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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.09.2000
Aktenzeichen: C-343/98
Rechtsgebiete: Richtlinie 77/187/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 77/187/EWG Art. 1 Abs. 1
Richtlinie 77/187/EWG Art. 3 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass die Richtlinie auf einen Fall Anwendung finden kann, in dem eine Stelle, die öffentliche Telekommunikationsdienste betreibt und von einer in die staatliche Verwaltung eingegliederten Einrichtung verwaltet wird, aufgrund von Entscheidungen staatlicher Stellen entgeltlich in Form einer Verwaltungskonzession auf eine privatrechtliche Gesellschaft übergeht, die von einer öffentlichen Einrichtung gegründet worden ist, die alle Aktien dieser Gesellschaft hält. Die durch einen solchen Übergang betroffenen Personen müssen jedoch ursprünglich als Arbeitnehmer nach nationalem Arbeitsrecht geschützt gewesen sein.

(vgl. Randnr. 41, Tenor 1)

2 Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 77/187 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass der Erwerber bei der Berechnung von finanziellen Ansprüchen, die bei ihm an das Dienstalter der Arbeitnehmer geknüpft sind, wie von Abfindungen bei Vertragsende oder Lohnerhöhungen, alle von dem übergegangenen Personal sowohl in seinem Dienst als auch im Dienst des Veräußerers geleisteten Jahre insoweit zu berücksichtigen hat, als diese Verpflichtung sich aus dem Arbeitsverhältnis zwischen diesem Personal und dem Veräußerer ergab, und gemäß den im Rahmen dieses Verhältnisses vereinbarten Modalitäten. Die Richtlinie verwehrt dem Erwerber jedoch nicht, die Bedingungen dieses Arbeitsverhältnisses insoweit zu ändern, als das nationale Recht eine solche Änderung unabhängig vom Fall des Unternehmensübergangs zulässt.

(vgl. Randnr. 53, Tenor 2)


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 14. September 2000. - Renato Collino und Luisella Chiappero gegen Telecom Italia SpA. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Pretura di Pinerolo - Italien. - Richtlinie 77/187/EWG - Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen - Übergang einer Einheit, die von einer in die staatliche Verwaltung eingegliederten öffentlichen Einrichtung betrieben wird, auf eine privatrechtliche Gesellschaft, deren Kapital in öffentlicher Hand ist - Berücksichtigung des gesamten Dienstalters der Arbeitnehmer durch den Erwerber. - Rechtssache C-343/98.

Parteien:

In der Rechtssache C-343/98

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) von der Pretura Pinerolo (Italien) in dem bei dieser anhängigen Rechtsstreit

Renato Collino und Luisella Chiappero

gegen

Telecom Italia SpA

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26)

erlässt

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. C. Moitinho de Almeida sowie der Richter C. Gulmann und J.-P. Puissochet (Berichterstatter),

Generalanwalt: S. Alber

Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- von R. Collino und L. Chiappero, vertreten durch die Rechtsanwälte C. Dal Piaz und S. Viale, Turin,

- der Telecom Italia SpA, vertreten durch die Rechtsanwälte R. Pessi und M. Rigi Luperti, Rom,

- der österreichischen Regierung, vertreten durch Oberrätin C. Pesendorfer, Bundeskanzleramt, als Bevollmächtigte,

- der finnischen Regierung, vertreten durch H. Rotkirch, Valtionasiamies,

- die Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch R. Magrill, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigte, im Beistand von C. Lewis, Barrister,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater D. Gouloussis und durch Antonio A. Aresu, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von R. Collino und L. Chiappero, vertreten durch die Rechtsanwälte C. Dal Piaz und S. Viale, der Telecom Italia SpA, vertreten durch Rechtsanwalt M. Rigi Luperti, der finnischen Regierung, vertreten durch T. Pynnä, Valtionasiamies, als Bevollmächtigte, und der Kommission, vertreten durch D. Gouloussis und E. Traversa, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, in der Sitzung vom 25. November 1999,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Januar 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Pretura Pinerola hat mit Beschluss vom 3. September 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 21. September 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) zwei Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26; im Folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Renato Collino und Luisella Chiappero (im Folgenden: Kläger) und der Telecom Italia SpA (im Folgenden: Telecom Italia oder Beklagte).

Die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften

3 Gemäß Artikel 1 Absatz 1 ist die Richtlinie auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.

4 Nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie gehen die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.

Die nationalen Rechtsvorschriften

5 Die Durchführung der Richtlinie wird in Italien durch Artikel 2112 des Codice civile sichergestellt, der u. a. bestimmt, dass bei einem Unternehmensübergang das Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber fortgesetzt wird und dass der Arbeitnehmer alle sich daraus ergebenden Rechte behält.

6 Nach Artikel 34 des Decreto legislativo (gesetzesvertretende Verordnung) Nr. 29 vom 3. Februar 1993 über die Rationalisierung der Organisation der öffentlichen Verwaltung und die Änderung der Regelung über die Beschäftigung im öffentlichen Dienst (GURI Nr. 30 vom 3. Februar 1993, Supplemento ordinario; im Folgenden: gesetzesvertretende Verordnung Nr. 29/93) in ihrer geänderten Fassung gilt Artikel 2112 des Codice civile beim Übergang oder der Übertragung von Tätigkeiten, die von öffentlichen Verwaltungen, öffentlichen Körperschaften oder deren Betrieben oder Einrichtungen wahrgenommen werden, auf andere öffentliche oder private Rechtssubjekte - vorbehaltlich besonderer Bestimmungen - für das Personal, das auf diese Rechtssubjekte übergeht.

7 Durch Artikel 1 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 58 vom 29. Januar 1992 über die Reform des Telekommunikationssektors (GURI Nr. 29 vom 5. Februar 1992; im Folgenden: Gesetz Nr. 58/92) wurde der Minister für Post und Telekommunikation ermächtigt, die bis dahin von der Amministrazione delle Poste e Telecomunicazioni und der Azienda di Stato per i servizi telefonici (im Folgenden: ASST) erbrachten öffentlichen Telekommunikations-Dienstleistungen ausschließlich einer Gesellschaft zu übertragen, die zu diesem Zweck von der staatlichen Holding Istituto per la ricostruzione industriale (im Folgenden: IRI) gegründet worden war. Ferner sah das Gesetz Nr. 58/92 die Übernahme aller mit der Erbringung der betreffenden Dienstleistungen verbundenen Rechte und Verpflichtungen durch die neue Gesellschaft sowie die Auflösung der ASST vor.

8 Außerdem wurde durch das Gesetz Nr. 58/92 eine Sonderregelung eingeführt, die von dem für den Übergang von Unternehmen gemäß Artikel 2112 des Codice civile allgemein geltenden Recht abweicht. Erstens hatten die Angestellten der ASST die Möglichkeit, entweder in der öffentlichen Verwaltung zu verbleiben oder Arbeitnehmer der neuen Konzessionsgesellschaft zu werden (Artikel 4 Absatz 3). Sodann sollte nach dem Gesetz Nr. 58/92 durch Tarifverhandlungen auf Gewerkschaftsebene sichergestellt werden, dass die Arbeitnehmer der neuen Gesellschaft "keine niedrigeren Bezüge als vorher erhalten" (Artikel 4 Absatz 5). Schließlich hat das Personal, das sich nicht für seine Weiterbeschäftigung in der öffentlichen Verwaltung entschieden hatte, Anspruch auf die Zahlung einer Abfindung bei Beendigung seines Dienstverhältnisses mit der Verwaltung ("trattamento di buonuscita") (Artikel 5 Absatz 5).

9 Durch Dekret vom 29. Dezember 1992 (GURI Nr. 306 vom 31. Dezember 1992) erteilte der Minister für Post und Telekommunikation die Konzession für die von der Post- und Telekommunikationsverwaltung und von der ASST betriebenen öffentlichen Telekommunikationsdienste der Firma Iritel SpA (im Folgenden: Iritel). Am 18. April 1994 übernahm die Società italiana per le telecommunicazioni SpA (im Folgenden: SIP), eine andere Tochtergesellschaft der IRI, die Iritel, und gab sich die Bezeichnung Telecom Italia SpA.

Der Ausgangsrechtsstreit

10 Bis zum 31. Oktober 1993 waren die Kläger bei der ASST, der seinerzeit mit dem Betrieb bestimmter öffentlicher Telekommunikationsdienste im italienischen Staatsgebiet betrauten staatlichen Einrichtung, beschäftigt. Am 8. November 1993 wurden sie von der Firma Iritel, die von der IRI als Nachfolgerin der ASST gemäß dem Gesetz Nr. 58/92 gegründet worden war, übernommen. Am 16. Mai 1994 wurden sie von der zur Telecom Italia gewordenen SIP weiterbeschäftigt, als diese die Iritel übernahm.

11 Die Kläger, die sich gegenwärtig im Ruhestand befinden, erhoben am 16. Oktober 1997 bei der Pretura Pinerolo Klage gegen die Telecom Italia, mit der sie die Einzelheiten des Übergangs von der ASST auf die Iritel beanstanden.

12 Die Kläger berufen sich in erster Linie auf die Teilnichtigkeit der gewerkschaftlichen Vereinbarung vom 8. April 1993, die u. a. zwischen der Iritel und der SIP einerseits und den repräsentativsten Gewerkschaftsorganisationen andererseits zur Durchführung von Artikel 4 Absatz 5 des Gesetzes Nr. 58/92 geschlossen worden ist. Nach dieser Vereinbarung musste die Berechnung der Lohnerhöhungen aufgrund des am 1. November 1993 erreichten Dienstalters für die zur Iritel übergetretenen ehemaligen Beschäftigten der ASST nach den in Artikel 24 Absatz 3 des Contratto Colletivo Nacionale Lavoratori (Nationaler Tarifvertrag für Arbeitnehmer) festgelegten Kriterien für neu eingestellte Arbeitnehmer erfolgen. Die Kläger sind aber der Auffassung, dass für sie die Regeln für die Berechnung des Dienstalters hätten gelten müssen, die in Artikel 24 Absätze 1 und 2 dieses Tarifvertrags für die bei dessen Abschluss am 30. Juni 1992 bereits bei der SIP beschäftigten Arbeitnehmer vorgesehen seien. Diese Lösung, die der Einheitlichkeit des Arbeitsverhältnisses seit dem Eintritt der Kläger bei der ASST Rechnung trage, sei durch Artikel 2112 des Codice civile geboten, wonach das Arbeitsverhältnis beim Übergang eines Unternehmens mit dem Übernehmer fortbestehe.

13 Zweitens beanstanden die Kläger, dass ihnen die Abfindung, auf die jeder Beschäftigte im öffentlichen Dienst bei seinem Ausscheiden aus der Verwaltung Anspruch habe, gezahlt worden sei, als sie die ASST verlassen hätten, ohne dass sie diese Abfindung aus Gründen, auf die sie keinen Einfluss hätten, wieder bei der ISP hätten einzahlen können. Im letztgenannten Fall wäre ihre Abfindung ("trattamento di fine rapporto"), auf die jeder private Arbeitnehmer bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Anspruch habe und die sie bei ihrem Eintritt in den Ruhestand erhalten hätten, nämlich auf der Grundlage ihrer gesamten Dienstjahre berechnet worden. Diese einheitliche Abfindung wäre aber höher gewesen als die beiden Abfindungen, die sie erhalten hätten.

14 Die Beklagte macht geltend, die beiden Klagen seien unbegründet, da kein Übergang eines Unternehmens im Sinne von Artikel 2112 des Codice civile zwischen der ASST und der Iritel erfolgt sei. Zum einen stelle eine öffentliche Körperschaft wie die ASST nämlich kein Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift dar, und zum anderen sei die Ausübung der betreffenden Tätigkeit von der Erteilung einer Verwaltungskonzession abhängig.

15 In ihrem Vorlagebeschluss vertritt die Pretura zunächst die Auffassung, dass ein Unternehmensübergang im vorliegenden Fall objektiv stattgefunden habe, da alle Vermögensgegenstände und Rechte der ASST auf die Iritel übertragen worden seien und die meisten Beschäftigten der ASST von der letztgenannten Gesellschaft übernommen worden seien und in denselben Räumlichkeiten dieselben Aufgaben wie in der Vergangenheit wahrnähmen.

16 Die Pretura stellt jedoch fest, dass die Richtlinie zwar durch Artikel 2112 des Codice civile im italienischen Recht umgesetzt worden sei, dass Artikel 34 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 29/93 aber die Anwendung dieser Vorschrift beim Unternehmensübergang von einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung auf eine privatrechtliche Körperschaft nur vorsehe, soweit keine besonderen Bestimmungen bestuenden. Durch das Gesetz Nr. 58/92 sei aber gerade eine Sonderregelung eingeführt worden, die von dem für den Übergang von Unternehmen im allgemeinen geltenden Recht abweiche. Nach italienischem Recht könnten die Kläger sich daher zur Begründung ihrer Klagen nicht auf Artikel 2112 des Codice civile berufen.

17 Die Pretura hat allerdings Zweifel an der Vereinbarkeit der durch das Gesetz Nr. 58/92 eingeführten abweichenden Regelung mit der Richtlinie. Fraglich sei erstens, ob die Richtlinie für einen Übergang von einer öffentlichen Einrichtung auf eine von einer anderen öffentlichen Einrichtung kontrollierte privatrechtliche Gesellschaft gelte, die aufgrund von staatlichen Entscheidungen mittels einer Verwaltungskonzession erfolge, und zweitens, welche Tragweite der durch die Richtlinie vorgeschriebene Übergang der Rechte und Pflichten vom Veräußerer auf den Erwerber habe, wenn man annehme, dass die Richtlinie anwendbar sei.

18 Die Pretura Pinerolo ist der Auffassung, dass die Entscheidung des Rechtsstreits unter diesen Umständen von der Auslegung der Richtlinie abhänge, und hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Fällt ein entgeltlicher, durch staatliches Gesetz genehmigter und durch Dekret eines Ministers angeordneter Übergang eines Unternehmens von einer unmittelbar staatlichen öffentlichen Einrichtung auf eine privatrechtliche Gesellschaft, die von einer anderen öffentlichen Einrichtung gegründet worden ist, die alle ihre Aktien hält, in den Geltungsbereich von Artikel 1 der Richtlinie 77/187/EWG, wenn die privatrechtliche Gesellschaft aufgrund einer Verwaltungskonzession mit der Tätigkeit, die Gegenstand des Übergangs ist, betraut wird?

Falls die Frage 1 zu bejahen ist:

2. a) Ist nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 von einer obligatorischen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erwerber auszugehen mit der Folge, dass dem Arbeitnehmer das seit seiner Einstellung beim Veräußerer erreichte Dienstalter erhalten bleibt und er Anspruch auf eine einzige Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat, die nach seiner gesamten Beschäftigungszeit beim Veräußerer und beim Erwerber zu berechnen ist?

b) Ist Artikel 3 Absatz 1 jedenfalls dahin auszulegen, dass zu den "Rechten" des Arbeitnehmers, die auf den Erwerber übergehen, auch vorteilhafte Rechtspositionen wie das erreichte Dienstalter gehören, die der Arbeitnehmer beim Veräußerer erworben hat, wenn nach den für den Erwerber geltenden Tarifverträgen wirtschaftliche Ansprüche von diesem Dienstalter abhängen?

Zur Zulässigkeit der Vorabentscheidungsvorlage

19 Die Beklagte trägt vor, die vom vorlegenden Gericht gestellten Vorabentscheidungsfragen seien unzulässig, da dieses die Vorschriften der Richtlinie auf den Ausgangsrechtsstreit, in dem sich ausschließlich Privatrechtssubjekte gegenüber stuenden, ohnehin nicht anwenden könne.

20 Zwar kann eine Richtlinie nach ständiger Rechtsprechung nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist (siehe u. a. Urteile vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache C-91/92, Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325, Randnr. 20, und vom 7. März 1996 in der Rechtssache C-192/94, El Corte Inglés, Slg. 1996, I-1281, Randnr. 15).

21 Jedoch muss ein nationales Gericht, soweit es bei der Anwendung des nationalen Rechts - unabhängig davon, ob es sich um vor oder nach der Richtlinie erlassene Vorschriften handelt - dieses Recht auszulegen hat, seine Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten, um das mit dieser verfolgte Ziel zu erreichen und so Artikel 189 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 249 Absatz 3 EG) nachzukommen (siehe u. a. Urteil Faccini Dori, Randnr. 26, und Urteil vom 23. Februar 1999 in der Rechtssache C-63/97, BMW, Slg. 1999, I-905, Randnr. 22).

22 Kann sich der Einzelne gegenüber dem Staat auf eine Richtlinie berufen, so kann er dies im übrigen unabhängig davon tun, in welcher Eigenschaft - als Arbeitgeber oder als Hoheitsträger - der Staat handelt. In dem einen wie dem anderen Fall muss nämlich verhindert werden, dass der Staat aus der Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts Nutzen ziehen kann (siehe u. a. Urteile vom 26. Februar 1986 in der Rechtssache 152/84, Marshall, Slg. 1986, 723, Randnr. 49, und vom 12. Juli 1990 in der Rechtssache C-188/89, Foster u. a., Slg. 1990, I-3313, Randnr. 17).

23 Der Gerichtshof hat daher entschieden, dass eine Einrichtung, die unabhängig von ihrer Rechtsform kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat und die hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über das hinausgehen, was für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gilt, zu den Rechtssubjekten gehört, denen die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können (Urteil Foster u. a., Randnr. 20).

24 Es ist Sache des nationalen Gerichts, anhand der vorstehenden Erwägungen zu prüfen, ob es möglich war, sich gegenüber der Firma Iritel, deren Nachfolgerin die Beklagte ist, auf die Richtlinie zu berufen.

25 Die Vorlagefragen sind nach Maßgabe aller vorstehenden Ausführungen zu beantworten.

Zur ersten Frage

26 Die erste Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Richtlinie für einen Fall gelten kann, in dem eine Einrichtung, die öffentliche Telekommunikationsdienste betreibt und von einer in die Staatsverwaltung eingegliederten öffentlichen Körperschaft verwaltet wird, aufgrund von staatlichen Entscheidungen entgeltlich in Form einer Verwaltungskonzession auf eine privatrechtliche Gesellschaft übergeht, die von einer anderen öffentlichen Körperschaft gegründet worden ist, in deren Besitz sich alle Aktien dieser Gesellschaft befinden.

27 Die Beklagte ist der Auffassung, die Richtlinie sei in einem solchen Fall nicht anwendbar, da der Übergang nicht auf einer vertraglichen Übertragung oder einer Verschmelzung im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie beruhe. Darüber hinaus setze die Richtlinie voraus, dass der Übergang eine wirtschaftliche Einheit betreffe. Die ASST habe aber, als sie die öffentlichen Telekommunikationsdienste betrieben habe, zugunsten der Gemeinschaft eine im allgemeinen Interesse liegende Dienstleistung erbracht und kein wirtschaftliches Ziel verfolgt.

28 Die Kläger, die österreichische Regierung, die finnische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission sind dagegen unter Verweisung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Meinung, dass die Richtlinie anwendbar sei, da der streitige Übergang eine mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit betraute Einheit betroffen habe. Weder die ursprüngliche Eingliederung dieser Einheit in den Staat noch der Umstand, dass dieser Übergang auf einem Gesetz und einer Verordnung beruhe, noch die Tatsache, dass die ausgeübte Tätigkeit durch eine Verwaltungskonzession geregelt sei, stuenden dem entgegen.

29 Die Kommission führt jedoch aus, dass die Beschäftigten der ASST bis zu ihrer Übernahme durch die Iritel den Status von öffentlich-rechtlichen Bediensteten gehabt hätten. Der Gerichtshof habe aber entschieden, dass sich auf die Richtlinie nur Personen berufen könnten, die auf die eine oder andere Weise nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats als Arbeitnehmer geschützt seien (Urteil vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 105/84, Danmols Inventar, Slg. 1985, 2639, Randnr. 27). Die Kommission, der sich die finnische Regierung in der mündlichen Verhandlung angeschlossen hat, ist allerdings der Auffassung, dass die Richtlinie anwendbar wäre, wenn sich erweisen sollte, dass die von den Beschäftigten der ASST ausgeübten Tätigkeiten im Wesentlichen den Tätigkeiten entsprächen, die von den Arbeitnehmern einer dem nationalen Arbeitsrecht unterliegenden privatrechtlichen Gesellschaft ausgeübt würden. Diese Auslegung werde dadurch gestützt, dass Artikel 3 der Richtlinie sich nicht nur auf Arbeitsverträge, sondern auf Arbeitsverhältnisse allgemein beziehe.

30 Zum einen ist die Richtlinie nach ständiger Rechtsprechung auf jeden Übergang einer Einheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, unabhängig davon anwendbar, ob sie auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist (siehe u. a. Urteil vom 8. Juni 1994 in der Rechtssache C-382/92, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1994, I-2435, Randnrn. 44 bis 46).

31 Dagegen stellt die strukturelle Neuordnung der öffentlichen Verwaltung oder die Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer öffentlichen Verwaltung auf eine andere keinen Unternehmensübergang im Sinne der Richtlinie dar. In diesen Fällen bezieht sich der Übergang nämlich auf hoheitliche Tätigkeiten (Urteil vom 15. Oktober 1996 in der Rechtssache C-298/94, Henke, Slg. 1996, I-4989, Randnrn. 14 und 17).

32 Dass die übertragene Dienstleistung durch eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, wie z. B. eine Gemeinde, vergeben worden ist, kann daher die Anwendung der Richtlinie nicht ausschließen, wenn die betreffende Tätigkeit keine hoheitliche Tätigkeit darstellt (Urteil vom 10. Dezember 1998 in den verbundenen Rechtssachen C-173/96 und C-247/96, Hidalgo u. a., Slg. 1998, I-8237, Randnr. 24).

33 Der Gerichtshof hat jedoch - wenn auch in einem Urteil zum Wettbewerbsrecht, das sich aber auf den vorliegenden Fall übertragen läßt - entschieden, dass der Betrieb von öffentlichen Fernmeldeanlagen und deren Zurverfügungstellen gegen Zahlung einer Gebühr eine Unternehmenstätigkeit darstellen (Urteil vom 20. März 1985 in der Rechtssache 41/83, Italien/Kommission, Slg. 1985, 873, Randnr. 18, und - implizit - Urteil vom 17. November 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-271/90, C-281/90 und C-289/90, Spanien u. a./Kommission, Slg. 1992, I-5833). Darüber hinaus kann der Umstand, dass der Betrieb des öffentlichen Telekommunikationsnetzes einer in die öffentliche Verwaltung eingegliederten Stelle übertragen worden ist, diese Stelle nicht von der Qualifikation als öffentliches Unternehmen ausnehmen (Urteile vom 27. Oktober 1993 in der Rechtssache C-69/91, Decoster, Slg. 1993, I-5335, Randnr. 15, und in der Rechtssache C-92/91, Taillandier, Slg. 1993, I-5383, Randnr. 14).

34 Zum anderen schließt der Umstand, dass der Übergang auf einseitigen Entscheidungen der staatlichen Stellen und nicht auf einer Willensübereinstimmung beruht, die Anwendung der Richtlinie nicht aus (Urteil vom 19. Mai 1992 in der Rechtssache C-29/91, Redmond Stichting, Slg. 1992, I-3189, Randnrn. 15 bis 17). Der Gerichtshof hat daher entschieden, dass die Richtlinie auf einen Fall Anwendung findet, in dem eine Behörde beschließt, die Gewährung von Subventionen an eine juristische Person, die sich mit der Hilfe für Drogensüchtige befasst, einzustellen, so dass diese ihre Tätigkeiten vollständig und endgültig einstellen muss, um die Subventionen auf eine andere juristische Person zu übertragen, die einen ähnlichen Zweck verfolgt (Urteil Redmond Stichting, Randnr. 21).

35 Ein Übergang, wie er im Ausgangsverfahren erfolgt ist, fällt somit in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie.

36 Auf die Richtlinie können sich jedoch nur Personen berufen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat als Arbeitnehmer nach nationalem Arbeitsrecht geschützt sind (Urteile Danmols Inventar, Randnrn. 27 und 28, Redmond Stichting, Randnr. 18, und Hidalgo u. a., Randnr. 24).

37 Diese Auslegung folgt daraus, dass die Richtlinie nur eine teilweise Harmonisierung auf dem betreffenden Gebiet vornimmt, indem sie hauptsächlich den den Arbeitnehmern durch die Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten selbst bereits gewährten Schutz auch auf den Fall des Unternehmensübergangs ausdehnt. Sie verfolgt somit das Ziel, so weit wie möglich den Fortbestand des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses mit dem Erwerber in unveränderter Form sicherzustellen, um zu verhindern, dass die von dem Unternehmensübergang betroffenen Arbeitnehmer allein aufgrund dieses Übergangs schlechter gestellt werden. Sie will indessen kein für die gesamte Gemeinschaft aufgrund gemeinsamer Kriterien einheitliches Schutzniveau schaffen (Urteil Danmols Inventar, Randnr. 26).

38 Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass die Richtlinie entgegen dem Vorbringen der finnischen Regierung und der Kommission nicht auf Personen anwendbar ist, die nicht als Arbeitnehmer nach nationalem Arbeitsrecht geschützt sind, und zwar unabhängig von der Art der Tätigkeiten, die diese Personen ausüben.

39 Das Urteil Danmols Inventar ist im übrigen durch die Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 zur Änderung der Richtlinie 77/187 (ABl. L 201, S. 88), die im Recht der Mitgliedstaaten spätestens am 17. Juli 2001 umgesetzt sein muss, bestätigt worden. Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe d der geänderten Richtlinie definiert nämlich als "Arbeitnehmer" jede Person, die in dem betreffenden Mitgliedstaat aufgrund des einzelstaatlichen Arbeitsrechts geschützt ist.

40 Im vorliegenden Fall ist nach den Angaben in den Akten anzunehmen, dass die Beschäftigten der ASST zur Zeit des im Ausgangsverfahren streitigen Übergangs den Status von öffentlich-rechtlichen Bediensteten und nicht von Arbeitnehmern hatten. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, sich dessen zu vergewissern.

41 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, dass Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Richtlinie auf einen Fall Anwendung finden kann, in dem eine Stelle, die öffentliche Telekommunikationsdienste betreibt und von einer in die staatliche Verwaltung eingegliederten öffentlichen Einrichtung verwaltet wird, aufgrund von Entscheidungen staatlicher Stellen entgeltlich in Form einer Verwaltungskonzession auf eine privatrechtliche Gesellschaft übergeht, die von einer anderen öffentlichen Einrichtung gegründet worden ist, in deren Besitz sich alle Aktien dieser Gesellschaft befinden. Die durch einen solchen Übergang betroffenen Personen müssen jedoch ursprünglich als Arbeitnehmer nach nationalem Arbeitsrecht geschützt gewesen sein.

Zur zweiten Frage

42 Mit den beiden Unterfragen seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der Erwerber bei der Berechnung von finanziellen Ansprüchen, die bei ihm an das Dienstalter der Arbeitnehmer geknüpft sind, wie z. B. Abfindungen bei Beendigung des Vertrages oder Lohnerhöhungen, alle von dem übergegangenen Personal sowohl in seinen Diensten als auch in den Diensten des Veräußerers abgeleisteten Jahre berücksichtigen muss.

43 Die Beklagte vertritt zunächst die Auffassung, der erste Teil der zweiten Frage, der sich auf die Berechnung der Abfindung bei Beendigung des Vertrages beziehe, sei unzulässig, da seine Beantwortung für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht objektiv erforderlich sei (siehe u. a. Urteil vom 12. März 1998 in der Rechtssache C-319/94, Dethier Équipement, Slg. 1998, I-1061). Im italienischen Recht sei nämlich für die von der Iritel übernommenen Beschäftigten der ASST ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, durch Wiedereinzahlung ihrer Abfindung bei Ausscheiden aus dem Dienst bei der Iritel eine einheitliche, auf der Grundlage ihrer gesamten Dienstjahre bei beiden Arbeitgebern berechnete Abfindung bei Vertragsende zu erhalten.

44 Es ist allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, das die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung übernehmen muss, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen (vgl. u. a. Urteile vom 1. Dezember 1998 in der Rechtssache C-200/97, Ecotrade, Slg, 1998, I-7907, Randnr. 25, und vom 17. Juni 1999 in der Rechtssache C-295/97, Piaggio, Slg. 1999, I-3735, Randnr. 24). Das Ersuchen eines nationalen Gerichts kann nur zurückgewiesen werden, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der Auslegung oder der Prüfung der Gültigkeit einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, um die das Gericht ersucht, und der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits besteht (vgl. u. a. Urteil vom 21. Januar 1999 in den verbundenen Rechtssachen C-215/96 und C-216/96, Bagnasco u. a., Slg. 1999, I-135, Randnr. 20).

45 Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht in seinem Vorlagebeschluss festgestellt, dass das Personal der ASST, das sich nicht für sein Verbleiben in der öffentlichen Verwaltung entschieden habe, nach dem Gesetz Nr. 58/92 bei Beendigung seines Dienstverhältnisses mit der Verwaltung Anspruch auf die Abfindung bei Ausscheiden aus dem Dienst gehabt habe. Außerdem hat es angegeben, dass die Kläger die Auszahlung dieser Abfindung mit der Begründung beanstandet hätten, dass sie dadurch bei ihrem Eintritt in den Ruhestand aus Gründen, auf die sie keinen Einfluss gehabt hätten, eine auf der Grundlage ihrer gesamten Dienstjahre bei dem Veräußerer und dem Erwerber berechnete Abfindung bei Vertragsende eingebüßt hätten.

46 Daraus folgt, dass die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, um die das vorlegende Gericht im ersten Teil der zweiten Frage ersucht, nicht offensichtlich ohne Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits ist und dass diese Frage daher zulässig ist.

47 In der Sache schlägt die Beklagte vor, die beiden Teile der Vorlagefrage zu verneinen. Sie vertritt die Auffassung, der übernommene Arbeitnehmer behalte zwar die Rechte, die sich aus seinem Arbeitsverhältnis mit dem alten Arbeitgeber ergäben, er habe aber keinen Anspruch auf die bei seinem neuen Arbeitgeber geltenden Vergünstigungen für die vor seinem Übergang liegenden Dienstjahre.

48 Die Kläger, die österreichische Regierung, die finnische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission machen dagegen geltend, nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie sei der Erwerber an alle Verpflichtungen gebunden, die der Veräußerer gegenüber seinen Arbeitnehmern eingegangen sei, einschließlich der Verpflichtungen, die vor dem Übergang entstanden seien. Daraus folge, dass der Erwerber bei der Berechnung der mit dem Dienstalter zusammenhängenden Rechte des Arbeitnehmers auch die von diesem vor seiner Übernahme geleisteten Dienstjahre berücksichtigen müsse.

49 Nach Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie gehen die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über. Auf diese Weise soll die Richtlinie die Wahrung der Rechte der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Inhabers des Unternehmens gewährleisten, indem sie ihnen die Möglichkeit gibt, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu den gleichen Bedingungen fortzusetzen, wie sie mit dem Veräußerer vereinbart waren (Urteile vom 5. Mai 1988 in den verbundenen Rechtssachen 144/87 und 145/87, Berg und Busschers, Slg. 1988, 2559, Randnr. 12, und vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-262/89, D'Urso u. a., Slg. 1991, I-4105, Randnr. 9).

50 Wie der Generalanwalt in Nummer 91 seiner Schlussanträge festgestellt hat, stellt das Dienstalter, das die übernommenen Arbeitnehmer bei ihrem früheren Arbeitgeber erworben haben, als solches kein Recht dar, das die Arbeitnehmer gegenüber ihrem neuen Arbeitgeber geltend machen könnten. Das Dienstalter dient vielmehr dazu, bestimmte finanzielle Rechte der Arbeitnehmer zu bestimmen, und diese Rechte müssen gegebenenfalls vom Erwerber in gleicher Weise, wie sie beim Veräußerer bestanden, aufrechterhalten werden.

51 Bei der Berechnung finanzieller Rechte wie einer Abfindung bei Vertragsende oder von Lohnerhöhungen hat der Erwerber folglich alle von dem übernommenen Personal geleisteten Dienstjahre zu berücksichtigen, soweit sich diese Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis zwischen diesem Personal und dem Veräußerer ergab, und gemäß den im Rahmen dieses Verhältnisses vereinbarten Modalitäten.

52 Soweit jedoch nach nationalem Recht unabhängig vom Fall des Unternehmensübergangs das Arbeitsverhältnis, insbesondere hinsichtlich der Entgeltbedingungen, zum Nachteil des Arbeitnehmers abgeändert werden kann, wird diese Möglichkeit nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass das Unternehmen in der Zwischenzeit übertragen und die Vereinbarung daher mit dem neuen Unternehmensinhaber geschlossen worden ist. Da der Erwerber nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie in die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus dem Arbeitsverhältnis eintritt, kann dieses gegenüber dem Erwerber in demselben Umfang geändert werden, wie dies gegenüber dem Veräußerer möglich war; der Unternehmensübergang als solcher stellt jedoch keinesfalls einen Grund für eine solche Änderung dar (vgl. u. a. Urteile vom 10. Februar 1988 in der Rechtssache 324/86, Tellerup, "Daddy's Dance Hall", Slg. 1988, 739, Randnr. 17, und vom 12. November 1992 in der Rechtssache C-209/91, Watson Rask und Christensen, Slg. 1992, I-5755, Randnr. 28).

53 Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, dass Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der Erwerber bei der Berechnung von finanziellen Rechten, die bei ihm an das Dienstalter der Arbeitnehmer geknüpft sind, wie Abfindungen bei Vertragsende oder Lohnerhöhungen, alle von dem übergegangenen Personal sowohl in seinen Diensten als auch in den Diensten des Veräußerers geleisteten Jahre zu berücksichtigen hat, soweit sich diese Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis zwischen diesem Personal und dem Veräußerer ergab, und gemäß den im Rahmen dieses Verhältnisses vereinbarten Modalitäten. Die Richtlinie verwehrt dem Erwerber jedoch nicht, die Bedingungen dieses Arbeitsverhältnisses zu ändern, soweit das nationale Recht eine solche Änderung unabhängig vom Fall des Unternehmensübergangs zulässt.

Kostenentscheidung:

Kosten

54 Die Auslagen der österreichischen Regierung, der finnischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

auf die ihm von der Pretura Pinerolo mit Beschluss vom 3. September 1998 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass die Richtlinie auf einen Fall Anwendung finden kann, in dem eine Stelle, die öffentliche Telekommunikationsdienste betreibt und von einer in die staatliche Verwaltung eingegliederten Einrichtung verwaltet wird, aufgrund von Entscheidungen staatlicher Stellen entgeltlich in Form einer Verwaltungskonzession auf eine privatrechtliche Gesellschaft übergeht, die von einer anderen öffentlichen Einrichtung gegründet worden ist, die alle Aktien dieser Gesellschaft hält. Die durch einen solchen Übergang betroffenen Personen müssen jedoch ursprünglich als Arbeitnehmer nach nationalem Arbeitsrecht geschützt gewesen sein.

2. Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie ist dahin auszulegen, dass der Erwerber bei der Berechnung von finanziellen Ansprüchen, die bei ihm an das Dienstalter der Arbeitnehmer geknüpft sind, wie von Abfindungen bei Vertragsende oder Lohnerhöhungen, alle von dem übergegangenen Personal sowohl in seinem Dienst als auch im Dienst des Veräußerers geleisteten Jahre insoweit zu berücksichtigen hat, als diese Verpflichtung sich aus dem Arbeitsverhältnis zwischen diesem Personal und dem Veräußerer ergab, und gemäß den im Rahmen dieses Verhältnisses vereinbarten Modalitäten. Die Richtlinie verwehrt dem Erwerber jedoch nicht, die Bedingungen dieses Arbeitsverhältnisses insoweit zu ändern, als das nationale Recht eine solche Änderung unabhängig vom Fall des Unternehmensübergangs zulässt.

Ende der Entscheidung

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