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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.06.1999
Aktenzeichen: C-346/97
Rechtsgebiete: Richtlinie 92/81/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 92/81/EWG Art. 8 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 92/81 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle steht der Erhebung einer Umweltschutzabgabe entgegen, die auf den gewerblichen Inlandsflugverkehr erhoben und nach Angaben über den Kraftstoffverbrauch sowie die Kohlenwasserstoff- und Stickstoffmonoxidemissionen der betreffenden Flugzeugtypen auf einer durchschnittlichen Flugstrecke berechnet wird. Eine solche nationale Abgabe, die auf den Verbrauch von Kraftstoff selbst erhoben wird, da ein unmittelbarer, untrennbarer Zusammenhang zwischen dem Kraftstoffverbrauch und den Schadstoffen, die bei diesem Verbrauch ausgestossen werden, besteht, ist mit der durch die Richtlinie 92/12 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren und die Richtlinie 92/81 eingeführten Regelung der harmonisierten Verbrauchsteuer unvereinbar. Würde man nämlich den Mitgliedstaaten erlauben, auf Waren, die, wie hier, nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/81 von der harmonisierten Verbrauchsteuer zu befreien sind, eine andere indirekte Abgabe zu erheben, so würde dieser Bestimmung jede praktische Wirksamkeit genommen.

2 Die in Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/81 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle vorgesehene Verpflichtung, Mineralöllieferungen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt von der harmonisierten Verbrauchsteuer zu befreien, ist so klar, genau und unbedingt, daß sich der einzelne auf sie berufen kann, um sich einer mit dieser Verpflichtung unvereinbaren nationalen Regelung zu widersetzen.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 10. Juni 1999. - Braathens Sverige AB gegen Riksskatteverket. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Länsrätten i Dalarnas län - Schweden. - Richtlinie 92/81/EWG - Harmonisiering der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle - Mineralöllieferungen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt - Befreiung der harmonisierten Verbrauchsteuer. - Rechtssache C-346/97.

Entscheidungsgründe:

1 Der Länsrätt i Dalarnas län hat mit Beschluß vom 3. September 1997, bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen am 6. Oktober 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) drei Fragen nach der Auslegung von Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 92/81/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle (ABl. L 316, S. 12) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Braathens Sverige AB (ehemals Transwede Airways AB; im folgenden: Klägerin) und der schwedischen Steuerverwaltung über die Zahlung einer nationalen Umweltschutzabgabe, mit der die inländische gewerbliche Luftfahrt belegt wird, für den Zeitraum Januar 1995 bis Juni 1996.

Gemeinschaftsregelung

3 Artikel 1 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. L 76, S. 1) lautet:

"(1) Diese Richtlinie regelt die Verbrauchsteuern und die anderen indirekten Steuern, die unmittelbar oder mittelbar auf den Verbrauch von Waren erhoben werden, mit Ausnahme der Mehrwertsteuer und der von der Gemeinschaft festgelegten Abgaben.

(2) Die besonderen Vorschriften über die Sätze und die Struktur der Verbrauchsteuern auf steuerpflichtige Waren werden in besonderen Richtlinien niedergelegt."

4 Artikel 3 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 92/12 bestimmt:

"(1) Diese Richtlinie findet auf Gemeinschaftsebene Anwendung auf die folgenden in den einschlägigen Richtlinien definierten Waren:

- Mineralöle,

- Alkohol und alkoholische Getränke,

- Tabakwaren.

(2) Auf die in Absatz 1 genannten Waren können andere indirekte Steuern mit besonderer Zielsetzung erhoben werden, sofern diese Steuern die Besteuerungsgrundsätze der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer in bezug auf die Besteuerungsgrundlage sowie die Berechnung, die Steuerentstehung und die steuerliche Überwachung beachten."

5 Nach Artikel 1 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 92/81 erheben die Mitgliedstaaten nach Maßgabe dieser Richtlinie eine harmonisierte Verbrauchsteuer auf Mineralöle und setzen ihre Steuersätze nach Maßgabe der Richtlinie 92/82/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuersätze für Mineralöle (ABl. L 316, S. 19) fest.

6 Hinsichtlich der Mineralöle, für die in der Richtlinie 92/82 keine Steuersätze festgelegt sind, bestimmt Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 92/81, daß sie "der Verbrauchsteuer [unterliegen], falls sie zum Verbrauch als Heiz- oder Kraftstoff bestimmt sind oder als solcher zum Verkauf angeboten bzw. verwendet werden. Der jeweilige Steuersatz wird entsprechend dem Verwendungszweck in Höhe des Satzes für einen gleichwertigen Heiz- oder Kraftstoff festgesetzt."

7 Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 92/81 bestimmt:

"(1) Über die allgemeinen Vorschriften über die steuerbefreite Verwendung verbrauchsteuerpflichtiger Erzeugnisse gemäß der Richtlinie 92/12/EWG hinaus und unbeschadet anderer Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Voraussetzungen, die sie zur Sicherstellung der korrekten und einfachen Anwendung solcher Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und -vermeidung oder Mißbrauch festlegen, die nachstehenden Erzeugnisse von der harmonisierten Verbrauchsteuer:

...

b) Mineralöllieferungen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt.

Im Sinne dieser Richtlinie ist unter der "privaten nichtgewerblichen Luftfahrt" zu verstehen, daß das Luftfahrzeug von seinem Eigentümer oder der durch Anmietung oder aus sonstigen Gründen nutzungsberechtigten natürlichen oder juristischen Person für andere als kommerzielle Zwecke und insbesondere nicht für die entgeltliche Beförderung von Passagieren oder Waren oder für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen oder für behördliche Zwecke genutzt wird.

Die Mitgliedstaaten können diese Steuerbefreiung auf Lieferungen von Flugturbinenkraftstoff (KN-Code 2710 00 51) beschränken;

..."

Nationale Regelung

8 Nach dem Vorlagebeschluß sah der Lag (1988:1567) om miljöskatt paa inrikes flygtrafik (Gesetz über die Umweltsteuer auf den Inlandsflugverkehr; im folgenden: Gesetz von 1988) bis zum 1. Januar 1997 die Zahlung einer nach Maßgabe des Kraftstoffverbrauchs und der Kohlenwasserstoff- und Stickstoffmonoxidemissionen berechneten Umweltschutzabgabe auf den Inlandsflugverkehr an den Staat vor.

9 Für 1995 und 1996 wurde diese Steuer gemäß § 6 Absatz 1 des Gesetzes von 1988 in dessen Fassung, wie sie auf das Ausgangsverfahren anwendbar war, anhand der Angaben des Luftfartsverk (nationale Zivilluftfahrtverwaltung) über den Kraftstoffverbrauch sowie die Kohlenwasserstoff- und Stickstoffmonoxidemissionen der betreffenden Flugzeugtypen auf einer durchschnittlichen Flugstrecke berechnet. Nach § 6 Absatz 2 des Gesetzes von 1988 war die Steuer für jeden Flug in Höhe von 1 SKR je Kilogramm verbrauchtem Flugzeugkraftstoff und von 12 SKR je Kilogramm ausgestossenen Kohlenwasserstoff- und Stickstoffmonoxiden zu erheben. Beim Fehlen zuverlässiger Daten über die Kohlenwasserstoff- und Stickstoffmonoxidemissionen nach § 6 Absatz 1 des Gesetzes von 1988 war die Abgabe nach Maßgabe des höchstzulässigen Startgewichts des Flugzeugs zu berechnen.

10 Das Gesetz von 1988 wurde durch den Lag (1996:1407) mit Wirkung vom 1. Januar 1997 aufgehoben. Seither sind Flugbenzin und Kerosin nach dem Lag (1994:1776) om skatt paa energi (Energiesteuergesetz) von Abgaben auf Energie und auf Kohlendioxid befreit.

Ausgangsverfahren

11 Der Skattemyndighet i Kopparbergs län (Finanzamt für die Provinz Kopparberg; mit Wirkung vom 1. Januar 1997 umbenannt in Skattemyndighet i Dalarnas län; im folgenden: Steuerbehörden) verlangte von der Klägerin aufgrund verschiedener Steuerbescheide die Zahlung der Abgabe nach § 6 des Gesetzes von 1988 in seiner geänderten Fassung für den Zeitraum Januar 1995 bis Juni 1996. Nachdem die Klägerin gegen die Steuerbescheide Einspruch eingelegt hatte, wurden diese durch Bescheid der Steuerbehörden vom 15. August 1996 bestätigt. Daraufhin erhob die Klägerin Klage beim Länsrätt i Dalarnas län.

12 Durch Entscheidungen des vorlegenden Gerichts und der Steuerbehörden jeweils für unterschiedliche Zeiträume wurde der Klägerin wegen des ungewissen Ausgangs des Ausgangsverfahrens für die Zahlung der Abgabe Aufschub gewährt. Aufgrund einer Entscheidung vom 12. Juni 1997 trat das Rikßkatteverk (nationale Steuerverwaltung; im folgenden: Beklagter) im Rahmen des Ausgangsverfahrens an die Stelle des Skattemyndighet i Dalarnas län.

Vorlagefragen

13 Vor dem vorlegenden Gericht vertraten die Parteien des Ausgangsverfahrens voneinander abweichende Standpunkte zur Frage, ob die streitige Abgabe zum Geltungsbereich der Richtlinie 92/81 gehört, ob diese unmittelbare Wirkung hat und ob es möglich ist, die Abgabe in einen gemeinschaftsrechtskonformen und einen gemeinschaftsrechtswidrigen Teil aufzuspalten. Das vorlegende Gericht, das hinsichtlich einer Beantwortung dieser Fragen Zweifel hegt, hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Verstossen die - nach dem Lag (1988:1567) om miljöskatt paa inrikes flygtrafik getroffenen - steuerlichen Maßnahmen, die Gegenstand des Rechtsstreits sind, gegen die Richtlinie 92/81/EWG des Rates (Mineralölrichtlinie), deren Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b vorschreibt, daß die Mitgliedstaaten Mineralöllieferungen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt von der harmonisierten Verbrauchsteuer befreien?

2. Im Falle der Bejahung der ersten Frage: Ist Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Mineralölrichtlinie unmittelbare Wirkung zuzuerkennen, so daß sich der einzelne gegenüber einer staatlichen Behörde auf ihn vor einem nationalen Gericht berufen kann?

3. Können, wenn die Mineralölrichtlinie im vorliegenden Fall Anwendung findet, die streitigen steuerlichen Maßnahmen im Hinblick darauf, daß die schwedische Umweltsteuer teils aufgrund des Kraftstoffverbrauchs, teils aufgrund der Kohlenwasserstoff- und Stickstoffmonoxidemissionen berechnet wird, in einen EG-konformen und in einen nicht EG-konformen Teil unterteilt werden?

Zur ersten und zur dritten Vorlagefrage

14 Nach ständiger Rechtsprechung kann der Gerichtshof im Verfahren nach Artikel 177 des Vertrages zwar nicht über die Vereinbarkeit der nationalen Vorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht entscheiden. Er ist jedoch befugt, dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die es diesem ermöglichen, bei der Entscheidung über das bei ihm anhängige Verfahren die Frage der Vereinbarkeit zu beurteilen (vgl. u. a. Urteil vom 15. Juli 1964 in der Rechtssache 6/64, Costa, Slg. 1964, 1253, 1268).

15 Demgemäß sind die erste und die dritte Frage so zu verstehen, daß das nationale Gericht im wesentlichen wissen möchte, ob Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 92/81 der Erhebung einer Abgabe wie derjenigen entgegensteht, die auf den gewerblichen Inlandsflugverkehr in Schweden erhoben und nach Angaben über den Kraftstoffverbrauch sowie die Kohlenwasserstoff- und Stickstoffmonoxidemissionen der betreffenden Flugzeugtypen auf einer durchschnittlichen Flugstrecke berechnet wird.

16 Der Beklagte trägt vor, die Besteuerung, um die es im Ausgangsverfahren geht, stelle tatsächlich eine Abgabe zum Schutz der Umwelt dar, die im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin und der Kommission nicht unmittelbar auf den Kraftstoffverbrauch, sondern auf die Emissionen erhoben werde, die der durch Kohlendioxid und Kohlenwasserstoffe aus dem gewerblichen inländischen Flugverkehr verursachten Verschmutzung entsprächen, so daß die Richtlinien 92/12 und 92/81 nicht einschlägig seien.

17 Dazu führt der Beklagte aus, nach den Materialien zum Gesetz von 1988 sei es Ziel des Gesetzgebers gewesen, die durch den Luftverkehr verursachte Verschmutzung zu begrenzen, den Teil der gesamtwirtschaftlichen Kosten des Flugverkehrs auszugleichen, der den Abgasemissionen dieses Verkehrs zuzurechnen sei, und einen Anreiz zur Entwicklung umweltfreundlicherer Flugzeugmotoren zu bieten.

18 Die befriedigendste Methode zur Feststellung dieser Verschmutzung habe darin bestanden, die Menge der vom Flugzeug ausgestossenen Schadstoffe zu ermitteln, wobei entweder der Kraftstoffverbrauch in Litern oder der Umfang der Schadstoffemissionen gemessen werden könne.

19 Bei der Ermittlung der auf die Kohlenwasserstoff- und Stickstoffmonoxidemissionen zurückgehenden Verschmutzung, auf die ein Teil der im Ausgangsverfahren fraglichen Abgabe erhoben werde, werde der Kraftstoffverbrauch nicht berücksichtigt. Diese Berechnung erfolge vielmehr auf der Grundlage von Angaben der Zivilluftfahrtverwaltung über diese Emissionen, die nach Flugzeugtypen auf einer durchschnittlichen Flugstrecke aufgegliedert seien, was die Ermittlung einer durchschnittlichen Verschmutzung ermögliche.

20 Was den Teil der streitigen Abgabe angehe, der die Kohlendioxidemissionen betreffe, die das Ergebnis der Verbrennung des Kraftstoffs aus dem Flugzeugtank sei, so sei die genaueste Berechnungsmethode, die auch gewählt worden sei, diejenige, bei der die Informationen über den Kraftstoffverbrauch zugrunde gelegt würden. Tatsächlich handele es sich um eine pauschale Berechnung der von einem Flugzeug auf einer typischen Flugstrecke durchschnittlich verbrauchten Menge, so daß diese Abgabe für jeden Flug und nicht auf den tatsächlichen Kerosinverbrauch erhoben werde, was beweise, daß es sich nicht um eine Steuer auf den Kraftstoffverbrauch handele.

21 Da die Abgabe, um die es im Ausgangsverfahren gehe, keine Steuer auf den Kraftstoffverbrauch darstelle, sondern eine Umweltabgabe auf Schadstoffemissionen, die auf den gewerblichen Inlandsflugverkehr zurückgingen, seien die Richtlinien 92/12 und 92/81 nicht anwendbar. Hilfsweise macht der Beklagte geltend, jedenfalls stehe der Teil dieser Abgabe, der sich auf Kohlenwasserstoff- und Stickstoffmonoxidemissionen beziehe, mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang, da der Kraftstoffverbrauch und diese Emissionen nicht unmittelbar in Beziehung zueinander gesetzt würden.

22 Es ist festzustellen, daß die im Ausgangsverfahren beanstandete Abgabe anhand von Angaben der nationalen Zivilluftfahrtverwaltung über den Kraftstoffverbrauch und die Kohlenwasserstoff- und Stickstoffmonoxidemissionen des betreffenden Flugzeugtyps auf einer durchschnittlichen Flugstrecke berechnet wird.

23 Nach ihrem Artikel 1 Absatz 1 betrifft die Richtlinie 92/12 die Verbrauchsteuern und die anderen indirekten Steuern, die - und sei es auch nur mittelbar - auf den Verbrauch von Waren erhoben werden. Ausserdem besteht, wie die Klägerin und die Kommission zu Recht ausgeführt haben, ein unmittelbarer, untrennbarer Zusammenhang zwischen dem Kraftstoffverbrauch und den im Gesetz von 1988 genannten Schadstoffen, die bei diesem Verbrauch ausgestossen werden, so daß die streitige Abgabe sowohl hinsichtlich des nach Maßgabe der Kohlenwasserstoff- und Stickstoffmonoxidemissionen berechneten Teils als auch hinsichtlich des nach dem Kraftstoffverbrauch bestimmten Teils, der die Kohlendioxidemissionen betrifft, für die Zwecke der Anwendung der Richtlinien 92/12 und 92/81 als auf den Verbrauch von Kraftstoff selbst erhoben anzusehen ist.

24 Insoweit ergibt sich aus Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/81, daß eine Abgabe wie die im Ausgangsverfahren fragliche mit der durch die genannten Richtlinien eingeführten Regelung der harmonisierten Verbrauchsteuer unvereinbar ist. Würde man nämlich den Mitgliedstaaten erlauben, auf Waren, die, wie hier, nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/81 von der harmonisierten Verbrauchsteuer zu befreien sind, eine andere indirekte Abgabe zu erheben, so würde dieser Bestimmung jede praktische Wirksamkeit genommen.

25 Ein Mitgliedstaat, der eine solche Abgabe eingeführt hat, kann sich daher nicht auf die Ermächtigung in Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12 berufen, für der harmonisierten Verbrauchsteuer unterliegende Waren inländische Steuern mit besonderer Zielsetzung beizubehalten oder einzuführen.

26 Demgemäß ist auf die erste und die dritte Frage zu antworten, daß Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 92/81 der Erhebung einer Abgabe wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die auf den gewerblichen Inlandsflugverkehr erhoben und nach Angaben über den Kraftstoffverbrauch sowie die Kohlenwasserstoff- und Stickstoffmonoxidemissionen der betreffenden Flugzeugtypen auf einer durchschnittlichen Flugstrecke berechnet wird.

Zur zweiten Vorlagefrage

27 Nach Ansicht des Beklagten erzeugt die Richtlinie 92/81 keine unmittelbaren Wirkungen. Zum einen bezwecke diese Richtlinie nämlich die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten und begründe somit keine Rechte für den einzelnen; zum anderen fehle es ihr an Bestimmtheit und Klarheit, und ihre Anwendung erfordere den Erlaß ergänzender Verfahrensvorschriften.

28 Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen.

29 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes kann sich der einzelne in Ermangelung von fristgemäß erlassenen Umsetzungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen innerstaatlichen, nicht richtlinienkonformen Vorschriften berufen; er kann sich auf diese Bestimmungen auch berufen, soweit sie Rechte festlegen, die dem Staat gegenüber geltend gemacht werden können (vgl. hierzu Artikel 13 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage [ABl. L 145, S. 1] und Urteil vom 19. Januar 1982 in der Rechtssache 8/81, Becker, Slg. 1982, 53, Randnr. 25).

30 Zwar belässt die Richtlinie 92/81 den Mitgliedstaaten einen mehr oder weniger weiten Gestaltungsspielraum zur Durchführung einiger ihrer Bestimmungen; gleichwohl kann dem einzelnen nicht verwehrt werden, sich auf diejenigen Bestimmungen zu berufen, die nach ihrem Gegenstand geeignet sind, aus dem Gesamtzusammenhang gelöst und gesondert angewendet zu werden (vgl. entsprechend Urteil Becker, Randnr. 29).

31 Dies ist hier der Fall. Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/81 erlegt den Mitgliedstaaten nämlich zum einen eine klare und genaue Verpflichtung auf, Kraftstoff, der für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt verwendet wird, nicht der harmonisierten Verbrauchsteuer zu unterwerfen. Zum anderen kann der den Mitgliedstaaten in Artikel 8 Absatz 1 erster Satzteil eingeräumte Gestaltungsspielraum, wonach die Befreiungen von den Mitgliedstaaten "unter den Voraussetzungen [gewährt werden], die sie zur Sicherstellung der korrekten und einfachen Anwendung solcher Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und -vermeidung oder Mißbrauch festlegen", nicht die Unbedingtheit der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiungsverpflichtung in Frage stellen (vgl. entsprechend Urteil Becker, Randnrn. 32 bis 35).

32 Daher ist die Verpflichtung, Kraftstoff, der für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt verwendet wird, von der harmonisierten Verbrauchsteuer zu befreien, so klar, genau und unbedingt, daß sie dem einzelnen das Recht verleiht, sich vor den nationalen Gerichten auf sie zu berufen, um sich einer mit ihr unvereinbaren nationalen Regelung zu widersetzen.

33 Demgemäß ist auf die zweite Frage zu antworten, daß sich der einzelne vor den nationalen Gerichten auf die in Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/81 vorgesehene Verpflichtung, Mineralöllieferungen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt von der harmonisierten Verbrauchsteuer zu befreien, berufen kann, um sich einer mit dieser Verpflichtung unvereinbaren nationalen Regelung zu widersetzen.

Kostenentscheidung:

Kosten

34 Die Auslagen der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Länsrätt i Dalarnas län mit Beschluß vom 3. September 1997 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 92/81/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle steht der Erhebung einer Abgabe wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, die auf den gewerblichen Inlandsflugverkehr erhoben und nach Angaben über den Kraftstoffverbrauch sowie die Kohlenwasserstoff- und Stickstoffmonoxidemissionen der betreffenden Flugzeugtypen auf einer durchschnittlichen Flugstrecke berechnet wird.

2. Der einzelne kann sich vor den nationalen Gerichten auf die in Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/81 vorgesehene Verpflichtung, Mineralöllieferungen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt von der harmonisierten Verbrauchsteuer zu befreien, berufen, um sich einer mit dieser Verpflichtung unvereinbaren nationalen Regelung zu widersetzen.

Ende der Entscheidung

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