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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 15.05.1997
Aktenzeichen: C-355/95 P
Rechtsgebiete: EG-Satzung


Vorschriften:

EG-Satzung Artikel 49
EG-Satzung Artikel 51
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

4 Der verfügende Teil eines Rechtsakts kann nicht von seiner Begründung getrennt werden, so daß er, wenn dies erforderlich ist, unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen ist, die zu seinem Erlaß geführt haben.

5 Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 1 des Vertrages verleiht der Kommission die Befugnis, vorbehaltlich der Kontrolle des Gerichtshofes ein besonderes Verfahren zur fortlaufenden Überprüfung und zur Überwachung der Beihilfen durchzuführen, die die Mitgliedstaaten einzuführen beabsichtigen. Insbesondere im Rahmen des Artikels 92 Absatz 3 des Vertrages verfügt die Kommission über ein weites Ermessen, dessen Ausübung wirtschaftliche und soziale Wertungen voraussetzt, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind. Die Kommission muß, wenn sie die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt prüft, alle einschlägigen Umstände, gegebenenfalls einschließlich des bereits in einer früheren Entscheidung beurteilten gemeinschaftlichen Kontexts, sowie die Verpflichtungen, die einem Mitgliedstaat durch diese frühere Entscheidung auferlegt wurden, berücksichtigen.

Die Kommission überschreitet also ihr Ermessen nicht, wenn sie in einem bei ihr anhängigen Verfahren betreffend ein Beihilfevorhaben eines Mitgliedstaats zugunsten eines Unternehmens eine Entscheidung erlässt, mit der diese Beihilfe genehmigt, ihre Auszahlung aber wegen der kumulierenden Wirkung der fraglichen Beihilfen ausgesetzt wird, bis das Unternehmen eine alte rechtswidrige Beihilfe zurückgezahlt hat.

6 Aus Artikel 51 der Satzung des Gerichtshofes in Verbindung mit Artikel 112 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung ergibt sich, daß die gerügten Teile des Urteils sowie die rechtlichen Argumente, auf die der Antrag auf Aufhebung des Urteils gestützt wird, in der Rechtsmittelschrift genau angegeben werden müssen.

Diesem Erfordernis ist mit Rechtsmittelgründen nicht genügt, die sich darauf beschränken, Argumente, die bereits vor dem Gericht dargelegt und von diesem zurückgewiesen wurden, zu wiederholen, ohne darzulegen, daß das Gericht bei der Würdigung des Sachverhalts Rechtsfehler begangen hat. Solche Rechtsmittelgründe sind in Wirklichkeit nur auf eine erneute Prüfung des Sachverhalts gerichtet, für die der Gerichtshof nicht zuständig ist.


Urteil des Gerichtshofes vom 15. Mai 1997. - Textilwerke Deggendorf GmbH (TWD) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften und Bundesrepublik Deutschland. - Staatliche Beihilfen - Entscheidungen der Kommission, mit denen die Zahlung bestimmter Beihilfen bis zur Rückzahlung früherer rechtswidriger Beihilfen ausgesetzt wird. - Rechtssache C-355/95 P.

Entscheidungsgründe:

1 Die TWD Textilwerke Deggendorf GmbH hat mit Schriftsatz, der am 20. November 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts vom 13. September 1995 in den verbundenen Rechtssachen T-244/93 und T-486/93 (TWD/Kommission, Slg. 1995, II-2265; nachstehend: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das Gericht ihre Klagen auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung 91/391/EWG der Kommission vom 26. März 1991 betreffend Beihilfen der deutschen Regierung an das Unternehmen Deggendorf GmbH, einen Hersteller von Polyamid- und Polyestergarnen in Deggendorf/Niederbayern (ABl. L 215, S. 16; nachstehend: Entscheidung TWD II), und von Artikel 2 der Entscheidung 92/330/EWG der Kommission vom 18. Dezember 1991 über eine Beihilfe Deutschlands zugunsten der Textilwerke Deggendorf GmbH (ABl. 1992, L 183, S. 36; nachstehend: Entscheidung TWD III) abgewiesen hat.

2 Nach dem angefochtenen Urteil liegt der Rechtssache folgender Sachverhalt zugrunde:

"1 Die Klägerin, die TWD Textilwerke Deggendorf GmbH, ein im Synthesefasersektor tätiges Unternehmen, erhielt im Zeitraum 1981-1983 staatliche Beihilfen in Form einer Investitionszulage von 6,12 Millionen DM der deutschen Bundesregierung und eines zinsvergünstigten Darlehens von 11 Millionen DM des Landes Bayern (nachstehend: Beihilfen TWD I), die bei der Kommission zunächst nicht angemeldet wurden. Im März und im Juli 1985 wurden sie auf wiederholte Anfragen der Kommission von den deutschen Behörden nachträglich angemeldet. Die Kommission erließ dann am 21. Mai 1986 die Entscheidung 86/509/EWG über Beihilfen der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Bayern zugunsten eines Herstellers von Polyamid- und Polyestergarnen in Deggendorf (ABl. L 300, S. 34; nachstehend: Entscheidung TWD I). Darin wird festgestellt, daß die fraglichen Beihilfen zum einen wegen der Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag zuwiderlaufenden Nichtanmeldung bei der Kommission rechtswidrig und zum anderen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar seien, da sie keine der Voraussetzungen des Artikels 92 Absätze 2 und 3 EWG-Vertrag erfuellten, insbesondere weil sie im Widerspruch zum Beihilfekodex für Synthesefasern und -garn (nachstehend: Beihilfekodex) stuenden. In der Entscheidung wurde die Rückforderung der fraglichen Beihilfen angeordnet. Da kein Rechtsbehelf eingelegt wurde, wurde die Entscheidung TWD I bestandskräftig.

2 Am 19. März 1987 nahm das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft die Bescheinigungen über die Investitionszulage von 6,12 Millionen DM der deutschen Bundesregierung zurück, um sie entsprechend der Entscheidung TWD I zurückzufordern. Die Klägerin ging dagegen auf dem nationalen Verwaltungsrechtsweg vor, indem sie beim Verwaltungsgericht Köln klagte und dann gegen dessen Urteil Berufung zum Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen einlegte.

3 Am 31. Oktober 1989 meldete die Bundesrepublik Deutschland bei der Kommission ein zweites Beihilfevorhaben zugunsten der Klägerin an, das einen weiteren Zuschuß von 4,52 Millionen DM und die Gewährung zweier zinsgünstiger Darlehen von 6 und 14 Millionen DM umfasste (nachstehend: Beihilfen TWD II). Am 26. März 1991 erließ die Kommission ihre an Deutschland gerichtete Entscheidung 91/391/EWG betreffend Beihilfen der deutschen Regierung an das Unternehmen Deggendorf GmbH, einen Hersteller von Polyamid- und Polyestergarnen in Deggendorf/Niederbayern (ABl. L 215, S. 16; nachstehend: Entscheidung TWD II). Die Artikel 1 und 2 der Entscheidung TWD II haben folgenden Wortlaut:

"Artikel 1

Die Beihilfen in Form eines Zuschusses in Höhe von 4,52 Millionen DM und zweier zinsgünstiger Darlehen in Höhe von 6 und 14 Millionen DM mit einer Laufzeit von zwölf bzw. acht Jahren und einem Zinssatz von 5 % bei einer tilgungsfreien Zeit von zwei Jahren zur Förderung von Investitionen des Unternehmens Deggendorf GmbH, die der Kommission mit Schreiben vom 31. Oktober 1989 von den deutschen Behörden gemeldet worden sind, sind mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 92 EWG-Vertrag vereinbar.

Artikel 2

Die deutschen Behörden setzen die Auszahlung der in Artikel 1 dieser Entscheidung bezeichneten Beihilfen an das Unternehmen Deggendorf so lange aus, bis die Rückzahlung der in Artikel 1 der... [Entscheidung TWD I] bezeichneten, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen tatsächlich erfolgt ist."

...

5 In der Zwischenzeit hatten die deutschen Behörden der Kommission am 25. Februar 1991 ein drittes Beihilfevorhaben - in Form zweier zinsvergünstigter Darlehen - zugunsten der Klägerin (nachstehend: Beihilfen TWD III) gemeldet. Diese Beihilfen bezogen sich auf Investitionen in dem auf die Herstellung von Textilvorhängen spezialisierten Unternehmen Pietsch, das die Klägerin erworben hatte. Am 18. Dezember 1991 erließ die Kommission die Entscheidung 92/330/EWG über eine Beihilfe Deutschlands zugunsten der Textilwerke Deggendorf (ABl. 1992, L 183, S. 36; nachstehend: Entscheidung TWD III), deren verfügender Teil ähnlich lautet wie der der Entscheidung TWD II. Die Entscheidung TWD III lautet in ihrem verfügenden Teil wie folgt:

"Artikel 1

Die Beihilfen in Form zweier zinsverbilligter Darlehen in Höhe von 2,8 und 3 Millionen DM mit einer Laufzeit von 15 bzw. 8 Jahren und einem Zinssatz von 4,5 % bei einer tilgungsfreien Zeit von drei Jahren, die für das Unternehmen Textilwerke Deggendorf GmbH bestimmt und der Kommission mit Schreiben vom 25. Februar 1991 von den deutschen Behörden gemeldet worden sind, sind mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 92 EWG-Vertrag vereinbar.

Artikel 2

Die deutschen Behörden setzen die Auszahlung der in Artikel 1 dieser Entscheidung genannten Beihilfen an das Unternehmen Deggendorf aus, bis dieses Unternehmen die in Artikel 1 der Entscheidung 86/509/EWG genannten, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen zurückgezahlt hat.

Artikel 3

Die deutsche Regierung teilt der Kommission binnen zwei Monaten vom Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung an mit, welche Maßnahmen sie zu ihrer Durchführung getroffen hat.

..." "

Das angefochtene Urteil

3 Das Gericht hat zunächst die Klagegründe geprüft, mit denen die Unzuständigkeit der Kommission und ein Verstoß gegen die für die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten geltenden Grundsätze geltend gemacht wurden.

4 Zum Klagegrund betreffend die Zuständigkeit der Kommission für den Erlaß des Artikels 2 der Entscheidungen TWD II und TWD III hat das Gericht zunächst in Randnummer 46 darauf hingewiesen, daß bei der Auslegung des verfügenden Teils einer Handlung die Begründung, die zu ihrem Erlaß geführt habe, zu berücksichtigen sei. Nach Prüfung der Begründungserwägungen der Entscheidungen TWD II und TWD III, insbesondere der siebten Begründungserwägung des Abschnitts V der Entscheidung TWD II, in der es heisst: "Die kumulierende Wirkung der rechtswidrigen Beihilfe, deren Rückzahlung von [der Rechtsmittelführerin] seit 1986 verweigert wird, und dieser neuen Investitionsbeihilfe [d. h. der Beihilfen TWD II] würde dem Unternehmen einen übermässigen und unzulässigen Vorteil verschaffen, der die Handelsbedingungen in einem dem gemeinschaftlichen Interesse zuwiderlaufenden Masse beeinträchtigen würde", hat das Gericht in Randnummer 51 befunden, daß die Entscheidungen TWD II und TWD III dahin auszulegen seien, daß die neuen Beihilfen für sich allein mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sein könnten, jedoch ohne Beseitigung der kumulierenden Wirkung der alten und der neuen Beihilfen nicht gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages genehmigungsfähig seien.

5 Das Gericht hat es folglich in Randnummer 52 ausgeschlossen, daß die angefochtenen Entscheidungen als unbedingte Erklärung der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt (Artikel 1), verbunden mit einer rechtswidrigen aufschiebenden Bedingung (Artikel 2), ausgelegt werden könnten. Im Gegenteil ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der beiden Entscheidungen, daß die Kommission ohne die Bedingung in deren Artikel 2 nicht die Vereinbarkeit der neuen Beihilfen TWD II und TWD III festgestellt hätte, sondern daß mit Artikel 2 der beiden Entscheidungen gerade die Feststellung der Vereinbarkeit in Artikel 1 habe ermöglicht werden sollen.

6 Das Gericht hat daher geprüft, ob die Kommission für den Erlaß der Entscheidungen, verbunden mit Bedingungen für die Gewährung der Beihilfen nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages, zuständig war.

7 Insoweit ist es in Randnummer 55 zu der Auffassung gelangt, daß die der Kommission nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages verliehene Befugnis, zu entscheiden, daß eine Beihilfe "umzugestalten" sei, auch einschließe, daß eine Entscheidung der Kommission, mit der eine Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages genehmigt werde, mit Bedingungen verbunden werden könne, um zu verhindern, daß eine genehmigte Beihilfe die Handelsbedingungen in einem dem gemeinschaftlichen Interesse zuwiderlaufenden Masse beeinträchtige. Ausserdem hat das Gericht in Randnummer 56 darauf hingewiesen, daß die Kommission nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes, wenn sie die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt prüfe, alle einschlägigen Umstände einschließlich des bereits in einer früheren Entscheidung beurteilten Zusammenhangs sowie die Verpflichtungen, die einem Mitgliedstaat durch diese vorhergehende Entscheidung auferlegt worden seien, berücksichtigen müsse.

8 Das Gericht hat daraus in Randnummer 56 gefolgert, daß die Kommission bei ihrer Entscheidung zum einen die mögliche kumulierende Wirkung der Beihilfen TWD I und der neuen Beihilfen TWD II und TWD III und zum anderen den Umstand habe berücksichtigen dürfen, daß die mit der Entscheidung TWD I für rechtswidrig erklärten Beihilfen TWD I nicht zurückgezahlt worden seien.

9 In den Randnummern 58 und 59 hat das Gericht schließlich die Rüge geprüft, die Kommission habe ein nicht im Vertrag vorgesehenes Verfahren angewendet, anstatt im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 169 oder nach Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 2 des Vertrages vorzugehen.

10 Insoweit hat das Gericht in Randnummer 59 festgestellt, daß das Verfahren ordnungsgemäß gewesen sei, weil das Ziel von Artikel 2 der Entscheidungen TWD II und TWD III nicht in der Feststellung eines Verstosses gegen die Entscheidung TWD I, sondern darin bestanden habe, die Auszahlung neuer Beihilfen, durch die der Wettbewerb in einem dem gemeinschaftlichen Interesse zuwiderlaufenden Masse verfälscht würde, zu verhindern.

11 In Randnummer 63 ist das Gericht daher zu dem Ergebnis gelangt, daß die Kommission für den Erlaß des Artikels 2 der streitigen Entscheidungen zuständig gewesen sei.

12 Mit dem Klagegrund eines Verstosses gegen die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten war der Kommission von der Rechtsmittelführerin vorgeworfen worden, sie habe zum einen nicht beachtet, daß ein nationaler Rechtsstreit mit demselben Gegenstand anhängig gewesen sei, und sie habe zum anderen gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstossen.

13 Hierzu hat das Gericht in Randnummer 66 festgestellt, die Anhängigkeit eines nationalen Rechtsstreits über die Rückzahlung der Beihilfen TWD I könne nicht die Zuständigkeit der Kommission für den Erlaß aller Maßnahmen berühren, die erforderlich seien, um sicherzustellen, daß der Wettbewerb in der Gemeinschaft nicht verfälscht werde; somit habe die Kommission nicht in die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten eingegriffen.

14 Das Gericht ist deshalb in Randnummer 71 zu dem Ergebnis gelangt, daß die Kommission nach der Rechtsordnung der Gemeinschaft nicht verpflichtet gewesen sei, vor Erlaß des Artikels 2 der streitigen Entscheidungen den Ausgang des nationalen Rechtsstreits abzuwarten. Jede andere Auslegung würde den Artikeln 92 und 93 ihre praktische Wirksamkeit nehmen.

15 Das Gericht hat diese Rügen daher zurückgewiesen.

16 Zu den Klagegründen des Fehlens eines Wettbewerbsvorteils aufgrund der Beihilfen TWD I - da die Mittel verbraucht und die Darlehen zurückgezahlt seien und da die Kommission den Wettbewerbsvorteil, den sie zugrunde gelegt habe, nicht beziffert habe, so daß es nicht möglich sei, die in der Entscheidung TWD II enthaltene Behauptung nachzuprüfen, die Kombination der Beihilfen TWD I und II ergebe ein Nettosubventionsäquivalent von 29 % - hat das Gericht in Randnummer 83 festgestellt, daß die Rechtsmittelführerin keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission nachgewiesen habe; deshalb hat es auch diese Rüge zurückgewiesen.

17 In Randnummer 97 hat das Gericht auch die Klagegründe, mit denen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit gerügt wurde, mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Rechtsmittelführerin die Richtigkeit der Annahme, auf der ihr Vorbringen beruhe, daß nämlich die Summe der Beihilfen TWD II und TWD III den Wert der Beihilfen TWD I übersteige, nicht nachgewiesen habe.

18 In Randnummer 103 hat das Gericht auch die auf die Rechtmässigkeit der Beihilfen TWD I gestützten Klagegründe zurückgewiesen, weil gegen diese Entscheidung nicht rechtzeitig Klage erhoben worden sei.

Das Rechtsmittel

19 Zur Stützung ihres Rechtsmittels, mit dem sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils begehrt, macht die Rechtsmittelführerin sechs Rechtsmittelgründe geltend:

- Erstens habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es den Inhalt und die Tragweite der streitigen Entscheidungen ohne Rücksicht auf den von der Kommission verwendeten Wortlaut ausgelegt habe.

- Zweitens habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es festgestellt habe, daß die Kommission innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeiten gehandelt habe, während sie in Wirklichkeit nicht befugt gewesen sei, in bezug auf die Beihilfen TWD II und TWD III ein Auszahlungsverbot auszusprechen, da für diese Handlungsform keine Rechtsgrundlage vorgesehen sei.

- Drittens habe das Gericht verkannt, daß die Kommission durch diese Vorgehensweise gegen den Grundsatz der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen verstossen habe. Kennzeichnend für diese Verteilung sei nämlich der Umstand, daß die Entscheidungen auf der Ebene der Gemeinschaft getroffen, aber von den nationalen Behörden nach Maßgabe des nationalen Verwaltungsrechts durchgesetzt würden.

- Viertens habe das Gericht verkannt, daß die Kommission einen Ermessensfehler begangen habe, indem sie versucht habe, auf die Rechtsmittelführerin mit Hilfe des Auszahlungsverbots für neue Beihilfen so lange Druck auszuüben, als die alten Beihilfen nicht zurückgezahlt worden seien.

- Fünftens sei das Gericht zu Unrecht der Feststellung der Kommission gefolgt, daß die neuen Beihilfen zusammen mit den alten den Wettbewerb in einem dem gemeinschaftlichen Interesse zuwiderlaufenden Masse verfälschten.

- Sechstens habe das Gericht gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstossen, indem es auf den Betrag der Beihilfen statt auf ihren tatsächlichen Wert abgestellt habe.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

20 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, es habe einen Rechtsfehler begangen, indem es den Inhalt und die Tragweite der streitigen Entscheidungen nach eigenem Gutdünken ohne Rücksicht auf den von der Kommission verwendeten Wortlaut bestimmt habe. Die Kommission habe die Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Artikel 1 der Entscheidungen TWD II und TWD III ausdrücklich und bedingungslos festgestellt und dann in Artikel 2 die Auszahlung eben dieser Beihilfen aus Gründen untersagt, die mit der Rechtmässigkeit der Beihilfen selbst nichts zu tun hätten. Das Gericht habe in den Randnummern 51 und 52 des angefochtenen Urteils zwischen den Artikeln 1 und 2 der beiden Entscheidungen unter Hinweis auf deren Begründungserwägungen zu Unrecht einen Zusammenhang hergestellt, indem es festgestellt habe, daß der verfügende Teil dieser Entscheidungen als Ganzes auszulegen sei, woraus sich ergebe, daß die Vereinbarkeit unter einer Bedingung stehe. Das Gericht habe demnach eine unzulässige Umdeutung vorgenommen, da die Begründungserwägungen einer Entscheidung eine blosse Hilfsfunktion hätten und folglich nicht herangezogen werden könnten, um die rechtliche Aussage einer Entscheidung ins Gegenteil zu wenden.

21 Hierzu ist festzustellen, daß der verfügende Teil eines Rechtsakts nicht von seiner Begründung getrennt werden kann, so daß er, wenn dies erforderlich ist, unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen ist, die zu seinem Erlaß geführt haben.

22 Das Gericht hat daher keinen Rechtsfehler begangen. Aus den vom Gericht in den Randnummern 47 bis 50 des angefochtenen Urteils zitierten Passagen der Entscheidung TWD II, die nahezu gleichlautend auch in der Entscheidung TWD III enthalten sind, geht klar hervor, daß die Kommission mit diesen beiden Entscheidungen die nötigen Konsequenzen aus der zweifachen wettbewerbsverzerrenden Wirkung ziehen wollte, die sich zum einen aus den Beihilfen TWD I und zum anderen aus den Beihilfen TWD II und TWD III ergaben. Angesichts der klaren und völlig eindeutigen Begründung ist es insoweit unerheblich, daß der verfügende Teil der beiden Entscheidungen in zwei Artikel aufgespalten ist, von denen der eine die Vereinbarkeit der Beihilfen TWD II und TWD III mit dem Gemeinsamen Markt feststellt und der andere ihre Auszahlung bis zur Rückzahlung der Beihilfen TWD I aussetzt.

23 Der erste Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten, dritten und vierten Rechtsmittelgrund

24 Der zweite, der dritte und der vierte Rechtsmittelgrund enthalten eine einzige Rüge, mit der die Feststellung des Gerichts, daß die Kommission innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeiten und nicht ermessensmißbräuchlich gehandelt habe, indem sie die Auszahlung der neuen Beihilfen bis zur Rückzahlung der alten Beihilfen TWD I ausgesetzt habe, als rechtsfehlerhaft beanstandet wird. Diese drei Rechtsmittelgründe sind daher gemeinsam zu prüfen.

25 Zunächst ergibt sich aus den Feststellungen zum ersten Rechtsmittelgrund, daß das Gericht die Entscheidungen TWD II und TWD III rechtsfehlerfrei dahin auslegen konnte, daß die neuen Beihilfen so lange nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sein konnten, als die alten rechtswidrigen Beihilfen nicht zurückgezahlt worden waren, da die kumulierende Wirkung der Beihilfen eine beträchtliche Verzerrung des Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt hervorrief. Unter diesen Umständen stellte die Nichtrückzahlung der rechtswidrigen Beihilfen einen sachlichen Grund dar, der rechtmässigerweise bei der Prüfung der Vereinbarkeit der neuen Beihilfen berücksichtigt wurde, so daß die Aussetzung der Auszahlung dieser Beihilfen nicht einem blossen Rückforderungsbescheid gleichgesetzt werden kann.

26 Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 1 des Vertrages verleiht der Kommission die Befugnis, vorbehaltlich der Kontrolle des Gerichtshofes ein besonderes Verfahren zur fortlaufenden Überprüfung und zur Überwachung der Beihilfen durchzuführen, die die Mitgliedstaaten einzuführen beabsichtigen (vgl. Urteil vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-301/87, Frankreich/Kommission, Slg. 1990, I-307, und vom 4. Februar 1992 in der Rechtssache C-294/90, British Ärospace und Rover/Kommission, Slg. 1992, I-493, Randnr. 10). Insbesondere im Rahmen des Artikels 92 Absatz 3 des Vertrages, der mit den streitigen Entscheidungen Anwendung gefunden hat, verfügt die Kommission über ein weites Ermessen, dessen Ausübung wirtschaftliche und soziale Wertungen voraussetzt, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind (Urteil Frankreich/Kommission, a. a. O., Randnr. 49). Die Kommission muß, wenn sie die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt prüft, alle einschlägigen Umstände, gegebenenfalls einschließlich des bereits in einer früheren Entscheidung beurteilten gemeinschaftlichen Kontexts, sowie die Verpflichtungen, die einem Mitgliedstaat durch diese frühere Entscheidung auferlegt wurden, berücksichtigen (Urteil vom 3. Oktober 1991 in der Rechtssache C-261/89, Italien/Kommission, Slg. 1991, I-4437, Randnr. 20).

27 Folglich hat das Gericht in den Randnummern 56 und 59 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Kommission innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeiten gehandelt hat, indem sie zum einen die mögliche kumulierende Wirkung der alten Beihilfen TWD I und der neuen Beihilfen TWD II und TWD III und zum anderen den Umstand berücksichtigt hat, daß die alten Beihilfen TWD I nicht zurückgezahlt worden waren.

28 Da die Kommission mit den Entscheidungen demnach ihr Ermessen nicht überschritten hat, können diese nicht allein dadurch rechtswidrig werden, daß die Rechtsmittelführerin sie als ein Druckmittel ansah, mit dem sie zur Rückzahlung der Beträge veranlasst werden sollte, die sie rechtswidrig besitzt. Wie das Gericht zu Recht festgestellt hat, kann daraus kein Ermessensmißbrauch der Kommission abgeleitet werden.

29 Die Kommission hat innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeiten gehandelt und somit nicht in die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten eingegriffen.

30 Demgemäß sind der zweite, der dritte und der vierte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Zum fünften Rechtsmittelgrund

31 Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund rügt die Rechtsmittelführerin, das Gericht habe in Randnummer 83 des angefochtenen Urteils die Entscheidungen der Kommission zu Unrecht bestätigt, soweit mit diesen festgestellt werde, daß die Beihilfen TWD II und TWD III zusammen mit den Beihilfen TWD I den Wettbewerb in einem dem gemeinschaftlichen Interesse zuwiderlaufenden Masse verfälschten. Sie habe durch die Beihilfen TWD I keinen Wettbewerbsvorteil, da die Mittel verbraucht und die Darlehen zurückgezahlt seien. Eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs sei ausgeschlossen, da sie jedenfalls keinen gemeinschaftswidrigen Wettbewerbsvorteil haben könne: Werde nämlich die Pflicht zur Rückzahlung der alten Beihilfen durch das nationale Gericht bestätigt, sei jeder Vorteil zu erstatten; sollte statt dessen das nationale Gericht anerkennen, daß sie Vertrauensschutz genieße, seien die Vorteile nicht gemeinschaftswidrig, da der Vertrauensschutz auch gemeinschaftsrechtlich zu akzeptieren sei.

32 Aus Artikel 51 der EG-Satzung des Gerichtshofes in Verbindung mit Artikel 112 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung ergibt sich, daß die gerügten Teile des Urteils sowie die rechtlichen Argumente, auf die der Antrag auf Aufhebung des Urteils gestützt wird, in der Rechtsmittelschrift genau angegeben werden müssen (Beschluß vom 24. April 1996 in der Rechtssache C-87/95 P, CNPAAP/Rat, Slg. 1996, I-2003, Randnr. 29, und Urteil vom 17. April 1997 in der Rechtssache C-138/95 P, Campo Ebro u. a./Rat, I-0000, Randnr. 60).

33 Im vorliegenden Fall beschränkt sich die Rechtsmittelführerin jedoch darauf, Argumente, die sie bereits vor dem Gericht dargelegt und die dieses in den Randnummern 82 bis 85 des angefochtenen Urteils zurückgewiesen hat, zu wiederholen, ohne darzulegen, daß das Gericht nach ihrer Auffassung bei der Würdigung des Sachverhalts Rechtsfehler begangen hat. Der Rechtsmittelgrund ist also in Wirklichkeit nur auf eine erneute Prüfung des Sachverhalts gerichtet, für die der Gerichtshof nicht zuständig ist.

34 Dieser Rechtsmittelgrund ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zum sechsten Rechtsmittelgrund

35 Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund rügt die Rechtsmittelführerin einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, weil der Wert der Beihilfen TWD II und TWD III den der Beihilfen TWD I bei weitem übersteige. Das Gericht habe zu Unrecht auf den Betrag anstatt auf den tatsächlichen Subventionswert der Beihilfen abgestellt. Die Berechnungsmethode der Kommission sei daher falsch.

36 Auch bei diesem Rechtsmittelgrund beschränkt sich die Rechtsmittelführerin darauf, die Argumente zu wiederholen, die sie bereits vor dem Gericht dargelegt und die dieses in den Randnummern 94 bis 97 des angefochtenen Urteils mit der Feststellung zurückgewiesen hat, daß die Berechnungen, auf die die Rechtsmittelführerin ihr Vorbringen stützt, falsch seien. Dieser Rechtsmittelgrund ist somit wie der vorstehende nur auf eine erneute Prüfung des Sachverhalts gerichtet und enthält keine rechtlichen Argumente.

37 Der Rechtsmittelgrund ist demnach aus denselben Gründen wie den in Randnummer 33 dieses Urteils genannten unzulässig.

38 Nach alledem ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

39 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsmittelführerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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