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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 16.04.1991
Aktenzeichen: C-347/89
Rechtsgebiete: EWGV, Richtlinie 65/65, Richtlinie 75/319, AMG


Vorschriften:

EWGV Art. 30
EWGV Art. 36
EWGV Art. 177
Richtlinie 65/65
Richtlinie 75/319 Art. 16 Abs. 3
AMG § 73 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag stehen einer nationalen Regelung entgegen, die die Einfuhr von Arzneispezialitäten, die im Ausfuhrmitgliedstaat rechtmässig in den Verkehr gebracht wurden und deren Inverkehrbringen im Einfuhrmitgliedstaat zulassungspflichtig ist, allein deshalb verbietet, weil diese Spezialitäten nicht mit einer den gesetzlichen Vorschriften des Einfuhrstaats entsprechenden Verpackung und Packungsbeilage versehen sind, obwohl der Importeur sie umpacken will, um sie im Hinblick auf ihren Absatz auf dem Markt des Einfuhrstaats gerade mit diesen Vorschriften in Einklang zu bringen, und obwohl er über die hierfür notwendige Herstellungserlaubnis verfügt.

Eine solche Maßnahme ist nämlich für einen wirksamen Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen nicht notwendig, da sich die Behörden aufgrund der Herstellungserlaubnis und der Zulassung für das Inverkehrbringen, die nach den Bestimmungen der Richtlinien 75/319 und 65/65 erteilt werden und die beiden einzigen Erfordernisse der gemeinschaftsrechtlichen Regelung sind, Gewißheit darüber verschaffen können, daß zum einen die von einem Parallelimporteur eingeführten Arzneispezialitäten in ihrer Zusammensetzung mit denjenigen übereinstimmen, die im nationalen Hoheitsgebiet bereits zum Handel zugelassen worden sind, und zum anderen die nationalen Vorschriften über die Verpackung dieser Erzeugnisse eingehalten sind, wobei der über eine Herstellungserlaubnis verfügende Importeur dafür verantwortlich ist, daß die gesetzlichen Vorschriften über das Inverkehrbringen des importierten Erzeugnisses befolgt werden.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (DRITTE KAMMER) VOM 16. APRIL 1991. - FREISTAAT BAYERN GEGEN EURIM-PHARM GMBH. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: BUNDESVERWALTUNGSGERICHT - DEUTSCHLAND. - AUSLEGUNG DER ARTIKEL 30 UND 36 EWG-VERTRAG - EINFUHR VON ARZNEIMITTELN. - RECHTSSACHE C-347/89.

Entscheidungsgründe:

1 Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluß vom 3. August 1989, beim Gerichtshof eingegangen am 10. November 1989, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Freistaat Bayern und der Eurim-Pharm GmbH wegen Arzneimitteln, die diese GmbH in anderen Mitgliedstaaten kauft und in die Bundesrepublik Deutschland einführt.

3 Die Eurim-Pharm GmbH führt Arzneispezialitäten in die Bundesrepublik Deutschland ein, die in anderen Mitgliedstaaten ordnungsgemäß in den Verkehr gebracht worden sind und deren Aufmachung den gesetzlichen Erfordernissen des Staates, in dem sie gekauft werden, entsprechen. Sie macht diese Arzneispezialitäten sodann neu auf, um sie mit einer den Vorschriften des deutschen Arzneimittelgesetzes (AMG) vom 24. August 1976 (BGBl. 1976 I, S. 2445) entsprechenden Verpackung und Packungsbeilage zu versehen.

4 Die Zollverwaltung verlangte von der Eurim-Pharm GmbH für diese Einfuhren die Vorlage der in § 73 AMG vorgesehenen Einfuhrbescheinigung.

5 § 73 Absatz 1 AMG bestimmt:

"Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung oder zur Registrierung unterliegen, dürfen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes, ausgenommen in andere Zollfreigebiete als die Insel Helgoland, nur verbracht werden, wenn sie zum Verkehr im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassen oder registriert oder von der Zulassung oder der Registrierung freigestellt sind und

1) der Empfänger in dem Fall des Verbringens aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften pharmazeutischer Unternehmer, Großhändler oder Tierarzt ist oder eine Apotheke betreibt...

(...)".

6 Um die Kontrolle, daß die eingeführten Arzneimittel diesen Erfordernissen entsprechen, zu ermöglichen, sieht § 73 Absatz 6 AMG folgendes vor:

"Für die zollamtliche Abfertigung zum freien Verkehr ist im Falle des Absatzes 1 die Vorlage einer Bescheinigung der für den Empfänger zuständigen Behörde erforderlich, in der die Arzneimittel nach Art und Menge bezeichnet sind und bestätigt wird, daß die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfuellt sind. Die Zolldienststelle übersendet auf Kosten des Zollbeteiligten die Bescheinigung der Behörde, die diese Bescheinigung ausgestellt hat."

7 Die Eurim-Pharm GmbH machte geltend, sie bedürfe dieser Bescheinigung nicht. Eine Zulassung zum Verkehr sei nur für Fertigarzneimittel im Sinne von § 4 Absatz 1 AMG erforderlich. Die von ihr eingeführten Arzneimittel könnten jedoch nicht als Fertigarzneimittel qualifiziert werden, da sie nicht mit einer den Erfordernissen des AMG entsprechenden Verpackung und Packungsbeilage versehen seien, weshalb sie nicht als solche im Geltungsbereich dieses Gesetzes in den Handel gebracht werden dürften.

8 Das Verwaltungsgericht München und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gaben der Eurim-Pharm GmbH recht. Der Freistaat Bayern legte jedoch Revision beim Bundesverwaltungsgericht ein.

9 Das Bundesverwaltungsgericht war der Auffassung, die von der Eurim-Pharm GmbH eingeführten Arzneimittel seien als gemäß § 73 AMG zulassungspflichtige Fertigarzneimittel anzusehen. Die Ausstellung der in § 73 Absatz 6 AMG vorgesehenen Bescheinigung scheitere jedoch daran, daß sie nur mit einer den gesetzlichen Vorschriften des Ausfuhrmitgliedstaats entsprechenden Verpackung und Packungsbeilage versehen seien und deshalb nicht ordnungsgemäß in den Geltungsbereich des AMG verbracht und dort vermarktet werden könnten.

10 Tatsächlich dürfen Arzneimittel, deren Inverkehrbringen nach dem AMG zulassungspflichtig ist, nur eingeführt werden, wenn sie - nach der Auslegung des AMG durch das Bundesverwaltungsgericht - in allen Punkten den Erfordernissen der von den zuständigen Behörden erteilten Zulassung entsprechen. Diese kann nur gewährt werden, wenn die Arzneimittelpackung gemäß § 10 AMG bestimmte Angaben in deutscher Sprache enthält und der Packung eine ebenfalls in deutscher Sprache abgefasste Packungsbeilage gemäß § 11 AMG beigefügt ist.

11 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, die §§ 10, 11 und 25 in Verbindung mit § 73 AMG machten es einem pharmazeutischen Unternehmer somit absolut unmöglich, aus anderen Mitgliedstaaten Arzneispezialitäten, die in diesen Staaten ordnungsgemäß in den Verkehr gebracht worden seien, zu importieren, um sie neu zu verpacken und dann auf dem deutschen Markt zu verkaufen. Das Bundesverwaltungsgericht hält die Vereinbarkeit dieses Einfuhrverbots mit den Artikeln 30 und 36 EWG-Vertrag für fraglich.

12 Es hat deshalb dem Gerichtshof folgende Frage vorgelegt:

Stehen die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag einer Regelung entgegen, die es dem Unternehmer eines Mitgliedstaats unmöglich macht, aus einem anderen Mitgliedstaat Fertigarzneimittel mit der Zweckbestimmung zu importieren, diese Arzneimittel entsprechend einer inländischen Herstellungserlaubnis im Inland nach den inländischen Bestimmungen zu kennzeichnen und mit einer Packungsbeilage zu versehen?

13 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

14 Der Freistaat Bayern trägt vor, das AMG stehe der Einfuhr von Arzneispezialitäten nicht allein deshalb entgegen, weil deren Aufmachung nicht den Erfordernissen der §§ 10 und 11 AMG entspreche. Wenn im Geltungsbereich des Gesetzes für das Arzneimittel selbst eine Zulassung für das Inverkehrbringen gemäß § 21 AMG erteilt worden sei, dürfe ein Parallelimporteur es einführen, um es mit einer den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden Verpackung und Packungsbeilage zu versehen und sodann in den Handel zu bringen.

15 Dieser Auffassung kann angesichts der Auslegung des AMG durch das Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt werden.

16 Das Bundesverwaltungsgericht hat nämlich wie vorstehend bereits dargelegt entschieden, daß es sich bei Arzneimitteln, die nicht mit einer den Vorschriften des AMG entsprechenden Verpackung und Packungsbeilage versehen seien, gleichwohl um gemäß § 73 AMG zulassungspflichtige "Fertigarzneimittel" handele und daß im Falle dieser Arzneimittel weder diese Zulassung noch die Zulassungsbescheinigung von Rechts wegen erteilt werden könnten. Der Gerichtshof hat aber in ständiger Rechtsprechung festgestellt, daß er im Rahmen eines Verfahrens nach Artikel 177 EWG-Vertrag weder über die Auslegung von nationalen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften entscheiden kann (u. a. Urteil vom 13. März 1984 in der Rechtssache 16/83, Prantl, Slg. 1984, 1299, und Urteil vom 9. Oktober 1984 in den verbundenen Rechtssachen 91/83 und 127/83, Heineken Brouwerijen BV, Slg. 1984, 3435) noch über die Erheblichkeit der von einem nationalen Gericht gestellten Fragen zu befinden hat (u. a. Urteil vom 30. November 1977 in der Rechtssache 52/77, Cayrol, Slg. 1977, 2261).

17 Der Gerichtshof hat somit die Frage des Bundesverwaltungsgerichts zu beantworten, die dahin geht, ob die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag einer nationalen Regelung entgegenstehen, die die Einfuhr von Arzneispezialitäten in einen Mitgliedstaat, die im Ausfuhrmitgliedstaat ordnungsgemäß in den Verkehr gebracht wurden und in diesem Staat zum Handel zugelassen sind, allein deshalb absolut unmöglich macht, weil diese Spezialitäten nicht mit einer den gesetzlichen Vorschriften des Einfuhrstaats entsprechenden Verpackung und Packungsbeilage versehen sind, obwohl der Importeur sie umpacken will, um sie im Hinblick auf ihren Absatz auf dem Markt des Einfuhrstaats gerade mit diesen Vorschriften in Einklang zu bringen, und obwohl er über die hierfür notwendigen Zulassungen verfügt.

18 Der Freistaat Bayern - der sein Vorbringen auf seine eigene Auslegung des AMG stützt, die wie bereits ausgeführt nicht diejenige des Bundesverwaltungsgerichts ist - trägt vor, die Bestimmungen des AMG über die Einfuhrerlaubnis für Arzneimittel seien zum Schutz der öffentlichen Gesundheit notwendig. Paralleleinfuhren von Arzneispezialitäten seien mit Risiken für die öffentliche Gesundheit verbunden, weil bei ein und demselben Produkt je nach Herkunftsmitgliedstaat Unterschiede bestehen könnten. Daher sei eine an der Grenze durchzuführende Kontrolle der Übereinstimmung des importierten Erzeugnisses mit demjenigen, das in der Bundesrepublik Deutschland zum Inverkehrbringen zugelassen sei, notwendig. Diese Kontrolle könne nicht wirksam durch die gelegentliche Überwachung des Umpackungsvorgangs gemäß § 64 AMG bei dem pharmazeutischen Importunternehmen im Zusammenhang mit der Herstellungserlaubnis, über die dieses Unternehmen verfüge, ersetzt werden. Die Richtigkeit dieses Standpunkts sei im übrigen von der Kommission selbst anerkannt worden, die ein insoweit gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren wieder eingestellt habe.

19 Die Eurim-Pharm GmbH und die Kommission sind der Ansicht, das AMG in der Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht mache die Einfuhr von Arzneispezialitäten, die auf dem deutschen Markt bereits zugelassen seien, absolut unmöglich, wenn die Verpackung der Erzeugnisse und die Packungsbeilage nicht den Vorschriften der §§ 10 und 11 AMG entsprächen. Dies sei eine übermässige Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handels.

20 Die fraglichen Erzeugnisse könnten keinesfalls im Geltungsbereich des AMG unmittelbar in den Verkehr gebracht werden, sondern müssten neu verpackt werden. Das Umpacken gehöre nach § 4 Absatz 14 AMG zu den Herstellungsvorgängen, die gemäß Kapitel IV der Richtlinie 75/319/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. L 147, S. 13) und nach Maßgabe der §§ 13 bis 20 AMG erlaubnispflichtig seien.

21 Das pharmazeutische Importunternehmen unterliege als Hersteller der Überwachung durch die zuständigen Verwaltungsbehörden und sei für die Übereinstimmung nicht nur der Verpackung, sondern auch des Inhalts des Arzneimittels mit dem AMG sowie mit der Zulassung für das Inverkehrbringen verantwortlich. Bei einem Verstoß gegen das AMG drohten ihm empfindliche Strafen.

22 Die Eurim-Pharm GmbH bemerkt ausserdem, das AMG in der Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht zwinge die Unternehmen, den Verpackungsvorgang jeweils in den Mitgliedstaat zu verlagern, aus dem sie die Arzneispezialitäten importierten, um deren Aufmachung noch vor ihrer Verbringung in den Geltungsbereich des AMG mit den gesetzlichen Erfordernissen in Einklang zu bringen.

23 Nach Artikel 30 EWG-Vertrag sind mengenmässige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung im Handel zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes jede Handelsregelung eines Mitgliedstaats zu sehen, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern.

24 Das nach nationalem Recht bestehende Erfordernis einer Einfuhrerlaubnis für bestimmte Erzeugnisse stellt eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Einfuhrbeschränkung dar.

25 Daher ist zu prüfen, ob die fragliche Maßnahme gemäß Artikel 36 EWG-Vertrag gerechtfertigt sein kann.

26 Es ist ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes, daß unter den in Artikel 36 geschützten Gütern und Interessen die Gesundheit und das Leben von Menschen den ersten Rang einnehmen und daß es Sache der Mitgliedstaaten ist, in den durch den Vertrag gesetzten Grenzen zu bestimmen, in welchem Umfang sie deren Schutz gewährleisten wollen, insbesondere wie streng die durchzuführenden Kontrollen ausfallen sollen. Artikel 36 bleibt auch anwendbar, da die Harmonisierung der nationalen Regelungen betreffend die Herstellung von und den Handel mit Arzneispezialitäten noch nicht vollauf erreicht ist (Urteil vom 7. März 1989 in der Rechtssache 215/87, Schumacher, Slg. 1989, 617, Randnr. 15).

27 Aus Artikel 36 ergibt sich jedoch, daß eine nationale Regelung oder Praxis, die eine die Einfuhren pharmazeutischer Erzeugnisse beschränkende Wirkung hat oder haben kann, mit dem Vertrag nur vereinbar ist, soweit sie für einen wirksamen Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen notwendig ist. Eine nationale Regelung oder Praxis fällt daher nicht unter die Ausnahmebestimmungen des Artikels 36, wenn die Gesundheit oder das Leben von Menschen genauso wirksam durch Maßnahmen geschützt werden kann, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beschränken.

28 In dem vom vorlegenden Gericht angenommenen Fall verfügt der Importeur über eine Herstellungserlaubnis, die ihm nach den Bestimmungen sowohl der Richtlinie 75/319 als auch des § 13 AMG erteilt worden ist und die es ihm gestattet, das in Rede stehende Erzeugnis herzustellen. Es steht fest, daß er dieser Erlaubnis für das Abpacken von pharmazeutischen Erzeugnissen bedarf, da diese Tätigkeit sowohl nach Artikel 16 Absatz 2 der Richtlinie 75/319 als auch nach § 4 Absatz 14 AMG zur Herstellung dieser Erzeugnisse gehört.

29 Insoweit unterliegt das Importunternehmen einer Überwachung durch die zuständigen Behörden, die in der Richtlinie 75/319 und im AMG vorgesehen und in § 64 AMG im einzelnen geregelt ist. Bei einem Verstoß gegen das AMG drohen dem Unternehmen verwaltungs- oder strafrechtliche Sanktionen.

30 Ein Unternehmen, das pharmazeutische Erzeugnisse aus einem anderen Mitgliedstaat einführt, um sie umzupacken, muß, bevor es diese Erzeugnisse in den Verkehr bringen kann, auch eine Zulassung für das Inverkehrbringen besitzen, die nach der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. 1965, S. 369), der Richtlinie 75/319 und § 21 AMG erteilt wird.

31 Es steht fest, daß diese Zulassung in der Bundesrepublik Deutschland eine Zulassung ist, die dem Parallelimporteur - in einem vereinfachten Verfahren, um der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteile vom 20. März 1976 in der Rechtssache 104/75, De Peijper, Slg. 1976, 613, und vom 28. Januar 1981 in der Rechtssache 32/80, Kortmann, Slg. 1981, 251) Rechnung zu tragen -, für eine Spezialität erteilt wird, die vom Hersteller oder von dessen offiziellem Importeur bereits in den Verkehr gebracht worden ist.

32 Mit dieser Zulassung kann insbesondere sichergestellt werden, daß die von einem Parallelimporteur eingeführten Arzneispezialitäten dieselbe Zusammensetzung aufweisen wie diejenigen, deren Inverkehrbringen bereits zugelassen worden ist.

33 Diese Herstellungserlaubnis und diese Zulassung für das Inverkehrbringen sind die beiden einzigen Erfordernisse der gemeinschaftsrechtlichen Regelung über den Handel mit Arzneispezialitäten, deren Ziel es ausweislich der dritten und der vierten Begründungserwägung der Richtlinie 65/65 ist, die sich aus den Unterschieden zwischen den nationalen Vorschriften ergebenden Hindernisse für den Handel mit Arzneispezialitäten innerhalb der Gemeinschaft zu beseitigen. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 75/319 eine Einfuhrerlaubnis nur für Arzneispezialitäten aus Drittländern vorsieht.

34 Aufgrund dieser Erlaubnis und dieser Zulassung können sich die Behörden Gewißheit darüber verschaffen, daß zum einen die von einem Parallelimporteur eingeführten Arzneispezialitäten in ihrer Zusammensetzung mit denjenigen übereinstimmen, die im nationalen Hoheitsgebiet bereits zum Handel zugelassen worden sind, und zum anderen die nationalen Vorschriften über die Verpackung dieser Erzeugnisse eingehalten sind, wobei der über eine Herstellungserlaubnis verfügende Importeur dafür verantwortlich ist, daß die gesetzlichen Vorschriften über das Inverkehrbringen des importierten Erzeugnisses befolgt werden.

35 Unter diesen Umständen ist das nach Auffassung des vorlegenden Gerichts aus § 73 Absatz 1 AMG folgende Verbot, die in Rede stehenden Erzeugnisse einzuführen, für einen wirksamen Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen nicht notwendig.

36 Auf die Frage des Bundesverwaltungsgerichts ist somit zu antworten, daß die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es verbietet, aus einem anderen Mitgliedstaat dort rechtmässig in den Verkehr gebrachte Arzneispezialitäten einzuführen, deren Inverkehrbringen im Einfuhrmitgliedstaat zulassungspflichtig ist und deren Importeur über eine Herstellungserlaubnis verfügt, um diese Arzneimittel entsprechend den Rechtsvorschriften des Einfuhrmitgliedstaats zu kennzeichnen und mit einer Packungsbeilage zu versehen.

Kostenentscheidung:

Kosten

37 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

auf die ihm vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluß vom 3. August 1989 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag stehen einer nationalen Regelung entgegen, die es verbietet, aus einem anderen Mitgliedstaat dort rechtmässig in den Verkehr gebrachte Arzneispezialitäten einzuführen, deren Inverkehrbringen im Einfuhrmitgliedstaat zulassungspflichtig ist und deren Importeur über eine Herstellungserlaubnis verfügt, um diese Arzneimittel entsprechend den Rechtsvorschriften des Einfuhrmitgliedstaats zu kennzeichnen und mit einer Packungsbeilage zu versehen.

Ende der Entscheidung

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