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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.03.1992
Aktenzeichen: C-323/90
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Zollreformverordnung, Verordnung Nr. 3632/85 vom 12.12.1985


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 169
Zollreformverordnung Art. 426
Verordnung Nr. 3632/85 vom 12.12.1985 Art. 3 Abs. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein Mitgliedstaat, der den offiziellen Zollagenten das Recht vorbehält, Zollanmeldungen in eigenem Namen und für fremde Rechnung abzugeben, und es anderen Unternehmen als solchen Agenten, insbesondere Transit- und Speditionsunternehmen, untersagt, gewerbsmässig Anmeldungen in fremdem Namen und für fremde Rechnung abzugeben, verstösst gegen seine Verpflichtungen aus der Verordnung Nr. 3632/85 zur Festlegung der Voraussetzungen, unter denen eine Person eine Zollanmeldung abgeben kann.

Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung erlaubt es zwar, einer Berufsgruppe eine der beiden vorgesehenen Auftragsarten vorzubehalten, doch verlangt er, daß die Ausübung der nicht vorbehaltenen Tätigkeit tatsächlich frei ist, so daß die Importeure von Waren nicht gezwungen sind, sich für ihre Zollanmeldung ausschließlich an offizielle Agenten zu wenden, sondern eine gewisse Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Gruppen konkurrierender Wirtschaftsteilnehmer haben.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 11. MAERZ 1992. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN PORTUGIESISCHE REPUBLIK. - PERSONEN, DIE EINE ZOLLERKLAERUNG ABGEBEN KOENNEN - HANDELN IM EIGENEN NAMEN, ABER FUER FREMDE RECHNUNG. - RECHTSSACHE C-323/90.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 22. Oktober 1990 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Portugiesische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen hat, indem sie nationale Rechtsvorschriften beibehalten hat, die der Verordnung (EWG) Nr. 3632/85 des Rates vom 12. Dezember 1985 zur Festlegung der Voraussetzungen, unter denen eine Person eine Zollanmeldung abgeben kann (ABl. L 350, S. 1, im folgenden: Verordnung) zuwiderlaufen.

2 Gemäß Artikel 2 der Verordnung kann die Zollanmeldung von jeder Person abgegeben werden, die in der Lage ist, eine Ware gemäß den hierfür vorgesehenen Vorschriften bei der zuständigen Zollstelle zu gestellen oder gestellen zu lassen und alle Unterlagen vorzulegen, deren Vorlage in den Bestimmungen vorgesehen ist, die das für diese Ware beantragte Zollverfahren regeln.

3 Artikel 3 Absätze 1, 2 und 3 der Verordnung lauten:

"(1) Wird die Zollanmeldung schriftlich abgegeben, kann die Person im Sinne des Artikels 2 diese Anmeldung unbeschadet der sonstigen Bestimmungen des vorliegenden Artikels

a) in eigenem Namen und für eigene Rechnung

oder

b) in fremdem Namen und für fremde Rechnung

oder

c) in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung

abgeben.

(2) Die Anmeldung gemäß Absatz 1 Buchstabe c) kann nur abgegeben werden, wenn die Mitgliedstaaten entsprechende Bestimmungen erlassen haben.

(3) Lässt ein Mitgliedstaat die Abgabe der Anmeldung gemäß Absatz 1 Buchstabe c zu, so kann er das Recht,

a) entweder Anmeldungen in fremdem Namen und für fremde Rechnung

b) oder aber Anmeldungen in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung

abzugeben, Personen vorbehalten, die als selbständige Erwerbstätige in Ausübung eines Haupt- oder Nebengewerbes Zollanmeldungen abgeben."

4 Gemäß Artikel 6 Buchstabe a steht die Verordnung Vorschriften der Mitgliedstaaten nicht entgegen, nach denen die Ausübung des Berufs, Zollanmeldungen entweder in fremdem Namen und für fremde Rechnung oder in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung abzugeben, unter Beachtung von Artikel 3 Absatz 3 Personen vorbehalten ist, die von den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats unter von ihm festgelegten Bedingungen insbesondere in bezug auf die erforderliche berufliche Befähigung und die für die Ausübung des Berufes als notwendig erachtete Gewähr dazu ermächtigt worden sind.

5 Im portugiesischen Recht ist nach Artikel 426 des Decreto-lei Nr. 46311 vom 27. April 1965 (im folgenden: Zollreformverordnung) den offiziellen Zollagenten das Recht vorbehalten, Zollanmeldungen in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung abzugeben. Hinsichtlich der Anmeldungen in fremdem Namen und für fremde Rechnung stehen die offiziellen Zollagenten mit anderen Personen im Wettbewerb. Artikel 433 Absatz 4 der Zollreformverordnung legt jedoch fest, daß die im Namen und für Rechnung des Eigentümers der jeweiligen Waren handelnden Personen nicht mehr als einen Auftraggeber vertreten können. Diese Bedingung schließt also jede Person, die nicht Zollagent ist, von der gewerbsmässigen Abgabe von Zollanmeldungen in fremdem Namen und für fremde Rechnung aus.

6 Die in Portugal auf Transit- oder Speditionsunternehmen anwendbare rechtliche Regelung ist durch das Decreto-lei Nr. 43 vom 25. Januar 1983 eingeführt worden. Dessen Artikel 7 Absatz 4 untersagt es diesen Unternehmen, Zollanmeldungen durchzuführen.

7 Die Parteien des Rechtsstreits streiten über die Auslegung dieser Vorschrift. Die Kommission ist der Ansicht, sie untersage den Transit- und Speditionsunternehmen gänzlich, Zollanmeldungen für fremde Rechnung abzugeben. Die portugiesische Regierung meint demgegenüber, das Verbot betreffe nur die gewerbsmässige Ausübung von Zollspeditionstätigkeiten durch diese Unternehmen; diese könnten also wie jede andere Person unter der Voraussetzung, nicht mehr als einen Auftraggeber gleichzeitig zu vertreten, Anmeldungen in fremdem Namen und für fremde Rechnung abgeben.

8 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

9 Zur Begründung ihrer Klage macht die Kommission geltend, Artikel 7 Absatz 4 des angeführten Decreto-lei beachte nicht die in Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung vorgesehene Alternative. Die letztgenannte Bestimmung gestatte den Mitgliedstaaten, einer bestimmten Berufsgruppe nur eine der beiden dort genannten Formen der Zollanmeldung vorzubehalten; im vorliegenden Fall hätte jedem interessierten Wirtschaftsteilnehmer freier Zugang zu der den offiziellen Zollagenten nicht vorbehaltenen Form, nämlich der Anmeldung in fremdem Namen und für fremde Rechnung, gewährt werden müssen.

10 Diese Feststellung könne durch die von der portugiesischen Regierung vertretene Auslegung der fraglichen Vorschrift des Decreto-lei nicht widerlegt werden, wonach diese sich darauf beschränke, die Möglichkeit für Transit- und Speditionsunternehmen, wie jede andere Person Anmeldungen in fremdem Namen und für fremde Rechnung abzugeben, von der Voraussetzung abhängig zu machen, daß nicht mehr als ein Auftraggeber gleichzeitig vertreten werde. In dieser Hinsicht macht die Kommission geltend, daß Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung keinerlei Beschränkung dieser Art enthalte und daß demzufolge die betreffenden Unternehmen die fraglichen Anmeldungen gegebenenfalls gewerbsmässig abgeben können müssten.

11 Die portugiesische Regierung ist demgegenüber der Ansicht, daß die in Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung vorgesehene Alternative beachtet werde. Artikel 426 der Zollreformverordnung behalte allein den offiziellen Zollagenten das Recht vor, Zollanmeldungen in eigenem Namen und für fremde Rechnung abzugeben; Zollanmeldungen in fremdem Namen und für fremde Rechnung könnten von jeder anderen Person, mithin auch von den Transit- und Speditionsunternehmen abgegeben werden. Der Umstand, daß nur die Zollagenten Anmeldungen für Rechnung mehrerer Auftraggeber abgeben könnten und daß sie in der Praxis die einzigen seien, die gewerbsmässig handeln könnten, laufe der Verordnung nicht zuwider, da diese in keiner Weise vorschreibe, daß Transit- und Speditionsunternehmen Zugang zum Beruf des Zollagenten haben müssten. Im Gegenteil erlaube Artikel 6 Buchstabe a ausdrücklich die Beibehaltung des Erfordernisses der beruflichen Befähigung auf dem Gebiet der Zollanmeldungen.

12 Dazu ist zunächst festzustellen, daß Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung es nur erlaubt, einer Berufsgruppe eine der beiden in dieser Vorschrift vorgesehenen Auftragsarten vorzubehalten. Eine nationale Regelung, die es Unternehmen, die nicht zu dieser Berufsgruppe gehören, gänzlich untersagt, Zollanmeldungen für fremde Rechnung abzugeben, sei es in eigenem oder in fremdem Namen, beachtet nicht die von Artikel 3 Absatz 3 vorgeschriebene Alternative und verstösst deswegen gegen die Verordnung.

13 Unabhängig davon, wie die fraglichen Vorschriften des portugiesischen Rechts auszulegen sind, ist den Erfordernissen des Artikels 3 Absatz 3 der Verordnung nur dann Genüge getan, wenn die Ausübung der nicht vorbehaltenen Tätigkeit tatsächlich frei ist. Dieser Artikel soll nämlich gewährleisten, daß die Importeure von Waren nicht gezwungen sind, sich für ihre Zollanmeldungen ausschließlich an offizielle Agenten zu wenden, denen der Mitgliedstaat eine der beiden Auftragsarten vorbehalten hat, sondern eine gewisse Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Gruppen konkurrierender Wirtschaftsteilnehmer haben.

14 Diese Freiheit ist jedoch gefährdet, wenn ein Mitgliedstaat allen Unternehmen, die nicht offizielle Zollagenten sind - denen er eine der beiden Auftragsarten vorbehalten hat - untersagt, die andere Auftragsart gewerbsmässig auszuüben. Ein solches Verbot schützt die offiziellen Zollagenten gegen jegliche wirksame Konkurrenz durch andere Unternehmen und verschafft ihnen mithin für Zollanmeldungen für fremde Rechnung ein tatsächliches Monopol.

15 Insoweit ist zu beachten, daß die berufliche Befähigung im Sinne des Artikels 6 Buchstabe a der Verordnung nur die Berufsgruppe betrifft, der der Mitgliedstaat gemäß Artikel 3 Absatz 3 das ausschließliche Recht zuerkannt hat, im Rahmen einer der beiden Auftragsarten zu handeln. Artikel 6 Buchstabe a erlaubt es also nicht, für diejenigen, die nicht zu dieser Gruppe gehören, die Inanspruchnahme der anderen Auftragsart auf nicht gewerbsmässige Zwecke zu beschränken.

16 Das portugiesische Zollrecht behält jedoch den offiziellen Zollagenten das Recht vor, Zollanmeldungen in eigenem Namen und für fremde Rechnung abzugeben, und untersagt es anderen Unternehmen, gewerbsmässig solche Anmeldungen in fremdem Namen und für fremde Rechnung abzugeben.

17 Daraus folgt, daß die Portugiesische Republik insoweit gegen ihre Verpflichtungen aus der Verordnung verstossen hat, als Artikel 426 der Zollreformverordnung und Artikel 7 Absatz 4 des Decreto-lei Nr. 43 vom 25. Januar 1983 die Transit- und Speditionsunternehmen daran hindert, gewerbsmässig eine Tätigkeit auszuüben, die in der Abgabe von Zollanmeldungen in fremdem Namen und für fremde Rechnung besteht.

Kostenentscheidung:

Kosten

18 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Portugiesische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Portugiesische Republik hat gegen ihre Verpflichtungen aus der Verordnung (EWG) Nr. 3632/85 des Rates vom 12. Dezember 1985 zur Festlegung der Voraussetzungen, unter denen eine Person eine Zollanmeldung abgeben kann, verstossen, indem sie Artikel 426 des Decreto-lei Nr. 46311 vom 27. April 1965 und Artikel 7 Absatz 4 des Decreto-lei Nr. 43 vom 25. Januar 1983 beibehalten hat, soweit diese Artikel Transit- und Speditionsunternehmen daran hindern, gewerbsmässig eine Tätigkeit auszuüben, die darin besteht, Zollanmeldungen in fremdem Namen und für fremde Rechnung abzugeben.

2) Die Portugiesische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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