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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 08.04.1992
Aktenzeichen: C-346/90 P
Rechtsgebiete: EWGS, Beamtenstatut


Vorschriften:

EWGS Art. 49
EWGV Art. 168a
Beamtenstatut Art. 78
Beamtenstatut Art. 90
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein Rechtsmittel kann nur auf Gründe gestützt werden, die sich auf die Verletzung von Rechtsvorschriften beziehen und jede Tatsachenwürdigung ausschließen, und ist daher nur zulässig, soweit dem Gericht vorgeworfen wird, unter Verletzung von Rechtsvorschriften entschieden zu haben, die es zu beachten hatte.

Deshalb ist ein Rechtsmittelgrund unzulässig, mit dem die Tatsachenfeststellungen bestritten werden sollen, aufgrund deren das Gericht zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Klage eines Beamten unter Berücksichtigung der im Statut für die Einlegung einer Beschwerde und die Erhebung einer Klage vorgesehenen Fristen verspätet erhoben worden ist.

Ebenfalls unzulässig ist der Rechtsmittelgrund, der sich gegen die vom Gericht vorgenommene Beurteilung des medizinischen Charakters der Feststellungen des Ausschusses richtet, der über den ursächlichen Zusammenhang einer Dienstunfähigkeit mit der Berufstätigkeit zu entscheiden hat.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 8. APRIL 1992. - M. F. GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - RECHTSMITTEL - BEAMTE - ENTSCHAEDIGUNG BEI UNFAELLEN UND BERUFSKRANKHEITEN - RUHEGEHALT WEGEN DIENSTUNFAEHIGKEIT - RECHTSMITTELBEANTWORTUNG, DIE DIE TEILWEISE AUFHEBUNG DER ENTSCHEIDUNG DES GERICHTS ZUM GEGENSTAND HAT. - RECHTSSACHE C-346/90 P.

Entscheidungsgründe:

1 Herr F. hat mit Rechtsmittelschrift, die am 27. November 1990 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EWG-Satzung und den entsprechenden Bestimmungen der EGKS- und der EAG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 26. September 1990 in der Rechtssache T-122/89 (F./Kommission, Slg. 1990, II-517) eingelegt, mit dem das Gericht erster Instanz die Entscheidung der Kommission vom 15. Juli 1988 insoweit aufgehoben hat, als darin der Grad seiner dauernden Dienstunfähigkeit auf nur 50 % festgesetzt wurde, und seinen Antrag auf Schadensersatz zurückgewiesen hat.

2 Mit seinem Rechtsmittel, das auf Aufhebung des genannten Urteils des Gerichts gerichtet ist, soweit darin das Vorbringen, die Kommission habe Artikel 78 des Beamtenstatuts verletzt, als verspätet und deshalb unzulässig verworfen und sein Antrag auf Schadensersatz zurückgewiesen worden ist, ersucht der Rechtsmittelführer den Gerichtshof, festzustellen, daß er einen Anspruch auf ein Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit nach dieser Vorschrift und auf Ersatz des erlittenen Schadens hat, den er auf 24 Monatsbezuege eines Beamten der Besoldungsgruppe A 5/6 und hilfsweise auf einen nach Billigkeit festgesetzten Betrag veranschlagt.

3 Der Rechtsmittelführer stützt das Rechtsmittel auf zwei Gründe und trägt vor, die Ausführungen im Urteil zur Unzulässigkeit des Klagegrunds der Verletzung von Artikel 78 des Statuts und zur Zurückweisung seines Antrags auf Schadensersatz seien nicht stichhaltig.

4 Die Kommission hat in ihrer Rechtsmittelbeantwortung ein Rechtsmittel gegen dasselbe Urteil des Gerichts eingelegt. Die Anträge in der Rechtsmittelbeantwortung haben gemäß Artikel 116 § 1 zweiter Gedankenstrich der Verfahrensordnung die Aufrechterhaltung der von der Kommission im ersten Rechtszug gestellten Anträge zum Gegenstand. Die Kommission beantragt die Aufhebung dieses Urteils insoweit, als es ihre Entscheidung vom 15. Juli 1988 aufgehoben hat, soweit darin der Grad der Dienstunfähigkeit des Rechtsmittelführers nur auf 50 % festgesetzt wurde.

5 Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

6 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß nach Artikel 168a EWG-Vertrag und den entsprechenden Bestimmungen des EGKS-Vertrags und des EAG-Vertrags das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt ist. Diese Beschränkung ist auch in Artikel 51 Absatz 1 der EWG-Satzung und den entsprechenden Bestimmungen der EGKS- und der EAG-Satzung des Gerichtshofes enthalten, die die Gründe angeben, auf die ein Rechtsmittel gestützt werden kann, nämlich Unzuständigkeit des Gerichts, Verfahrensfehler, durch die die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigt werden, und Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch das Gericht.

7 Weiterhin ist daran zu erinnern, daß das Rechtsmittel nur auf Gründe gestützt werden kann, die sich auf die Verletzung von Rechtsvorschriften beziehen und jede Tatsachenwürdigung ausschließen, und daher nur zulässig ist, soweit dem Gericht vorgeworfen wird, unter Verletzung von Rechtsvorschriften entschieden zu haben, die es zu beachten hatte (Urteil vom 1. Oktober 1991 in der Rechtssache C-283/90 P, Vidrányi/Kommission, Slg. 1991, I-4339, Randnrn. 12 und 13).

Zum Rechtsmittel des Rechtsmittelführers

Zum ersten Rechtsmittelgrund

8 Das Gericht hat in Randnummer 22 des vorgenannten Urteils vom 26. September 1990 festgestellt, daß die Kommission den Kläger mit Schreiben vom 11. Juni 1985 von ihrer Entscheidung über die Beendigung des Invaliditätsverfahrens gemäß Artikel 78 des Statuts unterrichtet habe, was eine Ablehnung seines auf diesen Artikel gestützten Antrags dargestellt habe. Es hat weiterhin festgestellt, daß die Entscheidung vom 15. Juli 1988 im Rahmen des Verfahrens zur Anwendung des Artikels 73 des Statuts erlassen worden sei. Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, daß die für die Anfechtung der Entscheidung vom 11. Juni 1985 in den Artikeln 90 und 91 des Statuts vorgesehenen Fristen bei Klageerhebung abgelaufen gewesen seien.

9 Der Rechtsmittelführer macht geltend, entgegen den Ausführungen des Gerichts in Randnummer 23 seines Urteils habe das Schreiben vom 11. Juni 1985, mit dem der Generaldirektor ihm mitgeteilt habe, daß das Invaliditätsverfahren gegenstandslos geworden sei, keine Ablehnung seines Antrags auf Gewährung eines Ruhegehalts wegen Dienstunfähigkeit dargestellt. Er fügt hinzu, sein Schreiben vom 26. Juni 1985 an denselben Generaldirektor sei deshalb nicht als Beschwerde gemäß Artikel 90 des Statuts, sondern lediglich als eine Klarstellung anzusehen. Der Rechtsmittelführer weist abschließend darauf hin, daß die erste eindeutige Ablehnung seines Antrags auf Gewährung eines Ruhegehalts wegen Dienstunfähigkeit die Entscheidung vom 15. Juli 1988 gewesen sei.

10 Soweit der Rechtsmittelführer mit diesem Rechtsmittelgrund die Tatsachenfeststellungen des Gerichts, die sich aus der Beurteilung der vorgenannten Schreiben durch das Gericht ergeben, zu bestreiten sucht, ist zu bemerken, daß dieses Vorbringen nicht Gegenstand eines Rechtsmittels sein kann.

11 Dieser Rechtsmittelgrund ist somit als unzulässig zurückzuweisen, ohne daß es erforderlich wäre, noch die anderen Argumente zu prüfen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

12 Das Gericht hat in Randnummer 34 des angefochtenen Urteils ausgeführt, daß die Aufhebung der Entscheidung der Kommission und die nachfolgende Festsetzung des in ursächlichem Zusammenhang mit der Berufstätigkeit stehenden Grades der dauernden Dienstunfähigkeit des Rechtsmittelführers zur Durchführung dieses Urteils durch die Kommission es ermöglichten, ihn wieder in seine Rechte einzusetzen.

13 Gegen diese Ausführungen wendet sich der Rechtsmittelführer im Rahmen seines zweiten Rechtsmittelgrunds. Er wiederholt im wesentlichen die Argumente, die er dazu im Verfahren vor dem Gericht vorgebracht hatte. Die Entscheidung vom 15. Juli 1988 und die lange Dauer des vorhergehenden Verfahrens hätten zur Verschlechterung seines Gesundheitszustands geführt und seine Aussichten auf Wiedereingliederung verringert. Auch habe er aufgrund dieser ungerechten Entscheidung Gerichtskosten tragen müssen. Jedenfalls verschaffe ihm die Aufhebung dieser Entscheidung keinen Ausgleich für die Kränkungen, die er erlitten habe, um die Anerkennung seines Rechts zu erreichen.

14 Es ist festzustellen, daß der Rechtsmittelführer im Rahmen dieses Rechtsmittelgrunds keinen Gesichtspunkt geltend macht, der in einem Rechtsmittelverfahren vorgebracht werden kann. Er beschränkt sich nämlich - ohne die Verletzung einer Rechtsvorschrift geltend zu machen - darauf, die Beurteilung der Tatsachen durch das Gericht (Randnr. 16 des angefochtenen Urteils) zu beanstanden, indem er geltend macht, daß er tatsächlich einen Schaden erlitten habe, der ersetzt werden müsse.

15 Unter diesen Umständen ist auch der zweite Rechtsmittelgrund des Rechtsmittelführers als unzulässig zurückzuweisen.

Zum Rechtsmittel der Anschlußrechtsmittelführerin

16 Das Gericht führt (in Randnr. 15 des angefochtenen Urteils) aus, daß der Ärzteausschuß sich darauf beschränkt habe, die medizinischen Konsequenzen aus seinen Feststellungen über die Ursache der Krankheit des Rechtsmittelführers zu ziehen, ohne rechtliche Wertungen vorzunehmen.

17 Dazu macht die Kommission geltend, wenn man davon ausgehe, daß die 18 % nicht von der dem Rechtsmittelführer bewilligten Entschädigung hätten ausgeschlossen werden dürfen, habe der Ärzteausschuß seine Befugnisse überschritten, die sich darauf beschränkten, ausschließlich medizinische Beurteilungen abzugeben. Allein die Verwaltung habe die rechtlichen Konsequenzen aus den ärztlichen Feststellungen zu ziehen und insbesondere zu beurteilen, ob die Dienstunfähigkeit auf einem Verhalten beruhe, das gegen die sich aus dem Statut ergebenden Verpflichtungen des Beamten verstosse.

18 Dieser Rechtsmittelgrund der Anschlußrechtsmittelführerin richtet sich lediglich gegen die vom Gericht vorgenommene Beurteilung, daß die Feststellung des Ärzteausschusses medizinischen Charakter gehabt habe. Er ist deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

19 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung hat die unterliegende Partei die Kosten zu tragen. Nach Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen die Organe in Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten ihre Kosten selbst. Nach Artikel 122 der Verfahrensordnung findet Artikel 70 jedoch bei Rechtsmitteln, die von Beamten oder sonstigen Bediensteten der Organe eingelegt werden, keine Anwendung.

20 Nach Artikel 69 § 3 Absatz 1 und Artikel 122 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof indessen die Kosten ganz oder teilweise gegeneinander aufheben, wenn jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt oder wenn ein aussergewöhnlicher Grund gegeben ist oder sofern dies aus Gründen der Billigkeit geboten ist. Da die Parteien mit ihren Rechtsmitteln unterlegen sind, ist somit zu entscheiden, daß die Parteien und die Streithelferin ihre eigenen Kosten zu tragen haben.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

2) Die Parteien und die Streithelferin tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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