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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 24.06.2004
Aktenzeichen: C-350/02
Rechtsgebiete: Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation, Anhang der Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments, Gesetzes zur Regelung des Telekommunikationsbereichs (Niederlande), EGV


Vorschriften:

Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation Art. 6
Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation Art. 9
Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation Anhang der Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation
Gesetz zur Regelung des Telekommunikationsbereichs (Niederlande) Art. 11.5
EGV Art. 226
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 24. Juni 2004. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich der Niederlande. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Verarbeitung personenbezogener Daten und Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation - Artikel 6 und 9 der Richtlinie 97/66/EG - Erforderlichkeit einer eingehenden Darlegung der Rügen in der mit Gründen versehenen Stellungnahme. - Rechtssache C-350/02.

Parteien:

In der Rechtssache C-350/02

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Shotter und W. Wils als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich der Niederlande, vertreten durch S. Terstal als Bevollmächtigte,

Beklagter,

wegen Feststellung, dass das Königreich der Niederlande dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstoßen hat, dass es nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um die Artikel 6 und 9 der Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation (ABl. 1998, L 24, S. 1) in das nationale Recht umzusetzen, erlassen oder zumindest nicht der Kommission mitgeteilt hat,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richter A. La Pergola und S. von Bahr, der Richterin R. Silva de Lapuerta und des Richters K. Lenaerts (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 13. November 2003, in der die Kommission durch W. Wils im Beistand von P. Gérard, Sachverständiger, und das Königreich der Niederlande durch C. Wissels als Bevollmächtigte im Beistand von R. J. I. Dielemans, Sachverständiger, vertreten waren,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom

29. Januar 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 1. Oktober 2002 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung, dass das Königreich der Niederlande dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstoßen hat, dass es nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind um die Artikel 6 und 9 der Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation (ABl. 1998, L 24, S. 1) in das nationale Recht umzusetzen, erlassen oder zumindest nicht der Kommission mitgeteilt hat.

Rechtlicher Rahmen

Die Gemeinschaftsregelung

2. Die zur maßgeblichen Zeit geltende Richtlinie 97/66 diente nach ihrem Artikel 1 Absatz 1 der Harmonisierung der Vorschriften der Mitgliedstaaten, die erforderlich sind, um einen gleichwertigen Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten, insbesondere des Rechts auf Privatsphäre, in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Bereich der Telekommunikation sowie den freien Verkehr dieser Daten und von Telekommunikationsgeräten und diensten in der Gemeinschaft zu gewährleisten.

3. Artikel 6 der Richtlinie 97/66 lautete:

(1) Verkehrsdaten, die sich auf Teilnehmer und Benutzer beziehen und die für den Verbindungsaufbau verarbeitet und vom Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes und/oder eines öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienstes gespeichert werden, sind nach Beendigung der Verbindung unbeschadet der Absätze 2, 3 und 4 zu löschen oder zu anonymisieren.

(2) Zum Zwecke der Gebührenabrechnung und der Bezahlung von Zusammenschaltungen ist es zulässig, die im Anhang genannten Daten zu verarbeiten. Diese Verarbeitung ist nur bis zum Ablauf der Frist zulässig, innerhalb deren die Rechnung rechtlich angefochten oder der Anspruch auf Zahlung geltend gemacht werden kann.

(3) Der Betreiber eines öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienstes kann die in Absatz 2 genannten Daten zum Zwecke der Vermarktung seiner eigenen Telekommunikationsdienste verarbeiten, wenn der Teilnehmer seine Einwilligung gegeben hat.

(4) Die Verarbeitung von Verkehrs- und Gebührenabrechnungsdaten darf nur durch auf Weisung der Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze und/oder öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste handelnde Personen erfolgen, die für Gebührenabrechnungen oder Verkehrsabwicklung, Kundenanfragen, Betrugsermittlung sowie für die Vermarktung der eigenen Telekommunikationsdienste des Betreibers zuständig sind; ferner ist sie auf das für diese Tätigkeiten erforderliche Maß zu beschränken.

(5) Die Absätze 1, 2, 3 und 4 gelten unbeschadet der Möglichkeit der zuständigen Behörden, in Einklang mit den geltenden Rechtsvorschriften für die Beilegung von Streitigkeiten, insbesondere Zusammenschaltungs- oder Abrechnungsstreitigkeiten, von Verkehrs- und Gebührenabrechnungsdaten Kenntnis zu erhalten.

4. Artikel 9 der Richtlinie 97/66 bestimmte:

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es transparente Verfahren gibt, nach denen der Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes und/oder eines öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienstes die Unterdrückung der Rufnummernanzeige aufheben kann, und zwar

a) vorübergehend, wenn ein Teilnehmer beantragt hat, dass böswillige oder belästigende Anrufe zurückverfolgt werden; in diesem Fall werden im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht die Daten mit der Rufnummer des anrufenden Teilnehmers vom Betreiber des öffentlichen Telekommunikationsnetzes und/oder des öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienstes gespeichert und zur Verfügung gestellt;

b) permanent für Einrichtungen, die Notrufe bearbeiten und dafür von einem Mitgliedstaat anerkannt sind, einschließlich Strafverfolgungsbehörden, Ambulanzdiensten und Feuerwehren, zum Zwecke der Beantwortung dieser Anrufe.

5. Der Anhang der Richtlinie 97/66 lautete:

Für die in Artikel 6 Absatz 2 genannten Zwecke können folgende Daten verarbeitet werden:

Daten, die folgendes enthalten:

- die Nummer oder die Identifikation des Teilnehmerendgerätes;

- die Anschrift des Teilnehmers und die Art des Endgerätes;

- die Gesamtzahl der für den Abrechnungszeitraum zu berechnenden Einheiten;

- die Nummer des angerufenen Teilnehmers;

- Art, Beginn und Dauer der Anrufe und/oder die übermittelte Datenmenge;

- Datum des Anrufs/der Dienstleistung;

- andere Zahlungsinformationen, beispielsweise Vorauszahlung, Ratenzahlung, Sperren des Anschlusses und Mahnungen.

6. Nach Artikel 15 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 97/66 hatten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um dieser Richtlinie bis zum 24. Oktober 1998 nachzukommen. Absatz 4 dieses Artikels bestimmte, dass die Mitgliedstaaten der Kommission den Wortlaut der innerstaatlichen Rechtsvorschriften mitzuteilen hatten, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erließen.

Die nationale Regelung

7. Die Wet houdende regels inzake de telecommunicatie (Gesetz zur Regelung des Telekommunikationsbereichs, im Folgenden: Telecommunicatiewet), bekannt gemacht am 19. Oktober 1998 (Staatsblad 1998, S. 610), enthält einen Titel 11, der der Umsetzung der Richtlinie 97/66 dient.

8. Artikel 11.5 der Telecommunicatiewet, der die Umsetzung des Artikels 6 der Richtlinie 97/66 betrifft, lautet:

1. Der Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes und der Anbieter eines öffentlichen Telekommunikationsdienstes haben im Interesse des Schutzes personenbezogener Daten und des Schutzes der Privatsphäre nach der Beendigung jeder Verbindung dafür Sorge zu tragen, dass die durch Verordnung festgelegten Verkehrsdaten, die sich auf Teilnehmer und Benutzer beziehen, gelöscht oder anonymisiert werden.

2. Abweichend von Absatz 1 können Verkehrsdaten nur verarbeitet werden, wenn und soweit

a. dies zur Erstellung einer Rechnung für einen Teilnehmer oder denjenigen notwendig ist, der sich gegenüber dem Anbieter rechtlich verpflichtet hat, diese Rechnung zu begleichen, oder für die Zwecke der Bezahlung einer Zusammenschaltung oder eines besonderen Zugangs;

b. dies für die Zwecke von Marktforschung und Verkaufstätigkeiten in Bezug auf die eigenen Telekommunikationsdienste erforderlich ist und der Teilnehmer dem zugestimmt hat;

c. dies für die Prüfung eines Rechtsstreits, die Entscheidung eines Rechtsstreits im Sinne von Artikel 12.1 oder die Aufstellung von Regeln im Sinne von Artikel 6.3 erforderlich ist;

d. dies für die Verwaltung des Verkehrs erforderlich ist;

e. dies für die Erteilung von Auskünfte an Kunden erforderlich ist, soweit sich diese Auskünfte auf Verkehrsdaten beziehen, die die Kunden selbst betreffen;

f. dies für die Betrugsermittlung erforderlich ist;

g. dies sonst nach dem Gesetz oder auf gesetzlicher Grundlage zulässig ist.

3. Durch Verordnung werden nähere Bestimmungen zur Durchführung dieses Artikels erlassen. Diese Bestimmungen können sich nur beziehen auf Daten, die zusammen mit Verkehrsdaten verarbeitet werden können, auf den Zweck, zu dem die gemeinsame Verarbeitung erfolgt, auf die zulässige Verarbeitungsdauer und auf die Personen, die mit der Verarbeitung der betreffenden Daten betraut sind.

Das Vorverfahren

9. Das Königreich der Niederlande übermittelte der Kommission mit Schreiben vom 7. Januar 1999 den Wortlaut der Telecommunicatiewet und gab dabei an, dass dieses die Umsetzung der Richtlinie 97/66 in das nationale Recht enthalte.

10. Die Kommission sah die Artikel 6, 9, 11 und 12 der Richtlinie 97/66 durch die Telecommunicatiewet nicht ordnungsgemäß umgesetzt und forderte das Königreich der Niederlande gemäß Artikel 226 EG mit Schreiben vom 6. November 2000 zur Äußerung auf.

11. Die niederländische Regierung beantwortete dieses Mahnschreiben mit Schreiben vom 8. Januar 2001 und berief sich insbesondere darauf, dass die gesetzgeberischen Maßnahmen für die vollständige Erfuellung der Verpflichtungen aus der Richtlinie 97/66 in Vorbereitung seien.

12. Am 18. Juli 2001 übersandte die Kommission dem Königreich der Niederlande eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie ausführte, dass sie nach Prüfung der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen und der in Vorbereitung befindlichen gesetzgeberischen Maßnahmen der Ansicht sei, dass dieser Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 6 und 9 der Richtlinie 97/66 verstoßen habe. Das Königreich der Niederlande wurde aufgefordert, dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme binnen zwei Monaten ab ihrer Zustellung nachzukommen.

13. Das Königreich der Niederlande antwortete auf die mit Gründen versehene Stellungnahme mit Schreiben vom 29. Oktober 2001. Die Kommission sah diese Antwort nicht als zufriedenstellend an und beschloss daher, die vorliegende Klage zu erheben.

Zur Klage

Zur Zulässigkeit

14. Die Kommission stützt ihre Klage auf vier Rügen, die sie gegen die niederländische Umsetzungsregelung erhebt. Drei dieser Rügen beziehen sich auf Artikel 6 der Richtlinie 97/66, die vierte bezieht sich auf Artikel 9 dieser Richtlinie.

15. Eine der Rügen, die sich auf Artikel 6 der Richtlinie 97/66 beziehen, betrifft die nicht ordnungsgemäße Umsetzung von Artikel 6 Absätze 2 bis 5 dieser Richtlinie durch Artikel 11.5 Absatz 2 der Telecommunicatiewet. Die Kommission macht geltend, dass die niederländische Bestimmung nicht im Einklang mit der Richtlinie 97/66 stehe, da sie mehr Ausnahmen von dem in Artikel 6 Absatz 1 dieser Richtlinie aufgestellten Grundsatz vorsehe, als durch die Richtlinie erlaubt seien.

16. Das Königreich der Niederlande erwidert, dass diese Rüge in der mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht aufgeführt und daher unzulässig sei.

17. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission geltend gemacht, dass die mit Gründen versehene Stellungnahme im Licht des Mahnschreibens auszulegen sei, das die in Rede stehende Rüge ausdrücklich erwähne.

18. Hierzu ist daran zu erinnern, dass im Vertragsverletzungsverfahren das Vorverfahren dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit geben soll, seinen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und sich gegenüber den Rügen der Kommission wirksam zu verteidigen (vgl. u. a. Urteile vom 2. Februar 1988 in der Rechtssache 293/85, Kommission/Belgien, Slg.1988, 305, Randnr. 13, vom 20. März 1997 in der Rechtssache C-96/95, Kommission/Deutschland, Slg. 1997, I-1653, Randnr. 22, und vom 15. Januar 2002 in der Rechtssache C-439/99, Kommission/Italien, Slg. 2002, I-305, Randnr. 10).

19. Der ordnungsgemäße Ablauf dieses Verfahrens ist nicht nur eine vom Vertrag vorgeschriebene wesentliche Garantie für den Schutz der Rechte des betroffenen Mitgliedstaats, sondern auch dafür, dass ein etwaiges streitiges Verfahren einen eindeutig festgelegten Streitgegenstand hat (vgl. u. a. Urteile vom 13. Dezember 2001 in der Rechtssache C-1/00, Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I9989, Randnr. 53, und vom 20. Juni 2002 in der Rechtssache C-287/00, Kommission/Deutschland, Slg. 2002, I5811, Randnr. 17).

20. Daraus folgt, dass der Gegenstand einer Klage nach Artikel 226 EG durch das in dieser Bestimmung vorgesehene Vorverfahren eingegrenzt wird. Die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission und die Klage müssen auf die gleichen Gründe und das gleiche Vorbringen gestützt sein, so dass der Gerichtshof eine Rüge, die nicht in der mit Gründen versehenen Stellungnahme erhoben wurde, nicht prüfen kann (Urteil vom 11. Mai 1989 in der Rechtssache 76/86, Kommission/Deutschland, Slg. 1989, 1021, Randnr. 8); die mit Gründen versehene Stellungnahme muss eine zusammenhängende und ausführliche Darstellung der Gründe enthalten, aus denen die Kommission zu der Überzeugung gelangt ist, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen eine seiner Verpflichtungen aus dem Vertrag verstoßen hat (vgl. u. a. Urteile vom 15. Januar 2002, Kommission/Italien, Randnr. 12, und vom 20. Juni 2002, Kommission/Deutschland, Randnr. 19).

21. Ferner kann zwar das Mahnschreiben, das in einer ersten knappen Zusammenfassung der beanstandeten Vertragsverletzung besteht, für das Verständnis der mit Gründen versehenen Stellungnahme dienlich sein, doch muss die Kommission in dieser Stellungnahme die Rügen genau bezeichnen, die sie bereits allgemeiner im Mahnschreiben geltend gemacht hat und die sie gegenüber dem betroffenen Mitgliedstaat erhebt, nachdem sie gegebenfalls dessen gemäß Artikel 226 Absatz 1 EG abgegebene Äußerung zur Kenntnis genommen hat. Dies ist unerlässlich, um den Gegenstand des Rechtsstreits vor Einleitung des in Artikel 226 Absatz 2 EG vorgesehenen gerichtlichen Verfahrens klar einzugrenzen und sicherzustellen, dass der beteiligte Mitgliedstaat genaue Kenntnis davon erhält, welche Rügen die Kommission ihm gegenüber erhebt, und so vor einer Anrufung des Gerichtshofes durch die Kommission die beanstandeten Vertragsverletzungen abstellen oder sein Verteidigungsvorbringen geltend machen kann.

22. Im vorliegenden Fall hat die Kommission im Mahnschreiben vom 6. November 2000 drei spezifische Rügen betreffend die Umsetzung von Artikel 6 der Richtlinie 97/66 in das niederländische Recht erhoben. Die erste Rüge bezieht sich auf die Umsetzung von Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 97/66 durch Artikel 11.5 Absatz 1 der Telecommunicatiewet. Die zweite Rüge betrifft die Unvereinbarkeit von Artikel 11.5 Absatz 2 der Telecommunicatiewet mit Artikel 6 Absätze 2 bis 5 der Richtlinie 97/66; mit ihr wird geltend gemacht, dass die niederländische Bestimmung mehr Ausnahmen enthalte, als durch diese Absätze des Artikels 6 zugelassen seien. Die dritte Rüge betrifft die fehlende Mitteilung der in Artikel 11.5 Absatz 3 der Telecommunicatiewet erwähnten Durchführungsbestimmungen.

23. Die niederländische Regierung räumte in ihrem Antwortschreiben vom 8. Januar 2001 auf das Mahnschreiben die Begründetheit der Rügen in Bezug auf die Umsetzung von Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 97/66 und das Unterbleiben der Mitteilung der Durchführungsbestimmungen im Sinne von Artikel 11.5 Absatz 3 der Telecommunicatiewet ein, wies dabei jedoch darauf hin, dass gesetzgeberische Maßnahmen in Vorbereitung seien, um diese Vertragsverletzungen abzustellen. Dagegen bestritt die niederländische Regierung, dass Artikel 11.5 Absatz 2 der Telecommunicatiewet mehr Ausnahmen enthalte, als durch Artikel 6 Absätze 2 bis 5 dieser Richtlinie zugelassen seien.

24. Es ist festzustellen, dass die Kommission die Rüge der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung von Artikel 6 Absätze 2 bis 5 der Richtlinie 97/66 durch Artikel 11.5 Absatz 2 der Telecommunicatiewet nicht in ihre mit Gründen versehene Stellungnahme vom 18. Juli 2001 übernommen hat. Ferner enthält diese Stellungnahme keine Würdigung der Einwände, die die niederländischen Behörden in ihrer Antwort auf das Mahnschreiben gegenüber dieser Rüge erhoben haben.

25. In dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme stützt sich die Kommission ausschließlich auf die Unvollständigkeit der Umsetzung von Artikel 6 der Richtlinie 97/66, da ihr die in der Antwort der niederländischen Regierung auf das Mahnschreiben erwähnten gesetzgeberischen Maßnahmen nicht mitgeteilt worden seien. Im Unterschied zum Mahnschreiben enthält die Stellungnahme keine Angaben, die darauf hindeuteten, dass Artikel 11.5 Absatz 2 der Telecommunicatiewet als nicht im Einklang mit Artikel 6 Absätze 2 bis 5 der Richtlinie stehend angesehen wurde. Die mit Gründen versehene Stellungnahme erwähnt zwar Artikel 6 Absatz 1 dieser Richtlinie und die Durchführungsbestimmungen, um die es in Artikel 11.5 Absatz 3 der Telecommunicatiewet geht, doch werden weder Artikel 6 Absätze 2 bis 5 noch Artikel 11.5 Absatz 2 angeführt.

26. Die Kommission hat somit in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme eindeutig den Eindruck erweckt, dass im Unterschied zu den beiden anderen Artikel 6 der Richtlinie 97/66 betreffenden Rügen, die im Mahnschreiben erwähnt sind, die Rüge der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung der Absätze 2 bis 5 dieser Bestimmung durch Artikel 11.5 Absatz 2 der Telecommunicatiewet wie auch die Rügen in Bezug auf die Umsetzung der Artikel 11 und 12 dieser Richtlinie fallen gelassen worden seien. Daher haben die niederländischen Behörden in ihrer Antwort vom 29. Oktober 2001 auf die mit Gründen versehene Stellungnahme nur über den Fortschritt der in ihrem Schreiben vom 8. Januar 2001 erwähnten gesetzgeberischen Arbeiten unterrichtet, ohne zu der in Rede stehenden Rüge Stellung zu nehmen.

27. Die allgemeine Verweisung in der mit Gründen versehenen Stellungnahme auf das Mahnschreiben, was Artikel 6 der Richtlinie 97/66 angeht, kann in diesem Zusammenhang nicht als ausreichender Hinweis betrachtet werden, aufgrund dessen das Königreich der Niederlande hätte annehmen können, dass die Kommission ihm gegenüber die Rüge der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung von Artikel 6 Absätze 2 bis 5 dieser Richtlinie aufrechterhalten habe.

28. Daher ist die Anführung der Rüge der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung von Artikel 6 Absätze 2 bis 5 der Richtlinie 97/66 durch Artikel 11.5 Absatz 2 der Telecommunicatiewet in der Klageschrift der Kommission als unzulässig zu betrachten, da sie eine Erweiterung des Streitgegenstands gegenüber der mit Gründen versehenen Stellungnahme darstellt und dem Königreich der Niederlande in Ermangelung einer Erwähnung dieser Rüge in der mit Gründen versehenen Stellungnahme die Möglichkeit genommen worden ist, vor der Anrufung des Gerichtshofes durch die Kommission die ihm zur Last gelegte Vertragsverletzung abzustellen oder sich zu diesem Punkt zu äußern.

29. Somit ist die Klage für unzulässig zu erklären, soweit mit ihr die Rüge der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung von Artikel 6 Absätze 2 bis 5 der Richtlinie 97/66 durch Artikel 11.5 Absatz 2 der Telecommunicatiewet erhoben wird.

Zur Begründetheit

30. Von den drei anderen in der Klageschrift erhobenen Rügen betreffen die ersten beiden die unvollständige Umsetzung von Artikel 6 der Richtlinie 97/66 und die dritte die unvollständige Umsetzung von Artikel 9 dieser Richtlinie.

31. Vor der Prüfung dieser Rügen ist darauf hinzuweisen, dass, wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen ist, die bei Ablauf der Frist besteht, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde (vgl. u. a. Urteile vom 25. Mai 2000 in der Rechtssache C-384/97, Kommission/Griechenland, Slg. 2000, I3823, Randnr. 35, und vom 10. Mai 2001 in der Rechtssache C-152/98, Kommission/Niederlande, Slg. 2001, I3463, Randnr. 21).

32. Daher können die Umstände, auf die sich das Königreich der Niederlande in seinen Schriftsätzen beruft - Aufhebung der Richtlinie 97/66 durch Artikel 19 Absatz 1 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. L 201, S. 37) mit Wirkung vom 31. Oktober 2003 und Vorliegen eines Gesetzentwurfs zur Umsetzung der letztgenannten Richtlinie in das niederländische Recht - die Beurteilung der Verpflichtungen des Königreichs der Niederlande, wie sie bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist von zwei Monaten bestanden, nicht beeinflussen.

Zu den Rügen, die die unvollständige Umsetzung von Artikel 6 der Richtlinie 97/66 betreffen

33. Erstens macht die Kommission geltend, dass Artikel 11.5 Absatz 1 der Telecommunicatiewet vom allgemeinen Grundsatz des Artikels 6 Absatz 1 der Richtlinie 97/66 abweiche. Diese nationale Bestimmung stuende nur dann im Einklang mit dieser Richtlinie, wenn die beabsichtigte Verordnung eine erschöpfende Liste von Angaben umfasste. Die Kommission führt aus, dass ihr keine Maßnahme, die eine solche Liste enhielte, übermittelt worden sei, und ist daher der Ansicht, dass Artikel 6 der Richtlinie 97/66 nicht vollständig umgesetzt worden sei.

34. Da die niederländische Regierung einräumt, dass die für die Umsetzung von Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 97/66 erforderlichen Bestimmungen nicht erlassen worden sind, ist die Rüge der Kommission begründet.

35. Zweitens macht die Kommission geltend, dass Artikel 11.5 Absatz 3 der Telecommunicatiewet zwar auf Durchführungsbestimmungen verweise, dass ihr solche Bestimmungen jedoch nicht mitgeteilt worden seien. Daher ist sie der Ansicht, dass Artikel 6 der Richtlinie 97/66 nicht vollständig umgesetzt worden sei.

36. Die niederländischen Behörden erwidern, dass die erwähnten Durchführungsbestimmungen nicht erlassen worden seien und daher der Kommission nicht hätten mitgeteilt werden können.

37. Die niederländische Regierung bestreitet jedoch nicht, dass unter Berücksichtigung des damals geltenden Wortlauts von Artikel 11.5 der Telecommunicatiewet der Erlass der in Absatz 3 dieses Artikels erwähnten Durchführungsbestimmungen notwendig gewesen wäre, um Artikel 6 der Richtlinie 97/66 als vollständig umgesetzt ansehen zu können.

38. Da die niederländische Regierung eingeräumt hat, dass diese Durchführungsbestimmungen bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist der Kommission nicht mitgeteilt worden waren, und da der unterbliebene Erlass dieser Bestimmungen zu diesem Zeitpunkt nicht zur Rechtfertigung dieser Vertragsverletzung angeführt werden kann, ist die Rüge der Kommission begründet.

39. Nach allem sieht die Kommission Artikel 6 der Richtlinie 97/66 als nicht vollständig in das niederländische Recht umgesetzt an, weil Artikel 11.5 Absatz 1 der Telecommunicatiewet ein Verzeichnis von Daten erwähnt, das durch Verordnung festzulegen und ihr nicht mitgeteilt worden ist, und weil ihr die in Artikel 11.5 Absatz 3 erwähnten Durchführungsbestimmungen nicht mitgeteilt worden sind.

Zur Rüge der unvollständigen Umsetzung von Artikel 9 der Richtlinie 97/66

40. Die Kommission macht geltend, dass Artikel 9 Buchstabe a der Richtlinie 97/66 nicht in das niederländische Recht umgesetzt worden sei, so dass dieser Artikel nicht vollständig umgesetzt worden sei.

41. Tatsächlich fehlt es, wie die niederländische Regierung im Übrigen eingeräumt hat, im niederländischen Recht an Maßnahmen zur Umsetzung von Artikel 9 Buchstabe a der Richtlinie 97/66; daher ist die von der Kommission erhobene Rüge einer unvollständigen Umsetzung dieses Artikels 9 begründet.

42. Somit ist festzustellen, dass das Königreich der Niederlande dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 97/66 verstoßen hat, dass es deren Artikel 6 insofern unvollständig umgesetzt hat, als Artikel 11.5 Absatz 1 der Telecommunicatiewet auf eine Verordnung verweist, die der Kommission nicht mitgeteilt worden ist, und als die in Artikel 11.5 Absatz 3 der Telecommunicatiewet erwähnten Durchführungsbestimmungen der Kommission nicht mitgeteilt worden sind, und dass es Artikel 9 der Richtlinie unvollständig umgesetzt hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

43. Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Artikel 69 § 3 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da das Königreich der Niederlande in Bezug auf drei der vier von der Kommission erhobenen Rügen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Kommission drei Viertel der Kosten aufzuerlegen. Da das Königreich der Niederlande keinen Kostenantrag gestellt hat, tragen die Parteien im Übrigen ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Königreich der Niederlande hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation verstoßen, dass es Artikel 6 der Richtlinie insofern unvollständig umgesetzt hat, als Artikel 11.5 Absatz 1 der Wet houdende regels inzake de telcommunicatie (Telecommunicatiewet) auf eine Verordnung verweist, die der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nicht mitgeteilt worden ist, und als die in Artikel 11.5 Absatz 3 der Telecommunicatiewet erwähnten Durchführungsbestimmungen der Kommission nicht mitgeteilt worden sind, und dass es Artikel 9 der Richtlinie unvollständig umgesetzt hat.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Das Königreich der Niederlande trägt neben seinen eigenen Kosten drei Viertel der Kosten der Kommission.

4. Im Übrigen trägt die Kommission ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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