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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 07.03.1996
Aktenzeichen: C-334/94
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 vom 29. Juni 1970, EG-Vertrag, Richtlinie 75/34/EWG vom 17. Dezember 1974, EG-Vertrag


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 vom 29. Juni 1970 Artikel 7
EG-Vertrag Artikel 221
EG-Vertrag Artikel 171
Richtlinie 75/34/EWG vom 17. Dezember 1974 Artikel 7
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Ein Mitgliedstaat verstösst gegen seine Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht, wenn er Rechts- oder Verwaltungsvorschriften beibehält, die das Recht auf Eintragung eines Schiffes in das nationale Register und auf Führung der nationalen Flagge Schiffen vorbehält, die

° zu mehr als der Hälfte natürlichen Personen mit der Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaats,

° juristischen Personen mit einem Gesellschaftssitz in diesem Mitgliedstaat,

° juristischen Personen, deren Leiter, Verwalter oder Geschäftsführer zu einem bestimmten Teil eigene Staatsangehörige sind, oder

° juristischen Personen, deren Gesellschaftskapital im Falle einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, einer Kommanditgesellschaft, einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zu mehr als der Hälfte von eigenen Staatsangehörigen oder insgesamt von eigenen Staatsangehörigen gehalten wird, die bestimmte Voraussetzungen erfuellen,

gehören.

Insbesondere verstossen bei Schiffen, die im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit eingesetzt werden, zum einen der Umstand, daß das erwähnte Recht Schiffen vorbehalten wird, die zu mehr als der Hälfte natürlichen Personen mit der Staatsangehörigkeit des die Flagge stellenden Mitgliedstaats gehören, und zum anderen die Voraussetzung, daß die Kontrolle oder die Führung der juristischen Personen, die Eigentümer sind, tatsächlich von eigenen Staatsangehörigen ausgeuebt wird, sowie die Voraussetzung, daß das Kapital bestimmter juristischer Personen, die Eigentümer der Schiffe sind, zu einem bestimmten Anteil von eigenen Staatsangehörigen kontrolliert werden muß, gegen die Artikel 6 und 52 des Vertrages. Die zuletzt genannte Voraussetzung verstösst auch gegen Artikel 221 des Vertrages, da sie die Beteiligung von Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten am Kapital dieser juristischen Personen beschränkt. Soweit schließlich verlangt wird, daß juristische Personen, die Eigentümer von Schiffen sind, ihren Sitz im nationalen Hoheitsgebiet haben müssen, und daher die Registrierung oder die Führung eines Schiffes im Falle einer Zweitniederlassung wie einer Agentur, einer Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft ausgeschlossen ist, verstösst die fragliche Regelung gegen die Artikel 52 und 58 des Vertrages.

Bei Schiffen, die nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit eingesetzt werden, fällt ihre Registrierung im Aufnahmemitgliedstaat durch einen Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats unter die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts über die Freizuegigkeit, und die in Rede stehende Regelung verstösst gegen die Artikel 6, 48 und 52 des Vertrages sowie gegen Artikel 7 der Verordnung Nr. 1251/70 über das Recht der Arbeitnehmer, nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verbleiben, und gegen Artikel 7 der Richtlinie 75/34 über das Recht der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, nach Beendigung der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zu verbleiben, wenn sie das Recht auf Registrierung eines Vergnügungsschiffs Inländern vorbehalt, die zu mehr als der Hälfte dessen Eigentümer sind.

2. Die Unvereinbarkeit von nationalem Recht mit dem Vertrag lässt sich, auch soweit dieser unmittelbar anwendbar ist, letztlich nur mit Hilfe verbindlichen innerstaatlichen Rechts ausräumen, das denselben rechtlichen Rang hat wie die zu ändernden Bestimmungen. Eine blosse Verwaltungspraxis, die die Verwaltung naturgemäß beliebig ändern kann und die nur unzureichend bekannt ist, kann nicht als eine rechtswirksame Erfuellung der Verpflichtungen aus dem Vertrag angesehen werden.

3. Auch wenn Artikel 171 des Vertrages keine Frist angibt, innerhalb deren ein Urteil durchgeführt sein muß, verlangt es das Interesse an einer sofortigen und einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts, daß diese Durchführung sofort in Angriff genommen werden und innerhalb kürzestmöglicher Frist abgeschlossen sein muß.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 7. März 1996. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Französische Republik. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Registrierung von Schiffen - Recht, die französische Flagge zu führen - Staatsangehörigkeitserfordernisse fur Eigner und Besatzung - Nichtdurchführung des Urteils 167/73. - Rechtssache C-334/94.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 22. Dezember 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung,

° daß die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 6, 48, 52, 58 und 221 EG-Vertrag sowie Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 der Kommission vom 29. Juni 1970 über das Recht der Arbeitnehmer, nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verbleiben (ABl. L 142, S. 24), und aus Artikel 7 der Richtlinie 75/34/EWG des Rates vom 17. Dezember 1974 über das Recht der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, nach Beendigung der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zu verbleiben (ABl. 1975, L 14, S. 10), verstossen hat, daß sie Rechts- oder Verwaltungsvorschriften beibehalten hat, die das Recht auf Eintragung eines Schiffes im nationalen Register und die Führung der nationalen Flagge Schiffen vorbehalten, die zu mehr als der Hälfte natürlichen Personen französischer Staatsangehörigkeit, juristischen Personen mit einem Gesellschaftssitz in Frankreich oder juristischen Personen gehören, deren Leiter, Verwalter oder Geschäftsführer zu einem bestimmten Teil französische Staatsangehörige sind oder deren Gesellschaftskapital im Falle einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, einer Kommanditgesellschaft, einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zu mehr als der Hälfte von Franzosen oder insgesamt von französischen Staatsangehörigen gehalten wird, die bestimmte Voraussetzungen erfuellen,

° und daß die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 171 EG-Vertrag verstossen hat, daß sie nicht die Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 4. April 1974 in der Rechtssache 167/73 (Kommission/Französische Republik, Slg. 1974, 359) ergeben.

Der erste Klagepunkt

2 Artikel 217 des französischen Code des douanes (Zollgesetzbuch) lautet:

"Der Eintrag in das französische Schiffsregister verleiht dem Schiff das Recht zum Führen der Flagge der Französischen Republik sowie alle damit verbundenen Rechte. Dieser Verwaltungsvorgang wird durch den Schiffsregisterauszug bescheinigt."

3 Artikel 219 des Code, der Bestimmungen enthält, die mit den Artikeln 3 und 3.1 des Gesetzes Nr. 67-5 vom 3. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Schiffe und sonstigen Seefahrzeuge in der Fassung des Gesetzes Nr. 75-300 vom 29. April 1975 übereinstimmen, bestimmt:

"I. Die Eintragung in das Schiffsregister hat folgende Voraussetzungen:

1....

2. A. Das Schiff muß entweder mindestens zur Hälfte Franzosen gehören, die, wenn sie sich weniger als sechs Monate im Jahr in Frankreich aufhalten, dort für alle Verwaltungs- und rechtlichen Zwecke im Zusammenhang mit dem Eigentum am Schiff oder dessen Zustand ein Wahldomizil haben müssen; oder

B. es muß ganz einer Gesellschaft mit Sitz im Gebiet der Französischen Republik gehören.

Der Gesellschaftssitz kann sich jedoch in einem anderen Staat befinden, wenn nach einem zwischen Frankreich und diesem Staat geschlossenen Abkommen eine nach französischem Recht errichtete Gesellschaft im Gebiet des anderen Staates ihrer Geschäftstätigkeit rechtmässig nachgehen und dort ihren Gesellschaftssitz haben kann und sie für alle Verwaltungs- oder rechtlichen Zwecke im Zusammenhang mit dem Eigentum am Schiff oder dessen Zustand ein Wahldomizil in Frankreich begründet.

Im übrigen müssen unabhängig vom Ort des Gesellschaftssitzes Franzosen sein:

a) bei Aktiengesellschaften: der Präsident des Verwaltungsrates, die Generaldirektoren und die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungsrates oder je nach Lage des Falles die Mitglieder des Direktoriums und die Mehrheit der Mitglieder des Aufsichtsrates;

b) bei Kommanditgesellschaften auf Aktien: die Geschäftsführer und die Mehrheit der Mitglieder des Aufsichtsrates;

c) bei Kommanditgesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, offenen Handelsgesellschaften und Gesellschaften des bürgerlichen Rechts: die Geschäftsführer und die Gesellschafter, die die Mehrheit des Gesellschaftskapitals halten; oder

C. es muß insgesamt unabhängig von der Aufteilung des Eigentums Franzosen, die die oben in Abschnitt A vorgesehenen Voraussetzungen erfuellen, und Gesellschaften gehören, die die oben in Abschnitt B vorgesehenen Voraussetzungen erfuellen; oder

D. es muß dazu bestimmt sein, nach Ausübung einer Option zum Erwerb des Eigentums aufgrund eines Mietkaufvertrags entweder

a) mindestens zur Hälfte und unabhängig davon, wer das Eigentum an den restlichen Teilen hält, Franzosen zu gehören, die die oben in Abschnitt A vorgesehenen Voraussetzungen erfuellen; oder

b) insgesamt Gesellschaften, die die Bedingungen oben in Abschnitt B erfuellen; oder

c) insgesamt unabhängig von der Aufteilung des Eigentums Franzosen, die die Voraussetzungen in Abschnitt A erfuellen, und Gesellschaften, die die Voraussetzungen in Abschnitt B erfuellen.

3. Unabhängig von den in Absatz 2 geregelten Fällen kann das Schiff aufgrund besonderer Zulassung durch den für die Handelsmarine zuständigen Minister und den Haushaltsminister in den beiden folgenden Fällen in das Schiffsregister eingetragen werden:

1 wenn sich in einem der in den Abschnitten 2-B, 2-C, 2-D b oder c vorgesehenen Fälle die Rechte der natürlichen oder juristischen Personen, die die Voraussetzungen der Staatsangehörigkeit, des Aufenthalts oder des Gesellschaftssitzes nach diesen Bestimmungen erfuellen, nicht auf das ganze Schiff, sondern zumindest auf die Hälfte erstrecken, sofern die Führung des Schiffes von diesen Personen selbst vorgenommen oder anderen Personen anvertraut wird, die die Voraussetzungen der Abschnitte 2-A oder 2-B erfuellen;

2 wenn das Schiff ohne Ausrüstung und Besatzung von einem französischen Reeder gechartert worden ist, der es kontrolliert, ausrüstet, betreibt und die seemännische Führung übernimmt, und wenn das Gesetz des Flaggenstaates in solchen Fällen die Aufgabe der ausländischen Flagge zulässt.

II. Ausländische Schiffe können auch in das französische Schiffsregister eingetragen werden, wenn sie in der Folge eines Schiffbruchs an den Küsten des Gebietes, in dem die Eintragung erfolgen soll, nach Reparaturen, die sich auf mindestens das Vierfache ihres Kaufpreises belaufen, vollständig französisches Eigentum geworden und von Franzosen befehligt werden."

4 Bei den Rügen, die sie gegen diese Bestimmungen erhebt, unterscheidet die Kommission zwischen den Fällen, in denen die Schiffe im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit eingesetzt werden, und anderen Fällen.

5 In bezug auf die erstere Fallgestaltung macht die Kommission geltend, daß die Französische Republik eine Regelung beibehalte, die unter Verstoß gegen Artikel 6 aufgrund der Staatsangehörigkeit diskriminiere und die unter Verstoß gegen Artikel 52 EG-Vertrag die Niederlassungsfreiheit behindere, indem sie das Recht, ein Schiff in das französische Register eintragen zu lassen und die französische Flagge zu führen, Schiffen vorbehalte, die zu mehr als der Hälfte natürlichen Personen französischer Staatsangehörigkeit gehörten. Sie beruft sich hierfür auf das Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-221/89 (Factortame u. a., Slg. 1991, I-3905, Randnr. 30) sowie auf die Urteile vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C-246/89 (Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1991, I-4585) und in der Rechtssache C-93/89 (Kommission/Irland, Slg. 1991, I-4569).

6 Weiter macht sie geltend, es verstosse gegen Artikel 52 EG-Vertrag, daß juristische Personen, die Schiffseigner seien, ihren Sitz im französischen Hoheitsgebiet haben müssten und daß ihr Kapital zu einem bestimmten Anteil von Inländern kontrolliert werden müsse (vgl. Urteil Factortame u. a., a. a. O., Randnrn. 33 und 35). Das gleiche gelte, soweit die Kontrolle oder die Führung tatsächlich von französischen Staatsangehörigen ausgeuebt werden müssten.

7 Daß juristische Personen ihren Sitz in Frankreich haben müssten, stelle zudem ein Hemmnis für die Ausübung des Rechts auf Gründung und Verwaltung einer Gesellschaft mit dem Zweck der Führung eines Schiffes durch eine Agentur, eine Zweigniederlassung oder eine Filiale dar, das gegen Artikel 58 EG-Vertrag verstosse.

8 Daß schließlich die Beteiligung von Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten am Kapital der vom französischen Recht erfassten Gesellschaften beschränkt sei, verstosse gegen Artikel 221 EG-Vertrag, der die Verpflichtung schaffe, in bezug auf diese Beteiligung am Gesellschaftskapital Inländerbehandlung zu gewähren (Urteil Factortame u. a., a. a. O., Randnr. 31).

9 In bezug auf die Fallgestaltung, daß die Schiffe nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit eingesetzt werden, verstossen die in den beanstandeten nationalen Bestimmungen vorgesehenen Beschränkungen nach Ansicht der Kommission gegen die Artikel 6, 48 und 52 EG-Vertrag. Sie verstießen auch gegen Artikel 7 der Verordnung Nr. 1251/70 und Artikel 7 der Richtlinie 75/34, die in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich das Recht der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats auf Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats vorsähen.

10 Obwohl die Registrierung eines Schiffes für Vergnügungszwecke streng genommen nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erfolge, stelle die von den Mitgliedstaaten gebotene Möglichkeit, Freizeitbeschäftigungen nachzugehen, eine Folgeerscheinung der Freizuegigkeit dar. Die Kommission beruft sich hierfür auf die Urteile vom 2. Februar 1989 in der Rechtssache 186/87 (Cowan, Slg. 1989, 195, Randnr. 20) und vom 15. März 1994 in der Rechtssache C-45/93 (Kommission/Spanien, Slg. 1994, I-911).

11 Die französische Regierung bestreitet die ihr von der Kommission zur Last gelegte Vertragsverletzung nicht.

12 Zunächst ist die Fallgestaltung zu erörtern, daß die Schiffe im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit eingesetzt werden.

13 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist das in Artikel 7 EWG-Vertrag aufgestellte allgemeine Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit durch Artikel 52 EWG-Vertrag in dem besonderen Bereich, den dieser regelt, umgesetzt worden, folglich ist jede Regelung, die mit dieser Bestimmung unvereinbar ist, auch mit Artikel 7 des Vertrages unvereinbar (Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich, a. a. O., Randnr. 18). Artikel 7 EWG-Vertrag ist nunmehr Artikel 6 EG-Vertrag.

14 Im Urteil Factortame u. a. hat der Gerichtshof ausgeführt, daß jeder Mitgliedstaat bei der Ausübung seiner Befugnis zur Aufstellung der Voraussetzungen, unter denen er einem Schiff seine "Staatszugehörigkeit" gewährt, das Verbot der Diskriminierung von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten aus Gründen ihrer Staatsangehörigkeit zu beachten hat (Randnr. 28) und daß Artikel 52 des Vertrages einer Bedingung entgegensteht, nach der die natürlichen Personen, die Eigentümer oder Charterer eines Schiffes sind, sowie im Falle einer Gesellschaft die Anteilseigner und Geschäftsführer eine bestimmte Staatsangehörigkeit besitzen müssen (Randnr. 30).

15 Der Gerichtshof hat sodann festgestellt, daß das gleiche für Artikel 221 des Vertrages gilt, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer Beteiligung am Kapital von Gesellschaften im Sinne von Artikel 58 den eigenen Staatsangehörigen gleichzustellen (Randnr. 31).

16 Schließlich hat der Gerichtshof im selben Urteil ausgeführt, daß sich eine Bedingung für die Registrierung eines Schiffes, wonach dieses Schiff vom Registrierungsmitgliedstaat aus operieren sowie sein Einsatz von dort aus geleitet und überwacht werden muß, im wesentlichen mit dem Niederlassungsbegriff im Sinne der Artikel 52 ff. des Vertrages deckt, der eine feste Einrichtung voraussetzt (Randnr. 34). Er hat jedoch klargestellt, daß eine solche Bedingung dann mit diesen Bestimmungen nicht vereinbar wäre, wenn sie so zu verstehen wäre, daß sie die Registrierung im Falle einer Zweitniederlassung ausschließt, in dem die Einsatzzentrale für das Schiff im Registrierungsstaat nach den Weisungen einer im Mitgliedstaat der Hauptniederlassung befindlichen Entscheidungszentrale handelt (Randnr. 35).

17 Somit verstösst die französische Regelung, die das Recht auf Eintragung eines Schiffes in das französische Register und auf die Führung der französischen Flagge Schiffen vorbehält, die zu mehr als der Hälfte natürlichen Personen französischer Staatsangehörigkeit gehören, gegen die Artikel 6 und 52 EG-Vertrag. Das gleiche gilt für die Voraussetzung, daß das Kapital bestimmter juristischer Personen, die Eigentümer von Schiffen sind, zu einem bestimmten Anteil von französischen Staatsangehörigen kontrolliert werden muß, sowie für die Voraussetzung, daß die Kontrolle oder die Führung tatsächlich von französischen Staatsangehörigen ausgeuebt wird.

18 Im übrigen verstösst diese Voraussetzung in bezug auf die Kontrolle des Kapitals bestimmter juristischer Personen, die Eigentümer von Schiffen sind, auch gegen Artikel 221 EG-Vertrag, da sie die Beteiligung von Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten am Kapital dieser juristischen Personen beschränkt.

19 Schließlich verstösst es gegen die Artikel 52 und 58 EG-Vertrag, daß nach der französischen Regelung juristische Personen, die Eigentümer von Schiffen sind, ihren Sitz im französischen Hoheitsgebiet haben müssen, so daß die Registrierung oder die Führung eines Schiffes im Falle einer Zweitniederlassung wie einer Agentur, einer Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft ausgeschlossen ist.

20 Sodann ist die Fallgestaltung zu erörtern, daß die Schiffe nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit eingesetzt werden.

21 Das Gemeinschaftsrecht gewährleistet den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats sowohl die Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, um dort einer selbständigen oder nichtselbständigen Tätigkeit nachzugehen, als auch die Freiheit, dort zu wohnen, nachdem er dort eine solche Tätigkeit ausgeuebt hat. Daher stellt der Zugang zu den in diesem Staat gebotenen Freizeitbeschäftigungen eine Folgeerscheinung der Freizuegigkeit dar.

22 Somit fällt die Registrierung eines Schiffes, das zu Vergnügungszwecken bestimmt ist, im Aufnahmemitgliedstaat durch einen solchen Staatsangehörigen unter die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts über die Freizuegigkeit.

23 Daher verstösst die französische Regelung, die das Recht auf Registrierung eines Vergnügungsschiffs in Frankreich Inländern vorbehält, in deren Eigentum es zu mehr als der Hälfte steht, gegen die Artikel 6, 48 und 52 EG-Vertrag sowie gegen Artikel 7 der Verordnung Nr. 1251/70 und Artikel 7 der Richtlinie 75/34.

24 Nach allem ist zum ersten Klagepunkt festzustellen, daß die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 6, 48, 52, 58 und 221 EG-Vertrag sowie aus Artikel 7 der Verordnung Nr. 1251/70 und Artikel 7 der Richtlinie 75/34 verstossen hat, daß sie Rechts- oder Verwaltungsvorschriften beibehalten hat, die das Recht, ein Schiff in das nationale Register eintragen zu lassen und die nationale Flagge zu führen, Schiffen vorbehält, die zu mehr als der Hälfte natürlichen Personen französischer Staatsangehörigkeit, juristischen Personen mit einem Gesellschaftssitz in Frankreich oder juristischen Personen gehören, deren Leiter, Verwalter oder Geschäftsführer zu einem bestimmten Teil französische Staatsangehörige sind oder deren Gesellschaftskapital im Falle einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, einer Kommanditgesellschaft, einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zu mehr als der Hälfte von Franzosen oder insgesamt von französischen Staatsangehörigen gehalten wird, die bestimmte Voraussetzungen erfuellen.

Der zweite Klagepunkt

25 Dieser Punkt betrifft die Nichtdurchführung des Urteils vom 4. April 1974 in der Rechtssache 167/73 (Kommission/Frankreich, a. a. O.) durch die Französische Republik.

26 In diesem Urteil hat der Gerichtshof festgestellt, daß die Französische Republik durch ihr unverändertes Festhalten an Artikel 3 Absatz 2 des Code de travail maritime gegenüber Angehörigen der übrigen Mitgliedstaaten gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 48 EWG-Vertrag und Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) verstossen hat.

27 Nach Artikel 3 Absatz 2 des französischen Code de travail maritime muß die Besatzung eines Seeschiffes zu einem durch Verordnung des Ministers für die Handelsmarine zu bestimmenden Anteil die französische Staatsangehörigkeit haben.

28 Die Kommission führt aus, daß ein nach der Verkündung dieses Urteils abgefasstes Verwaltungsrundschreiben Weisungen enthalte, die die Anwendung des beanstandeten nationalen Gesetzes ausschließen sollten. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes stellten ministerielle Rundschreiben keine geeigneten Maßnahmen zur Erfuellung der Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht dar. Daher stelle der Umstand, daß die nationale Regelung noch nicht geändert worden sei, um sie dem Urteil des Gerichtshofes vom 4. April 1974 anzupassen, einen Verstoß gegen die Verpflichtung aus Artikel 171 EG-Vertrag dar, die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil ergäben.

29 Die französische Regierung stellt die ihr zur Last gelegte Vertragsverletzung nicht in Abrede, führt jedoch aus, daß seit dem erwähnten Rundschreiben die Staatsangehörigkeitsvoraussetzung für die Ausübung des Berufes eines Seemanns nicht mehr auf Staatsangehörige der Gemeinschaft angewandt werde. Auch werde ein Gesetzentwurf zur Änderung dieser Regelung zu dem Zweck, dem Urteil des Gerichtshofes nachzukommen, ausgearbeitet und solle demnächst erlassen werden.

30 Zunächst lässt sich nach ständiger Rechtsprechung die Unvereinbarkeit von nationalem Recht mit dem EG-Vertrag, auch soweit dieser unmittelbar anwendbar ist, letztlich nur mit Hilfe verbindlichen innerstaatlichen Rechts ausräumen, das denselben rechtlichen Rang hat wie die zu ändernden Bestimmungen. Eine blosse Verwaltungspraxis, die die Verwaltung naturgemäß beliebig ändern kann und die nur unzureichend bekannt ist, kann nicht als eine rechtswirksame Erfuellung der Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag angesehen werden (Urteil vom 15. Oktober 1986 in der Rechtssache 168/85, Kommission/Italien, Slg. 1986, 2945, Randnr. 13).

31 Sodann steht, auch wenn Artikel 171 EG-Vertrag keine Frist angibt, innerhalb deren ein Urteil durchgeführt sein muß, doch fest, daß es das Interesse an einer sofortigen und einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts verlangt, daß diese Durchführung sofort in Angriff genommen werden und innerhalb kürzestmöglicher Frist abgeschlossen sein muß (Urteil vom 13. Juli 1988 in der Rechtssache 169/87, Kommission/Frankreich, Slg. 1988, 4093, Randnr. 14). Im vorliegenden Fall hat es die Französische Republik unterlassen, einem Urteil nachzukommen, das der Gerichtshof vor mehr als 20 Jahren erlassen hat.

32 Daher ist in bezug auf den zweiten Klagepunkt festzustellen, daß die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 171 EG-Vertrag verstossen hat, daß sie nicht die Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus dem Urteil vom 4. April 1974 ergeben.

Kostenentscheidung:

Kosten

33 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Französische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 6, 48, 52, 58 und 221 EG-Vertrag sowie aus Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 der Kommission vom 29. Juni 1970 über das Recht der Arbeitnehmer, nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verbleiben, und aus Artikel 7 der Richtlinie 75/34/EWG des Rates vom 17. Dezember 1974 über das Recht der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, nach Beendigung der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zu verbleiben, verstossen, daß sie Rechts- oder Verwaltungsvorschriften beibehalten hat, die das Recht, ein Schiff in das nationale Register eintragen zu lassen und die nationale Flagge zu führen, Schiffen vorbehalten, die zu mehr als der Hälfte natürlichen Personen französischer Staatsangehörigkeit, juristischen Personen mit einem Gesellschaftssitz in Frankreich oder juristischen Personen gehören, deren Leiter, Verwalter oder Geschäftsführer zu einem bestimmten Teil französische Staatsangehörige sind oder deren Gesellschaftskapital im Falle einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, einer Kommanditgesellschaft, einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zu mehr als der Hälfte von Franzosen oder insgesamt von französischen Staatsangehörigen gehalten wird, die bestimmte Voraussetzungen erfuellen.

2. Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 171 EG-Vertrag verstossen, daß sie nicht die Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus dem Urteil vom 4. April 1974 in der Rechtssache 167/73 (Kommission/Frankreich, Slg. 1974, 359) ergeben.

3. Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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