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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 25.05.1993
Aktenzeichen: C-321/91
Rechtsgebiete: EWGV, VO Nr. 3665/87/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 177
VO Nr. 3665/87/EWG Art.20
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Nach den Verordnungen Nr. 805/68 über die gemeinsame Marktorganisation bei Rindfleisch, Nr. 885/68 über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Rindfleisch und über die Kriterien für die Festsetzung des Betrages dieser Erstattungen, Nr. 565/80 über die Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Nr. 3665/87 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen hat ein Wirtschaftsteilnehmer keinen Anspruch auf differenzierte Erstattung bei der Ausfuhr von Rindfleisch in ein Drittland, wenn ein für alle Drittländer geltender Erstattungssatz für die betreffenden Erzeugnisse nicht festgelegt worden ist und das ausgeführte Erzeugnis nach Verlassen des Zollgebiets der Gemeinschaft und vor der Einfuhr in das bestimmungsgemässe Drittland in unverändertem Zustand infolge höherer Gewalt untergegangen ist.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 25. MAI 1993. - THE QUEEN GEGEN INTERVENTION BOARD FOR AGRICULTURAL PRODUCE, EX PARTE TARA MEAT PACKERS LTD. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HIGH COURT OF JUSTICE, QUEEN'S BENCH DIVISION - VEREINIGTES KOENIGREICH. - GEMEINSAME MARKTORGANISATION - RINDFLEISCH - AUSFUHRERSTATTUNG - UNTERGANG DER WARE - HOEHERE GEWALT. - RECHTSSACHE C-321/91.

Entscheidungsgründe:

1 Der High Court of Justice of England and Wales, Queen' s Bench Division, hat mit Beschluß vom 4. November 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Dezember 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Verordnungen (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. L 148, S. 24), Nr. 885/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Rindfleisch und über die Kriterien für die Festsetzung des Betrages dieser Erstattungen (ABl. L 156, S. 2), Nr. 565/80 des Rates vom 4. März 1980 über die Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. L 62, S. 5) sowie Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 351, S. 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Tara Meat Packers Limited (Klägerin) und dem Intervention Board for Agricultural Produce (nachstehend: IBAP) wegen der Zahlung von Ausfuhrerstattungen, die die Klägerin beanspruchen zu können glaubt.

3 Wie sich aus den Akten des Ausgangsverfahrens ergibt, schloß die Klägerin im Oktober 1988 einen Kaufvertrag über Rindfleisch, das nach Alexandria (Ägypten) zu liefern war. Im Hinblick auf diesen Verkauf erhielt die Klägerin vom IBAP vor der Ausfuhr nach Maßgabe der angeführten Verordnungen Vorauszahlungen, die gemäß den für die angegebene Bestimmung geltenden Ausfuhrerstattungssätzen errechnet waren.

4 Am 11. November 1988, als das Schiff im Hafen von Alexandria vor Anker lag, brach an Bord ein Feuer aus und zerstörte die Ladung.

5 Nachdem die Klägerin die Vorauszahlungen zurückerstattet und die Freigabe der erbrachten Sicherheitsleistung erreicht hatte, verklagte sie den IBAP vor den britischen Gerichten, wobei sie vorbrachte, daß sie nach den genannten Verordnungen Anspruch auf Ausfuhrerstattungen habe, da das Rindfleisch das Zollgebiet der Gemeinschaft in Richtung Ägypten verlassen habe und aufgrund höherer Gewalt vor seiner Ankunft im Bestimmungsland untergegangen sei.

6 Im Rahmen dieses Rechtsstreits hat der High Court of Justice dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind die Verordnungen (EWG) des Rates Nr. 805/68 vom 27. Juni 1968, Nr. 885/68 vom 28. Juni 1968 und Nr. 565/80 vom 4. März 1980 sowie die Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 dahin auszulegen, a) daß die Klägerin Anspruch auf Ausfuhrerstattung hat (und, falls dies zu bejahen ist, zu welchem Satz oder zu welchen Sätzen), oder dahin, b) daß die Klägerin unter den Umständen des vorliegenden Falles, in dem

° sie vor Ausfuhr der betreffenden Erzeugnisse gemäß den genannten Verordnungen Vorauszahlungen erhielt, die unter Zugrundelegung des für die angegebene Bestimmung dieser Erzeugnisse, Ägypten, geltenden Ausfuhrerstattungssatzes berechnet wurden,

° sie gemäß den genannten Verordnungen ordnungsgemäß Sicherheit leistete und

° die betreffenden Erzeugnisse das Zollgebiet der Gemeinschaft verließen, aber im Laufe der Beförderung durch höhere Gewalt untergingen,

bereits erhaltene Vorauszahlungen zurückzahlen oder ihre Sicherheit in entsprechender Höhe verlieren musste?

7 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des rechtlichen Rahmens des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

8 Die Regelung der Vorauszahlung der Ausfuhrerstattungen ist durch folgende einschlägige Merkmale gekennzeichnet.

9 Nach den Verordnungen Nr. 805/68, Nr. 885/68 und Nr. 565/80 sind die Mitgliedstaaten berechtigt, Erstattungen ganz oder teilweise vor der Ausfuhr von Rindfleisch zu zahlen, falls eine Kaution gestellt wird, durch die die Rückzahlung des vorausgezahlten Betrages für den Fall sichergestellt wird, daß der Wirtschaftsteilnehmer keinen Erstattungsanspruch hat.

10 Die Verordnung Nr. 3665/87 sieht gemeinsame Durchführungsvorschriften für die Erstattungsregelung bei der Ausfuhr u. a. von Rindfleisch vor. Nach den Artikeln 16 und 17 ist bei einem je nach Bestimmungsland des Erzeugnisses differenzierten Erstattungssatz die Zahlung der Erstattung von dem Nachweis abhängig, daß das Erzeugnis in unverändertem Zustand in das Drittland eingeführt worden ist. Gemäß Artikel 5 Absatz 3 wird bei differenzierter Erstattung, wenn das Erzeugnis nach dem Verlassen des Zollgebiets der Gemeinschaft im Laufe der Beförderung durch höhere Gewalt untergegangen ist, nur ein Teil der Erstattung nach näherer Maßgabe des Artikels 20 gezahlt.

11 Nach Artikel 20 wird abweichend von Artikel 16 und unbeschadet des Artikels 5 ein Teil der Erstattung gezahlt, sobald nachgewiesen ist, daß das Erzeugnis das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen hat. Dieser Teil der Erstattung wird bei der Ausfuhr mit Verpflichtung zur Ausfuhr nach einem bestimmten Land auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Annahme der Ausfuhranmeldung geltenden niedrigsten Erstattungssatzes errechnet, sofern dieser Satz für die betreffenden Erzeugnisse gegenüber allen Drittländern gilt.

12 Im entscheidungserheblichen Zeitraum waren in der Verordnung (EWG) Nr. 2978/88 der Kommission vom 28. September 1988 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen auf dem Rindfleischsektor (ABl. L 269, S. 37) für bestimmte Drittländer unterschiedliche Erstattungssätze, für andere dagegen kein Erstattungssatz festgelegt.

13 Artikel 20, der es nach der 13. Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3665/87 ermöglichen soll, die Ausfuhren, für die Erstattungen in unterschiedlicher Höhe gewährt werden, mit den sonstigen Ausfuhren gleichzustellen, lässt die Zahlung eines Teils der Erstattung zu, bevor der sonst erforderliche Nachweis erbracht ist, daß die Ware tatsächlich das erklärte Bestimmungsland erreicht hat.

14 Um die Einhaltung der erklärten Bestimmung sicherzustellen, legt Artikel 20 Absatz 2 zum Ausgleich für die Vorauszahlung eines Teils der Erstattung vorsorglich fest, daß die Zahlung den Betrag nicht übersteigen darf, der nach dem niedrigsten geltenden Erstattungssatz errechnet wird und daher ohne Rücksicht darauf zu zahlen ist, welches das Land der tatsächlichen und endgültigen Bestimmung ist.

15 Diese Regelung ist daher nicht anwendbar, wenn Erstattungssätze, wie im vorliegenden Fall, nicht für alle Bestimmungsländer festgelegt worden sind.

16 Das gilt auch dann, wenn man mit der Klägerin annimmt, daß die mangelnde Festlegung eines Erstattungssatzes gleichbedeutend ist mit der Festlegung des Satzes Null. In diesem Fall wäre nämlich der für alle Ausfuhrländer geltende Mindestsatz dieser Satz Null, so daß der Wirtschaftsteilnehmer keine Vorauszahlung der Erstattung im Sinne des Artikels 20 erhalten könnte.

17 Hier sind die Erzeugnisse während der Beförderung durch höhere Gewalt untergegangen. In einem solchen Fall darf nach Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3665/87 bei differenzierter Erstattung nur der Teil der Erstattung gemäß Artikel 20 gezahlt werden.

18 Hieraus ergibt sich, daß das Vorliegen höherer Gewalt unter Umständen, wie sie dem Ausgangsverfahren zugrunde liegen, keinen Einfluß auf die Zahlung einer differenzierten Erstattung haben kann.

19 Nach alledem ist die vom High Court of Justice vorgelegte Frage dahin zu beantworten, daß ein Wirtschaftsteilnehmer nach den Verordnungen (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch, Nr. 885/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Rindfleisch und über die Kriterien für die Festsetzung des Betrages dieser Erstattungen, Nr. 565/80 des Rates vom 4. März 1980 über die Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, falls ein für alle Drittländer geltender Erstattungssatz für die betreffenden Erzeugnisse nicht festgelegt worden ist, keinen Anspruch auf differenzierte Erstattung bei der Ausfuhr von Rindfleisch in ein Drittland hat, wenn das ausgeführte Erzeugnis nach Verlassen des Zollgebiets der Gemeinschaft und vor der Einfuhr in das bestimmungsgemässe Drittland in unverändertem Zustand infolge höherer Gewalt untergegangen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

20 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs und Irlands sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom High Court of Justice mit Beschluß vom 4. November 1991 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Ist ein für alle Drittländer geltender Erstattungssatz für die betreffenden Erzeugnisse nicht festgelegt worden, so hat ein Wirtschaftsteilnehmer nach den Verordnungen (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch, Nr. 885/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Rindfleisch und über die Kriterien für die Festsetzung des Betrages dieser Erstattungen, Nr. 565/80 des Rates vom 4. März 1980 über die Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen keinen Anspruch auf differenzierte Erstattung bei Ausfuhr von Rindfleisch in ein Drittland, wenn das ausgeführte Erzeugnis nach Verlassen des Zollgebiets der Gemeinschaft und vor der Einfuhr in das bestimmungsgemässe Drittland in unverändertem Zustand infolge höherer Gewalt untergegangen ist.

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