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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 07.09.2006
Aktenzeichen: C-353/04
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 2913/92, Verordnung (EWG) Nr. 1538/91, Verordnung (EWG) Nr. 3665/87, EG


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 2913/92
Verordnung (EWG) Nr. 1538/91
Verordnung (EWG) Nr. 3665/87
EG Art. 234
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Erste Kammer)

7. September 2006

"Verordnungen (EWG) Nrn. 1538/91 und 3665/87 - Zollkodex der Gemeinschaften - Ausfuhrerstattungen - Voraussetzungen für die Gewährung - Gesunde und handelsübliche Qualität - Zollverfahren - Ausfuhranmeldung - Warenkontrolle - Stichprobe - Zulässige Anzahl fehlerhafter Fertigpackungen - Einheitliche Qualität - Rechte und Pflichten des Ausführers und der Zollbehörde - Geflügelfleisch"

Parteien:

In der Rechtssache C-353/04

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 22. Juli 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 16. August 2004, in dem Verfahren

Nowaco Germany GmbH

gegen

Hauptzollamt Hamburg-Jonas

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues, E. Juhász (Berichterstatter), M. Ilesic und E. Levits,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Nowaco Germany GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte C. Bittner und U. Schrömbges,

- des Hauptzollamts Hamburg-Jonas, vertreten durch S. Plenter als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Schieferer und F. Erlbacher als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Februar 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 82/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 17, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex) sowie der Verordnung (EWG) Nr. 1538/91 der Kommission vom 5. Juni 1991 mit ausführlichen Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 des Rates über Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch (ABl. L 143, S. 11) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1000/96 der Kommission vom 4. Juni 1996 (ABl. L 134, S. 9) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1538/91).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Nowaco Germany GmbH (im Folgenden: Nowaco) und dem Hauptzollamt Hamburg-Jonas (im Folgenden: Hauptzollamt) wegen des Anspruchs auf Ausfuhrerstattungen und deren Höhe.

Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen

3 Die neunte Begründungserwägung der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 351, S. 1) lautet:

"Die Erzeugnisse müssen so beschaffen sein, dass sie unter normalen Verhältnissen vermarktet werden können."

4 Artikel 3 Absätze 4 bis 6 dieser Verordnung bestimmt:

"(4) Der Tag der Ausfuhr ist maßgebend für die Feststellung von Menge, Art und Eigenschaften des ausgeführten Erzeugnisses.

(5) Das bei der Ausfuhr für die Inanspruchnahme einer Ausfuhrerstattung verwendete Dokument muss alle für die Berechnung des Ausfuhrerstattungsbetrags erforderlichen Angaben enthalten und insbesondere:

a) die Bezeichnung der Erzeugnisse nach der für die Ausfuhrerstattungen verwendeten Nomenklatur,

b) die Eigenmasse der Erzeugnisse oder gegebenenfalls die zur Berechnung der Ausfuhrerstattung zu berücksichtigende und in den entsprechenden Mengeneinheiten ausgedrückte Menge,

c) die Zusammensetzung der betreffenden Erzeugnisse oder einen Hinweis auf diese Zusammensetzung, sofern dies zur Berechnung der Ausfuhrerstattung erforderlich ist.

Handelt es sich bei dem in diesem Absatz bezeichneten Dokument um die Ausfuhranmeldung, so muss diese ebenfalls alle Angaben und den Vermerk 'Erstattungscode' enthalten.

(6) Im Zeitpunkt dieser Annahme oder der Vornahme dieser Handlung werden die Erzeugnisse bis zum Verlassen des Zollgebiets der Gemeinschaft unter Zollkontrolle gestellt."

5 Nach Artikel 13 der Verordnung Nr. 3665/87 wird eine "Ausfuhrerstattung ... nicht gewährt, wenn die Erzeugnisse nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität sind; sind diese Erzeugnisse zur menschlichen Ernährung bestimmt, so darf ihre Verwendung zu diesem Zweck aufgrund ihrer Eigenschaften oder ihres Zustands nicht ausgeschlossen oder wesentlich eingeschränkt sein".

6 Artikel 1 des Zollkodex lautet:

"Dieser Kodex und die auf gemeinschaftlicher und einzelstaatlicher Ebene dazu erlassenen Durchführungsvorschriften stellen das Zollrecht dar. Der Kodex gilt unbeschadet besonderer, auf anderen Gebieten bestehender Vorschriften:

- im Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und Drittländern;

..."

7 Nach Artikel 4 Nummer 16 Buchstabe h des Zollkodex zählt die Ausfuhr zu den Zollverfahren.

8 Artikel 69 des Zollkodex bestimmt:

"(1) Das Verbringen der Waren zum Ort der Zollbeschau und gegebenenfalls der Entnahme von Mustern oder Proben sowie alle für die Zollbeschau oder Entnahme erforderlichen Tätigkeiten werden vom Anmelder oder unter seiner Verantwortung vorgenommen. Die entstehenden Kosten trägt der Anmelder.

(2) Der Anmelder ist berechtigt, bei der Zollbeschau sowie gegebenenfalls der Entnahme der Muster oder Proben anwesend zu sein. Die Zollbehörden können, wenn sie dies für zweckmäßig halten, vom Anmelder verlangen, dass er bei der Zollbeschau oder Entnahme anwesend ist oder sich vertreten lässt, um ihnen die zur Erleichterung der Zollbeschau oder Entnahme erforderliche Unterstützung zu gewähren.

(3) Die Entnahme von Mustern oder Proben durch die Zollbehörden begründet, sofern sie nach dem geltenden Recht durchgeführt wird, keinen Anspruch auf Entschädigung gegen die Verwaltung; die Verwaltung trägt jedoch die durch die Analyse oder Prüfung entstehenden Kosten."

9 Artikel 70 des Zollkodex sieht vor:

"(1) Wird nur ein Teil der angemeldeten Waren beschaut, so gelten die Ergebnisse dieser Teilbeschau für alle in der Anmeldung bezeichneten Waren.

Der Anmelder kann jedoch eine zusätzliche Zollbeschau verlangen, wenn er der Ansicht ist, dass die Ergebnisse der Teilbeschau auf den Rest der angemeldeten Waren nicht zutreffen.

(2) Werden mit einem Anmeldevordruck mehrere Warenpositionen angemeldet, so gelten im Sinne des Absatzes 1 die Angaben für jede Warenposition als gesonderte Anmeldung."

10 Artikel 71 des Zollkodex hat folgenden Wortlaut:

"(1) Die Ergebnisse der Überprüfung der Anmeldung werden der Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet worden sind, zugrunde gelegt.

(2) Findet keine Überprüfung der Anmeldung statt, so werden die darin enthaltenen Angaben für die Anwendung des Absatzes 1 zugrunde gelegt."

11 Artikel 247 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 (ABl. L 253, S. 1, im Folgenden: Durchführungsverordnung zum Zollkodex) bestimmt:

"(1) Hat die Zollstelle die Zollanmeldung und die beigefügten Unterlagen überprüft oder die Waren beschaut, so gibt sie Gegenstand und Ergebnis der Überprüfung oder Beschau mindestens auf dem für sie bestimmten Exemplar der Zollanmeldung oder auf einem Zusatzblatt an. Im Falle einer Teilbeschau sind ferner die überprüften Waren zu bezeichnen.

Die Zollstelle vermerkt gegebenenfalls auch die Abwesenheit des Anmelders oder seines Vertreters.

(2) Stimmt das Ergebnis der Überprüfung der Zollanmeldung und der dieser beigefügten Unterlagen und der Zollbeschau nicht mit der Zollanmeldung überein, so vermerkt die Zollstelle mindestens auf dem für sie bestimmten Exemplar der Zollanmeldung oder auf dem Zusatzblatt die Grundlagen für die Erhebung der Abgaben auf die Waren und gegebenenfalls für die Berechnung der Erstattungen und sonstigen Beträge bei der Ausfuhr sowie für die Anwendung der übrigen Vorschriften über das Zollverfahren, in das die Waren übergeführt werden.

(3) Aus den Vermerken der Zollstelle müssen gegebenenfalls die vorgenommenen Maßnahmen zur Nämlichkeitssicherung ersichtlich sein. Diese Vermerke sind außerdem mit Datum und der Angabe des beurkundenden Beamten zu versehen.

(4) Die Zollanmeldung oder das Zusatzblatt braucht keinen Vermerk gemäß Absatz 1 zu enthalten, wenn die Zollstelle weder die Zollanmeldung überprüft noch die Waren beschaut hat."

12 Nach den Artikeln 2 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 386/90 des Rates vom 12. Februar 1990 über die Kontrolle bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse, für die Erstattungen oder andere Zahlungen geleistet werden (ABl. L 42, S. 6), in der durch die Verordnung (EG) Nr. 163/94 des Rates vom 24. Januar 1994 (ABl. L 24, S. 2) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 386/90) nehmen die Mitgliedstaaten eine Warenkontrolle bei Erfüllung der Ausfuhrzollförmlichkeiten und vor Überlassung zur Ausfuhr anhand der Unterlagen der Ausfuhranmeldung sowie eine Überprüfung der Unterlagen der Zahlungsanträge vor. Unbeschadet besonderer Vorschriften, nach denen eine weitergehende Kontrolle erforderlich ist, erfolgt die Warenkontrolle gemäß der Verordnung durch häufige, unangemeldete Stichproben. In jedem Fall müssen die Warenstichproben eine repräsentative Auswahl von mindestens 5 % der Ausfuhranmeldungen umfassen, bei denen die Gewährung von Ausfuhrerstattungsbeträgen beantragt wurde. Besondere Vorschriften legen fest, wie dieser Satz von 5 % erreicht werden muss.

13 Die achte Begründungserwägung der Verordnung (EG) Nr. 2221/95 der Kommission vom 20. September 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 386/90 (ABl. L 224, S. 13) lautet:

"[Der] Zollkodex [gilt] insbesondere für alle Ausfuhren gewerblicher oder landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, für die eine Ausfuhrerstattung gewährt wird, kann es sich als notwendig erweisen, besondere Bestimmungen zu erlassen."

14 Artikel 5 dieser Verordnung bestimmt:

"(1) Unter 'Warenkontrolle' im Sinne von Artikel 2 Buchstabe a) der Verordnung (EWG) Nr. 386/90 ist die Überprüfung der Übereinstimmung zwischen der Ausfuhranmeldung - samt den dazugehörigen Papieren - und der Ware in Bezug auf Menge und Beschaffenheit zu verstehen.

...

Die Ausfuhrzollstelle beachtet Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87.

...

(4) Hängt der Erstattungssatz von einem spezifischen Gehalt ab, so nimmt die Ausfuhrzollstelle im Rahmen der Warenkontrolle repräsentative Proben und veranlasst eine Analyse der Bestandteile beim zuständigen Labor.

15 Artikel 7 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 2221/95 sieht vor:

"(1) Jede Ausfuhrzollstelle ergreift die notwendigen Maßnahmen, die es erlauben, zu jedem Zeitpunkt festzustellen, ob der Globalsatz von 5 % der Kontrolle erreicht worden ist. Diese Maßnahmen ermöglichen es,

- die Zahl der Ausfuhranmeldungen, die für die Warenkontrolle in Anrechnung gebracht werden, und

- die Zahl der durchgeführten Warenkontrollen

pro Sektor darzustellen.

(2) Der zuständige Beamte muss über jede von ihm durchgeführte Warenkontrolle einen detaillierten Befund anfertigen.

Der Befund trägt das Datum sowie den Namen des zuständigen Beamten. Er muss bei der Ausfuhrzollstelle oder einer anderen Dienststelle drei Jahre lang nach dem Jahr der Ausfuhr so aufbewahrt werden, dass ein einfacher Zugriff möglich ist."

16 Artikel 1 Absatz 3 erster Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 des Rates vom 26. Juni 1990 über Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch (ABl. L 173, S. 1) bestimmt:

"Diese Verordnung gilt nicht für

- zur Ausfuhr aus der Gemeinschaft bestimmtes Geflügelfleisch".

17 Artikel 6 der Verordnung Nr. 1538/91 sieht vor:

"(1) Zur Einstufung in die Handelsklassen A und B müssen die unter diese Verordnung fallenden Geflügelschlachtkörper und -teilstücke folgenden Mindestanforderungen genügen:

...

- frei von herausragenden gebrochenen Knochen,

..."

18 Nach Artikel 7 Absatz 1 dieser Verordnung werden Beschlüsse infolge von Nichteinhaltung der Bestimmungen des Artikels 6 immer für das gesamte nach Artikel 7 kontrollierte Los gefasst. Nach Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung wird aus jedem Los eine Zufallsstichprobe entnommen. Nach der Tabelle in Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung beträgt der Stichprobenumfang bei einem Losumfang von 501 bis 3 200 Einheiten 50; er beträgt 80, wenn das Los mehr als 3 200 Einheiten umfasst. Nach Artikel 7 Absatz 4 beträgt bei der Prüfung von Geflügelfleisch der Handelsklasse A die zulässige Anzahl der fehlerhaften Fertigpackungen 7 bzw. 10 für die genannten Lose. Hat der festgestellte Mangel eine der in Artikel 6 Absatz 1 genannten Ursachen wie "herausragende gebrochene Knochen", verringert sich die Fehlertoleranz auf 3 bzw. 4. Für Geflügelfleisch der Handelsklasse B verdoppelt sich gemäß Artikel 7 Absatz 5 die Gesamtfehlertoleranz.

Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen

19 Im Dezember 1997 und Februar 1998 meldete Nowaco jeweils eine Sendung gefrorener Grillhähnchen, bestehend aus 2 647 und 2 750 Kartons (insgesamt 43 996 Kilogramm), zur Ausfuhr an. Im Rahmen der Beschau der Warensendungen ließ das Zollamt jeweils eine Untersuchungs- und eine Rückstellprobe entnehmen.

20 Dabei wurde bei den beiden 1997 entnommenen Proben festgestellt, dass einige Grillhähnchen herausragende gebrochene Schenkelknochen aufwiesen. Bei der im Februar 1998 angemeldeten Sendung wies nur die Untersuchungsprobe einen offenen Bruch der linken Flügelspitze auf, während die Rückstellprobe einwandfrei war.

21 Das Hauptzollamt setzte die Ausfuhrerstattung für beide Sendungen auf 0 DM fest. In seiner Entscheidung über die dagegen von Nowaco erhobene Klage verpflichtete das Finanzgericht hinsichtlich der Ausfuhrsendung vom Februar 1998 das Hauptzollamt, der Klägerin die Hälfte der zu berechnenden Ausfuhrerstattung zu gewähren. Im Übrigen wies das Finanzgericht die Klage mit der Begründung ab, dass die Waren nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität gewesen seien, soweit sie den in der Verordnung Nr. 1538/91 festgelegten Vermarktungsnormen nicht entsprochen hätten, nach denen Geflügelschlachtkörper und -teilstücke zur Einstufung in die Handelsklassen A und B jedenfalls frei von herausragenden gebrochenen Knochen sein müssten.

22 Das Finanzgericht war der Ansicht, dass das Hauptzollamt die Ausfuhrerstattung nicht für die gesamte im Februar 1998 angemeldete Warensendung habe versagen dürfen. Die Reichweite der Fiktion des Artikels 70 Absatz 1 des Zollkodex sei nämlich dahin zu modifizieren, dass diese Ausfuhrsendung zu 50 % Erzeugnisse der von der Klägerin angemeldeten gesunden und handelsüblichen Qualität enthalten habe.

23 Gegen das Urteil des Finanzgerichts legten die beiden Parteien des Ausgangsverfahrens Revision zum Bundesfinanzhof ein. Nowaco meint, ihr stehe hinsichtlich der Ausfuhrsendungen vom Dezember 1997 und Februar 1998 Ausfuhrerstattung in vollem Umfang zu. Das Hauptzollamt macht geltend, das Finanzgericht hätte hinsichtlich der letztgenannten Ausfuhrsendung ausgehend vom Verhältnis des Gewichts der Untersuchungs- und der Rückstellprobe eine erstattungsfähige Menge von nur 48,1 % feststellen müssen.

24 Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Kann für die Feststellung der [gesunden und] handelsüblichen Qualität einer Ware, für die Ausfuhrerstattung begehrt wird, die Verordnung (EWG) Nr. 1538/91 der Kommission vom 5. Juni 1991 mit ausführlichen Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 des Rates über bestimmte Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch herangezogen werden?

2. Für den Fall, dass die Frage 1 zu bejahen ist:

a) Findet Artikel 70 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften Anwendung, wenn es darum geht, festzustellen, ob eine Ware, für die Ausfuhrerstattung begehrt wird, von [gesunder und] handelsüblicher Qualität ist?

b) Tritt die Beschaffenheitsfiktion des Artikels 70 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 auch dann ein, wenn von der Ware lediglich eine Stichprobe beschaut worden ist, die einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften jedoch in bestimmtem quantitativem Umfang Mängel der Ware tolerieren und dementsprechend die Beschau einer bestimmten Mindestanzahl von Proben zur Feststellung der Einhaltung dieser Toleranzen erfordern und auch ausdrücklich vorschreiben?

3. Für den Fall, dass auch die Fragen 2 Buchstaben a und b zu bejahen sind:

Welche Wirkung hat vorgenannte Beschaffenheitsfiktion, wenn mehrere Proben aus der einheitlich angemeldeten Ausfuhrsendung entnommen worden sind und bei der Untersuchung eines Teils der Proben eine [gesunde und] handelsübliche Qualität, bei einem anderen Teil hingegen keine [gesunde und] handelsübliche Qualität festgestellt worden ist?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

25 Der Bundesfinanzhof wirft in der Vorlageentscheidung die Frage auf, ob die Verordnung Nr. 1538/91 angesichts der Ausschlussvorschrift in Artikel 1 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1906/90 für die Feststellung der "gesunden und handelsüblichen Qualität" einer Ware wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden anwendbar ist. Er ist jedenfalls der Auffassung, dass bei Anwendung der Verordnung Nr. 1538/91 nicht nur deren Artikel 6, sondern auch ihr Artikel 7, der die Toleranzen festlege, Berücksichtigung finden müsse. Außerdem fragt das vorlegende Gericht, ob diese Verordnung, falls sie anwendbar sei, Fehlertoleranzen für andere Waren als solche in Fertigpackungen zulasse.

26 Zur Frage der Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1538/91 ist darauf hinzuweisen, dass mit dieser die Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 1906/90 festgelegt werden, die in Artikel 1 Absatz 3 erster Gedankenstrich ausdrücklich vorsieht, dass sie für zur Ausfuhr aus der Gemeinschaft bestimmtes Geflügelfleisch nicht gilt. Nowaco schließt daraus, dass die Vermarktungsnormen der Verordnung Nr. 1538/91 in Verbindung mit der Verordnung Nr. 1906/90 keine Voraussetzung für das Vorliegen einer "gesunden und handelsüblichen Qualität" aufstellten.

27 Der Gerichtshof hat zur Verordnung Nr. 1041/67/EWG der Kommission vom 21. Dezember 1967 über die Durchführungsvorschriften für die Ausfuhrerstattungen bei den Erzeugnissen, für die ein System gemeinsamer Preise besteht (ABl. 1967, Nr. 314, S. 9), bereits entschieden, dass das Erfordernis der "gesunden und handelsüblichen" Qualität eine allgemeine und objektive Voraussetzung für die Gewährung einer Erstattung ist und dass ein Erzeugnis, das im Gemeinschaftsgebiet nicht "unter normalen Bedingungen" vermarktet werden könnte, diesen Qualitätsanforderungen nicht genügen würde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. Oktober 1973 in der Rechtssache 12/73, Muras, Slg. 1973, 963, Randnr. 12, vom 26. Mai 2005 in der Rechtssache C-409/03, SEPA, Slg. 2005, I-4321, Randnr. 22, und vom 1. Dezember 2005 in der Rechtssache C-309/04, Fleisch-Winter, Slg. 2005, I-10349, Randnr. 20).

28 Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass sich die Tatsache, dass die Vermarktungsfähigkeit eines Erzeugnisses "unter normalen Bedingungen" ein Merkmal darstellt, das notwendig mit dem Begriff "gesunde und handelsübliche Qualität" verbunden ist, eindeutig aus der Regelung über die Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse ergibt, da seit der Verordnung Nr. 1041/67 alle einschlägigen Verordnungen als Voraussetzungen dafür, dass für ein Erzeugnis eine Ausfuhrerstattung gewährt wird, sowohl den Begriff "gesunde und handelsübliche Qualität" als auch das Kriterium der Vermarktungsfähigkeit des Erzeugnisses "unter normalen Bedingungen" übernommen haben. Was die Verordnung Nr. 3665/87 betrifft, nimmt deren neunte Begründungserwägung auf diese Anforderung Bezug (Urteile SEPA, Randnrn. 23 und 26, sowie Fleisch-Winter, Randnr. 21).

29 Die Verordnung Nr. 3665/87 wurde mit Wirkung vom 1. Juli 1999 durch die Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15. April 1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 102, S. 11) ersetzt, die in Artikel 21 Absatz 1 Unterabsätze 1 und 2 vorsieht, dass keine Ausfuhrerstattung gewährt wird, wenn die Erzeugnisse am Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung nicht von "gesunder und handelsüblicher Qualität" sind, und dass die Erzeugnisse dieser Anforderung entsprechen, "wenn sie im Gebiet der Gemeinschaft unter normalen Bedingungen ... vermarktet werden [können]". Der Gerichtshof hat entschieden, dass diese Bestimmung eine bestehende Rechtslage bestätigt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil SEPA, Randnr. 27).

30 Demnach ist, wie der Generalanwalt in den Nummern 32 und 33 seiner Schlussanträge zutreffend ausgeführt hat, Artikel 13 der Verordnung Nr. 3665/87 dahin auszulegen, dass ein aus der Gemeinschaft in ein Drittland ausgeführtes Erzeugnis im Gebiet der Gemeinschaft "unter normalen Bedingungen" vermarktungsfähig sein muss, damit es als von "gesunder und handelsüblicher Qualität" angesehen werden und somit Anspruch auf Ausfuhrerstattungen begründen kann, und dass dieses Erzeugnis daher den Qualitätsnormen genügen muss, denen seine Vermarktung in der Gemeinschaft für den menschlichen Verzehr unterliegt.

31 Für die Zuordnung zu den Handelsklassen A und B und damit für die Vermarktung in der Gemeinschaft für den menschlichen Verzehr müssen die Geflügelschlachtkörper und -teilstücke nach Artikel 6 der Verordnung Nr. 1538/91 mehrere Qualitätsanforderungen erfüllen; u. a. müssen sie frei von herausragenden gebrochenen Knochen sein. Nach Artikel 7 dieser Verordnung wird dieser Mangel toleriert, wenn die Zahl der nicht konformen Erzeugnisse eine nach Maßgabe des Umfangs des Loses festgelegte Obergrenze nicht überschreitet. In diesem Fall kann ein Los Geflügelfleisch, das eine die vorgesehene Toleranzgrenze nicht übersteigende Zahl von Erzeugnissen enthält, die herausragende gebrochene Knochen aufweisen, ohne Beschränkung in der Gemeinschaft vermarktet werden.

32 Zweifellos stellen diese Bestimmungen, die Mindestanforderungen vorsehen, damit Geflügelfleisch als "unter normalen Bedingungen" in der Gemeinschaft vermarktungsfähig eingestuft werden kann, Qualitätsnormen dar, denen dieses Fleisch genügen muss, damit seine "gesunde und handelsübliche Qualität" im Sinne des Artikels 13 der Verordnung Nr. 3665/87 festgestellt werden kann.

33 Die "gesunde und handelsübliche Qualität" von Geflügelfleisch, das ausgeführt wird, ist daher anhand der Anforderungen des Gemeinschaftsrechts zu beurteilen, zu denen die in den Artikeln 6 und 7 der Verordnung Nr. 1538/91 aufgestellten gehören. Nowaco gelangt im Übrigen, hilfsweise, zu derselben Feststellung, indem sie vorträgt, dass das Geflügelfleisch, für das eine Ausfuhrerstattung gewährt werde, von "gesunder und handelsüblicher Qualität" im Sinne des Artikels 13 der Verordnung Nr. 3665/87 sei, soweit die für die Handelsklasse B vorgesehenen Vermarktungsnormen beachtet würden.

34 Was Artikel 7 der Verordnung Nr. 1538/91 angeht, so ergänzt er Artikel 6 dieser Verordnung, und auf der Grundlage dieser beiden Artikel lässt sich beurteilen, ob ein Los Geflügelfleisch wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden in Anbetracht herausragender gebrochener Knochen, die bei Geflügelschlachtkörpern in diesen Losen entdeckt wurden, "unter normalen Bedingungen" in der Gemeinschaft vermarktungsfähig ist.

35 Artikel 1 Absatz 3 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1906/90, der bestimmt, dass die Verordnung nicht für zur Ausfuhr aus der Gemeinschaft bestimmtes Geflügelfleisch gilt, steht der Schlussfolgerung in Randnummer 33 Satz 1 des vorliegenden Urteils nicht entgegen. Diese Bestimmung ist im Licht des Zweckes dieser Verordnung auszulegen, der darin besteht, Normen für die Vermarktung innerhalb der Gemeinschaft festzulegen. So bestimmen weder die besagte Verordnung noch die dazu ergangene Durchführungsverordnung Kriterien für die Ausfuhrfähigkeit als solche. Selbst wenn ein Erzeugnis die Qualitätsnormen, die durch die Artikel 6 und 7 der Verordnung Nr. 1538/91 als Kriterien für die Vermarktung in der Gemeinschaft unter normalen Bedingungen festgesetzt sind, nicht erfüllt, kann es grundsätzlich ausgeführt werden.

36 Die in den Artikeln 6 und 7 der Verordnung Nr. 1538/91 enthaltenen Normen sind auf die Ausfuhren selbst, d. h. die Geschäfte, bei denen die Wirtschaftsteilnehmer aus der Gemeinschaft mit solchen aus dritten Ländern in Beziehung stehen, nicht anwendbar. Sie dienen lediglich dazu, den Anspruch auf eine von der Gemeinschaft gewährte finanzielle Zuwendung zu begründen. In diesem Sinne geht es insoweit um einen gemeinschaftsinternen Vorgang, der zwischen dem Wirtschaftsteilnehmer aus der Gemeinschaft und den nationalen Behörden eines Mitgliedstaats ohne Einbeziehung natürlicher oder juristischer Personen aus dritten Ländern stattfindet.

37 Eine Auslegung, nach der es zulässig wäre, die Ausfuhr von Erzeugnissen zu fördern, die den Vermarktungsbedingungen innerhalb der Gemeinschaft nicht genügen, stünde, wie der Gerichtshof bereits im Urteil SEPA (Randnr. 31) festgestellt hat, im Widerspruch zum gemeinschaftlichen System der Ausfuhrerstattungen.

38 Im Übrigen ist, wie es die Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Randnummer 23 ihrer schriftlichen Erklärungen getan hat, klarzustellen, dass die Mindestanforderungen nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1538/91 (wie u. a. die Freiheit von Fremdstoffen oder -geruch und von sichtbaren Blutspuren) solche sind, die unmittelbar die Qualität der Erzeugnisse betreffen, während andere, sich nicht auf die Qualität beziehende Bestimmungen dieser Verordnung (z. B. diejenigen über die Bezeichnung und die Etikettierung von Erzeugnissen), deren Zweck es ist, den Verbraucher und die Wirtschaftsbeteiligten zu informieren, für die Anwendung des Artikels 13 der Verordnung Nr. 3665/87 nicht herangezogen werden können.

39 Somit ist auf die erste Frage zu antworten, dass bei der Feststellung der "gesunden und handelsüblichen Qualität" einer Ware, für die eine Ausfuhrerstattung beantragt wird, die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1538/91, mit denen Mindestqualitätsnormen und Toleranzgrenzen festgelegt werden, insbesondere deren Artikel 6 und 7, anwendbar sind.

40 Dem ist hinzuzufügen, dass die Antwort, die auf die weitere Frage des Bundesfinanzhofs danach, ob diese Verordnung für andere Waren als solche in Fertigpackungen Abweichungen zulässt, zu geben ist, die in Randnummer 39 des vorliegenden Urteils gegebene Antwort nicht berührt.

41 Erstens ergibt sich diese Ungewissheit im Wesentlichen aus den Unterschieden zwischen den einzelnen Sprachfassungen des Artikels 7 der Verordnung Nr. 1538/91. Die deutsche Fassung dieser Bestimmung, die den Begriff "Fertigpackung" ("préemballage") enthält, steht nämlich im Widerspruch zu den anderen Sprachfassungen dieser Bestimmung, darunter der spanischen ("unidad"), der dänischen ("emne"), der griechischen ("µ???da"), der englischen ("unit"), der französischen ("unité"), der italienischen ("unità"), der niederländischen ("produkt"), der portugiesischen ("unidade"), der finnischen ("yksiköt") und der schwedischen ("enhet"). In einem solchen Fall schließt es nach ständiger Rechtsprechung die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts aus, dass der Wortlaut einer Vorschrift isoliert betrachtet wird, sondern verlangt vielmehr, dass er unter Berücksichtigung der Fassungen in den anderen Amtssprachen ausgelegt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juli 1979 in der Rechtssache 9/79, Koschniske, Slg. 1979, 2717, Randnr. 6, vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-296/95, EMU Tabac u. a., Slg. 1998, I-1605, Randnr. 36, und vom 9. März 2006 in der Rechtssache C-174/05, Zuid-Hollandse Milieufederatie und Natuur en Milieu, Slg. 2006, I-0000, Randnr. 20).

42 Neben dem Vergleich des Wortlauts der einzelnen Sprachfassungen der Verordnung Nr. 1538/91 zeigt auch die Prüfung von Aufbau und Entstehungsgeschichte dieser Verordnung, dass von dem Begriff "Einheit" in der Tabelle in Artikel 7 Absatz 3 dieser Verordnung auszugehen ist. Zu beachten ist, dass Artikel 8 der Verordnung Nr. 1538/91 Fertigpackungen gewidmet ist und dass die deutsche Fassung des Artikels 7 dieser Verordnung vor der Änderung durch Artikel 1 Nummer 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2891/93 der Kommission vom 21. Oktober 1993 (ABl. L 263, S. 12) keinen Hinweis auf Fertigpackungen enthielt. Es steht fest, dass diese Änderung nur den Toleranzgrenzen, nicht aber den betreffenden Erzeugnissen galt.

43 Zweitens ist, selbst wenn in Artikel 7 der Verordnung Nr. 1538/91 der Begriff "Fertigpackung" an Stelle des Begriffes "Einheit" zu lesen, d. h. von einem Wortlaut auszugehen sein sollte, wonach die aufgeführten Toleranzgrenzen für Fertigpackungen gelten, der Auffassung des vorlegenden Gerichts und der vom Generalanwalt in den Nummern 45 und 46 seiner Schlussanträge vertretenen Ansicht zu folgen, dass diese Toleranzgrenzen entsprechend auch für nicht in Fertigpackungen enthaltene Erzeugnisse gelten müssen. Sind solche Toleranzgrenzen vorgesehen, wenn das Geflügelfleisch für die Verbraucher, also die Käufer bestimmt ist, die am schutzwürdigsten sind, erscheint es demnach folgerichtig, sie auch dann anzuwenden, wenn das gleiche Fleisch an Zwischenhändler veräußert werden soll.

Zur zweiten Frage

Zur zweiten Frage Buchstabe a

44 Zunächst ist daran zu erinnern, dass der Zollkodex nach seinem Artikel 1 erster Gedankenstrich unbeschadet besonderer, auf anderen Gebieten bestehender Vorschriften im Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und Drittländern gilt. Die Bestimmungen dieses Zollkodex bilden zusammen mit den Durchführungsbestimmungen zum Zollkodex eine allgemeine Regelung für manche Sektoren und Tätigkeiten im Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und Drittländern.

45 Nach der Definition in Artikel 4 Nummer 16 des Zollkodex sind "Zollverfahren" die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, das Versandverfahren, das Zolllagerverfahren, die aktive Veredelung, das Umwandlungsverfahren, die vorübergehende Verwendung, die passive Veredelung und das Ausfuhrverfahren. Das Letztgenannte ist daher, wie die Kommission vorträgt, ein Zollverfahren.

46 Zum Aufbau des Zollkodex ist schließlich darauf hinzuweisen, dass Artikel 70 zu Titel IV (Zollrechtliche Bestimmung) Kapitel 2 (Zollverfahren) Abschnitt 1 (Überführung von Waren in ein Zollverfahren) gehört, während die einzelnen Zollverfahren in anderen Abschnitten dieses Kapitels geregelt sind.

47 Folglich ist Artikel 70 eine der allgemeinen Zollbestimmungen, die für alle Ausfuhrerklärungen für Waren gelten, für die, unbeschadet besonderer Vorschriften, eine Erstattung gewährt wird.

48 Daher ist zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren geltende spezielle Regelung solche Bestimmungen enthält.

49 Erstens ist den Bestimmungen der Verordnung Nr. 3665/87 nicht zu entnehmen, dass Artikel 70 des Zollkodex im Rahmen des Systems der Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse unangewendet zu bleiben hätte. Aus Artikel 3 Absatz 6 dieser Verordnung, wonach im Zeitpunkt der Ausfuhrerklärung oder jeder anderen Handlung mit den gleichen Rechtswirkungen die Erzeugnisse bis zum Verlassen des Zollgebiets der Gemeinschaft unter Zollkontrolle gestellt sind, geht vielmehr hervor, dass die Vorschriften des Zollkodex gelten.

50 Zweitens ergänzt die Verordnung Nr. 386/90, was die Kontrolle bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse betrifft, für die eine Erstattung gewährt wird, nur die allgemeinen Zollvorschriften, indem sie in den Artikeln 2 und 3 u. a. vorsieht, dass die Mitgliedstaaten eine Warenkontrolle bei Erfüllung der Ausfuhrzollförmlichkeiten und vor Überlassung zur Ausfuhr vornehmen und dass die Warenkontrolle durch häufige, unangemeldete Stichproben erfolgt.

51 Auch aus der Verordnung Nr. 2221/95 zur Durchführung der Verordnung Nr. 386/90 ergibt sich nicht, dass sie die Anwendung von Artikel 70 des Zollkodex ausschlösse. Zwar heißt es in der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2221/95, dass es sich als notwendig erweisen könne, bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, für die eine Ausfuhrerstattung gewährt wird, besondere Bestimmungen zu erlassen. Jedoch zieht keine der Bestimmungen dieser Verordnung, selbst wenn sie als besondere Bestimmungen angesehen werden können, die Nichtanwendung des Zollkodex nach sich.

52 Drittens gelten, wie in Randnummer 39 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, bestimmte Vorschriften der Verordnung Nr. 1538/91 auch für die Feststellung der "gesunden und handelsüblichen Qualität" eines Erzeugnisses, für das eine Erstattung beantragt wird. Bei diesen Regelungen handelt es sich ebenfalls um besondere Bestimmungen im Sinne des Artikels 1 des Zollkodex. Auch sie schließen die Anwendung von Artikel 70 des Zollkodex nicht aus, sondern stellen Durchführungsvorschriften für diesen dar.

53 Angesichts dieser Erwägungen ist auf die zweite Frage Buchstabe a zu antworten, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens Artikel 70 des Zollkodex, vorbehaltlich der Ordnungsmäßigkeit der darin vorgesehenen Prüfung, anzuwenden ist, wenn es um die Feststellung geht, ob ein Erzeugnis, für das eine Ausfuhrerstattung beantragt wird, von "gesunder und handelsüblicher Qualität" ist.

Zur zweiten Frage Buchstabe b

54 Das vorlegende Gericht möchte mit dieser Frage wissen, ob die Beschaffenheitsfiktion des Artikels 70 Absatz 1 Unterabsatz 1 des Zollkodex auch dann eintritt, wenn die entnommene Stichprobe keinen im Hinblick auf Artikel 7 der Verordnung Nr. 1538/91 ausreichenden Umfang aufweist und daher nicht festgestellt werden kann, ob die dort vorgesehenen Toleranzgrenzen überschritten sind.

55 Artikel 70 Absatz 1 Unterabsatz 1 des Zollkodex ist eine allgemeine Vorschrift, wonach dann, wenn nur ein Teil der angemeldeten Waren beschaut wurde, die Ergebnisse dieser Teilbeschau für alle in der Anmeldung bezeichneten Waren gelten.

56 Diese Beschaffenheitsfiktion gilt nicht nur für die aufgrund von Zollvorschriften durchgeführte Beschau, sondern, wie sich auch aus der Antwort auf die zweite Frage Buchstabe a ergibt, ebenfalls für die Kontrollen, die gemäß den Vorschriften über die Regelung der Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse und derjenigen über Vermarktungsnormen für Geflügel durchgeführt werden. Die Anwendung dieser Beschaffenheitsfiktion setzt voraus, dass die Bedingungen und der Ablauf der Beschau den in diesen Regelungen festgelegten Kriterien genügen.

57 Artikel 7 Absätze 3 bis 5 der Verordnung Nr. 1538/91 legt die Zahl der nicht konformen Einheiten fest, die gemessen am Umfang des Loses und dem der Stichprobe toleriert werden. Wurde nicht die Mindestanzahl von Stichproben entnommen, lässt sich die Einhaltung dieser Toleranzgrenzen nicht überprüfen.

58 Folglich können dann, wenn sich die Einhaltung dieser Toleranzgrenzen wegen des unzureichenden Umfangs der entnommenen Stichprobe nicht überprüfen lässt, die Ergebnisse der Beschau dieser Stichprobe nicht auf das gesamte Los übertragen werden und können daher für diese nicht gelten.

59 Demnach ist auf die zweite Frage Buchstabe b zu antworten, dass die Beschaffenheitsfiktion des Artikels 70 Absatz 1 Unterabsatz 1 des Zollkodex dann nicht gilt, wenn die entnommene Stichprobe im Hinblick auf Artikel 7 der Verordnung Nr. 1538/91 keinen ausreichenden Umfang hat.

60 In Anbetracht der Antwort des Gerichtshofes auf die zweite Frage Buchstabe b ist die dritte Frage nicht zu beantworten.

61 Gleichwohl ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben hat, die diesem Gericht bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, unabhängig davon, ob dieses in seinen Fragen darauf eingegangen ist oder nicht (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 12. Dezember 1990 in der Rechtssache C-241/89, SARPP, Slg. 1990, I-4695, Randnr. 8, vom 2. Februar 1994 in der Rechtssache C-315/92, Verband Sozialer Wettbewerb, Clinique-Urteil, Slg. 1994, I-317, Randnr. 7, vom 4. März 1999 in der Rechtssache C-87/97, Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola, Slg. 1999, I-1301, Randnr. 16, und vom 7. September 2004 in der Rechtssache C-456/02, Trojani, Slg. 2004, I-7573, Randnr. 38).

62 Im Rahmen der vorliegenden Rechtssache sind insbesondere die Rechte und Pflichten sowie die Haftung der Ausführer und diejenigen der nationalen Zollbehörden bei der Beschau der Erzeugnisse, die mit Gemeinschaftsbeihilfen ausgeführt werden, zu prüfen.

63 Das Gemeinschaftsrecht sieht eine Art von Zusammenarbeit zwischen dem Ausführer und den nationalen Zollbehörden vor, damit die Kontrolle des Ausfuhrvorgangs, für den Erstattungen gewährt werden, ordnungsgemäß erfolgen kann.

64 Nach Artikel 69 Absatz 2 des Zollkodex ist der Anmelder berechtigt, bei der Zollbeschau sowie gegebenenfalls der Entnahme der Muster oder Proben anwesend zu sein. Artikel 70 Absatz 1 Unterabsatz 2 des Zollkodex sieht vor, dass der Anmelder eine zusätzliche Zollbeschau verlangen kann, wenn er der Ansicht ist, dass die Ergebnisse der Teilbeschau auf den Rest der angemeldeten Waren nicht zutreffen.

65 In Randnummer 35 des Urteils Fleisch-Winter hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass es, da der Ausführer mit der Einreichung eines Erstattungsantrags immer ausdrücklich oder stillschweigend versichert, dass eine "gesunde und handelsübliche Qualität" vorliegt, ihm obliegt, nach den nationalen Beweisregeln nachzuweisen, dass diese Voraussetzung tatsächlich erfüllt ist, falls die nationalen Behörden im Hinblick auf die Anmeldung Zweifel äußern. Im Ausgangsverfahren haben das Ergebnis der Zollbeschau und die Entscheidungen des Hauptzollamts gezeigt, dass, auch wenn die Stichproben nicht in hinreichendem Umfang entnommen wurden, die nationalen Zollbehörden im Hinblick auf die Anmeldung des Ausführers Zweifel geäußert haben.

66 Das Gemeinschaftsrecht erlegt aber auch diesen Behörden spezielle Verpflichtungen auf. Insbesondere hat die Ausfuhrzollstelle nach Artikel 5 Absatz 1 Unterabsatz 3 der Verordnung Nr. 2221/95 zu beachten, dass das Erzeugnis, für das eine Ausfuhrerstattung gewährt wird, von "gesunder und handelsüblicher Qualität" ist. Es steht auch außer Zweifel, dass die nationalen Zollbehörden das einschlägige Gemeinschaftsrecht, einschließlich der Vorschriften über die Entnahme von Stichproben, von Amts wegen anzuwenden haben.

67 Zwar verlangen weder die Verordnung Nr. 386/90 noch die Verordnung Nr. 2221/95, dass bei jedem Los eine Warenkontrolle erfolgt, jedoch muss eine solche Kontrolle, wenn sie vorgenommen wird, im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht, einschließlich der Vorschriften über die Entnahme von Stichproben, erfolgen.

68 Daher ist festzustellen, dass es unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens Sache der nationalen Verwaltungsbehörden und Gerichte ist, den Sachverhalt unter Berücksichtigung sämtlicher Beweismittel festzustellen. Diese Beweismittel können die verfügbaren Muster und Proben umfassen, aber auch weitere Mittel, insbesondere die vom zuständigen Beamten, der die Warenkontrolle durchgeführt hat, im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht angefertigten Befunde. Ergibt die Feststellung des Sachverhalts nicht zweifelsfrei, ob ein Anspruch auf Erstattung besteht, hat das nationale Gericht das Verhalten des Ausführers und dasjenige der Zollbehörden in der Weise zu würdigen, dass es feststellt, inwieweit sie jeweils ihre Rechte ausgeübt und ihre Verpflichtungen erfüllt haben, und die angemessenen Konsequenzen hinsichtlich des Anspruchs auf die Ausfuhrerstattung zu ziehen.

Kostenentscheidung:

Kosten

69 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1. Bei der Feststellung der "gesunden und handelsüblichen Qualität" einer Ware, für die eine Ausfuhrerstattung beantragt wird, sind die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1538/91 der Kommission vom 5. Juni 1991 mit ausführlichen Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1000/96 der Kommission vom 4. Juni 1996 geänderten Fassung, mit denen Mindestqualitätsnormen und Toleranzgrenzen festgelegt werden, insbesondere deren Artikel 6 und 7, anwendbar.

2. a) Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ist Artikel 70 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 82/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 geänderten Fassung, vorbehaltlich der Ordnungsmäßigkeit der darin vorgesehenen Prüfung, anzuwenden, wenn es um die Feststellung geht, ob ein Erzeugnis, für das eine Ausfuhrerstattung beantragt wird, von "gesunder und handelsüblicher Qualität" ist.

2. b) Die Beschaffenheitsfiktion des Artikels 70 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 82/97 geänderten Fassung gilt dann nicht, wenn die entnommene Stichprobe im Hinblick auf Artikel 7 der Verordnung Nr. 1538/91 keinen ausreichenden Umfang hat.

3. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ist es Sache der nationalen Verwaltungsbehörden und Gerichte, den Sachverhalt unter Berücksichtigung sämtlicher Beweismittel festzustellen. Diese Beweismittel können die verfügbaren Muster und Proben umfassen, aber auch weitere Mittel, insbesondere die vom zuständigen Beamten, der die Warenkontrolle durchgeführt hat, im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht angefertigten Befunde. Ergibt die Feststellung des Sachverhalts nicht zweifelsfrei, ob ein Anspruch auf Erstattung besteht, hat das nationale Gericht das Verhalten des Ausführers und dasjenige der Zollbehörden in der Weise zu würdigen, dass es feststellt, inwieweit sie jeweils ihre Rechte ausgeübt und ihre Verpflichtungen erfüllt haben, und die angemessenen Konsequenzen hinsichtlich des Anspruchs auf die Ausfuhrerstattung zu ziehen.



Ende der Entscheidung

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