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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.07.2001
Aktenzeichen: C-315/99 P
Rechtsgebiete: EG-Satzung


Vorschriften:

EG-Satzung Art. 49
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Es ist allein Sache des Gerichts, zu entscheiden, ob das ihm in einer Rechtssache vorliegende Beweismaterial der Ergänzung bedarf. Ob Verfahrensunterlagen beweiskräftig sind, unterliegt seiner freien Würdigung des Sachverhalts, die nicht der Überprüfung durch den Gerichtshof in der Rechtsmittelinstanz unterliegt, sofern weder dem Gericht vorgelegte Beweismittel entstellt worden sind noch sich die Unrichtigkeit der Tatsachenfeststellungen des Gerichts aus den Akten ergibt.

( vgl. Randnr. 19 )

2. Das Recht auf Anhörung ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dessen Wahrung vom Gerichtshof zu sichern ist. Er gilt für jedes Verfahren, das zu einer Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans führen kann, durch die Interessen eines Dritten spürbar beeinträchtigt werden.

Die Verabschiedung und die Veröffentlichung der Berichte des Rechnungshofes sind zwar keine Entscheidungen, durch die die Rechte der darin genannten Personen unmittelbar beeinträchtigt werden, können für diese aber so folgenschwer sein, dass den Betroffenen vor der endgültigen Verabschiedung der Berichte Gelegenheit gegeben werden muss, zu den darin enthaltenen Punkten, in denen sie namentlich genannt sind, Stellung zu nehmen.

( vgl. Randnrn. 28-29 )

3. Der Rechnungshof ist aufgrund besonderer Umstände, etwa wenn ein schwerwiegender Fall vorliegt oder eine Verwechslungsgefahr besteht, durch die Drittinteressen beeinträchtigen werden könnten, berechtigt, Personen, die grundsätzlich nicht seiner Überwachung unterliegen, in seinen Berichten namentlich zu nennen, sofern diesen Personen ein Recht auf Anhörung zugestanden wird.

In einem solchen Fall prüft der mit der Klage befasste Gemeinschaftsrichter, ob die namentliche Nennung im Hinblick auf das mit der Veröffentlichung des Berichts verfolgte Ziel erforderlich und verhältnismäßig war. Die umfassende Nachprüfungsbefugnis, die er dabei ausübt, fällt unter seine freie Würdigung des Sachverhalts, die im Rechtsmittelverfahren nicht angreifbar ist, sofern weder die getroffenen Tatsachenfeststellungen unrichtig sind noch der Akteninhalt entstellt worden ist.

( vgl. Randnrn. 40-41 )


Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 2001. - Ismeri Europa Srl gegen Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften. - Rechtsmittel - Mittelmeerprogramme - Sonderbericht Nr. 1/96 des Rechnungshofes - Recht auf Anhörung - Namentliche Nennung von Dritten - Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit. - Rechtssache C-315/99 P.

Parteien:

In der Rechtssache C-315/99 P

Ismeri Europa Srl mit Sitz in Rom (Italien), Prozeßbevollmächtigte: S. Ristuccia und G.-L. Tosato, avvocati, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Rechtsmittelführerin,

betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Dritte Kammer) vom 15. Juni 1999 in der Rechtssache T-277/97 (Ismeri Europa/Rechnungshof, Slg. 1999, II-1825) wegen Aufhebung dieses Urteils,

anderer Verfahrensbeteiligter:

Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J.-M. Stenier, J. Inghelram und P. Giusta als Bevollmächtigte,

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten C. Gulmann, M. Wathelet und V. Skouris, der Richter D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet (Berichterstatter), P. Jann, L. Sevón und R. Schintgen, der Richterin F. Macken und des Richters C. W. A. Timmermans,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 20. März 2001,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Mai 2001,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Ismeri Europa Srl (nachstehend: Rechtsmittelführerin) hat mit Rechtsmittelschrift, die am 24. August 1999 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 15. Juni 1999 in der Rechtssache T-277/97 (Ismeri Europa/Rechnungshof, 1999, Slg. II-1825, nachstehend: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das Gericht ihre Klage auf Ersatz des Schadens, der ihr angeblich aufgrund der im Sonderbericht Nr. 1/96 des Rechnungshofes vom 30. Mai 1996 über die Mittelmeerprogramme (ABl. C 240, S. 1, nachstehend: Bericht Nr. 1/96) gegen sie erhobenen Beanstandungen entstanden ist, abgewiesen hat.

2 In diesem im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 19. August 1996 veröffentlichten Bericht beanstandete der Rechnungshof die Verwaltung der Mittelmeerprogramme in mehrfacher Hinsicht, namentlich unter dem Gesichtspunkt einer Vermischung von Interessen im globalen System zur Verwaltung. Er stellte insbesondere fest, dass von den vier Verwaltungsratsmitgliedern der Agence pour les Réseaux Transméditerranées (Agentur für die transmediterranen Netze, im folgenden: ARTM), einer Organisation ohne Erwerbszweck nach belgischem Recht, die von der Kommission zur Übernahme der Verwaltung und Mittelbewirtschaftung der Mittelmeerprogramme gegründet worden war, zwei Leiter der Büros für technische Hilfe waren, die mit der Überwachung der Programme beauftragt worden waren, zu deren Ausarbeitung sie im Rahmen des Verwaltungsrats der ARTM beigetragen hatten. Die Rechtsmittelführerin ist eines der beiden im Bericht Nr. 1/96 genannten Büros für technische Hilfe.

3 Am 31. Januar 1997 teilte die Rechtsmittelführerin dem Rechnungshof ihre Stellungnahme zum Bericht Nr. 1/96 schriftlich mit und forderte ihn zur Berichtigung der sie betreffenden Punkte dieses Berichts auf. Mit Schreiben vom 7. März 1997 antwortete der Rechnungshof, dass er seine ursprünglichen Feststellungen aufrechterhalte, und lehnte eine Veröffentlichung der verlangten Berichtigung ab.

4 Am 17. Juli 1997 nahm das Europäische Parlament eine Entschließung zum Bericht Nr. 1/96 (ABl. C 286, S. 263) an, in der es unter Zugrundelegung der Feststellungen des Rechnungshofes und unter Hinweis auf den exemplarischen Charakter des Falles die Kommission aufforderte, energische Maßnahmen zu ergreifen, um eine Wiederholung solcher Situationen zu verhindern.

5 Am 20. Oktober 1997 erhob die Rechtsmittelführerin beim Gericht Klage auf Ausgleich für die Schädigung ihres Rufs sowie auf Ersatz des ihr angeblich durch die Auflösung der Verträge entstandenen Schadens und des infolge der Veröffentlichung des Berichts Nr. 1/96 entgangenen Gewinns. Außerdem beantragte sie, die Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen anzuordnen.

Das angefochtene Urteil

6 Das Gericht wies zunächst mehrere vom Rechnungshof erhobene Rügen der Unzulässigkeit zurück (Randnrn. 25 bis 94 des angefochtenen Urteils) und befand dann in zwei Schritten über das Vorbringen zur Begründetheit der Klage.

7 Erstens wies das Gericht zum Klagegrund der Verletzung des Rechts auf Anhörung darauf hin, dass ein rechtswidriges Verhalten nicht ausreiche, um die Haftung der Gemeinschaft zu begründen, sondern dass außerdem ein Kausalzusammenhang zwischen diesem Verhalten und dem behaupteten Schaden bewiesen sein müsse (Randnr. 100 des angefochtenen Urteils).

8 Das Gericht erkannte jedoch, dass der Rechnungshof den Bericht Nr. 1/96 auch dann nicht inhaltlich abgeändert hätte, wenn er die Rechtsmittelführerin vor dessen Verabschiedung und Veröffentlichung zur Stellungnahme aufgefordert hätte. Das Gericht stützte dieses Ergebnis auf den Umstand, dass die Rechtsmittelführerin in ihrem Schreiben vom 31. Januar 1997 zur Richtigkeit bestimmter Passagen des Berichts Nr. 1/96 Stellung genommen habe und dass der Rechnungshof diese Stellungnahme in seiner Antwort vom 7. März 1997 Punkt für Punkt zurückgewiesen und der Rechtsmittelführerin mitgeteilt habe, dass der Bericht nicht zu berichtigen sei. Nach Auffassung des Gerichts hätte der Rechnungshof die beanstandeten Formulierungen des Berichts Nr. 1/96 auch unverändert beibehalten, wenn die Stellungnahme der Rechtsmittelführerin ihm nicht nach, sondern vor der Verabschiedung des Dokuments vorgelegt worden wäre (Randnrn. 101 bis 104 des angefochtenen Urteils).

9 Das Gericht wies diesen Klagegrund daher zurück, ohne die Frage zu beantworten, ob der Rechtsmittelführerin vor dem Rechnungshof vor der Verabschiedung des Berichts Nr. 1/96 ein Recht auf Anhörung zustand (Randnr. 105 des angefochtenen Urteils).

10 Zweitens erkannte das Gericht zum Klagegrund des verleumderischen Charakters der im Bericht Nr. 1/96 in Bezug auf die Rechtsmittelführerin erhobenen Beanstandungen, dass der Rechnungshof sich in bestimmten Fällen veranlasst sehen könne, Dritte, die an gravierenden Missständen bei einem Gemeinschaftsorgan unmittelbar beteiligt seien, zu nennen (Randnr. 109 des angefochtenen Urteils). Die in einem solchen Fall über die betroffenen Personen abgegebenen Beurteilungen könnten eine Haftung der Gemeinschaft für Pflichtverletzung begründen, wenn die zugrundeliegenden Tatsachen falsch dargestellt oder unzutreffend gewürdigt seien. Dieser Punkt unterliege in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Gericht (Randnr. 110 des angefochtenen Urteils).

11 Die erste spezifische Rüge im Rahmen des Verleumdungsvorwurfs betrifft die Interessenverquickung. Hierzu befand das Gericht, dass der Rechnungshof, ohne sich zur Frage einer eindeutigen Betrugsabsicht der Rechtsmittelführerin äußern zu müssen, verpflichtet gewesen sei, den objektiven Missstand mitzuteilen, der es der Rechtsmittelführerin ermöglicht habe, auf den Entscheidungsprozess in der ARTM Einfluss zu nehmen und somit aufgrund ihrer Stellung und der ihres Leiters ihre Privatinteressen zu fördern. Diese Tatsachen seien bereits Ausdruck eines Interessenkonflikts, der Rechnungshof habe durch ihre Offenlegung seine Pflichten nicht verletzt (Randnrn. 112 bis 124 des angefochtenen Urteils).

12 Die zweite Rüge betrifft die Weigerung der Rechtsmittelführerin, den Aufforderungen der Kommission Folge zu leisten, die Leiter der Büros für technische Hilfe sollten den Verwaltungsrat der ARTM verlassen. Hierzu erkannte das Gericht, dass die im Bericht Nr. 1/96 geschilderten Tatsachen erwiesen und zutreffend ausgelegt worden seien, denn der Leiter der Rechtsmittelführerin sei erst zwei Jahre nach der Aufforderung der Kommission zurückgetreten; auch seien immer wieder neue Bedingungen - Erteilung von Aufträgen und Wahl des Nachfolgers - gestellt worden (Randnrn. 126 bis 143 des angefochtenen Urteils).

13 Zur dritten Rüge, der Rechnungshof habe es versäumt, die positiven Arbeitsergebnisse zu berücksichtigen, zu denen die Rechtsmittelführerin beigetragen habe, wies das Gericht darauf hin, dass es sich dabei nicht um ein Kriterium handle, das geeignet sei, die Erheblichkeit der vom Rechnungshof innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs, der Finanzverwaltung, getroffenen Feststellungen in Frage zu stellen (Randnrn. 144 bis 147 des angefochtenen Urteils).

14 Das Gericht wies daher die Klage ab (Randnr. 148 des angefochtenen Urteils).

Das Rechtsmittel

15 Die Rechtsmittelführerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, ihren in erster Instanz gestellten Anträgen stattzugeben und dem Rechnungshof die Kosten des Verfahrens vor dem Gericht und vor dem Gerichtshof aufzuerlegen. Sie führt dafür sechs Gründe an.

16 Der Rechnungshof beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

Erster Rechtsmittelgrund: Fehler des Verfahrens vor dem Gericht in Gestalt der unterbliebenen Entscheidung über den Antrag auf Vernehmung von Zeugen und der unzureichenden Beweisaufnahme

17 Die Rechtsmittelführerin trägt vor, ihr Antrag auf Vernehmung von Zeugen sei ein eigenständiger Antrag gewesen, über den das Gericht im angefochtenen Urteil hätte befinden müssen. Wegen der stillschweigenden Ablehnung dieses Antrags sei die Beweisaufnahme unzureichend, denn das Gericht habe sich, obwohl es die Aussage- und Beweiskraft bestimmter Urkunden als fragwürdig bezeichnet habe, auf die im Bericht Nr. 1/96 enthaltene Sachverhaltsschilderung gestützt.

18 Der Rechnungshof erwidert, die Wahl der Beweismittel unterliege der freien Würdigung des Gerichts, hilfsweise, die Beweisaufnahme sei ausreichend gewesen. Im Übrigen müsse der Gemeinschaftsrichter in einem Urteil nicht erläutern, warum er einem Antrag auf Beweiserhebung etwa durch Vernehmung von Zeugen nicht stattgebe.

19 Es ist allein Sache des Gerichts, zu entscheiden, ob das ihm in einer Rechtssache vorliegende Beweismaterial der Ergänzung bedarf. Ob Verfahrensunterlagen beweiskräftig sind, unterliegt seiner freien Würdigung des Sachverhalts, die nach ständiger Rechtsprechung nicht der Überprüfung durch den Gerichtshof in der Rechtsmittelinstanz unterliegt, sofern dem Gericht vorgelegte Beweismittel nicht verfälscht worden sind oder die Unrichtigkeit der Tatsachenfeststellungen des Gerichts sich nicht aus den Akten ergibt (Urteil vom 4. März 1999 in der Rechtssache C-119/97 P, Ufex u. a./Kommission, Slg. 1999, I-1341, Randnr. 66, und Beschluss vom 14. Oktober 1999 in der Rechtssache C-437/98 P, Infrisa/Kommission, Slg. 1999, I-7145, Randnr. 34).

20 Es ist nichts vorgetragen, was auf einen solchen Fall hindeuten könnte. Daher ist es nicht zu beanstanden, dass das Gericht in seinem Urteil den Antrag der Rechtsmittelführerin auf die Vernehmung von Zeugen nicht ausdrücklich beschieden hat.

21 Der erste Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

Zweiter Rechtsmittelgrund: Verletzung des Rechts auf Anhörung, und dritter Rechtsmittelgrund: unterbliebene Entscheidung über die behauptete Verletzung dieses Grundsatzes

22 Mit seinem zweiten Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, es habe sich im angefochtenen Urteil auf den Umstand gestützt, dass der Rechnungshof es abgelehnt habe, den Bericht Nr. 1/96 nach seiner Veröffentlichung in dem von ihr gewünschten Sinne zu berichtigen, und daraus gefolgert, dass der Rechnungshof dies auch getan hätte, wenn die Rechtsmittelführerin sich vor der Verabschiedung des Berichts Nr. 1/96 Gehör hätte verschaffen können.

23 Das Recht auf Anhörung bedeute aber, dass die Betroffenen vor der Verabschiedung einer sie betreffenden Entscheidung anzuhören seien, und seine Beachtung sei eine Grundvoraussetzung für die Ausübung von Ermessen durch eine Behörde. Das gelte gemäß Artikel 206 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 276 EG) sowohl für die Gemeinschaftsorgane als auch für die anderen vom Rechnungshof überwachten Rechtssubjekte. Die vorherige Anhörung sei außerdem notwendiger Bestandteil des Entlastungsverfahrens vor dem Europäischen Parlament.

24 Der Rechnungshof weist darauf hin, dass die drei Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft, zu denen das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen einem rechtswidrigen Verhalten und einem Schaden gehöre, kumulativ vorliegen müssten, und dass das Gericht, wenn eine dieser Voraussetzungen nach seiner Auffassung nicht vorliege, sich nicht zu den beiden anderen zu äußern brauche. Das Vorbringen, ein betroffener Dritter habe ebenso ein Recht auf Anhörung wie ein überwachtes Organ, sei unzulässig, da es sich nicht gegen das angefochtene Urteil richte, hilfsweise unbegründet.

25 Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund wiederholt die Rechtsmittelführerin im Wesentlichen den zweiten und wirft dem Gericht vor, es sei der von ihr für zentral gehaltenen Frage ausgewichen, ob das Unterbleiben der Anhörung im vorliegenden Fall rechtswidrig sei. Der Rechnungshof antwortet mit dem gleichen Vorbringen wie beim zweiten Rechtsmittelgrund.

26 Die beiden Rechtsmittelgründe, die zusammen zu prüfen sind, richten sich gegen die Ausführungen, mit denen das Gericht in den Randnummern 100 bis 105 des angefochtenen Urteils den Klagegrund einer Verletzung des Rechts auf Anhörung zurückwies, ohne dass eine Prüfung der Frage erforderlich wäre, ob der Klägerin dieses Recht im vorliegenden Fall zusteht".

27 Der Rechnungshof ist nach seinen Verfahrensvorschriften weder dazu verpflichtet, Entwürfe seiner Berichte Dritten in derselben Weise vorzulegen, wie er dies gegenüber den Gemeinschaftsorganen tut, noch ist er verpflichtet, die Antworten der Betroffenen im Anschluss an seine Berichte zu veröffentlichen. Das in Artikel 188c Absatz 4 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 248 Absatz 4 EG) und Artikel 206 EG-Vertrag vorgesehene Verfahren soll nämlich dazu beitragen, dass die Finanzverwaltung der Gemeinschaft durch die Übermittlung der Berichte an die Organe und die Ausarbeitung ihrer Antworten verbessert wird. Eine Aufforderung an Dritte, an diesem Verfahren teilzunehmen, könnte zu diesem Ziel nichts beitragen.

28 Freilich ist das Recht auf Anhörung ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dessen Wahrung vom Gerichtshof zu sichern ist. Er gilt für jedes Verfahren, das zu einer Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans führen kann, durch die Interessen eines Dritten spürbar beeinträchtigt werden (vgl. insbesondere in diesem Sinne Urteil vom 23. Oktober 1974 in der Rechtssache 17/74, Transocean Marine Paint/Kommission, Slg. 1974, 1063, Randnr. 15).

29 Die Verabschiedung und die Veröffentlichung der Berichte des Rechnungshofes sind zwar keine Entscheidungen, durch die die Rechte der darin genannten Personen unmittelbar beeinträchtigt werden, können für diese aber so folgenschwer sein, dass den Betroffenen vor der endgültigen Verabschiedung der Berichte Gelegenheit gegeben werden muss, zu den darin enthaltenen Punkten, in denen sie namentlich genannt sind, Stellung zu nehmen.

30 Da der Rechnungshof die Rechtsmittelführerin nicht aufgefordert hatte, ihren Standpunkt zu den sie betreffenden Stellen, die in den Bericht Nr. 1/96 aufgenommen werden sollten, mitzuteilen, hat er in dem Verfahren der Verabschiedung dieses Berichts gegen das Recht auf Anhörung verstoßen.

31 Dieser Verstoß konnte nicht dadurch beseitigt werden, dass die Rechtsmittelführerin nach Veröffentlichung des Berichts Nr. 1/96 Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Denn es versteht sich von selbst, dass ein Organ vor der endgültigen Festlegung seines Standpunkts eher bereit ist, Bemerkungen zu entsprechen, als nach dessen Veröffentlichung; würde es nämlich Beanstandungen nach der Veröffentlichung als begründet anerkennen, so müsste es seine Entscheidung ändern und eine Berichtigung verabschieden.

32 Darum kann auch allein aus dem Umstand, dass die Beanstandungen, die die Rechtsmittelführerin am 31. Januar 1997 zu dem am 19. August 1996 veröffentlichten Bericht Nr. 1/96 abgegeben hatte, vom Rechnungshof am 7. März 1997 zurückgewiesen wurden, nicht geschlossen werden, dass dieser genauso gehandelt hätte, wenn diese Beanstandungen vor der Verabschiedung dieses Berichts am 30. Mai 1996 geäußert worden wären.

33 Jedoch ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände des Falles, wie sie vom Gericht dargelegt wurden, und insbesondere aus dem offenkundigen schwerwiegenden Verstoß gegen die Regeln einer guten Verwaltung, der darin besteht, dass Personen lange Zeit Mitglied des Verwaltungsrats der ARTM waren, die durch die Beschlüsse dieses Gremiums unmittelbar betroffene Privatinteressen vertraten, dass eine Anhörung der Rechtsmittelführerin den Rechnungshof nicht hätte veranlassen können, seine Auffassung über die Opportunität ihrer namentlichen Nennung im Bericht Nr. 1/96 oder die dafür vorgesehenen Formulierungen zu ändern.

34 Folglich war im vorliegenden Fall das rechtswidrige Verhalten ohne Einfluss auf den Inhalt des Berichts Nr. 1/96; es fehlt daher am Kausalzusammenhang zwischen dem Fehlen der vorherigen Anhörung der Rechtsmittelführerin und dem ihr angeblich durch die Veröffentlichung dieses Berichts entstandenen Schaden.

35 Die Rechtsmittelführerin kann daher nicht rügen, dass der Klagegrund der Verletzung des Rechts auf Anhörung vom Gericht zurückgewiesen wurde.

36 Der zweite und der dritte Rechtsmittelgrund sind daher zurückzuweisen.

Vierter Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht und unzureichende Begründung hinsichtlich der behaupteten Verleumdung

37 Die Rechtsmittelführerin trägt vor, das Gericht habe eine Verleumdung zu Unrecht und ohne Begründung verneint, obwohl die - nicht erforderliche - Veröffentlichung von Angaben über namentlich genannte Dritte mit Hinweis auf eine etwaige Strafverfolgung gegen folgende Grundsätze verstoße: erstens gegen den Grundsatz der Anonymität, den das Gericht vorbehaltlich von Ausnahmefällen anerkannt habe, zweitens gegen den Grundsatz der Vertraulichkeit, der nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen bei der Verhängung einer Strafmaßnahme gelte, und drittens gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wonach die Gemeinschaftsorgane nicht stärker in die subjektive Stellung der Einzelnen eingreifen dürften, als zur Erreichung des verfolgten Zieles erforderlich sei.

38 Nach Auffassung des Rechnungshofes sind die Rügen unzulässig, da sie sich nicht unmittelbar gegen die rechtlichen Ausführungen des Gerichts richteten. Hilfsweise trägt er vor, das Gericht habe die Nennung der Personen, bei denen die beanstandete Interessenverquickung vorlag, im Hinblick auf die gravierenden Missstände, an denen die Rechtsmittelführerin beteiligt gewesen sei, zu Recht als erforderlich und damit verhältnismäßig betrachtet. Jedenfalls handle es sich bei dem Hinweis der Rechtsmittelführerin auf einen angeblichen Grundsatz der Vertraulichkeit um neues Vorbringen.

39 Wie aus Randnummer 109 des angefochtenen Urteils hervorgeht, hat das Gericht befunden, dass sich der Rechnungshof ausnahmsweise, vor allem aber bei gravierenden Missständen, die die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Einnahmen und Ausgaben oder die Erfordernisse der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung ernsthaft berührten, veranlasst sehen könne, den festgestellten Sachverhalt vollständig offenzulegen und damit unmittelbar beteiligte Dritte namentlich zu nennen. Diese Nennung, die durch das Bemühen um eine wirkungsvolle Erfuellung der Überwachungsaufgabe gerechtfertigt sei, könne insbesondere dann erforderlich sein, wenn das Verschweigen der Namen Zweifel an der Identität der beteiligten Personen hervorrufen könnte.

40 Entsprechend der Auffassung des Gerichts ist der Rechnungshof aufgrund besonderer Umstände, etwa wenn ein schwerwiegender Fall vorliegt oder eine Verwechslungsgefahr besteht, durch die Drittinteressen beeinträchtigen werden könnten, berechtigt, Personen, die grundsätzlich nicht seiner Überwachung unterliegen, in seinen Berichten namentlich zu nennen, sofern diesen Personen, wie oben in den Randnummern 28 und 29 hervorgehoben, ein Recht auf Anhörung zugestanden wird.

41 In einem solchen Fall prüft der mit der Klage befasste Gemeinschaftsrichter, ob die namentliche Nennung im Hinblick auf das mit der Veröffentlichung des Berichts verfolgte Ziel erforderlich und verhältnismäßig war. Die umfassende Nachprüfungsbefugnis, die er dabei ausübt, fällt unter seine freie Würdigung des Sachverhalts, die im Rechtsmittelverfahren nicht angreifbar ist, sofern die getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht unrichtig und der Akteninhalt nicht entstellt worden sind.

42 Daher ist die Prüfung, auf deren Grundlage das Gericht feststellte, der Rechnungshof sei berechtigt gewesen, die Rechtsmittelführerin in seinem Bericht Nr. 1/96 ausdrücklich zu nennen und insbesondere in Nummer 57 dieses Berichts zu erwähnen, dass die Kommission die Notwendigkeit rechtlicher Schritte gegen die Verantwortlichen geprüft habe, der Kontrolle durch den Gerichtshof entzogen, denn im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens wurde nichts vorgetragen, was auf eine Entstellung des Akteninhalts durch das Gericht oder die Unrichtigkeit seiner Tatsachenfeststellungen schließen ließe.

43 Der vierte Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

Fünfter Rechtsmittelgrund: Entstellung der Tatsachen, unzureichende Begründung und rechtsfehlerhafte Beurteilung in Bezug auf die angebliche Interessenverquickung"

44 Die Rechtsmittelführerin behauptet, dass das Gericht durch die Feststellung, bei der Rechtsmittelführerin habe eine Interessenverquickung vorgelegen, den zugrundeliegenden Sachverhalt entstellt habe. Sie trägt weiter vor, dass die ARTM, in deren Verwaltungsrat einer ihrer Leiter Mitglied gewesen sei, bei der Vergabe von Aufträgen an die Büros für technische Hilfe keine Entscheidungsbefugnis gehabt habe, dass die Entscheidung über die Vergabe der zwei einzigen an die Rechtsmittelführerin erteilten Aufträge, auf die sich der Bericht Nr. 1/96 beziehe, von der Kommission getroffen worden sei und dass die Anlaufphase der Mittelmeerprogramme, während der Aufträge freihändig vergeben worden seien, nach der Gründung der ARTM fortgedauert habe.

45 Der Begriff der Interessenverquickung", der ohne Bezug auf die Absichten der Beteiligten verwendet werde, sei rechtlich irrelevant und für jegliche Bewertung der Lage untauglich.

46 Der Rechnungshof führt aus, mangels Entstellung des Akteninhalts oder unrichtiger Tatsachenfeststellungen sei das Vorbringen über die Befugnisse der ARTM, über die Rolle der Kommission und über die Dauer der Anlaufphase nichts weiter als eine unzulässige Aufforderung zur Überprüfung der im ersten Rechtszug getroffenen Tatsachenfeststellungen. Bei der Erörterung des Begriffes der Anlaufphase werde nur Vorbringen aus der ersten Instanz wiederholt; es sei unzulässig und unbegründet, da das Gericht eindeutig festgelegt habe, was unter diesem Begriff zu verstehen sei.

47 Erstens ist der Begriff der Interessenverquickung, deren Tatbestand nach der Definition des Gerichts in Randnummer 112 des angefochtenen Urteils erfuellt ist, wenn demjenigen ein öffentlicher Auftrag erteilt wird, der bei der Evaluierung und der Auswahl der Angebote für diesen Auftrag mitwirkt", im Rahmen der Überwachung der Finanzverwaltung der Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft durch den Rechnungshof treffend und sachdienlich; er kennzeichnet gravierende Missstände bei dem betroffenen Organ oder der betroffenen Einrichtung.

48 Zweitens gehört die Entscheidung des Gerichts, der ihm vorliegende Sachverhalt erfuelle den Tatbestand der Interessenverquickung, zur freien Würdigung des Sachverhalts durch die Tatsacheninstanz. Da im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens nicht dargetan wurde, dass im angefochtenen Urteil die Tatsachen unrichtig festgestellt oder der Akteninhalt entstellt worden wären, unterliegt diese Entscheidung nicht der Kontrolle durch den Gerichtshof.

49 Der fünfte Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

Sechster Rechtsmittelgrund: Entstellung der Tatsachen und unzureichende Begründung in Bezug auf die Weigerung der Rechtsmittelführerin, der Aufforderung zum Rücktritt ihres Leiters von seinem Amt im Verwaltungsrat der ARTM nachzukommen

50 Die Rechtsmittelführerin trägt vor, es genüge nicht, wenn das Gericht die Aussage- und Beweiskraft einer Urkunde, mit der nachgewiesen werden solle, dass die Kommission auf die Aufforderung zum Rücktritt eines der Leiter der Rechtsmittelführerin von seinem Amt im Verwaltungsrat der ARTM verzichtet habe, als fragwürdig bezeichne. Außerdem beanstandet die Rechtsmittelführerin die Ausführungen, mit denen das Gericht festgestellt habe, der Rücktritt sei erst nach langem Feilschen über Auftragsvergaben und Vorschläge für Nachfolger erfolgt.

51 Der Rechnungshof sieht in diesen Feststellungen nichts, woraus auf eine Entstellung der Tatsachen geschlossen werden könnte; eine solche sei Voraussetzung für eine Überprüfung der Entscheidung des Gerichts.

52 Das Vorbringen der Rechtsmittelführerin im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens zur Auslegung des Protokolls über die Sitzung des Verwaltungsrats der ARTM vom 21. Januar 1994 und über die von ihr gestellten Bedingungen für den Rücktritt ihres Leiters von seinem Amt im Verwaltungsrat der ARTM hat nichts dafür ergeben, dass die Begründung des angefochtenen Urteils unrichtige Tatsachenfeststellungen oder eine Entstellung des Akteninhalts enthielt.

53 Das sechste Rechtsmittel ist unter diesen Umständen eine Aufforderung zur Überprüfung der Würdigung des Sachverhalts durch das Gericht, der nicht Gegenstand eines Rechtsmittels sein kann.

54 Der sechste Rechtsmittelgrund ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

55 Nach alledem ist das Rechtsmittel in seiner Gesamtheit zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

56 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, der nach Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rechnungshof einen entsprechenden Antrag gestellt hat und die Rechtsmittelführerin mit ihrem Rechtsmittel unterlegen ist, sind der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die Ismeri Europa Srl trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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