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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 08.06.1999
Aktenzeichen: C-338/97
Rechtsgebiete: EGV, Sechste Richtlinie 77/388/EWG, Richtlinie 67/227/EWG, Richtlinie 67/228/EWG, Steiermärkisches Tourismusgesetz, Tiroler Tourismusgesetz, Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz


Vorschriften:

EGV Art. 177 (jetzt EGV Art. 234)
Sechste Richtlinie 77/388/EWG Art. 33 d
Richtlinie 67/227/EWG
Richtlinie 67/228/EWG
Steiermärkisches Tourismusgesetz
Tiroler Tourismusgesetz
Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Sechste Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, insbesondere Artikel 33, steht einer Abgabe wie den Tourismusabgaben nach dem Steiermärkischen Tourismusgesetz, dem Tiroler Tourismusgesetz und dem Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz nicht entgegen, die von den Unternehmern, die ein wirtschaftliches Interesse am Tourismus haben, zu entrichten ist, sich grundsätzlich nach dem Jahresumsatz bemisst und keinen Vorsteuerabzug vorsieht. Eine solche Abgabe belastet nämlich den Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie kommerzielle Umsätze nicht so, wie es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend ist. Nicht nur ist kein Abzug der zuvor bereits erhobenen Beträge vorgesehen; die Abgabe wird auch nicht in einer für die Mehrwertsteuer kennzeichnenden Weise auf den Endverbraucher abgewälzt und ist nicht proportional zu den Preisen, die der Kunde bei jedem einzelnen Verkauf oder jeder einzelnen Dienstleistung schuldet.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 8. Juni 1999. - Erna Pelzl u. a. gegen Steiermärkische Landesregierung (C-338/97), Wiener Städtische Allgemeine Versicherungs AG u. a. gegen Tiroler Landesregierung (C-344/97) und TUAG Bau-Aktiengesellschaft gegen Kärntner Landesregierung (C-390/97). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Verwaltungsgerichtshof - Österreich. - Artikel 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG - Umsatzsteuern - Beiträge an Tourismusverbände und an einen Tourismusförderungsfonds. - Verbundene Rechtssachen C-338/97, C-344/97 und C-390/97.

Entscheidungsgründe:

1 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit zwei Beschlüssen vom 12. August 1997 und einem Beschluß vom 27. Oktober 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 29. September, 2. Oktober und 17. November 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) drei Fragen nach der Auslegung des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen Frau Pelzl u. a. und der Steiermärkischen Landesregierung, zwischen der Wiener Städtischen Allgemeinen Versicherungs AG u. a. und der Tiroler Landesregierung sowie zwischen der STUAG Bau-Aktiengesellschaft und der Kärntner Landesregierung über die Heranziehung der Kläger der Ausgangsverfahren zu den Tourismusabgaben gemäß dem Steiermärkischen Tourismusgesetz, dem Tiroler Tourismusgesetz und dem Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz.

3 Diese Abgaben zielen darauf ab, den Tourismus in den betreffenden Bundesländern zu fördern. In der Steiermark werden mit der Abgabe örtliche Tourismusverbände finanziert. In Tirol fließt sie zum Teil den örtlichen Tourismusverbänden und zum Teil einem Tourismusförderungsfonds zu. In Kärnten wird sie zwischen dem Land und den Gemeinden aufgeteilt.

4 Jede dieser Abgaben wird grundsätzlich von allen Unternehmern geschuldet, die wirtschaftlich unmittelbar oder mittelbar am Tourismus interessiert sind und ihren Sitz oder eine Betriebsstätte in Tirol, in Kärnten oder in einer der im Steiermärkischen Tourismusgesetz bestimmten steiermärkischen Gemeinden haben; das Steiermärkische Tourismusgesetz gilt für den überwiegenden Teil des Landes, aber nicht für die gesamte Steiermark.

5 Die Abgabe wird zu verschiedenen Sätzen erhoben, je nach dem Nutzen, den der Abgabepflichtige aus dem Fremdenverkehr zieht; dieser Nutzen bemisst sich nach der Einreihung des Abgabepflichtigen in eine Berufsgruppe sowie in der Steiermark und in Tirol nach der Einstufung der Gemeinde, in der er seinen Sitz hat.

6 Bemessungsgrundlage der Abgabe ist grundsätzlich und vorbehaltlich bestimmter Befreiungen der im betreffenden Bundesland erzielte steuerbare Jahresumsatz im Sinne des Umsatzsteuergesetzes des Bundes.

7 Frau Pelzl u. a., die Wiener Städtische Allgemeine Versicherungs AG u. a. und die STUAG Bau-Aktiengesellschaft erhoben beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde gegen die Abweisung ihrer Berufungen gegen die Bescheide, mit denen sie zu den Tourismusabgaben herangezogen worden waren. Sie machten insbesondere geltend, daß diese Abgaben im Widerspruch zu Artikel 33 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie stuenden, wonach "[u]nbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen... die Bestimmungen dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran [hindern], Abgaben auf Versicherungsverträge, Abgaben auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern, sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen..."

8 Der Verwaltungsgerichtshof, der über die Vereinbarkeit der Tourismusabgaben mit Artikel 33 der Sechsten Richtlinie im Zweifel ist, hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Rechtssache C-338/97

Steht Artikel 33 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage (77/388/EWG) der Beibehaltung einer Abgabe (wegen ihres Charakters von Umsatzsteuern) entgegen, die in einem Bundesland (Teilstaat) eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften

- von allen - unmittelbar oder mittelbar am Fremdenverkehr interessierten - Unternehmern, die innerhalb eines abgegrenzten, näher umschriebenen Gebietes ihren Sitz oder eine Betriebsstätte haben, für jeweils ein Kalenderjahr zu entrichten ist, wobei die Summe der Gebiete nahezu das Gebiet des Bundeslandes (Teilstaates) umfasst, und

- deren Höhe im wesentlichen proportional zum innerhalb eines Kalenderjahres durch den Unternehmer vor allem in diesem Teilstaat erzielten Umsatz ist, jedoch der Beitragssatz je nach Intensität des Fremdenverkehrs im jeweiligen Gebiet und vom Gesetzgeber angenommenen Nutzen aus dem Fremdenverkehr für den betreffenden Wirtschaftszweig (Berufsgruppe) unterschiedlich hoch ist, und

- die einen Vorsteuerabzug nicht vorsieht?

Rechtssache C-344/97

Ist Artikel 33 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Umsatzsteuern, 77/388/EWG, ABl. 1977, L 145 (6. Mehrwertsteuer-Richtlinie), hinsichtlich des Merkmales "Charakter von Umsatzsteuern" so auszulegen, daß er einen Mitgliedstaat daran hindert, von Unternehmern eine Fremdenverkehrsabgabe (Beitrag) einzuheben, die derart ausgestaltet ist,

- daß die Geldleistung von den unmittelbar oder mittelbar am Tourismus interessierten Unternehmern und damit von einer grossen Zahl von Unternehmern, aber nicht von allen Unternehmern eingehoben wird,

- daß der Beitrag einem örtlichen Fremdenverkehrsverband zur Finanzierung der Förderung des Fremdenverkehrs bzw. einem für das gesamte Landesgebiet zuständigen Fonds zufließt,

- daß die Bemessungsgrundlage der Jahresumsatz mit bestimmten Ausnahmen, so insbesondere mit Ausnahme des Umsatzes für Leistungen an Abnehmer, die ihren Wohnsitz (Sitz) ausserhalb des Geltungsbereiches der Norm haben, soweit es sich nicht um Leistungen für eine Betriebsstätte im räumlichen Geltungsbereich der Norm (dem Bundesland des bundesstaatlich aufgebauten Mitgliedstaates) und nicht um Leistungen an Letztverbraucher handelt, sowie mit Ausnahme des Umsatzes für sonstige Leistungen, soweit sie nicht ausschließlich oder überwiegend im räumlichen Geltungsbereich der Norm (dem Bundesland des Mitgliedstaates) erbracht wurden, bildet,

- daß die Höhe der Abgabe je nach dem vom Gesetzgeber für die jeweilige Branche, der der Abgabepflichtige angehört, angenommenen Nutzen aus dem Fremdenverkehr gestaffelt ist,

- daß die Höhe der Abgabe in tourismusintensiven Orten höher ist als in anderen Orten und

- daß ein Vorsteuerabzug nicht vorgesehen ist?

Rechtssache C-390/97

Steht Artikel 33 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage (77/388/EWG) der Beibehaltung einer Abgabe (wegen ihres Charakters von Umsatzsteuern) entgegen, die in einem Bundesland (Teilstaat) eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften von allen - unmittelbar oder mittelbar - am Fremdenverkehr interessierten Unternehmen, die innerhalb dieses Teilstaates ihren Sitz oder eine Betriebsstätte haben, für jeweils ein Kalenderjahr zu entrichten ist und deren Höhe im wesentlichen proportional zum innerhalb eines Kalenderjahres durch den Unternehmer in diesem Teilstaat erzielten Umsatz ist, jedoch der Beitragssatz je Wirtschaftszweig (Berufsgruppe) nach einem vom Gesetzgeber angenommenen Nutzen aus dem Fremdenverkehr unterschiedlich hoch ist, und die einen Vorsteuerabzug nicht vorsieht?

9 Durch Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 18. November 1997 sind die Rechtssachen C-338/97 und C-344/97 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden. Durch Beschluß des Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1998 sind die verbundenen Rechtssachen C-338/97 und C-344/97 und die Rechtssache C-390/97 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

10 Die drei Fragen des vorlegenden Gerichts, die zusammen zu prüfen sind, gehen im wesentlichen dahin, ob die Sechste Richtlinie, insbesondere Artikel 33, einer Abgabe wie der nach dem Steiermärkischen Tourismusgesetz, dem Tiroler Tourismusgesetz und dem Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz entgegensteht, die von den Unternehmern eines Bundeslandes, die ein wirtschaftliches Interesse am Tourismus haben, zu entrichten ist, sich grundsätzlich nach dem Jahresumsatz bemisst und keinen Vorsteuerabzug vorsieht.

11 Die Steiermärkische Landesregierung und die Tiroler Landesregierung sowie die österreichische Regierung und die Kommission sind der Ansicht, daß die Sechste Richtlinie einer solchen Abgabe nicht entgegenstehe. Es handle sich nicht um eine nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie verbotene Umsatzsteuer, da die Abgabe der Mehrwertsteuer nicht gleichartig sei und das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems nicht beeinträchtige.

12 Die Kläger der Ausgangsverfahren vertreten dagegen die Auffassung, daß in einer solchen Abgabe eine Umsatzsteuer zu sehen sei, die das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beeinträchtige und nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie verboten sei.

13 Insoweit ist an die Ziele zu erinnern, die mit der Einführung eines gemeinsamen Mehrwertsteuersystems verfolgt werden.

14 Nach den Begründungserwägungen der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. 1967, Nr. 71, S. 1301; im folgenden: Erste Richtlinie) soll die Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern einen gemeinsamen Markt schaffen, auf dem ein unverfälschter Wettbewerb herrscht und der ähnliche Merkmale aufweist wie ein Binnenmarkt; hierzu sollen die Unterschiede in der Besteuerung ausgeschaltet werden, die geeignet sind, den Wettbewerb zu verfälschen und den Handelsverkehr zu behindern.

15 Mit der Zweiten Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems (ABl. 1967, Nr. 71, S. 1303; im folgenden: Zweite Richtlinie) und der Sechsten Richtlinie ist ein gemeinsames Mehrwertsteuersystem eingeführt worden.

16 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. zuletzt Urteil vom 19. Februar 1998 in der Rechtssache C-318/96, SPAR, Slg. 1998, I-785) beruht das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gemäß Artikel 2 der Ersten Richtlinie auf dem Grundsatz, daß auf Gegenstände und Dienstleistungen bis zur Einzelhandelsstufe einschließlich, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine, zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist.

17 Jedoch wird bei allen Umsätzen die Mehrwertsteuer nur abzueglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat; der Mechanismus des Vorsteuerabzugs ist durch Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie so ausgestaltet, daß die Steuerpflichtigen befugt sind, von der von ihnen geschuldeten Mehrwertsteuer die Mehrwertsteuer abzuziehen, mit der die Gegenstände bereits vorher belastet worden sind, und daß die Steuer auf jeder Stufe nur den Mehrwert besteuert und letztlich vom Verbraucher getragen wird.

18 Zur Schaffung gleicher Besteuerungsbedingungen für ein und denselben Umsatz ohne Rücksicht darauf, in welchem Mitgliedstaat er getätigt wird, musste das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, wie sich aus den Begründungserwägungen der Zweiten Richtlinie ergibt, die in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Umsatzsteuern ersetzen.

19 Aus den gleichen Gründen gestattet Artikel 33 der Sechsten Richtlinie die Beibehaltung oder Einführung von Steuern, Abgaben oder Gebühren auf Lieferungen von Gegenständen, Dienstleistungen und Einfuhren durch einen Mitgliedstaat nur, wenn sie nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben.

20 Ob eine Steuer, Abgabe oder Gebühr den Charakter einer Umsatzsteuer im Sinn von Artikel 33 der Sechsten Richtlinie hat, hängt vor allem davon ab, ob sie das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigt, indem sie den Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie kommerzielle Umsätze so belastet, wie es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend ist. Der Gerichtshof hat hierzu ausgeführt, daß Steuern, Abgaben und Gebühren, die die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen, auf jeden Fall als Maßnahmen anzusehen sind, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer der Mehrwertsteuer vergleichbaren Art und Weise belasten (Urteil vom 31. März 1992 in der Rechtssache C-200/90, Dansk Denkavit und Poulsen Trading, Slg. 1992, I-2217).

21 Der Gerichtshof sieht zu diesem Zweck als wesentliche Merkmale der Mehrwertsteuer an: allgemeine Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte; Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält; Erhebung der Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze; Abzug der auf den vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer, so daß sich die Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Mai 1992 in der Rechtssache C-347/90, Bozzi, Slg. 1992, I-2947).

22 Eine Abgabe wie die nach dem Steiermärkischen Tourismusgesetz, dem Tiroler Tourismusgesetz und dem Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz belastet aber den Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie kommerzielle Umsätze nicht so, wie es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend ist.

23 Erstens ist kein Abzug der zuvor bereits erhobenen Beträge vorgesehen, so daß sich die Abgaben nicht nur auf den Mehrwert auf einer bestimmten Produktions- und Vertriebsstufe, sondern auf den Gesamtumsatz der abgabepflichtigen Unternehmen beziehen.

24 Zweitens werden die Abgaben nicht in einer für die Mehrwertsteuer kennzeichnenden Weise auf den Endverbraucher abgewälzt. Auch wenn man davon ausgehen kann, daß ein Unternehmen, das an den Endverbraucher verkauft, bei seiner Preisbildung die in seine Kosten eingeflossene Abgabe berücksichtigt, so haben doch nicht alle Unternehmen die Möglichkeit, die Belastung in dieser Weise oder in vollem Umfang abzuwälzen.

25 Drittens ist es, da sich die Tourismusabgaben - mit bestimmten Befreiungen - nach dem jährlichen Gesamtumsatz bemessen, nicht möglich, den Betrag der bei jedem einzelnen Verkauf oder jeder einzelnen Dienstleistung auf den Kunden abgewälzten Abgabe genau zu bestimmen; die Voraussetzung der Proportionalität dieses Betrages zu den Preisen, die der Abgabepflichtige als Gegenleistung erhält, ist daher ebensowenig erfuellt.

26 Daraus folgt, daß die Tourismusabgaben keine Verbrauchsteuer darstellen, die der Endverbraucher des Produkts zu tragen hätte, sondern Abgaben auf die Tätigkeit der Unternehmen, die vom Tourismus betroffen sind.

27 Selbst wenn die in den Ausgangsverfahren fraglichen Abgaben in den betreffenden Bundesländern allgemein oder nahezu allgemein gelten würden, könnte dieser Umstand somit nicht ausreichen, um sie als Umsatzsteuern im Sinne des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie zu qualifizieren, da sie kommerzielle Umsätze nicht so belasten, wie es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend ist.

28 Daher ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, daß die Sechste Richtlinie, insbesondere Artikel 33, einer Abgabe wie der nach dem Steiermärkischen Tourismusgesetz, dem Tiroler Tourismusgesetz und dem Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz nicht entgegensteht, die von den Unternehmern eines Bundeslandes, die ein wirtschaftliches Interesse am Tourismus haben, zu entrichten ist, sich grundsätzlich nach dem Jahresumsatz bemisst und keinen Vorsteuerabzug vorsieht.

Kostenentscheidung:

Kosten

29 Die Auslagen der österreichischen Regierung und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschlüssen vom 12. August und 27. Oktober 1997 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, insbesondere Artikel 33, steht einer Abgabe wie der nach dem Steiermärkischen Tourismusgesetz, dem Tiroler Tourismusgesetz und dem Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz nicht entgegen, die von den Unternehmern eines Bundeslandes, die ein wirtschaftliches Interesse am Tourismus haben, zu entrichten ist, sich grundsätzlich nach dem Jahresumsatz bemisst und keinen Vorsteuerabzug vorsieht.

Ende der Entscheidung

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