen Schweinepest ist folglich dahin auszulegen, daß sie die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, eine Regelung zur Entschädigung der Eigentümer, deren Schweine auf Anordnung der nationalen Behörden getötet werden, vorzusehen.

2. Die Gemeinschaftsregelung zur Bekämpfung der klassischen Schweinepest verstösst nicht gegen das in Artikel 7 des Vertrages ausgesprochene Diskriminierungsverbot, weil ihr in Anbetracht der Tatsache, daß sie die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, eine Regelung zur Entschädigung der Eigentümer vorzusehen, deren Schweine auf Anordnung der nationalen Behörden getötet werden, nicht vorgeworfen werden kann, unterschiedliche Entschädigungen nach Maßgabe der Staatsangehörigkeit der Eigentümer der getöteten Tiere vorzuschreiben.

Auch der Umstand, daß einige Mitgliedstaaten im Rahmen der ihnen verbliebenen Zuständigkeiten eine Regelung zur Entschädigung dieser Eigentümer erlassen haben, während andere Mitgliedstaaten dies möglicherweise nicht getan haben, verletzt die Bestimmungen des Vertrages nicht.

Daß die Gemeinschaften eine vollständige oder teilweise Entschädigung der Eigentümer vorgeschrieben haben, deren Tiere im Zuge der Bekämpfung anderer Tierseuchen als der klassischen Schweinepest getötet werden, verstösst ebenfalls nicht gegen das Diskriminierungsverbot oder den in Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz, da es sich um objektiv unterschiedliche Sachverhalte handelt.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (DRITTE KAMMER) VOM 6. APRIL 1995. - FLIP CV UND O. VERDEGEM NV GEGEN BELGISCHER STAAT. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: RECHTBANK VAN EERSTE AANLEG GENT - BELGIEN. - LANDWIRTSCHAFT - BEKAEMPFUNG DER KLASSISCHEN SCHWEINEPEST - ENTSCHAEDIGUNG DER EIGENTUEMER GETOETETER SCHWEINE. - RECHTSSACHE C-315/93.

Entscheidungsgründe:

1 Die Rechtbank van eerste aanleg Gent (Belgien) hat mit Beschluß vom 26. Mai 1993, eingetragen in das Register bei der Kanzlei des Gerichtshofes am 14. Juni 1993, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung und der Gültigkeit der Entscheidung 88/529/EWG der Kommission vom 7. Oktober 1988 zur Genehmigung des vom Königreich Belgien vorgelegten Plans zur Tilgung der klassischen Schweinepest (ABl. L 291, S. 78) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen der landwirtschaftlichen Genossenschaft Flip CV und der O. Verdegem NV einerseits und dem belgischen Staat andererseits über die Entschädigung, die die Klägerinnen beanspruchen, weil in ihrem Eigentum stehende Schweine auf Anordnung der belgischen Gesundheitsbehörden im Rahmen von Maßnahmen zur Bekämpfung der klassischen Schweinepest getötet worden waren. Die Rechtsstreitigkeiten beziehen sich auf die Höhe der zu zahlenden Entschädigungen und die Frage, ob Verzugszinsen zu gewähren sind.

3 Die Klägerinnen stützen ihre Anträge auf Artikel 15 § 1 der Königlichen Verordnung vom 10. September 1981 über Maßnahmen der Veterinärpolizei in bezug auf die klassische Schweinepest und die afrikanische Schweinepest (Moniteur belge vom 11. November 1981, S. 14238). Dieser lautet wie folgt:

"Den Eigentümern der auf Anordnung [der Veterinärbehörde] getöteten Schweine wird im Rahmen der Haushaltsmittel eine Entschädigung gewährt:

1. in Höhe von 50 % des Schätzwerts bei erkrankten oder im Verdacht einer Erkrankung stehenden Schweinen;

2. in Höhe des vollen Schätzwerts bei im Verdacht einer Infektion stehenden Schweinen."

4 Der Beklagte führte vor dem nationalen Gericht aus, Artikel 15 § 1 verpflichte nur dazu, im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel eine Entschädigung, nicht aber Verzugszinsen, zu zahlen.

5 Die Klägerinnen hielten dem entgegen, daß die Königliche Verordnung vom 10. September 1981 im Lichte der gemeinschaftlichen Regelung zur Bekämpfung der Schweinepest und insbesondere des Artikels 2 Nr. 1 Buchstabe f der Entscheidung 80/1097/EWG des Rates vom 11. November 1980 über eine finanzielle Maßnahme der Gemeinschaft zur Ausmerzung der afrikanischen Schweinepest auf Sardinien (ABl. L 325, S. 8) auszulegen sei, wonach die Pläne zur Tilgung der Schweinepest "eine sofortige und vollständige Entschädigung der Besitzer, deren Schweine im Zuge der Durchführung des Plans getötet werden", vorsehen müssten.

6 Diese Bestimmung sei implizit auch in der Entscheidung 88/529 enthalten und müsse vom nationalen Gericht bei der Auslegung und der Anwendung der Königlichen Verordnung vom 10. September 1981 auf den vorliegenden Fall berücksichtigt werden. Wenn der in Artikel 2 der Entscheidung 80/1097 aufgestellte Entschädigungsgrundsatz nicht auch für die Entscheidung 88/529 gälte, ergäbe sich eine Diskriminierung der belgischen Erzeuger, die mit Artikel 7 des Vertrages unvereinbar wäre.

7 Das vorlegende Gericht hat unter diesen Umständen Zweifel hinsichtlich der Auslegung und der Gültigkeit der einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts. Es hat daher die Verfahren in beiden Rechtsstreitigkeiten ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Zur Auslegung

a) Ist die an das Königreich Belgien gerichtete Entscheidung 88/529/EWG der Kommission vom 7. Oktober 1988 zur Genehmigung des vom Königreich Belgien vorgelegten Plans zur Tilgung der klassischen Schweinepest (ABl. 1988, L 291 vom 25. Oktober 1988, S. 78) dahin auszulegen, daß sie auch die Bestimmung umfasst, wonach eine "sofortige und vollständige Entschädigung der Besitzer, deren Schweine im Zuge der Durchführung des Plans getötet werden", erfolgen muß (wie sie in Artikel 2 Nr. 1 Buchstabe f der an die Italienische Republik gerichteten Entscheidung 80/1097/EWG der Kommission vom 11. November 1980, ABl. L 325 vom 1. Dezember 1980, S. 8, enthalten ist)?

b) Folgt aus einer Bejahung der Frage 1.a), daß für die Hauptforderung auch Verzugszinsen und gerichtlich festgesetzte Zinsen geschuldet werden?

2. Zur Gültigkeit

Verletzt die Entscheidung 88/529/EWG bei Verneinung der vorstehenden Fragen das in Artikel 7 EWG-Vertrag niedergelegte Diskriminierungsverbot, weil italienische Eigentümer Anspruch auf eine sofortige und vollständige Entschädigung haben, während belgischen Eigentümern dieser Anspruch nur im Rahmen der Haushaltsmittel zusteht, obwohl beide Entscheidungen Ausdruck derselben europäischen Rechtsetzung sind?

Die gemeinschaftlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Schweinepest

8 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die eine der beiden von den Klägerinnen angeführten und vom vorlegenden Gericht in seinen Fragen erwähnten Entscheidungen die "klassische" Schweinepest (Entscheidung 88/529), die andere die "afrikanische" Schweinepest (Entscheidung 80/1097) betrifft; es handelt sich dabei um zwei verschiedene Tierseuchen, die Gegenstand von getrennten Maßnahmen der Gemeinschaft gewesen sind.

9 Zur Bekämpfung der "klassischen" Schweinepest leitete der Rat 1980 eine Maßnahme ein. Er erließ zunächst die Richtlinie 80/217/EWG vom 22. Januar 1980 über Maßnahmen der Gemeinschaft zur Bekämpfung der klassischen Schweinepest (ABl. L 47, S. 11). Mit dieser Richtlinie wird die Harmonisierung der nationalen Vorschriften zur Verhütung und zur Bekämpfung der klassischen Schweinepest bezweckt. Die Königliche Verordnung vom 10. September 1981 dient u. a. der Umsetzung dieser Richtlinie in belgisches Recht.

10 Zur Tilgung der damals verbreitet im Gebiet der Gemeinschaft auftretenden klassischen Schweinepest erließ der Rat dann die Richtlinie 80/1095/EWG vom 11. November 1980 zur Festlegung der Bedingungen, unter denen das Gebiet der Gemeinschaft von klassischer Schweinepest freigemacht und freigehalten werden kann (ABl. L 325, S. 1). Diese Richtlinie begründete im Kern eine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, in deren Hoheitsgebiet die Seuche auftrat, Pläne zu erlassen, um diese innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren auszumerzen. Die Entscheidung 80/1096/EWG des Rates vom 11. November 1980 über eine finanzielle Maßnahme der Gemeinschaft zur Ausmerzung der klassischen Schweinepest (ABl. L 325, S. 5) sah eine finanzielle Unterstützung der Gemeinschaft für die Mitgliedstaaten vor.

11 Da sich diese Maßnahmen als unzureichend erwiesen, erließ der Rat 1987 weitere Maßnahmen zur Fortführung und Verstärkung seiner früheren Maßnahmen. Er verpflichtete insbesondere die Mitgliedstaaten, die noch nicht von der klassischen Schweinepest frei waren, neue Tilgungspläne zu erstellen, um die Seuche innerhalb von vier Jahren auszumerzen. Für diese Pläne gewährte die Gemeinschaft ebenfalls eine finanzielle Unterstützung.

12 Gegenstand der Entscheidung 88/529, auf die sich die Fragen des vorlegenden Gerichts beziehen, ist die Genehmigung des neuen vom Königreich Belgien vorgelegten Plans zur Tilgung der klassischen Schweinepest. Artikel 1 dieser Entscheidung lautet: "Der von Belgien vorgelegte Plan zur Fortführung der Tilgung der klassischen Schweinepest wird genehmigt." Nach Artikel 2 hatte "Belgien... die zur Durchführung des in Artikel 1 genannten Plans erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften am 1. Januar 1988 in Kraft" zu setzen.

13 Zur Bekämpfung der "afrikanischen" Schweinepest erließ die Gemeinschaft punktülle Maßnahmen, die auf die Tilgung der Seuche in bestimmten Gebieten oder Ländern der Gemeinschaft beschränkt waren.

14 Zum einen verpflichtete der Rat bestimmte Mitgliedstaaten, Pläne zur Tilgung der Seuche im Gegenzug für eine finanzielle Unterstützung durch die Gemeinschaft aufzustellen. Dies gilt insbesondere für die Maßnahmen zur Tilgung der 1977 auf Sardinien aufgetretenen afrikanischen Schweinepest. Nachdem der Rat Italien bereits eine finanzielle Unterstützung gewährt hatte, erließ er die Entscheidung 80/1097. Nach dieser Entscheidung ist die Italienische Republik verpflichtet, einen Dringlichkeitsplan zu erstellen, um die afrikanische Schweinepest auf Sardinien innerhalb von höchstens fünf Jahren auszumerzen. Dieser Plan muß gemäß der Entscheidung energische Tilgungsmaßnahmen und insbesondere "eine sofortige und vollständige Entschädigung der Besitzer, deren Schweine im Zuge der Durchführung des Plans getötet werden" (Artikel 2 Nr. 1 Buchstabe f) vorsehen. Da die Krankheit weiterhin auftrat, mussten die italienischen Behörden gemäß der Entscheidung 90/217/EWG des Rates vom 25. April 1990 über eine finanzielle Maßnahme der Gemeinschaft zur Tilgung der afrikanischen Schweinepest auf Sardinien (ABl. L 116, S. 24) einen neuen Plan zur Tilgung der afrikanischen Schweinepest vorlegen.

15 Die Gemeinschaft erließ ferner gesundheitspolizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung des innergemeinschaftlichen Handels mit Tieren oder mit Fleisch von Tieren aus von der Seuche betroffenen Gebieten.

Die Fragen des vorlegenden Gerichts

16 Aus den Gründen des Vorlagebeschlusses ergibt sich, daß das nationale Gericht aufgrund der Ausführungen der Parteien Zweifel an der Vereinbarkeit von Artikel 15 § 1 der Königlichen Verordnung vom 10. September 1981 mit dem Gemeinschaftsrecht hat, da diese Bestimmung keine vollständige und sofortige Entschädigung der Eigentümer, deren Schweine auf Anordnung der Verwaltung im Rahmen einer Maßnahme zur Bekämpfung der klassischen Schweinepest getötet werden, vorsieht.

17 Die Entscheidung 88/529, auf die sich die Fragen des vorlegenden Gerichts beziehen, ist eine Maßnahme zur Durchführung der Richtlinie 80/1095 und der zu ihrer Änderung ergangenen Richtlinien, während die Königliche Verordnung vom 10. September 1981 die Richtlinie 80/217 in das belgische Recht umsetzt. Die Entscheidung hat also einen anderen Gegenstand als die Königliche Verordnung. Sie enthält ferner keine für den belgischen Staat verbindliche Maßnahme, abgesehen von der Verpflichtung, den Tilgungsplan, dessen Bestimmungen im Ausgangsrechtsstreit nicht beanstandet werden, ab dem 1. Januar 1988 durchzuführen.

18 Die Auslegung der Entscheidung 88/529 und die Beurteilung ihrer Gültigkeit sind daher für die Beantwortung der Fragen, die sich das vorlegende Gericht tatsächlich stellt, irrelevant.

19 Im Interesse einer vollständigen und zweckdienlichen Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens sind die Vorlagefragen so zu verstehen, daß sie allgemein dahin gehen, ob die Gemeinschaftsregelung zur Bekämpfung der klassischen Schweinepest insgesamt so auszulegen ist, daß sie eine vollständige und sofortige Entschädigung der Erzeuger, deren Schweine auf Anordnung der nationalen Behörden getötet worden sind, vorsieht, und ob diese Regelung andernfalls als mit dem Diskriminierungsverbot des Artikels 7 EWG-Vertrag, nunmehr Artikel 6 EG-Vertrag, vereinbar anzusehen ist.

Zur Auslegung der Gemeinschaftsregelung

20 Die Klägerinnen machen geltend, die Gemeinschaftsregelung zur Bekämpfung der Schweinepest sei dahin auszulegen, daß sie eine sofortige und vollständige, also Verzugszinsen einschließende Entschädigung der Eigentümer getöteter Tiere vorsehe. Diese Regelung stelle ein einheitliches System dar, innerhalb dessen die vom vorlegenden Gericht in seinen Fragen erwähnten Entscheidungen 88/529 und 80/1097 nicht isoliert betrachtet werden dürften. Artikel 2 Nr. 1 Buchstabe f der Entscheidung 80/1097 enthalte einen allgemeinen Grundsatz der Gemeinschaftspolitik in diesem Bereich, der zumindest implizit auch Teil der Entscheidung 88/529 sei.

21 Die Kommission und die belgische Regierung machen dagegen geltend, daß die Gemeinschaftsregelung zur Bekämpfung der klassischen Schweinepest den Grundsatz einer sofortigen und vollständigen Entschädigung der Eigentümer getöteter Tiere nicht vorsehe. Weder enthalte die Regelung betreffend die klassische Schweinepest eine diesbezuegliche Bestimmung, noch stelle eine Entschädigung dieser Art einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts oder auch einen Grundsatz der Gemeinschaftspolitik in diesem Bereich dar. Die Kommission führt insbesondere aus, daß sich ein solcher Grundsatz aus Bestimmungen, wie sie die Entscheidungen 86/649/EWG und 86/650/EWG des Rates vom 16. Dezember 1986 (ABl. L 382, S. 5 und 9), 89/145/EWG des Rates vom 20. Februar 1989 (ABl. L 53, S. 55), 90/424/EWG des Rates vom 26. Juni 1990 (ABl. L 224, S. 19) oder 90/638/EWG des Rates vom 27. November 1990 (ABl. L 347, S. 27) enthielten, die andere Tierseuchen als die klassische Schweinepest beträfen und andersartige Entschädigungsgrundsätze festlegten, nicht herleiten lasse.

22 Der Auffassung der Kommission ist zu folgen.

23 Ein Grundsatz der Entschädigung der Eigentümer, deren Schweine im Rahmen von Maßnahmen zur Bekämpfung der klassischen Schweinepest getötet werden, ergibt sich weder aus dem Sinn und Zweck noch aus dem Wortlaut der einschlägigen Richtlinien und Entscheidungen.

24 Durch den Erlaß der Richtlinien 80/217 und 80/1095 wollte der Gemeinschaftsgesetzgeber lediglich gesundheitspolitische und vorbeugende Maßnahmen vorschreiben, die die Mitgliedstaaten zur Verhütung und zur Tilgung der klassischen Schweinepest in ihrem Hoheitsgebiet zu treffen haben. Zu diesen Maßnahmen gehören insbesondere die Impfung der Tiere, die Unterstellung infizierter Betriebe unter Überwachung, die Beseitigung von Tieren, Fleisch oder Erzeugnissen, bei denen der Verdacht einer Infektion besteht, die Desinfektion der verseuchten Ställe und die Erstellung und Durchführung der Tilgungspläne unter der Aufsicht der Kommission.

25 Dagegen ergibt sich weder aus den Begründungserwägungen noch aus den Bestimmungen dieser beiden Richtlinien, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber die finanziellen Aspekte der Durchführung dieser Maßnahmen durch die betroffenen Eigentümer regeln und insbesondere Maßnahmen zur Entschädigung dieser Eigentümer regeln wollte. Die Richtlinien enthalten insbesondere keine Bestimmung, die eine solche Entschädigung ausdrücklich oder auch nur implizit vorsieht.

26 Gewiß wurde mit der Entscheidung 80/1096 eine finanzielle Unterstützung der Gemeinschaft für Mitgliedstaaten eingeführt, denen Ausgaben u. a. für die Entschädigung der Eigentümer entstanden waren, deren Tiere bei der Bekämpfung der klassischen Schweinepest getötet oder beseitigt wurden. Im Rahmen des weiten Ermessensspielraums, über den er auf dem Gebiet der Agrarpolitik verfügt (vgl. insb. Urteil vom 19. März 1992 in der Rechtssache C-311/90, Hierl, Slg. 1992, I-2061, Randnr. 13), konnte der Gesetzgeber der Gemeinschaft zwar die Auffassung vertreten, daß die teilweise oder vollständige Entschädigung der Eigentümer getöteter Tiere ein geeignetes Mittel zur Erleichterung der Bekämpfung der klassischen Schweinepest sein könne und die Mitgliedstaaten bei der Anwendung dieses Mittels zu unterstützen seien, doch ergibt sich weder aus den Begründungserwägungen noch aus den Bestimmungen dieser Entscheidung, daß er die Entschädigung der Eigentümer getöteter Tiere zu einem Grundsatz der Gemeinschaftspolitik in diesem Bereich erheben wollte. So regelt Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a und Absatz 2a Buchstabe a der Entscheidung 80/1096 in der ergänzten und geänderten Fassung der Entscheidung 87/488/EWG des Rates vom 22. September 1987 (ABl. L 280, S. 26) nur, daß den Mitgliedstaaten durch den EAGFL bis zu 50 % der Entschädigung der Eigentümer der getöteten Tiere erstattet werden können.

27 Wie die Kommission zu Recht in ihren Erklärungen ausführt, ergibt sich ein Grundsatz der Entschädigung der Eigentümer von bei der Bekämpfung der klassischen Schweinepest getöteten Tieren auch nicht aus Artikel 2 Nr. 1 Buchstabe f der Entscheidung 80/1097, den das vorlegende Gericht in seinen Fragen erwähnt, oder aus vergleichbaren Bestimmungen der Gemeinschaftsregelung zur Bekämpfung von Tierseuchen.

28 Die Entscheidung 80/1097 ist nämlich auf die Tilgung einer anderen Tierseuche als der klassischen Schweinepest, nämlich der afrikanischen Schweinepest, gerichtet. Ferner sollen mit ihr ausweislich ihrer zweiten und dritten Begründungserwägung die nationalen Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Seuche in einem bestimmten Gebiet der Gemeinschaft verstärkt werden, so daß die vollständige und sofortige Ausmerzung der Seuche sichergestellt wird. In diesem Zusammenhang kann in der sofortigen und vollständigen Entschädigung der Eigentümer getöteter oder beseitigter Schweine wegen des damit verbundenen Anreizes zur Beseitigung erkrankter oder nur verdächtiger Tiere ein wesentliches, ja entscheidendes Mittel für die Bekämpfung der Seuche gesehen werden. Schließlich enthält die Entscheidung 90/217, nach der die Italienische Republik zur Erstellung eines neuen Plans zur Tilgung der afrikanischen Schweinepest auf Sardinien verpflichtet ist, in Artikel 2 Nr. 1 Buchstabe c lediglich den Grundsatz einer "sofortigen und angemessenen" Entschädigung der betroffenen Eigentümer.

29 Auch die anderen von der Kommission in ihren Erklärungen erwähnten Entscheidungen des Rates, die Entscheidungen 86/649, 86/650, 89/145, 90/424 oder 90/638, die eine Entschädigung der Eigentümer von auf Anordnung der Veterinärbehörden getöteten Tieren regeln, betreffen andere Tierseuchen als die klassische Schweinepest und schreiben lediglich eine gerechte und ausreichende Entschädigung der Eigentümer getöteter Tiere vor.

30 Da die Frage der Entschädigung der Eigentümer, deren Schweine auf Anordnung der nationalen Behörden im Rahmen von Maßnahmen zur Bekämpfung der klassischen Schweinepest getötet werden, im Gemeinschaftsrecht nicht geregelt ist, fällt sie in die Zuständigkeit des jeweiligen Mitgliedstaats.

31 Die Gemeinschaftsregelung zur Bekämpfung der klassischen Schweinepest ist folglich dahin auszulegen, daß sie die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, eine Regelung zur Entschädigung der Eigentümer, deren Schweine auf Anordnung der nationalen Behörden getötet werden, vorzusehen.

Zur Gültigkeit der Gemeinschaftsregelung

32 Das vorlegende Gericht stellt jedoch für diesen Fall die Frage, ob die Gemeinschaftsregelung in Anbetracht des in Artikel 7 des Vertrages verankerten Verbots einer Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gültig ist.

33 Entgegen der Auffassung der Klägerinnen verstösst die Gemeinschaftsregelung zur Bekämpfung der klassischen Schweinepest in diesem Punkt nicht gegen das in Artikel 7 des Vertrages ausgesprochene Diskriminierungsverbot.

34 Diese Regelung schreibt nämlich keine unterschiedlichen Entschädigungen nach Maßgabe der Staatsangehörigkeit der Eigentümer der getöteten Tiere vor, da sie, wie ausgeführt, die Frage der Entschädigung dieser Eigentümer nicht regelt. Auch der Umstand, daß einige Mitgliedstaaten im Rahmen der ihnen verbliebenen Zuständigkeiten eine Regelung zur Entschädigung dieser Eigentümer erlassen haben, während andere Mitgliedstaaten dies möglicherweise nicht getan haben, verletzt die Bestimmungen des Vertrages nicht.

35 Daß die Gemeinschaften eine vollständige oder teilweise Entschädigung der Eigentümer vorgeschrieben haben, deren Tiere im Zuge der Bekämpfung anderer Tierseuchen als der klassischen Schweinepest getötet werden, verstösst ebenfalls nicht gegen das Diskriminierungsverbot oder den in Artikel 40 Absatz 3 des Vertrages verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz, da es sich um objektiv unterschiedliche Sachverhalte handelt.

36 Auf die Vorlagefragen ist folglich zu antworten, daß die Gemeinschaftsregelung zur Bekämpfung der klassischen Schweinepest dahin auszulegen ist, daß sie die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, eine Regelung zur Entschädigung der Eigentümer, deren Schweine auf Anordnung der nationalen Behörden getötet werden, vorzusehen, und daß die Prüfung der Gemeinschaftsregelung in diesem Punkt nichts ergeben hat, was ihre Gültigkeit beeinträchtigen könnte.

Kostenentscheidung:

Kosten

37 Die Auslagen der belgischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

auf die ihm von der Rechtbank van eerste aanleg Gent (Belgien) mit Beschluß vom 26. Mai 1993 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Die Gemeinschaftsregelung zur Bekämpfung der klassischen Schweinepest ist dahin auszulegen, daß sie die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, eine Regelung zur Entschädigung der Eigentümer, deren Schweine auf Anordnung der nationalen Behörden getötet werden, vorzusehen.

2) Die Prüfung dieser Gemeinschaftsregelung hat in diesem Punkt nichts ergeben, was ihre Gültigkeit beeinträchtigen könnte.

Ende der Entscheidung

Zurück