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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.10.1993
Aktenzeichen: C-337/91
Rechtsgebiete: Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, Richtlinie 79/7/EWG


Vorschriften:

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Art. 26
Richtlinie 79/7/EWG Art. 4 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Richtlinie 79/7 zielt auf die schrittweise Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit, deckt aber noch nicht den gesamten Bereich ab und gilt gemäß ihrem Artikel 3 Absatz 2 namentlich nicht für Regelungen betreffend Leistungen für Hinterbliebene. Folglich unterliegt die Regelung dieser Leistungen mangels einer einschlägigen Harmonisierung dem in dem betroffenen Mitgliedstaat geltenden nationalen und Völkerrecht.

Somit verstösst es nicht gegen Gemeinschaftsrecht, wenn die nationalen Gerichte Artikel 26 des internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte in dem Sinne auslegen, daß dieser Artikel die Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich der Leistung für Hinterbliebene vorschreibt, da dieses Gebiet nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 79/7 fällt und da, soweit dies doch der Fall ist, die schrittweise Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Gemeinschaftsrecht nicht behindert wird.

2. Es verstösst gegen Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7, wenn eine nationale Vorschrift erwerbsunfähigen Witwen anders als Witwern, die eine Leistung bei Erwerbsunfähigkeit erhalten, als Folge der Gewährung einer Witwenrente die Leistung bei Erwerbsunfähigkeit entzieht, wenn diese Entziehung nicht auf einem freiwilligen Verzicht der Begünstigten beruht.

3. Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7 ist, für sich betrachtet und unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Richtlinie und ihres Inhalts, so genau, daß er von einem einzelnen vor einem innerstaatlichen Gericht in Anspruch genommen werden kann, um eine mit der Bestimmung unvereinbare innerstaatliche Vorschrift für unanwendbar erklären zu lassen.

Mangels hinreichender Maßnahmen zur Umsetzung von Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7 ist es Sache der nationalen Gerichte, unter den verschiedenen Verfahren des nationalen Rechts diejenigen zu wählen, die geeignet sind, den Frauen die Anwendung eben der Regelung zu garantieren, die für Männer in der gleichen Lage gilt.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 27. OKTOBER 1993. - A. M. VAN GEMERT-DERKS GEGEN NIEUWE INDUSTRIELE BEDRIJFSVERENIGING. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: RAAD VAN BEROEP'S-HERTOGENBOSCH - NIEDERLANDE. - GLEICHBEHANDLUNG VON MAENNERN UND FRAUEN - SOZIALE SICHERHEIT - ENTZIEHUNG EINER LEISTUNG WEGEN ERWERBSUNFAEHIGKEIT BEI GEWAEHRUNG EINER LEISTUNG FUER HINTERBLIEBENE. - RECHTSSACHE C-337/91.

Entscheidungsgründe:

1 Der Raad van Beroep Herzogenbusch (Niederlande) hat mit Beschluß vom 17. Dezember 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Dezember 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung einiger Bestimmungen der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (Abl. 1979, L 6, S. 24; im folgenden: Richtlinie 79/7) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der niederländischen Staatsangehörigen A. M. van Gemert-Derks (Klägerin) und dem Bestuur van de Nieuwe Industriële Bedrijfsvereniging (Direktion der neuen Berufsgenossenschaft der Industrie: Beklagte).

3 In den Niederlanden besteht nach der Algemene Arbeidsongeschiktheidswet (Allgemeines Erwerbsunfähigkeitsgesetz, AAW) nach Ablauf des ersten Jahres der Erwerbsunfähigkeit ein Leistungsanspruch bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres.

4 Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe b AAW bestimmt:

"Die Gewährung der Leistung bei Erwerbsunfähigkeit wird eingestellt, wenn

...

b) eine Frau, der sie zuerkannt wurde, Anspruch auf eine Witwenrente oder eine befristete Leistung für Witwen nach der Algemene Weduwen- en Wezenwet erwirbt."

5 Die Algemene Weduwen- en Wezenwet (Allgemeines Witwen- und Waisengesetz, AWW) räumt der Witwe eines Versicherten unter bestimmten Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres einen Anspruch auf eine Witwenrente ein.

6 Nach Artikel 23 Absatz 1 AWW wird die Leistung auf Antrag durch die Sociale Verzekeringsbank gewährt. Gemäß Artikel 23 Absatz 2 kann diese, abweichend von Absatz 1, die Leistung auch von Amts wegen zuerkennen.

7 Die am 16. Januar 1937 geborene Klägerin übte seit 1972 selbständige Berufstätigkeiten aus. Im Februar 1982 wurde sie für erwerbsunfähig erklärt und ihr ab 31. Januar 1983 eine Leistung nach der AAW auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 80 bis 100 % zuerkannt.

8 Am 23. Oktober 1987 verstarb der Ehemann der Klägerin. Infolgedessen erhielt sie mit Wirkung vom 1. Oktober 1987 eine Witwenrente nach der AWW.

9 Mit Bescheid vom 8. Januar 1988 stellte der Bestuur van de Bedrijfsvereniging voor de Chemische Industrie (Direktion der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie), Rechtsvorgänger der Beklagten, gemäß Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe b AAW mit Wirkung vom 1. Oktober 1987 die der Klägerin nach der AAW gewährte Leistung ein. Aus dem Vorlagebeschluß geht hervor, daß der Übergang von der AAW-Regelung auf die AWW-Regelung für die Klägerin eine Kürzung ihres monatlichen Nettorentenbetrags um bis zu 100 HFL zur Folge hatte.

10 Die Klägerin erhob beim Raad van Beroep Herzogenbusch Klage gegen diesen Bescheid. Dieses Gericht vertrat die Auffassung, der Rechtsstreit werfe Fragen nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts auf, und beschloß daher, dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1) Ist es mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, daß die nationalen Gerichte Artikel 26 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte ° der für (mindestens) 11 der 12 Mitgliedstaaten der EWG verbindlich ist ° dahin auslegen, daß dieser Artikel ab 23. Dezember 1984 die völlige Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der gesetzlichen Hinterbliebenenrenten vorschreibt, obwohl dieser Bereich der Zuständigkeit der Gemeinschaft nur vorübergehend entzogen ist?

2) Ist eine Bestimmung des nationalen Rechts wie Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe b AAW ° die nach Auffassung des Centrale Raad van Beroep ab 23. Dezember 1984 Frauen nicht mehr direkt diskriminiert, da seitdem in gleicher Weise auch Männer infolge des Übergangs einer Leistung nach der AAW auf eine Leistung nach der AWW einen geringeren Leistungsbetrag erhalten können ° mit Artikel 4 Absatz 1 der EWG-Richtlinie 79/7 vereinbar, wenn diese nationale Bestimmung tatsächlich weiterhin einen Einkommensrückgang für alle (vollständig oder gegebenenfalls teilweise) erwerbsunfähigen Witwen zur Folge hat, aber nur ausnahmsweise (nämlich in den Fällen, in denen aufgrund "besonderer Härte" eine Witwerrente mit erheblicher Rückwirkung gewährt wird oder eine Möglichkeit der Rückforderung der Leistung nach der AAW besteht) für Witwer in vergleichbarer Lage?

3) Falls die erste oder die zweite Frage verneint wird: Stellt es das Gemeinschaftsrecht den nationalen Gerichten frei, eine nationale Bestimmung, wie sie in der zweiten Frage angesprochen wurde, wahlweise überhaupt nicht oder teilweise nicht anzuwenden oder sie als eine Bestimmung über eine Kürzung auszulegen? Verneinendenfalls, welche Möglichkeit ist am ehesten mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar?

11 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten Frage

12 Die erste Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob es gegen Gemeinschaftsrecht verstösst, daß die innerstaatliche Rechtsprechung Artikel 26 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 (Treaties Series, Band 999, S. 171; im folgenden: "Internationaler Pakt") in dem Sinne auslegt, daß dieser Artikel die Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich der Leistungen für Hinterbliebene vorschreibt.

13 Nach dem Buchstaben der AWW haben Witwer kein Anrecht auf Hinterbliebenenrente. Mit zwei Urteilen vom 7. Dezember 1988 stellte der Centrale Raad van Beroep jedoch fest, daß eine Leistung nach der AWW ungeachtet des Geschlechts zu gewähren sei, wobei er sich auf Artikel 26 des Internationalen Paktes stützte.

14 Die Richtlinie 79/7 zielt auf die schrittweise Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich der sozialen Sicherheit hin, deckt aber noch nicht den gesamten Bereich ab. So gilt die Richtlinie gemäß Artikel 3 Absatz 2 nicht für Regelungen betreffend Leistungen für Hinterbliebene.

15 Folglich unterliegt die Regelung dieser Leistungen mangels einer einschlägigen Harmonisierung dem in dem betroffenen Mitgliedstaat geltenden nationalen und Völkerrecht.

16 Eine innerstaatliche Rechtsprechung, die unter Berufung auf Artikel 26 des Internationalen Paktes den Grundsatz der Gleichbehandlung auf ein Gebiet erstreckt, das derzeit nicht von der Richtlinie 79/7 abgedeckt ist, vermag die schrittweise Verwirklichung dieses Grundsatzes nicht zu behindern, die mit dieser Richtlinie angestrebt wird, welche selbst einen ersten Schritt auf diesem Wege darstellt.

17 Somit ist die erste Frage dahin zu beantworten, daß es nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstösst, wenn die nationalen Gerichte Artikel 26 des Internationalen Paktes in dem Sinne auslegen, daß dieser Artikel die Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich der Leistung für Hinterbliebene vorschreibt, da dieses Gebiet nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 79/7 fällt.

Zur zweiten Frage

18 Es ist nicht Sache des Gerichtshofes, im Rahmen des Artikels 177 EWG-Vertrag über die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung oder Rechtsprechung mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden. Er ist jedoch befugt, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung dieses Rechts zu geben, die es diesem ermöglichen, bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens die Frage der Vereinbarkeit zu beurteilen (vgl. u. a. Urteil vom 18. Juni 1991 in der Rechtssache C-369/89, Piageme, Slg. 1991, I-2971, Randnr. 7).

19 Aus dem Vorlagebeschluß geht hervor, daß zu der Zeit, als der Klägerin infolge der Gewährung einer Witwenrente gemäß der AWW die Leistung bei Erwerbsunfähigkeit gemäß der AAW entzogen wurde, ein erwerbsunfähiger Witwer kein Anrecht auf eine Leistung nach der AWW hatte und deshalb weiterhin die Leistung nach der AAW bezog.

20 Die zweite Frage ist daher dahin zu verstehen, ob es gegen Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7 verstösst, daß eine nationale Bestimmung erwerbsunfähigen Witwen anders als Witwern, die eine Leistung bei Erwerbsunfähigkeit erhalten, die Leistung bei Erwerbsunfähigkeit entzieht, wenn ihnen eine Hinterbliebenenrente gewährt wird.

21 Die niederländische Regierung trägt vor, die Richtlinie 79/7 gelte nach Artikel 3 Absatz 2 nicht für Regelungen betreffend Leistungen für Hinterbliebene; man müsse sich daher fragen, ob eine Vorschrift wie Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe b AAW, die das Zusammentreffen einer Leistung bei Erwerbsunfähigkeit mit einer Leistung für Hinterbliebene regele, in den Anwendungsbereich der Richtlinie falle.

22 Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe b AAW betrifft die Entziehung einer Leistung bei Erwerbsunfähigkeit; auf derartige Leistungen findet die Richtlinie 79/7 nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a Anwendung. Dem steht nicht entgegen, daß die Entziehung der Leistung als Folge der Gewährung einer Leistung erfolgt, die nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 79/7 fällt, im vorliegenden Fall einer Leistung für Hinterbliebene.

23 Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7 verbietet jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, was insbesondere die Bedingungen für den Zugang zu den gesetzlichen Systemen angeht, zu denen das System zum Schutz gegen das Risiko der Invalidität gehört.

24 Nach dieser Bestimmung haben die Frauen das Recht, unter denselben Bedingungen wie die Männer eine Leistung bei Erwerbsunfähigkeit zu fordern.

25 Eine nationale Regelung, die den Frauen das Recht vorenthält, eine Leistung zu beanspruchen, die Männer in der gleichen Lage weiterhin erhalten, stellt daher eine Diskriminierung im Sinne der Richtlinie 79/7 dar.

26 Der Beklagte bringt vor, daß eine Leistung nach der AWW, die gemäß Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe b AAW die Entziehung der Leistung bei Erwerbsunfähigkeit zur Folge hat, nur auf Antrag gewährt werde und daß der Antrag zurückgenommen werden könne, solange die Leistung nach der AWW nicht gewährt worden sei. Seit Mitte Juli 1989 würden die Versicherten, die eine Leistung nach der AWW beantragen, von allen Auswirkungen, die Gewährung einer derartigen Leistung haben könne, in Kenntnis gesetzt.

27 Im Falle des freiwilligen Verzichts einer Witwe auf die Leistung bei Erwerbsunfähigkeit wird die Gleichbehandlung nicht beeinträchtigt, sofern sie eine klare und genaue Auskunft über die etwaigen finanziellen Auswirkungen der Ablösung dieser Leistung durch eine Leistung nach der AWW erhält.

28 Es ist Sache des vorlegenden Gerichts zu prüfen, ob ein derartiger Verzicht tatsächlich vorliegt.

29 Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, daß es gegen Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie verstösst, wenn eine nationale Vorschrift erwerbsunfähigen Witwen anders als Witwern, die eine Leistung bei Erwerbsunfähigkeit erhalten, als Folge der Gewährung einer Witwenrente die Leistung bei Erwerbsunfähigkeit entzieht, wenn diese Entziehung nicht auf einem freiwilligen Verzicht der Begünstigten beruht.

Zur dritten Frage

30 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Auswirkungen eine von den nationalen Gerichten festgestellte Unvereinbarkeit des einschlägigen innerstaatlichen Rechts mit Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7 hätte.

31 Wie der Gerichtshof zu wiederholten Malen entschieden hat (vgl. u. a. Urteil vom 13. Dezember 1989 in der Rechtssache C-102/88, Ruzius-Wilbrink, Slg. 1989, 4311, Randnr. 19), ist diese Bestimmung, für sich betrachtet, und unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Richtlinie und ihres Inhalts so genau, daß sie von einem einzelnen vor einem innerstaatlichen Gericht in Anspruch genommen werden kann, um eine mit dieser Bestimmung unvereinbare innerstaatliche Vorschrift für unanwendbar erklären zu lassen.

32 Nach dem Urteil vom 4. Dezember 1986 in der Rechtssache 71/85 (Federatie Nederlandse Vakbeweging, Slg. 1986, 3855) haben Frauen Anspruch auf die gleiche Behandlung und auf Anwendung der gleichen Regelung wie Männer, die sich in der gleichen Lage befinden, wobei diese Regelung, solange die Richtlinie nicht ordnungsgemäß durchgeführt ist, das einzig gültige Bezugssystem bleibt.

33 Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7 schließt zwar die Anwendung einer unvereinbaren innerstaatlichen Vorschrift aus, beschränkt indessen nicht die Befugnis der nationalen Gerichte, unter den verschiedenen nach nationalem Recht in Betracht kommenden Wegen diejenigen zu wählen, die zum Schutz der vom Gemeinschaftsrecht gewährten individuellen Rechte geeignet erscheinen.

34 Auf die dritte Frage ist daher zu antworten, daß es mangels hinreichender Maßnahmen zur Umsetzung von Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7 Sache der nationalen Gerichte ist, unter den verschiedenen nach nationalem Recht in Betracht kommenden Wegen diejenigen zu wählen, die geeignet sind, den Frauen die Anwendung eben der Regelung zu garantieren, die für Männer in der gleichen Lage gilt.

Kostenentscheidung:

Kosten

35 Die Auslagen der niederländischen, der deutschen und der britischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Raad van Beroep Herzogenbusch (Niederlande) mit Beschluß vom 17. Dezember 1991 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Es verstösst nicht gegen Gemeinschaftsrecht, wenn die nationalen Gerichte Artikel 26 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte in dem Sinne auslegen, daß dieser Artikel die Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich der Leistung für Hinterbliebene vorschreibt, da dieses Gebiet nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit fällt.

2) Es verstösst gegen Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7/EWG, wenn eine nationale Vorschrift erwerbsunfähigen Witwen anders als Witwern, die eine Leistung bei Erwerbsunfähigkeit erhalten, als Folge der Gewährung einer Witwenrente die Leistung bei Erwerbsunfähigkeit entzieht, wenn diese Entziehung nicht auf einem freiwilligen Verzicht der Begünstigten beruht.

3) Mangels hinreichender Maßnahmen zur Umsetzung von Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7/EWG ist es Sache der nationalen Gerichte, unter den verschiedenen nach nationalem Recht in Betracht kommenden Wegen diejenigen zu wählen, die geeignet sind, den Frauen die Anwendung eben der Regelung zu garantieren, die für Männer in der gleichen Lage gilt.

Ende der Entscheidung

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