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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 05.10.2000
Aktenzeichen: C-337/98
Rechtsgebiete: Richtlinie 93/38, EG-Vertrag


Vorschriften:

Richtlinie 93/38 Art. 4 Abs. 2
Richtlinie 93/38 Art. 20 Abs. 2 Buchst. c
EG-Vertrag Art. 169
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Im Bereich des öffentlichen Auftragswesens verpflichtet das Gemeinschaftsrecht einen öffentlichen Auftraggeber eines Mitgliedstaats nicht, auf Antrag eines Einzelnen in bestehende, auf unbestimmte Zeit oder für mehrere Jahre abgeschlossene Rechtsverhältnisse einzugreifen, wenn diese Rechtsverhältnisse vor Ablauf der Umsetzungsfrist der fraglichen Richtlinie begründet worden sind.

Dieser allgemeine Grundsatz lässt sich auf alle Stadien eines Vergabeverfahrens anwenden, die vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist einer Richtlinie abgeschlossen wurden, aber zu einem Verfahren gehören, das erst nach diesem Datum zu einem Ende gekommen ist. Folglich ist die Richtlinie 93/38 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor nicht auf die Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers anwendbar, einen Auftrag im Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb zu vergeben, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist der genannten Richtlinie im Rahmen eines Vergabeverfahrens getroffen wurde, das erst nach dem Ablauf dieser Umsetzungsfrist zum Abschluss gekommen ist. (vgl. Randnrn. 38-39, 41-42)

2 Im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) obliegt es der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen und dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte zu liefern, anhand deren er das Vorliegen dieser Vertragsverletzung prüfen kann. (vgl. Randnr. 45)


Urteil des Gerichtshofes vom 5. Oktober 2000. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Französische Republik. - Vertragsverletzung - Öffentliche Aufträge im Bereich der Verkehrsversorgung - Richtlinie 93/38/EWG - Zeitliche Geltung - Stadtbahnvorhaben des Stadtverbands Rennes - Auftragsvergabe im Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb. - Rechtssache C-337/98.

Parteien:

In der Rechtssache C-337/98

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Nolin, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Klägerin,

gegen

Französische Republik, vertreten durch K. Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, und A. Viéville-Bréville, Chargé de mission in derselben Direktion, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Französische Botschaft, 8 B, boulevard Joseph II, Luxemburg,

Beklagte,

wegen Feststellung, dass die Französische Republik bei der Entscheidung vom 22. November 1996 über die Vergabe des Bauträgervertrags für das Stadtbahnvorhaben des Stadtverbands Rennes an die Firma Matra-Transport gegen die Verpflichtungen aus der Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 199, S. 84), insbesondere Artikel 4 Absatz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c, verstoßen hat,

erlässt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten J. C. Moitinho de Almeida und L. Sevón sowie der Richter P. J. G. Kapteyn, J.-P. Puissochet, P. Jann, H. Ragnemalm, M. Wathelet und V. Skouris (Berichterstatter),

Generalanwalt: F. G. Jacobs

Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 2. Februar 2000, in der die Kommission durch M. Nolin und die Französische Republik durch J.-F. Dobelle, stellvertretender Direktor in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten, und K. Rispal-Bellanger vertreten waren,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. März 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 14. September 1998 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) Klage erhoben auf Feststellung, dass die Französische Republik bei der Entscheidung vom 22. November 1996 über die Vergabe des Bauträgervertrags für das Stadtbahnvorhaben des Stadtverbands Rennes an die Firma Matra-Transport (im Folgenden: Matra) gegen die Verpflichtungen aus der Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 199, S. 84), insbesondere Artikel 4 Absatz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c, verstoßen hat.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Richtlinie 93/38

2 Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 93/38 sieht vor:

"(1) Die Auftraggeber wenden bei der Vergabe ihrer Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge oder der Durchführung ihrer Wettbewerbe Verfahren an, die den Vorschriften dieser Richtlinie entsprechen.

(2) Die Auftraggeber sorgen dafür, dass keine Diskriminierung von Lieferanten, Unternehmen oder Dienstleistungserbringern stattfindet."

3 Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 93/38 bestimmt:

"(2) Die Auftraggeber können in den folgenden Fällen auf ein Verfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb zurückgreifen:

...

c) wenn der Auftrag wegen seiner technischen oder künstlerischen Besonderheiten oder aufgrund des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten nur von bestimmten Lieferanten, Unternehmen oder Dienstleistungserbringern durchgeführt werden kann".

4 Artikel 45 Absätze 1 und 3 der Richtlinie 93/38 lautet wie folgt:

"(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um den Bestimmungen dieser Richtlinie nachzukommen und wenden sie spätestens ab 1. Juli 1994 an....

...

(3) Die Wirkung der Richtlinie 90/531/EWG endet unbeschadet der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf die in Artikel 37 jener Richtlinie genannten Fristen mit dem Beginn der Anwendung der vorliegenden Richtlinie durch die Mitgliedstaaten."

Richtlinie 90/531/EWG

5 Abgesehen von einigen redaktionellen Unterschieden hatten die in der Richtlinie 90/531/EWG des Rates vom 17. September 1990 betreffend die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 297, S. 1) enthaltenen Regelungen zum Verbot der Diskriminierung von Lieferanten oder Unternehmern (Artikel 4) und zu den Fällen, in denen der Rückgriff auf ein Verfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb zulässig war (Artikel 15), denselben Inhalt wie die entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 93/38, die in Randnummern 2 und 3 des vorliegenden Urteils wiedergegeben sind.

6 Artikel 37 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 90/531 lautete wie folgt:

"(1) Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Maßnahmen, um dieser Richtlinie bis spätestens 1. Juli 1992 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

(2) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die Maßnahmen gemäß Absatz 1 erst ab 1. Januar 1993 angewandt werden.

..."

Nationales Recht

7 Artikel 104 Abschnitt II des Code des marchés publics (Gesetz über öffentliche Aufträge) lautet wie folgt:

"Aufträge können im Verhandlungsweg ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb vergeben werden, wenn für die Ausführung nur ein bestimmter Unternehmer oder Lieferant in Betracht kommt.

Das ist insbesondere dann der Fall,

1. wenn der Bedarf nur durch eine Leistung gedeckt werden kann, für die die Nutzung von Patenten, Lizenzen oder Ausschließlichkeitsrechten erforderlich ist, über die nur ein bestimmter Unternehmer oder ein bestimmter Lieferant verfügt;

2. wenn der Bedarf nur durch eine Leistung gedeckt werden kann, die wegen technischer Erfordernisse, wegen erheblicher Vorinvestitionen oder wegen besonderer Einrichtungen oder eines Know-how nur an einen bestimmten Unternehmer oder Lieferanten vergeben werden kann, sowie

3. bei den im letzten Satz des Artikels 108 genannten Leistungen.

Für diese Aufträge ist die in Artikel 38 vorgesehene öffentliche Aufforderung zum Wettbewerb nicht erforderlich."

Vorgeschichte des Rechtsstreits

8 Mit Beschluss Nr. 89-18 vom 26. Oktober 1989 entschied das Comité syndical (Verbandsausschuss) des Syndicat intercommunal des transports collectifs de l'agglomération rennaise (Kommunaler Zweckverband für öffentliche Verkehrsmittel in der Stadtregion Rennes; im Folgenden: Sitcar),

"1. die bereits getroffenen Entscheidungen zugunsten eines öffentlichen Verkehrsmittels mit eigenem Fahrweg für die Stadtregion zu bestätigen...

2. für die erste Linie den Linienführungsgrundsätzen aus der Studie "TAU" zu folgen, d. h.

- Bedienung von Villejean d'Ouest im Osten; - Nord-Süd-Durchquerung des historischen Stadtkerns;

- Einbeziehung des Bahnhofes, um bestmögliche Verbindungen zwischen den drei Verkehrsnetzen (Stadtnetz und Regionalnetz sowie Eisenbahnnetz) sicherzustellen;

- Bedienung des Viertels Alma-Châtillon und des wichtigsten, südöstlichen Gebiets des Viertels Blosne...

3. die Technologie der automatischen Stadtbahn VAL zu wählen...

4. den höchstmöglichen staatlichen Zuschuss zu beantragen...

5. auf der vorstehenden Grundlage alle sachdienlichen Kontakte mit der Region und dem Département herzustellen...

6. den Vorstand zu den erforderlichen Beratungen zu ermächtigen, damit bei einer der nächsten Sitzungen des Comité syndical der geplante Vertrag über die Studien für ein Vorprojekt geprüft werden kann...

7. so bald wie möglich eine Änderung des derzeitigen Verteilungsschlüssels für die Gemeindebeiträge zum Sitcar zu prüfen..."

9 Mit Beschluss Nr. 90-25 vom 19. Juli 1990 entschied das Comité syndical des Sitcar,

"1. davon Kenntnis zu nehmen, dass für die Planung und Verwirklichung des Teils "System und systembezogene Anlagen" ein Bauträgervertrag mit der Firma Matra-Transport abgeschlossen wird, sobald diese in der Lage ist, einen garantierten Endpreis zuzusichern;

2. die Vergabe eines Auftrags über Unterstützungsleistungen und begleitende Studien bei der Erstellung einer summarischen Vorstudie für den Teil "Tiefbau und nichtsystembezogene Anlagen" an die genannte Gesellschaft im Grundsatz zu billigen und den Präsidenten des Comité zur Unterzeichnung dieses Vertrages zu ermächtigen."

10 In einem Schreiben des Generaldirektors an den Präsidenten des Comité syndical des Sitcar vom 9. Juli 1991 teilte Matra mit, der garantierte Preis für das Referenzprojekt vom März 1991 betrage 987 Mio. FRF zum Wert von Januar 1991. Der Generaldirektor von Matra verwies allerdings darauf, dass Matra sich auf Verlangen des Sitcar darum bemüht habe, ausgehend von diesem Preis "Ersparnisse [zu erzielen], die sich aus Zusatzleistungen von Matra Transport und aus Vorschlägen für Umgestaltungen der Programme ergeben, die nicht zu einer Verminderung der Qualität der erbrachten Leistungen führen". Auf dieser Grundlage schlug er dem Sitcar verschiedene Änderungen der Programmdaten vor und kündigte zugleich an, dass bei einer Bestätigung dieser neuen Daten der garantierte Preis für den Teil "System" des VAL-Vorhabens auf 953,2 Mio. FRF ohne Steuern zum Wert von Januar 1991 gesenkt werden könne.

11 Mit Beschluss Nr. 93-44 vom 30. März 1993 billigte der Conseil du district urbain de l'agglomération rennaise (Stadtverbandsrat Rennes; im Folgenden: Conseil du district), der 1992 an die Stelle des Sitcar getreten war, die von Matra im Verhandlungsverfahren angebotenen Bauträgerleistungen und ermächtigte die Société d'économie mixte des transports collectifs de l'agglomération rennaise (gemischtwirtschaftliche Gesellschaft für öffentliche Verkehrsmittel im Raum Rennes; im Folgenden: Semtcar), den Auftrag an Matra entsprechend den Vorgaben der vom Conseil du district mit Beschluss vom 15. Januar 1993 gebilligten Bevollmächtigungsvereinbarung zu unterzeichnen.

12 Mit Urteil vom 16. Februar 1994 erklärte das Tribunal administratif Rennes (Frankreich) die Gemeinnützigkeitserklärung für das Stadtbahnvorhaben des Stadtverbands Rennes vom 15. Februar 1993 für nichtig, was insbesondere zur Folge hatte, dass der staatliche Zuschuss, der zur Sicherung der Finanzierung der Arbeiten vorgesehen war, nicht gewährt werden konnte.

13 Mit Beschluss Nr. 95-233 vom 22. September 1995 erklärte der Conseil du district "die Rücknahme des Beschlusses Nr. 93-44 vom 30. März 1993 über die Billigung des mit Matra-Transport ausgehandelten Auftrags und die Ermächtigung des SEMTCAR zu dessen Unterzeichnung, da dieser Beschluss in Ermangelung einer auch nur ansatzweisen Umsetzung gegenstandslos geworden ist". Außerdem entschied der Conseil du district mit Beschluss Nr. 95-234 vom selben Tag, "SEMTCAR zu beauftragen, die Erstellung dieses Auftrags an Matra-Transport im Rahmen der voraussichtlichen Finanzausstattung des Vorhabens wieder aufzunehmen und dieses erneut dem Conseil du district zur Billigung zu unterbreiten".

14 Der Conseil du district billigte schließlich mit Beschluss Nr. 96-280 vom 22. November 1996 "den Entwurf eines im Verhandlungsweg an die Firma Matra-Transport International zu vergebenden Auftrags über die Verwirklichung des Teils Systeme und systembezogene Anlagen", wobei sich die gesamte Auftragssumme auf "1 054 360 000 FRF ohne Steuern zum Wert von November 1996 [belief], aufgeteilt in eine fest vereinbarte Tranche von 1 050 490 000 FRF ohne Steuern und eine bedingte Tranche von 3 870 000 FRF ohne Steuern". Außerdem wurde SEMTCAR ermächtigt, "den Auftrag gemäß Artikel 7.4 der Bevollmächtigungsvereinbarung vom 23. Februar 1993 zu unterzeichnen".

Vorverfahren

15 Auf eine Beschwerde über die Umstände der Vergabe des Stadtbahnvorhabens des Stadtverbands Rennes an Matra hin forderte die Kommission mit Schreiben vom 7. Januar 1997 die französischen Behörden auf, ihr verschiedene Informationen über die Vergabe dieses Auftrags zu übermitteln, wobei sie eine Begründung dafür verlangte, dass bei der Auftragsvergabe ein Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb nach Artikel 104 Abschnitt II des Code des marchés publics angewandt worden sei.

16 Die französischen Behörden antworteten der Kommission mit Schreiben vom 17. Februar 1997 sowie mit zwei ergänzenden Schreiben vom 25. Februar 1997 und vom 4. März 1997. Sie verwiesen insbesondere darauf, dass der fragliche Auftrag durch einen Beschluss des Comité syndical des Sitcar vom 26. Oktober 1989 vergeben worden sei und dass der öffentliche Auftraggeber zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung zugunsten des automatischen Stadtbahnsystems vom Typ VAL getroffen habe, das von Matra geliefert werde. Nach Auffassung der französischen Behörden ist dieser Beschluss als Zuschlagserteilung anzusehen, die damit vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 90/531 am 1. Januar 1993 und a fortiori vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 93/38, insbesondere deren Artikel 4 Absatz 2 und 20 Absatz 2 Buchstabe c, am 1. Juli 1994 erfolgt sei. Hilfsweise machten die französischen Behörden geltend, Matra sei als einziges Unternehmen in der Lage gewesen, den Bedarf der Kommune zu decken. In diesem Zusammenhang trugen sie vor, dieses Unternehmen habe bereits erhebliche Vorinvestitionen am Standort Rennes getätigt, und folgerten, dass keine Gemeinschaftsvorschriften verletzt worden seien.

17 Die Kommission hielt diese Antwort für unbefriedigend und forderte die französischen Behörden mit Schreiben vom 17. Juni 1997 im Verfahren nach Artikel 169 EG-Vertrag auf, sich binnen sechs Wochen u. a. zur Vereinbarkeit von Artikel 104 Abschnitt II des Code des marchés publics, der die rechtliche Grundlage für die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers bildete, mit den Anforderungen des Artikels 20 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 93/38 zu äußern.

18 Die französischen Behörden antworteten auf die Aufforderung mit einem Schreiben vom 20. August 1997, in dem sie erneut bekräftigten, dass die Entscheidung über die Vergabe des Bauträgerauftrags an Matra durch Beschluss vom 26. Oktober 1989 getroffen worden sei, und hilfsweise, dass Artikel 104 Abschnitt II des Code des marchés publics mit Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 93/38 vereinbar sei. Zwei ergänzende Antworten wurden am 29. September 1997 und am 7. November 1997 übermittelt.

19 Die Kommission war der Auffassung, dass diese Antworten keine Gesichtspunkte enthielten, die die Rügen aus dem Aufforderungsschreiben entkräften könnten, und richtete daher am 5. März 1998 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die französische Regierung, die diese am 12. Juni 1998 beantwortete.

20 Aufgrund dieser rechtlichen und tatsächlichen Umstände hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

Zur Begründetheit

21 Die Kommission ist der Auffassung, dass die Vergabe des Bauträgervertrags für das Stadtbahnvorhaben des Stadtverbands Rennes im Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb gegen die Richtlinie 93/38, insbesondere die Artikel 4 Absatz 2 und 20 Absatz 2 Buchstabe c, verstoßen habe.

22 Wie aus den Randnummern 8 bis 11 des vorliegenden Urteils hervorgeht, haben sich einige tatsächliche Ereignisse im Zusammenhang mit dem fraglichen Auftrag vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 93/38 zugetragen, so dass vor einer Entscheidung über den behaupteten Verstoß gegen diese Richtlinie zunächst deren Anwendbarkeit im vorliegenden Verfahren zu untersuchen ist.

23 Aus dem Beschluss des Comité syndical des Sitcar vom 19. Juli 1990 und insbesondere aus der darin enthaltenen Feststellung, dass "für die Planung und Verwirklichung des Teils "System und systembezogene Anlagen" ein Bauträgervertrag mit der Firma Matra-Transport abgeschlossen wird, sobald diese in der Lage ist, einen garantierten Endpreis zuzusichern", ergibt sich, dass die Verhandlungen zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und Matra zu diesem Zeitpunkt schon im Gange waren.

24 Außerdem bestätigte der Generaldirektor von Matra in seinem Schreiben vom 9. Juli 1991, dass der garantierte Preis für den Teil "System" des VAL-Vorhabens vorbehaltlich der Annahme verschiedener von ihm vorgeschlagener Änderungen des Referenzprojekts auf 953,2 Mio. FRF ohne Steuern zum Wert von Januar 1991 gesenkt werden könne; darin liegt ein wichtiger Anhaltspunkt dafür, dass sich die Verhandlungen zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und Matra zu diesem Zeitpunkt in einem fortgeschrittenen Stadium befanden.

25 Daraus ergibt sich, dass die Verhandlungen des öffentlichen Auftraggebers mit Matra vor dem 1. Juli 1994, dem Ablaufdatum der Umsetzungsfrist der Richtlinie 93/38, und sogar vor dem 9. August 1993, dem Datum der Veröffentlichung dieser Richtlinie im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, aufgenommen wurden.

26 Da die Verhandlungen das wesentliche Kennzeichen einer Auftragsvergabe im Verhandlungsverfahren darstellen, ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass dieses Verfahren bereits vor dem Erlass der Richtlinie 93/38 und a fortiori vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist in Gang gesetzt wurde. Diese Richtlinie sieht aber keine Übergangsvorschriften für Verfahren vor, die bereits vor dem 1. Juli 1994 begonnen wurden und zu diesem Zeitpunkt noch andauern.

27 Da sich das fragliche Verfahren im vorliegenden Fall über einen langen Zeitraum erstreckt hat, ist zur Entscheidung über die Geltung der von der Kommission angeführten Bestimmungen der Richtlinie 93/38 zunächst das in diesem Verfahren zeitlich anwendbare Recht zu ermitteln.

28 Die Kommission ist der Auffassung, dass bei der Bestimmung des für ein Vergabeverfahren geltenden Rechts in der Regel das Datum der Auftragsvergabe zugrunde zu legen sei. Sie schließt zwar nicht aus, dass auch das Datum des Beginns des Vergabeverfahrens berücksichtigt werden könne. Allerdings müsse dann zwischen dem Verfahrensbeginn und der Auftragsvergabe ein angemessener Zeitraum liegen, was hier nicht der Fall sei.

29 Nach Auffassung der Kommission wurde der streitige Auftrag erst durch den Beschluss vom 22. November 1996 und damit deutlich nach Inkrafttreten der Richtlinie 93/38 vergeben. Der Beschluss vom 26. Oktober 1989 habe nur die Entscheidung für die Technologie der automatischen Stadtbahn VAL zum Gegenstand gehabt, die seinerzeit von mindestens zwei Herstellern entwickelt worden sei. Selbst am 19. Juli 1990 habe man noch nicht von einem Vertrag mit Matra sprechen können, da es noch an einer Einigung über den Preis oder die wesentlichen Elemente des Auftrags gefehlt habe. Die Entscheidung über die Auftragsvergabe an Matra sei daher erst durch den Beschluss des Conseil du district vom 30. März 1993, nachdem Matra förmlich einen garantierten Preis zugesichert habe, zustande gekommen.

30 Die Kommission betont, dass sie die vorliegende Klage nicht erhoben hätte, wenn zu diesem Zeitpunkt alles fest vereinbart gewesen wäre, obwohl die Richtlinie 90/531 damals bereits in Kraft gewesen sei. Nachdem die Gemeinnützigkeitserklärung vom Tribunal administratif Rennes für nichtig erklärt worden sei, habe der öffentliche Auftraggeber jedoch den Beschluss vom 30. März 1993 zurückgenommen, ohne dass er hierzu rechtlich verpflichtet gewesen wäre. Nach französischem Verwaltungsrecht stehe aber die Rücknahme einer Nichtigerklärung im streitigen Verfahren gleich. Die Kommission folgert daraus, dass die Rücknahme mangels einer Anfechtung durch Matra bestandskräftig geworden sei, was zur Folge habe, dass der genannte Beschluss als nichtexistent gelte. Daher sei der streitige Auftrag erst durch den Beschluss vom 22. November 1996 an Matra vergeben worden.

31 Die französische Regierung vertritt dagegen die Auffassung, dass für die Bestimmung des auf ein Vergabeverfahren anzuwendenden Rechts - ungeachtet der Tatsache, dass die öffentlichen Aufträge im Gemeinschaftsrecht als schriftlich abgeschlossene Verträge definiert seien - allein das Datum des Verfahrensbeginns zu berücksichtigen sei. Überdies finde sich für die Behauptung, dass zwischen Verfahrensbeginn und Auftragsvergabe ein angemessener Zeitraum liegen müsse, um den Verfahrensbeginn bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts berücksichtigen zu können, weder im Gemeinschaftsrecht noch in der Rechtsprechung des Gerichtshofes eine Grundlage.

32 Die französische Regierung ist der Ansicht, dass Matra nicht erst in dem Beschluss vom 22. November 1996, sondern implizit bereits in dem Beschluss vom 26. Oktober 1989 als Auftragnehmer bestimmt worden sei, da VAL eine Marke von Matra sei, so dass kein anderes Unternehmen als Matra als Vertragspartner für den öffentlichen Auftraggeber in Betracht gekommen wäre. Der Beschluss vom 19. Juli 1990 stelle eine Vergabeentscheidung dar: Sobald der Beschluss bestandskräftig geworden sei und Matra einen Preis zugesichert habe, hätte Matra auf der Erfuellung bestehen können, da der Beschluss Rechtsansprüche zugunsten dieses Unternehmens begründet habe. Matra habe am 9. Juli 1991 einen garantierten Endpreis von 953,2 Mio. FRF ohne Steuern zugesichert; damit habe es einen Anspruch auf den Abschluss eines Bauträgervertrags mit dem Stadtverband Rennes erworben.

33 Was die Rücknahme des Beschlusses vom 30. März 1993 angeht, so sei der öffentliche Auftraggeber zu dieser Maßnahme verpflichtet gewesen, die im Übrigen nicht auf der Absicht beruht habe, wesentliche Elemente des Auftrags neu zu verhandeln. Es sei weder bezweckt worden, die am 19. Juli 1990 getroffene Entscheidung zum Abschluss mit Matra in Frage zu stellen, noch sei eine solche Wirkung eingetreten. Mit der Rücknahme des Beschlusses habe der Conseil du district lediglich die Unterzeichnung des Auftrags hinausgeschoben und damit die Konsequenzen aus der Nichtigkeit der Gemeinnützigkeitserklärung gezogen, bei der es sich um einen Rechtsakt des Präfekten gehandelt habe, dessen Nichtigerklärung weder dem Stadtverband Rennes noch Matra, dem durch den Auftrag Begünstigten, zugerechnet werden könne.

34 Die französische Regierung räumt ein, dass die Rücknahme des Beschlusses bewirkt habe, dass der Vertrag für die Zukunft wie für die Vergangenheit aus der Rechtsordnung getilgt worden sei. Die materiellen Vertragsbestimmungen seien jedoch unabhängig von verfahrensrechtlichen Formalismen, wenn nicht bestätigt worden, so doch zumindest unbeanstandet geblieben, so dass das Verfahren der Auftragsvergabe, wenn schon nicht rechtlich, so doch zumindest tatsächlich lediglich bis zur Erteilung einer neuen Gemeinnützigkeitserklärung unterbrochen worden sei. Die Rücknahme des Beschlusses vom 30. März 1993 sei daher ein rein formaler Akt gewesen, der die materielle Kontinuität des Verfahrens nicht beeinträchtigt habe.

35 Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Kommission der Französischen Republik mit der vorliegenden Klage einen Verstoß gegen die Richtlinie 93/38 vorwirft, der auf einer genau umschriebenen Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers beruhen soll. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um die Wahl eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb für die Vergabe des streitigen Auftrags. Diese Wahl findet nach Auffassung der Kommission in Artikel 20 Absatz 2 der Richtlinie 93/38 keine Grundlage.

36 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers über die Art des Verfahrens und das Erfordernis eines vorherigen Aufrufs zum Wettbewerb für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags in einem eigenen Verfahrensabschnitt getroffen wird, in dem die wesentlichen Gesichtspunkte des Verfahrensablaufs festgelegt werden und das in der Regel zu Beginn des Verfahrens liegt.

37 Für die Beurteilung, ob die Richtlinie 93/38 auf eine solche Entscheidung anwendbar ist und welche Verpflichtungen das Gemeinschaftsrecht dem öffentlichen Auftraggeber insoweit auferlegt, ist daher grundsätzlich der Zeitpunkt zu berücksichtigen, zu dem die genannte Entscheidung getroffen worden ist.

38 Zwar erfolgte die Entscheidung für ein Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb im vorliegenden Fall im Rahmen eines Vergabeverfahrens, das erst im November 1996, zwei Jahre nach dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 93/38, beendet wurde. Nach der Rechtsprechung im Bereich des öffentlichen Auftragswesens verpflichtet das Gemeinschaftsrecht jedoch einen öffentlichen Auftraggeber eines Mitgliedstaats nicht, auf Antrag eines Einzelnen in bestehende, auf unbestimmte Zeit oder für mehrere Jahre abgeschlossene Rechtsverhältnisse einzugreifen, wenn diese Rechtsverhältnisse vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie begründet worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. September 1998 in der Rechtssache C-76/97, Tögel, Slg. 1998, I-5357, Randnr. 54).

39 Auch wenn sich das Urteil Tögel auf einen Vertrag bezieht, der bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) geschlossen worden ist, lässt sich der darin enthaltene allgemeine Grundsatz auf alle Stadien eines Vergabeverfahrens anwenden, die vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist einer Richtlinie abgeschlossen wurden, aber zu einem Verfahren gehören, das erst nach diesem Datum zu einem Ende gekommen ist.

40 Zu dem Vorbringen der Kommission, wonach es für die Bestimmung der zeitlichen Geltung der Richtlinie 93/38 auf das Datum der Auftragsvergabe ankomme, genügt die Feststellung, dass es gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen würde, das anwendbare Recht anhand des Datums der Auftragsvergabe zu bestimmen, da dieses Datum das Ende des Verfahrens bezeichnet, während die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers für oder gegen einen vorherigen Aufruf zum Wettbewerb in der Regel zu Beginn des Verfahrens getroffen wird.

41 Obwohl sich den bei den Akten befindlichen Dokumenten nicht eindeutig entnehmen lässt, dass der öffentliche Auftraggeber eine förmliche Entscheidung für die Vergabe des streitigen Auftrags im Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb getroffen hat, ist zu berücksichtigen, dass das Comité syndical des Sitcar in seinem Beschluss vom 19. Juli 1990 erklärt hat, "davon Kenntnis zu nehmen, dass für die Planung und Verwirklichung des Teils "Systeme und systembezogene Anlagen" ein Bauträgervertrag mit der Firma Matra-Transport abgeschlossen wird...". Aus diesem Satz folgt, dass die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers für ein Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb spätestens zum Zeitpunkt dieses Beschlusses und damit deutlich vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 93/38 gefallen war.

42 Daraus ergibt sich, dass die Richtlinie 93/38 nicht auf die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers anwendbar ist, den Auftrag für das Stadtbahnvorhaben des Stadtverbands Rennes im Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb zu vergeben.

43 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der öffentliche Auftraggeber in zwei getrennten Beschlüssen vom 22. September 1995 den Beschluss vom 30. März 1993 über die Vergabe des Auftrags an Matra zurückgenommen und die Semtcar beauftragt hat, die Verhandlungen mit Matra fortzusetzen.

44 Daher ist zu prüfen, ob die nach dem 22. September 1995 eingeleiteten Verhandlungen wesentlich andere Merkmale aufwiesen als die zuvor geführten und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Vertragsbestimmungen erkennen ließen, wodurch die Anwendung der Richtlinie 93/38 gerechtfertigt werden könnte.

45 Dabei ist zunächst daran zu erinnern, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 169 EG-Vertrag der Kommission obliegt, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen und dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte zu liefern, anhand deren er das Vorliegen dieser Vertragsverletzung prüfen kann (vgl. u. a. Urteil vom 25. November 1999 in der Rechtssache C-96/98, Kommission/Frankreich, Slg. 1999, I-8531, Randnr. 36).

46 Folglich obliegt es der Kommission im vorliegenden Fall, alle erforderlichen Anhaltspunkte vorzutragen, um nachzuweisen, dass nach dem 22. September 1995 neue Verhandlungen eingeleitet worden sind, die den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Vertragsbestimmungen erkennen lassen, was die Anwendbarkeit der Richtlinie 93/38 begründen könnte.

47 Die Kommission trägt insoweit vor, eine Prüfung der Beschlüsse vom 30. März 1993 und vom 22. November 1996 ergebe, dass sich die Angebote in Bezug auf den Gegenstand und den Preis unterschieden. Nach Auffassung der Kommission bezieht sich das Angebot von 1993 auf das System VAL 206 zum Preis von 966,4 Mio. FRF ohne Steuern, während 1996 das System VAL 208 für 1 054 Mio. FRF ohne Steuern angeboten worden sei.

48 Die Änderung der Modellnummer bezeichne zwei unterschiedliche Versionen der VAL-Technologie. Außerdem unterschieden sich die beiden Angebote in finanzieller Hinsicht um fast 90 Mio. FRF ohne Steuern, was einer Erhöhung um etwa 10 % des Vertragswertes zwischen Januar 1993 und November 1996 entspreche und damit über der Gesamtinflation für diesen Zeitraum liege.

49 Die Kommission folgert aus diesen Anhaltspunkten, dass zwischen den beiden Angeboten von Matra erhebliche Unterschiede im Hinblick auf die Technologie und den Preis bestuenden, was beweise, dass es sich nicht um denselben Vertrag handle.

50 Hierzu ist erstens festzustellen, dass der Umstand, dass sich das Angebot von 1993 auf das System VAL 206 bezog, während das Angebot von 1996 das System VAL 208 zum Gegenstand hatte, keinen Anhaltspunkt für die Neuverhandlung einer wesentlichen Vertragsbestimmung darstellt, durch die die Anwendung der Richtlinie 93/38 gerechtfertigt würde.

51 Wie die französische Regierung ausgeführt hat, ist diese Änderung der Angebotsbedingungen auf die Entwicklung des Materials zwischen 1993 und 1996 zurückzuführen; es handelt sich um eine geringfügige Änderung der Abmessungen der Fahrzeuge (2 cm Breite). Außerdem lässt es sich bei einem Verhandlungsverfahren, das sich seinem Wesen nach über einen längeren Zeitraum hinziehen kann, nicht ausschließen, dass die Parteien im Laufe der Verhandlungen eintretende neue technologische Entwicklungen berücksichtigen, ohne dass darin jedes Mal eine Neuverhandlung wesentlicher Vertragsbestimmungen gesehen werden könnte, die die Anwendung neuer Rechtsvorschriften rechtfertigen würde.

52 Was zweitens das Vorbringen der Kommission zu dem Preisunterschied zwischen dem Vertragsangebot von 1993 und dem von 1996 angeht, so stellt auch dieser Preisunterschied, selbst wenn er über der Gesamtinflation für den genannten Zeitraum liegen sollte, keinen Beweis dafür dar, dass die nach der Rücknahme des Beschlusses vom 30. März 1993 eingeleiteten Gespräche eine Neuverhandlung einer wesentlichen Vertragsbestimmung bezweckten.

53 Nach den Angaben der französischen Regierung, denen die Kommission nicht widersprochen hat, folgt die Preisentwicklung aus der getreuen Anwendung der Preisanpassungsformel in dem von beiden Parteien 1993 gebilligten Vertragsentwurf. Dieser Gesichtspunkt stellt eher ein Anzeichen für die Kontinuität des Verfahrens dar als ein Beweismittel für eine Neuverhandlung einer wesentlichen Vertragsbestimmung.

54 Drittens geht aus verschiedenen zu den Akten gereichten Unterlagen hervor, dass die Verhandlungen tatsächlich kurz nach dem 22. September 1995 auf der Grundlage aller vorangegangenen Vorgänge wieder aufgenommen wurden.

55 Die Formulierung "die Erstellung dieses Auftrags... wieder aufzunehmen" im zweiten Beschluss vom 22. September 1995 spricht besonders deutlich für eine Fortführung und Aktualisierung der Verhandlungen. Zudem hat die französische Regierung ein Schreiben von Matra an die Semtcar vom 30. November 1995 vorgelegt, in dem Matra ausführt, dass sie die Auswirkungen einer Umstellung der Planung für die Durchführung der Arbeiten geprüft habe und unter Berücksichtigung der vereinbarten Aktualisierungen der besonderen administrativen Bestimmungen die Aufrechterhaltung des Anfang 1993 ausgehandelten Angebots bis zum 30. September 1996 bestätige.

56 Die Kommission hat daher keine Anhaltspunkte dafür beigebracht, dass nach der Rücknahme des Beschlusses vom 30. März 1993 und damit nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 93/38 neue Gespräche aufgenommen worden sind, die den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Vertragsbestimmungen erkennen lassen.

57 Nach alledem ist die Klage daher abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

58 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Französische Republik die Verurteilung der Kommission beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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