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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.05.2001
Aktenzeichen: C-340/99
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 86
EG-Vertrag Art. 90
EG-Vertrag Art. 82
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Im Rahmen der durch Artikel 234 EG geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist es allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Betreffen die vorgelegten Fragen die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, so ist der Gerichtshof daher grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden.

Der Gerichtshof hat jedoch in Ausnahmefällen zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er von dem innerstaatlichen Gericht angerufen wird. Er kann die Entscheidung über die Vorlagefragen eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.

In diesem Zusammenhang ist es den nationalen Gerichten nach dem Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 283/81 (Cilfit u. a.) keineswegs verwehrt, den Gerichtshof gemäß Artikel 234 EG mit einer Vorlagefrage zu befassen; vielmehr bleibt es nach dieser Rechtsprechung allein dem nationalen Gericht überlassen, zu beurteilen, ob die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt, und demgemäß davon abzusehen, dem Gerichtshof eine vor ihm aufgeworfene Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts vorzulegen.

( vgl. Randnrn. 30-31, 35 )

2. Artikel 86 in Verbindung mit Artikel 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG und 86 EG) steht der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, durch die ein privatrechtliches Unternehmen mit dem ausschließlichen Betrieb des postalischen Universaldienstes betraut wird und die das Recht anderer Wirtschaftsteilnehmer, nicht zum Universaldienst gehörende Eilkurierdienstleistungen zu erbringen, davon abhängig macht, dass diese an das mit dem Universaldienst betraute Unternehmen eine Postgebühr entrichten, die der normalerweise geschuldeten Frankierungsgebühr entspricht; dies gilt nicht, wenn nachgewiesen wird, dass das Aufkommen aus dieser Zahlung erforderlich ist, um dem genannten Unternehmen die Gewährleistung des postalischen Universaldienstes unter wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen zu ermöglichen und dass dieses Unternehmen zur Zahlung der gleichen Gebühr verpflichtet ist, wenn es selbst Eilkurierdienstleistungen erbringt, die nicht zu diesem Universaldienst gehören.

Dieser Nachweis kann nach den Modalitäten der internen Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats erbracht werden, wobei diese Modalitäten nicht weniger günstig sein dürfen als bei entsprechenden Klagen, die innerstaatliches Recht betreffen, und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen.

( vgl. Randnrn. 63, Tenor 1-2 )


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 17. Mai 2001. - TNT Traco SpA gegen Poste Italiane SpA und andere. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale civile di Genova - Italien. - Artikel 86 und 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG und 86 EG) - Postdienstleistungen - Nationale Regelung, die die Erbringung von Eilkurierdienstleistungen durch Einrichtungen, die nicht mit dem Betrieb des Universaldienstes betraut sind, der Zahlung der Postgebühren unterwirft, die normalerweise auf die Universaldienstleistungen anwendbar sind - Zuweisung des Aufkommens aus diesen Gebühren an die Einrichtung, die mit dem ausschließlichen Betrieb des Universaldienstes betraut ist. - Rechtssache C-340/99.

Parteien:

In der Rechtssache C-340/99

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Tribunale civile di Genova (Italien) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

TNT Traco SpA

gegen

Poste Italiane SpA, früher Ente Poste Italiane, u. a.

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 86 und 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG und 86 EG)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann sowie der Richter J.-P. Puissochet, R. Schintgen (Berichterstatter), der Richterin F. Macken und des Richters J. N. Cunha Rodrigues,

Generalanwalt: S. Alber

Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der TNT Traco SpA, vertreten durch S. Zunarelli und A. Masutti, avvocati,

- der Poste Italiane SpA, vertreten durch A. Perrazzelli, A. Tizzano, A. Sandulli und A. Fratini, avvocati, sowie durch B. Garcia Porras, abogado,

- der italienischen Regierung, vertreten durch U. Leanza als Bevollmächtigten im Beistand von I. M. Braguglia, avvocato dello Stato,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Pignataro und K. Wiedner als Bevollmächtigte,

- der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch J. M. Langseth als Bevollmächtigten,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der TNT Traco SpA, vertreten durch S. Zunarelli und A. Masutti sowie P. Manzini, avvocato, der Poste Italiane SpA, vertreten durch A. Perrazzelli und A. Sandulli sowie G. M. Roberti, avvocato, der italienischen Regierung, vertreten durch F. Quadri, avvocato dello Stato, der Kommission, vertreten durch L. Pignataro, der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch M. Sanchez Rydelski als Bevollmächtigten, in der Sitzung vom 7. Dezember 2000,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Februar 2001,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunale civile di Genova hat mit Beschluss vom 21. Juni 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 13. September 1999, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung der Artikel 86 und 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG und 86 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der TNT Traco SpA (im Folgenden: Klägerin), die im gesamten italienischen Hoheitsgebiet einen privatrechtlichen Dienst der Sammlung, Beförderung und Zustellung von Eilsendungen anbietet, einerseits und der Poste Italiane SpA (im Folgenden: Poste Italiane) sowie drei ihrer Beschäftigten andererseits über eine Entscheidung, mit der diese Beschäftigten gegen die Klägerin gemäß Artikel 39 des Decreto del Presidente della Republica N. 156 recante approvazione del testo unico delle disposizioni legislative in materia postale, di bancoposta e di telecomunicazioni (Dekret des Präsidenten der Republik über die Genehmigung des koordinierten Wortlauts der Rechtsvorschriften über den Postdienst, den Postbankdienst und die Telekommunikation) vom 29. März 1973 (GURI, Supplemento ordinario, Nr. 113 vom 3. Mai 1973, im Folgenden: Postgesetzbuch) eine Geldstrafe verhängt haben.

Rechtlicher Rahmen

3 Artikel 1 des Postgesetzbuchs - Ausschließlichkeit der Post- und Fernmeldedienste" - bestimmt:

Folgende Tätigkeiten stehen in den in diesem Dekret gesetzten Grenzen ausschließlich dem Staat zu:

die Dienstleistungen des Einsammelns, der Beförderung und der Zustellung von Briefpost,

..."

4 Artikel 7 des Postgesetzbuchs sieht vor:

Vorbehaltlich der Zuständigkeit des Ministers für das Post- und Fernmeldewesen in den in diesem Gesetz vorgesehenen Fällen werden die Inlandstarife für Post-, Postbank- und Fernmeldedienstleistungen auf Vorschlag des Ministers für das Post- und Fernmeldewesen im Einvernehmen mit dem Schatzminister nach Anhörung des Ministerrats durch Dekret des Präsidenten der Republik festgelegt."

5 Nach Artikel 8 des Postgesetzbuchs werden die Tarife für Postdienste und internationale Postbankdienste auf der Grundlage internationaler Übereinkommen oder mit den betreffenden ausländischen Verwaltungen geschlossener Vereinbarungen durch den Minister für das Post- und Fernmeldewesen im Einvernehmen mit dem Schatzminister festgelegt.

6 Artikel 39 des Postgesetzbuchs - Zuwiderhandlungen gegen das Ausschließlichkeitsrecht der Post" - bestimmt:

Wer unter Verstoß gegen Artikel 1 dieses Dekrets Briefsendungen selbst oder durch Dritte annimmt, befördert oder zustellt, wird mit einer Geldstrafe bestraft, die das Zwanzigfache des Frankierbetrags, mindestens aber 800 ITL beträgt.

Mit der gleichen Strafe wird bestraft, wer gewohnheitsmäßig Dritten Briefsendungen zum Zweck der Beförderung oder Zustellung übergibt.

...

Die rechtswidrig beförderten Sendungen werden beschlagnahmt und unverzüglich einem Postamt übergeben; gleichzeitig wird ein Protokoll über die Zuwiderhandlung aufgenommen."

7 Artikel 41 des Postgesetzbuchs sieht vor:

Artikel 39 findet keine Anwendung auf

...

b) das Einsammeln, die Beförderung und die Zustellung von Briefsendungen, bei denen die Postgebühr durch Stempelaufdruck einer Frankiermaschine oder durch Briefmarken entrichtet wurde, die von einem Postamt oder unmittelbar vom Versender ordnungsgemäß entwertet worden sind, wobei der Tag des Beginns der Beförderung mit dokumentenfester Tinte zu vermerken ist;

..."

8 Die in Artikel 1 des Postgesetzbuchs genannten Dienstleistungen wurden ursprünglich von der Verwaltung des Post- und Fernmeldewesens erbracht, die durch das Gesetz Nr. 71 vom 29. Januar 1994 (GURI, Nr. 24 vom 31. Januar 1994) in eine öffentliche wirtschaftliche Einrichtung namens Ente ,Poste Italiane" (im Folgenden: EPI) umgewandelt wurde. Durch Beschluss Nr. 244/1997 des interministeriellen Ausschusses für Wirtschaftsplanung vom 18. Dezember 1997 wurde der EPI mit Wirkung vom 28. Februar 1998 in eine Aktiengesellschaft namens Poste Italiane SpA" umgewandelt. Alle Aktien dieses Unternehmens wurden dem Ministerium für das Staatsvermögen, den Haushalt und die Wirtschaftsplanung zugewiesen.

9 Artikel 2 des Gesetzes Nr. 71/94, der die Tätigkeiten der Poste Italiane betrifft, sieht vor, dass diese die Tätigkeiten ausübt und die Dienstleistungen erbringt, die in ihrer Satzung und in dem zwischen dem Minister für das Post- und Fernmeldewesen und dem Präsidenten der Poste Italiane zu schließenden Programmvertrag festgelegt sind.

10 Artikel 6 des Programmvertrags von 1995 bestimmt:

1. Ungeachtet der Zusicherung [der Poste Italiane], die Fortsetzung der reservierten und nicht reservierten Universaldienstleistungen... im gesamten Staatsgebiet sicherzustellen, wird [die Poste Italiane] die kleinen, in abgelegenen Gebieten betriebenen Nebenpostämter, die keine Gewähr für ein wirtschaftliches Gleichgewicht bieten, ermitteln und Maßnahmen zur Rationalisierung ihrer Verwaltung vorsehen, damit die den betreffenden Postämtern zurechenbaren Betriebsverluste nach und nach verringert werden können.

Auf der Grundlage einer Trennung der unternehmerischen und der gesellschaftlichen Aufgaben [der Poste Italiane] werden die Vertragsparteien innerhalb von drei Monaten nach Abschluss jedes Geschäftsjahres den Gesamtumfang der Verbindlichkeiten aus dem Universaldienst feststellen, die sich aus dem Weiterbetrieb der genannten Postämter ergeben.

Hierzu sind für jedes Nebenpostamt ausschließlich die ihm eindeutig zuzurechnenden, nach einer Gesamtrechnung festgestellten unmittelbaren und mittelbaren Kosten zu berücksichtigen, denen keine Einnahmen aus eigener Tätigkeit gegenüberstehen.

...

3. Erlegt der Staat [der Poste Italiane] Verhaltensweisen auf, aus denen sich unangemessene Belastungen oder die Anwendung besonderer Gebühren ergeben, sorgt er jedenfalls dafür, dass die Kosten oder der [der Poste Italiane] entgangene Gewinn ausgeglichen werden.

..."

11 Nach dem Vorlagebeschluss hat sich die Poste Italiane in Artikel 11 dieses Programmvertrags, um zu gewährleisten, dass bei allen Gebühren, die für entsprechende Dienstleistungen der Konkurrenzunternehmen angewandt werden, gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen", dazu verpflichtet, ein System der Buchführung mit getrennten Konten einzuführen, das bezweckt, insbesondere eine Überprüfung dahin gehend zu ermöglichen, dass es keine Quersubventionen zwischen den reservierten und den nicht reservierten Dienstleistungen und keine diskriminierenden Praktiken mehr gibt".

12 Wie sich aus den schriftlichen Erklärungen ergibt, die von den Parteien des Ausgangsverfahrens und der italienischen Regierung beim Gerichtshof eingereicht worden sind, wurde diese Verpflichtung bestätigt durch die Legge n. 662 relativa a misure di razionalizzazione della finanza pubblica (Gesetz über Maßnahmen zur Rationalisierung der öffentlichen Finanzen) vom 23. Dezember 1996 (GURI, Nr. 303 vom 28. Dezember 1996, Supplemento ordinario n. 233), deren Artikel 2 Absatz 19 letzter Satz bestimmt:

Der [EPI] ist zur getrennten Buchführung verpflichtet, bei der insbesondere diejenigen Kosten und Erträge, die mit der Erbringung von im Rahmen der gesetzlichen Monopolregelung erbrachten Dienstleistungen zusammenhängen, von denjenigen getrennt auszuweisen sind, die aus den im freien Wettbewerb erbrachten Dienstleistungen resultieren."

13 Artikel 41 des Postgesetzbuchs wurde durch das am 6. August 1999 in Kraft getretene Decreto legislativo Nr. 261 vom 22. Juli 1999 (GURI, Nr. 182 vom 5. August 1999) aufgehoben, mit dem die Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. 1998, L 15, S. 14) in italienisches Recht umgesetzt wurde.

14 Artikel 1 der Richtlinie 97/67 bestimmt:

Diese Richtlinie enthält gemeinsame Vorschriften für

- die Bereitstellung eines postalischen Universaldienstes in der Gemeinschaft;

- die Kriterien zur Abgrenzung der für die Anbieter von Universaldienstleistungen reservierbaren Dienste und die Bedingungen für die Erbringung nicht reservierter Dienste;

- die Tarifierungsgrundsätze und die Transparenz der Rechnungslegung für die Erbringung der Universaldienstleistungen;

- die Festlegung von Qualitätsnormen für die Erbringung der Universaldienstleistungen und die Schaffung eines Systems zur Gewährleistung der Einhaltung dieser Normen;

- die Harmonisierung der technischen Normen;

- die Einrichtung unabhängiger Regulierungsbehörden in den Mitgliedstaaten."

15 Nach Artikel 9 Absatz 4 der Richtlinie 97/67 können die Mitgliedstaaten zur Sicherung des Universaldienstes, wie er in Artikel 3 der Richtlinie definiert ist, einen Ausgleichsfonds einrichten, der dazu dient, den Anbieter von Universaldienstleistungen für die unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen zu entschädigen, die sich für ihn aus der Erbringung dieser Dienstleistungen ergeben. Der Ausgleichsfonds kann durch Beiträge von Wirtschaftsteilnehmern finanziert werden, die für die Erbringung von nicht reservierten Dienstleistungen zugelassen sind, unabhängig davon, ob diese zum Universaldienst gehören oder nicht.

16 Außerdem haben die Mitgliedstaaten nach Artikel 14 der Richtlinie 97/67 die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten dieser Richtlinie die Anbieter von Universaldienstleistungen die verschiedenen reservierten und nicht reservierten Dienstleistungen in ihren internen Kostenrechnungssystemen getrennt ausweisen. Wie sich aus der 28. Begründungserwägung der Richtlinie 97/67 ergibt, soll mit dieser getrennten Rechnungslegung für Transparenz bei den Kosten der verschiedenen Dienste gesorgt und vermieden werden, dass durch Quersubventionen vom reservierten zum nicht reservierten Bereich der Wettbewerb in letzterem Bereich beeinträchtigt wird.

17 Die Richtlinie 97/67 trat gemäß ihrem Artikel 25 am 10. Februar 1998 in Kraft. Nach Artikel 24 waren die Mitgliedstaaten zum Erlass der erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften verpflichtet, um dieser Richtlinie spätestens zwölf Monate nach dem Tag des Inkrafttretens nachzukommen.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

18 Am 27. Februar 1997 wurde die Klägerin einer Prüfung durch drei Beschäftigte der Poste Italiane unterzogen. Nachdem diese festgestellt hatten, dass die der Klägerin zur Eilzustellung übergebenen Briefsendungen unter Verstoß gegen Artikel 1 des Postgesetzbuchs eingesammelt, befördert und zugestellt worden seien, verhängten sie gegen die Klägerin nach Artikel 39 des Postgesetzbuchs eine Geldstrafe von 46 331 000 ITL.

19 In seinem Vorlagebeschluss hat das nationale Gericht festgestellt, dass sich der von der Klägerin angebotene Eilkurierdienst durch Schnelligkeit und Sicherheit der Zustellung sowie persönliche Betreuung hierbei auszeichne und dass er sich damit deutlich von der gewöhnlichen Postzustellung durch die Poste Italiane im Rahmen des Universaldienstes unterscheide. Ein solcher Eilkurierdienst sei unabhängig davon, ob er von der Klägerin, der Poste Italiane oder einem anderen Unternehmen angeboten werde, eine Leistung mit Wertschöpfungscharakter", die keine zusätzliche" Leistung zu einer Grundleistung, sondern eine hiervon verschiedene", unabhängige Leistung darstelle, die sich durch ihre Merkmale, Eigenschaften und Kosten abhebe.

20 Die Klägerin erhob vor dem Tribunale civile di Genova Klage gegen die Poste Italiane und die drei Beschäftigten, die die in Randnummer 18 dieses Urteils genannte Prüfung durchgeführt hatten. Die Klägerin machte die Unvereinbarkeit der Ausschließlichkeitsregelung zugunsten der Poste Italiane mit den Artikeln 86 und 90 EG-Vertrag geltend und berief sich auf das Verhalten der Poste Italiane und ihrer Beschäftigten. Sie beantragte zunächst die Anwendung der sich aus diesen Bestimmungen ergebenden Regeln des freien Wettbewerbs auf den von ihr angebotenen Eilkurierdienst. Weiter beantragte sie, die Poste Italiane zum Ersatz des auf mehr als 500 000 000 ITL geschätzten Schadens zu verurteilen, der ihr durch die rechtswidrige Vereinnahmung der gegen sie verhängten Geldstrafe entstanden sei. Schließlich beantragte sie, die Poste Italiane und ihre Beschäftigten zum Ersatz des auf mehr als 100 000 000 ITL geschätzten Schadens zu verurteilen, der ihr durch deren rechtswidrige Handlungen der Prüfung und des Sammelns kommerzieller Daten unter Verstoß gegen den den unlauteren Wettbewerb betreffenden Artikel 2598 des Codice civile (Bürgerliches Gesetzbuch) entstanden sei.

21 Das Tribunale civile di Genova hat mit Teilurteil vom 8. Juni 1999 die Poste Italiane verurteilt, der Klägerin den Betrag von 46 331 000 ITL als Ersatz des Schadens aus der Vereinnahmung der verhängten Geldbuße zu zahlen. Es hat hierzu festgestellt, dass diese Vereinnahmung rechtswidrig gewesen sei, da die Aufsichts-, Kontroll- und Sanktionsbefugnis, die zuvor bei der Poste Italiane gelegen habe, aufgrund des Gesetzes Nr. 71/94 auf das Ministerium für das Post- und Fernmeldewesen übergegangen sei. Weil außerdem einerseits für das rechtswidrige Handeln der Beschäftigten der Poste Italiane und für den hierdurch verursachten Schaden ausschließlich die Poste Italiane verantwortlich und andererseits kein Nachweis einer unlauteren Verwendung der Namen der Kunden der Klägerin erbracht worden sei, die einen Akt des unlauteren Wettbewerbs im Sinne des Artikels 2598 des italienischen Codice civile begründen könnte, hat das Tribunale die Anträge der Klägerin gegen die Beschäftigten der Poste Italiane zurückgewiesen und sie zur Zahlung der Kosten dieser Beschäftigten verurteilt. Schließlich hat es dem Gerichtshof durch besonderen Beschluss gemäß Artikel 234 EG eine Vorabentscheidungsfrage vorgelegt und beschlossen, über die Kosten der Klägerin und der Poste Italiane in seinem Endurteil zu entscheiden.

22 Das nationale Gericht schließt nicht aus, dass die Erhebung einer Postgebühr mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein könne, sofern sie nach objektiven Kriterien für alle auf dem Eilkuriermarkt tätigen Privatpersonen gelte und durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, den Universaldienst zu gewährleisten und auch unrentable Leistungsgebiete dieses Dienstes abzudecken. Die Italienische Republik gewähre jedoch der Poste Italiane neben den Einnahmen aus der im Ausgangsverfahren streitigen Postgebühr noch direkte Subventionen, die die Kosten der Universaldienstverpflichtung ausgleichen sollten. Zudem habe das italienische Recht vor Umsetzung der Richtlinie 97/67 keinen anderen Ausgleichs- und Kontrollmechanismus als die Verpflichtung der Poste Italiane zur doppelten Buchführung enthalten, die entsprechend dem in Artikel 9 Absatz 4 dieser Richtlinie vorgesehenen Mechanismus eine dauerhafte Gewähr dafür geboten hätte, dass Ausgleichszahlungen zugunsten der universalen, reservierten Dienstleistungen nicht über das notwendige Maß hinausgingen und sich nicht zu Unrecht in Quersubventionen zugunsten von nicht universalen, nicht reservierten Dienstleistungen verwandelten.

23 Unter diesen Umständen hat es das Tribunale civile di Genova für notwendig und im Hinblick auf die Entscheidung des Ausgangsverfahrens für erheblich gehalten, den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Es hat demgemäß das Verfahren mit Urteil vom 21. Juni 1999 ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist es nach den Bestimmungen des EG-Vertrags, insbesondere den Artikeln 86 und 90, unzulässig, dass ein Mitgliedstaat bei der Ausgestaltung des Postdienstes eine Regelung beibehält, die zwischen Dienstleistungen des sogenannten Universaldienstes", die ausschließlich einem Rechtssubjekt des Privatrechts übertragen werden, und nicht zum Universaldienst" gehörenden Dienstleistungen, die nach den Regeln des freien Wettbewerbs erbracht werden, unterscheidet und dabei

a) auch für die Erbringung von nicht universalen" Dienstleistungen oder solchen mit einer Wertschöpfung durch andere Wirtschaftsteilnehmer als den, dem der Universaldienst" mit Ausschließlichkeitsrecht übertragen wurde, die Zahlung von Postgebühren für den Grunddienst" der gewöhnlichen Post vorschreibt, der vom Inhaber des Ausschließlichkeitsrechts tatsächlich nicht erbracht wird;

b) die Erlöse aus der Zahlung dieser Abgaben unmittelbar dem Wirtschaftsteilnehmer, der mit dem Universaldienst betraut worden ist, zuweist, ohne dass irgendein Ausgleichs- oder Kontrollmechanismus besteht, um zu verhindern, dass für die nicht universalen Dienstleistungen Quersubventionen erteilt werden?

Zur Zulässigkeit

24 Die Poste Italiane und die italienische Regierung machen in erster Linie die Unzulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens geltend.

25 Die Poste Italiane trägt zunächst vor, die Vorlagefrage sei nicht mehr erheblich. Die einzige Frage, zu der sich das vorlegende Gericht seine Entscheidung vorbehalten habe, sei offenbar die nach der Nichtanwendbarkeit der im Postgesetz vorgesehenen Ausschließlichkeitsregelung für Postdienstleistungen, soweit diese Regelung mit den Bestimmungen des EG-Vertrages unvereinbar sei. Nach den im Rahmen der Durchführung der Richtlinie 97/67 erfolgten gesetzgeberischen Änderungen und insbesondere angesichts der Aufhebung von Artikel 41 des Postgesetzbuchs sei die Frage nach der Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem EG-Vertrag gegenstandslos geworden.

26 Die Poste Italiane macht sodann geltend, selbst wenn die Frage des nationalen Gerichts als erheblich angesehen werden sollte, sei die Antwort des Gerichtshofes derart offenkundig, dass eine Vorabentscheidung gemäß dem Grundsatz des acte clair" (vgl. Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 283/81, Cilfit u. a., Slg. 1982, 3415, Randnr. 16) nicht mehr erforderlich sei. Die Antwort des Gerichtshofes könne nämlich keine andere Antwort als die schon im Urteil vom 19. Mai 1993 in der Rechtssache C-320/91 (Corbeau, Slg. 1993, I-2533) erteilte sein. In diesem Urteil habe der Gerichtshof es dem vorlegenden Gericht überlassen, zu beurteilen, inwieweit der Wettbewerb im Sektor der sich von den postalischen Grunddienstleistungen abhebenden spezifischen Postdienstleistungen beschränkt oder sogar ausgeschlossen werden dürfe, um nicht das wirtschaftliche Gleichgewicht des Wirtschaftsteilnehmers in Frage zu stellen, der mit dem Betrieb dieses Dienstes ausschließlich betraut sei.

27 Die italienische Regierung macht geltend, das nationale Gericht habe in seinem Vorlagebeschluss nicht angegeben, welche Verhaltensweisen den Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag darstellen sollten, für die die Poste Italiane verantwortlich sei.

28 Außerdem könne die Poste Italiane nur dann durch Teilurteil zur Rückzahlung des rechtswidrig nach Artikel 39 des Postgesetzes erhobenen Betrages verurteilt werden, wenn das vorlegende Gericht die Anwendung der Artikel 1, 39 und 41 des Postgesetzbuchs ausgeschlossen habe, so dass eine Beantwortung der Vorlagefrage für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht mehr erforderlich sei.

29 Ohne das Vorabentscheidungsersuchen ausdrücklich für unzulässig anzusehen, hat auch die Klägerin Zweifel an dessen Sachdienlichkeit, seitdem das Dekret Nr. 261/99 zur Durchführung der Richtlinie 97/67 in Kraft getreten sei.

30 Im Rahmen der durch Artikel 234 EG geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist es allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Betreffen die vorgelegten Fragen die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, so ist der Gerichtshof daher grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (vgl. insbesondere Urteile vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93, Bosman, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 59, und vom 13. März 2001 in der Rechtssache C-379/98, PreussenElektra, Slg. 2001, I-2099, Randnr. 38).

31 Der Gerichtshof hat jedoch auch darauf hingewiesen, dass es ihm in Ausnahmefällen obliegt, zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er von dem innerstaatlichen Gericht angerufen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 1981 in der Rechtssache 244/80, Foglia, Slg. 1981, 3045, Randnr. 21). Er kann die Entscheidung über die Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. insbesondere Urteile Bosman, Randnr. 61, und PreussenElektra, Randnr. 39).

32 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass nach den Akten das Ausgangsverfahren immer noch beim nationalen Gericht anhängig ist. Dieses hat nämlich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Urteil, mit dem es die Poste Italiane namentlich zur Rückzahlung der vereinnahmten Geldstrafe an die Klägerin verurteilt habe, nur ein Teilurteil sei und dass eine Vorlage für die endgültige Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits erforderlich und erheblich sei.

33 Der Umstand, dass die in Italien zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt geltende Postregelung geändert und insbesondere Artikel 41 des Postgesetzes aufgehoben wurde, macht das Vorabentscheidungsersuchen nicht gegenstandslos.

34 Zum einen haben sich nämlich, wie das nationale Gericht selbst festgestellt hat, die Vorgänge des Ausgangsverfahrens vor dem Erlass der Richtlinie 97/67 und erst recht vor dem Inkrafttreten des Dekrets Nr. 261/99 zugetragen. Zum anderen ist es allein Sache des nationalen Gerichts, sein Vorabentscheidungsersuchen zurückzuziehen, wenn es der Auffassung ist, dass eine Vorabentscheidung nicht mehr erforderlich ist, um ihm eine Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits zu ermöglichen; dabei kommt auch in Betracht, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens selbst durch Rücknahme der von ihr erhobenen Klage eine solche Rücknahme des Ersuchens veranlassen kann.

35 Überdies ist es dem nationalen Gericht nach dem Urteil Cilfit u. a. - vorausgesetzt, dieses ist auf den vorliegenden Fall übertragbar - keineswegs verwehrt, den Gerichtshof gemäß Artikel 234 EG mit einer Vorlagefrage zu befassen; vielmehr bleibt es nach dieser Rechtsprechung allein dem nationalen Gericht überlassen, zu beurteilen, ob die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt, und demgemäß davon abzusehen, dem Gerichtshof eine vor ihm aufgeworfene Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts vorzulegen.

36 Zu den von der italienischen Regierung behaupteten tatsächlichen Unklarheiten braucht nur festgestellt werden, dass bereits der Wortlaut der Frage des vorlegenden Gerichts die Verhaltensweisen beschreibt, die vom Gerichtshof darauf geprüft werden sollen, ob sie als eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung nach Artikel 86 in Verbindung mit Artikel 90 EG-Vertrag zu verbieten sind.

37 Infolgedessen ist die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage zu beantworten.

Zur Vorlagefrage

38 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 86 in Verbindung mit Artikel 90 EG-Vertrag der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, durch die ein privatrechtliches Unternehmen mit dem ausschließlichen Betrieb des postalischen Universaldienstes betraut wird und die das Recht anderer Wirtschaftsteilnehmer, nicht zum Universaldienst gehörende Eilkurierdienstleistungen zu erbringen, davon abhängig macht, dass diese an das mit dem Universaldienst betraute Unternehmen eine Postgebühr entrichten, die der normalerweise geschuldeten Frankierungsgebühr entspricht, ohne dass diese Regelung einen Ausgleichs- und Kontrollmechanismus vorsieht, um zu verhindern, dass dieses Unternehmen Quersubventionen für seine eigenen nicht zum Universaldienst gehörenden Tätigkeiten gewährt.

39 Hierzu ist zunächst festzustellen, dass ein Unternehmen wie die Poste Italiane als öffentliche wirtschaftliche Einrichtung oder später als Aktiengesellschaft, deren einziger Aktionär der Staat ist, ein öffentliches Unternehmen im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag ist.

40 Wie die Klägerin, die EFTA-Überwachungsbehörde und die Kommission vorgetragen haben, ist die Poste Italiane auch als Unternehmen anzusehen, das vom betreffenden Mitgliedstaat mit besonderen oder ausschließlichen Rechten im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag ausgestattet worden ist, soweit ihm das ausschließliche Recht zum Einsammeln, zur Beförderung und zur Zustellung von Briefsendungen gewährt worden ist, ohne wie jede andere Person, die die gleichen Dienstleistungen erbringt, eine Postgebühr zahlen zu müssen, die der normalerweise geschuldeten Frankierungsgebühr entspricht.

Zum Verbot nach Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag

41 Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag bestimmt, dass die Mitgliedstaaten in bezug auf öffentliche Unternehmen oder Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine diesem Vertrag und insbesondere dessen Artikel 86 widersprechenden Maßnahmen treffen oder beibehalten werden.

42 Artikel 86 EG-Vertrag verbietet die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben, soweit dies dazu führen kann, dass der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird.

43 Hierzu ist erstens festzustellen, dass die Poste Italiane, die Trägerin der in Randnummer 40 dieses Urteils beschriebenen besonderen oder ausschließlichen Rechte ist, unstreitig eine beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag innehat und dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes das Gebiet eines Mitgliedstaats, auf das sich eine beherrschende Stellung erstreckt, einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Juni 1998 in der Rechtssache C-203/96, Dusseldorp u. a., Slg. 1998, I-4075, Randnr. 60, vom 26. November 1998 in der Rechtssache C-7/97, Bronner, Slg. 1998, I-7791, Randnr. 36, und vom 21. September 1999 in der Rechtssache C-67/96, Albany, Slg. 1999, I-5751, Randnr. 92).

44 Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass zwar die bloße Schaffung einer beherrschenden Stellung durch die Gewährung besonderer oder ausschließlicher Rechte als solche nicht mit Artikel 86 EG-Vertrag unvereinbar ist, dass jedoch ein Mitgliedstaat dann gegen die in Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 86 EG-Vertrag aufgestellten Verbote verstößt, wenn er im Bereich der Gesetzgebung oder Verwaltung eine Maßnahme trifft, mit der er eine Situation schafft, in der ein Unternehmen, dem er besondere oder ausschließliche Rechte verliehen hat, notwendig zur missbräuchlichen Ausnutzung seiner beherrschenden Stellung veranlasst wird (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteile vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-242/95, GT-Link, Slg. 1997, I-4449, Randnr. 33, und Dusseldorp u. a., Randnr. 61).

45 Hierzu ist festzustellen, dass Wirtschaftsteilnehmer, die Eilkurierdienstleistungen erbringen, nach der im Ausgangsverfahren fraglichen staatlichen Regelung eine Postgebühr an die Poste Italiane entrichten müssen, die der normalerweise von deren Kunden geschuldeten Frankierungsgebühr entspricht, ohne dass die Poste Italiane diesem Wirtschaftsteilnehmer irgendeine Leistung zu erbringen hätte.

46 Der Gerichtshof hat aber bereits entschieden, dass eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung zu bejahen ist, wenn das Unternehmen, das diese beherrschende Stellung innehat, für seine Dienstleistungen einen Preis verlangt, der gemessen am wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung unbillig oder unverhältnismäßig ist (vgl. u. a. Urteile vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-323/93, Centre d'insémination de la Crespelle, Slg. 1994, I-5077, Randnr. 25, und GT-Link, Randnr. 39).

47 Dies muss erst recht für den Fall gelten, dass ein solches Unternehmen eine Vergütung für von ihm nicht selbst erbrachte Dienstleistungen erhält.

48 Daraus folgt, dass eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige eine Situation schafft, in der das Unternehmen, das Träger besonderer oder ausschließlicher Rechte ist, notwendig zur missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag veranlasst wird.

49 Drittens ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach dem Wortlaut von Artikel 86 EG-Vertrag eine solche Regelung nur insoweit gemäß den Artikeln 86 und 90 Absatz 1 EG-Vertrag verboten ist, als sie zu einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten führen kann.

50 Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn die Verpflichtung zur Zahlung der im Ausgangsverfahren fraglichen Postgebühr auch für Wirtschaftsteilnehmer gelten würde, die Eilkurierdienstleistungen zwischen der Italienischen Republik und einem anderen Mitgliedstaat erbringen. Dies ist vom vorlegenden Gericht zu prüfen.

Zu einer Rechtfertigung nach Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag

51 Die Poste Italiane und die italienische Regierung machen geltend, die Verpflichtung zur Entrichtung der im Ausgangsverfahren streitigen Postgebühr sei, auch wenn sie Anbietern von nicht zum Universaldienst gehörenden Eilkurierdienstleistungen auferlegt werde, jedenfalls nach Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, das wirtschaftliche Gleichgewicht des mit dem Betrieb des postalischen Universaldienstes betrauten Unternehmens aufrechtzuerhalten.

52 Wie sich erstens aus Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit dessen Absatz 2 ergibt, kann sich ein Mitgliedstaat auf Artikel 90 Absatz 2 stützen, um einem Unternehmen, das mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut ist, insbesondere gegen Artikel 86 EG-Vertrag verstoßende besondere oder ausschließliche Rechte zu übertragen, sofern die Erfuellung der diesem übertragenen besonderen Aufgabe nur durch die Einräumung solcher Rechte gesichert werden kann und soweit die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt wird, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 23. Mai 2000 in der Rechtssache C-209/98, Sydhavnens Sten & Grus, Slg. 2000, I-3743, Randnr. 74).

53 Zweitens ist ein Unternehmen wie die Poste Italiane, das nach der Regelung eines Mitgliedstaats mit der Gewährleistung des postalischen Universaldienstes betraut ist - was die Verpflichtung mit sich bringt, Briefsendungen im gesamten Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats, unabhängig von der Rentabilität des bedienten Gebietes, einzusammeln, zu befördern und zuzustellen -, ein Unternehmen, das mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag betraut ist.

54 Drittens ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Tatbestand des Artikels 90 Absatz 2 EG-Vertrag nicht erst dann verwirklicht, wenn das finanzielle Gleichgewicht oder das wirtschaftliche Überleben des mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrauten Unternehmens bedroht ist. Vielmehr genügt es, dass ohne die streitigen Rechte die Erfuellung der dem Unternehmen übertragenen besonderen Aufgaben gefährdet wäre, wie sie sich aus den ihm obliegenden Verpflichtungen und Beschränkungen ergeben, oder dass die Beibehaltung dieser Rechte erforderlich ist, um ihrem Inhaber die Erfuellung seiner im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegenden Aufgaben zu wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen zu ermöglichen (vgl. u. a. Urteil Albany, Randnr. 107).

55 Insoweit könnte es sich als erforderlich erweisen, nicht nur die Möglichkeit eines Ausgleichs zwischen den rentablen und den weniger rentablen Tätigkeitsbereichen desjenigen, dem die im Allgemeininteresse liegende Aufgabe des Betriebes des Universaldienstes übertragen worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Corbeau, Randnr. 17), sondern auch die Verpflichtung der Erbringer von nicht zu diesem Universaldienst gehörenden Postdienstleistungen vorzusehen, durch die Entrichtung einer Postgebühr der im Ausgangsverfahren fraglichen Art zur Finanzierung dieses Universaldienstes beizutragen und damit dem Träger dieser im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe deren Erfuellung unter wirtschaftlich ausgeglichenen Bedingungen zu ermöglichen.

56 Als Vorschrift, die unter bestimmten Umständen eine vom EG-Vertrag abweichende Regelung zulässt, ist Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag jedoch eng auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil GT-Link, Randnr. 50).

57 Mithin lässt es Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag nicht zu, dass das Gesamtaufkommen aus der Zahlung einer Postgebühr der im Ausgangsverfahren streitigen Art durch alle Wirtschaftsteilnehmer, die nicht zum postalischen Universaldienst gehörende Eilkurierdienstleistungen erbringen, über den Betrag hinausgeht, der zum Ausgleich von Verlusten notwendig ist, die dem mit dem Betrieb des postalischen Universaldienstes betrauten Unternehmensinhaber durch diesen Betrieb entstehen können.

58 In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass das mit dem postalischen Universaldienst betraute Unternehmen dann, wenn es selbst Eilkurierdienstleistungen erbringt, die nicht zum Universaldienst gehören, ebenfalls zur Zahlung der Postgebühr verpflichtet ist. Wichtig ist weiter, dass dieses Unternehmen dafür sorgt, dass es nicht die Kosten seiner Eilkurierdiensttätigkeit ganz oder teilweise seiner Tätigkeit im Rahmen des Universaldienstes aufbürdet, weil sonst die Belastungen des Universaldienstes und damit dessen etwaige Verluste ohne Rechtfertigung erhöht würden.

59 Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfuellt sind; dabei obliegt dem Mitgliedstaat oder dem Unternehmen, der bzw. das sich auf Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag beruft, der Nachweis, dass die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfuellt sind (siehe in diesem Sinne insbesondere Urteil vom 23. Oktober 1997 in der Rechtssache C-159/94, Kommission/Frankreich, Slg. 1997, I-5815, Randnr. 94).

60 Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass der Nachweis eines Verstoßes gegen Artikel 86 EG-Vertrag in Ermangelung einer einschlägigen Gemeinschaftsregelung nach den Modalitäten der internen Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats erbracht werden kann, sofern diese Modalitäten nicht weniger günstig sind als bei entsprechenden Klagen, die innerstaatliches Recht betreffen, und die Ausübung der durch diese Bestimmung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (vgl. in diesem Sinne Urteil GT-Link, Randnrn. 23, 24, 26 und 27).

61 Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn ein Mitgliedstaat oder das Unternehmen, das er mit einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe im Sinne des Artikels 90 Absatz 2 EG-Vertrag betraut hat, unter Berufung auf diese Bestimmung nachzuweisen versucht, dass die Verleihung Artikel 86 EG-Vertrag zuwiderlaufender besonderer oder ausschließlicher Rechte an dieses Unternehmen erforderlich ist.

62 Folglich genügt es für den Nachweis der Erfuellung der Voraussetzungen des Artikels 90 Absatz 2 EG-Vertrag nicht schon, dass zur Zeit der maßgeblichen Vorgänge des Ausgangsverfahrens kein Ausgleichs- und Kontrollmechanismus bestand, der verhindern soll, dass das mit dem Betrieb des Universaldienstes betraute Unternehmen Quersubventionen zugunsten seiner eigenen nicht zum Universaldienst gehörenden Tätigkeiten gewährt.

63 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage wie folgt zu antworten:

- Artikel 86 in Verbindung mit Artikel 90 EG-Vertrag steht der Regelung eines Mitgliedstaats - soweit diese zu einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten führen kann - entgegen, durch die ein privatrechtliches Unternehmen mit dem ausschließlichen Betrieb des postalischen Universaldienstes betraut wird und die das Recht anderer Wirtschaftsteilnehmer, nicht zum Universaldienst gehörende Eilkurierdienstleistungen zu erbringen, davon abhängig macht, dass diese an das mit dem Universaldienst betraute Unternehmen eine Postgebühr entrichten, die der normalerweise geschuldeten Frankierungsgebühr entspricht; dies gilt nicht, wenn nachgewiesen wird, dass das Aufkommen aus dieser Zahlung erforderlich ist, um dem genannten Unternehmen die Gewährleistung des postalischen Universaldienstes unter wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen zu ermöglichen, und dass dieses Unternehmen zur Zahlung der gleichen Gebühr verpflichtet ist, wenn es selbst Eilkurierdienstleistungen erbringt, die nicht zu diesem Universaldienst gehören.

- Dieser Nachweis kann nach den Modalitäten der internen Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats erbracht werden, wobei diese Modalitäten nicht weniger günstig sein dürfen als bei entsprechenden Klagen, die innerstaatliches Recht betreffen, und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen.

Kostenentscheidung:

Kosten

64 Die Auslagen der italienischen Regierung, der Kommission und der EFTA-Überwachungsbehörde, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom Tribunale civile di Genova mit Beschluss vom 21. Juni 1999 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

1. Artikel 86 in Verbindung mit Artikel 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG und 86 EG) steht der Regelung eines Mitgliedstaats - soweit diese zu einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten führen kann - entgegen, durch die ein privatrechtliches Unternehmen mit dem ausschließlichen Betrieb des postalischen Universaldienstes betraut wird und die das Recht anderer Wirtschaftsteilnehmer, nicht zum Universaldienst gehörende Eilkurierdienstleistungen zu erbringen, davon abhängig macht, dass diese an das mit dem Universaldienst betraute Unternehmen eine Postgebühr entrichten, die der normalerweise geschuldeten Frankierungsgebühr entspricht; dies gilt nicht, wenn nachgewiesen wird, dass das Aufkommen aus dieser Zahlung erforderlich ist, um dem genannten Unternehmen die Gewährleistung des postalischen Universaldienstes unter wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen zu ermöglichen, und dass dieses Unternehmen zur Zahlung der gleichen Gebühr verpflichtet ist, wenn es selbst Eilkurierdienstleistungen erbringt, die nicht zu diesem Universaldienst gehören.

2. Dieser Nachweis kann nach den Modalitäten der internen Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats erbracht werden, wobei diese Modalitäten nicht weniger günstig sein dürfen als bei entsprechenden Klagen, die innerstaatliches Recht betreffen, und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen.

Ende der Entscheidung

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